Vorfahr, der

[1262] Der Vorfahr, des -s, plur. die -en. 1. Der vor uns in unserm Amte oder in unserm gegenwärtigen Verhältnisse gewesen, er lebe noch, oder sey bereits gestorben; in welchem Falle man auch wohl, obgleich seltener, im weiblichen Geschlechte Vorfahrinn gebraucht. Mein Vorfahr in dem Amte. Der Vorgänger, Vorweser, im Nieders. Vorfate. 2. Personen, welche vor uns gelebt haben, im Gegensatze der Nachkommen, ehedem der Nachfahrer, in welcher Bedeutung es nur im Plural gebraucht wird. Gott[1262] hat dieß Reich uns und unsern Vorfahren gegeben, St. Esth. 6, 10. Wie es ihre Vorfahren gehalten, 2 Macc. 11, 25. Vorältern sind unsere Vorfahren, so fern wir von ihnen abstammen.

Anm. Es ist von dem Zeitworte fahren, welches unter andern ehedem auch leben bedeutete, und diese Bedeutung scheinet auch in diesem Worte Statt zu finden, so daß Vorfahr überhaupt jemanden bedeutet, der vor uns gewesen ist, es sey nun in einem Amte oder in dem Leben. S. 3 Fahren. Wachter und andere legen in der zweyten Bedeutung ein Zeitwort fahren, zeugen, zum Grunde, und erklären Vorfahren durch Vorältern. Allein, theils ist diese Erklärung wider den Sprachgebrauch, theils ist auch das Zeitwort fahren, zeugen, selbst so ausgemacht noch nicht. Überdieß schickt sich diese Bedeutung zu dem noch nicht ganz veralteten Gegensatze, Nachfahrer, nicht. Fahr stehet in beyden Bedeutungen für Fahrer, und in der ersten lautet das Wort in einigen Gegenden ausdrücklich Vorfahrer. Übrigens heißen die Vorfahren in der zweyten Bedeutung im Isidor, bey dem Willeram, Notker u.s.f. Fordhron, Vorderon, Forderen, die Vordern, im neunten Jahrhunderte in der Fränkischen Mundart Forunsergiborana, vor uns gebohren, in der Österreichischen Mundart noch jetzt Vorfordern, Altvordern. So fern die Vorfahren zugleich Ahnen oder Vorältern sind, heißen sie bey dem Ottfried Altmaga, und im Angels. Forefathers, Forthfaederar, Holländisch Veurvaeders. Das Wort Vorfahr kommt in dem Deutschen Livius von 1514 vor.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1262-1263.
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