Vorher

[1272] Vorhẽr, und zu Anfange eines Satzes vorher, ein Nebenwort der Zeit, den Umstand zu bezeichnen, da etwas der Zeit nach eher geschehen ist; da es denn als ein Nebenwort nur alsdann gebraucht werden kann, wenn die Sache, welche der Terminus a quo ist, nicht unmittelbar mit demselben verbunden ist, sondern darunter verstanden wird; im Gegensatze des nachher. Der Kranke hat sich seit gestern gebessert; vorher aber war er sehr gefährlich, d.i. vor dem gestrigen Tage. Ein Jahr vorher, ehe es geschah. Kurz vorher, lange vorher, ehe er kam. Sowohl vorher als nachher. Das ist mir vorher unbekannt gewesen, nämlich, ehe ich es erfuhr. Vorher konnte ich das noch hoffen, aber jetzt ist alle Hoffnung verloren. So auch mit Zeitwörtern: vorher wissen, gehen (der Zeit nach), sehen, bestimmen, bedenken, sagen, u.s.f. mit welchen es als ein Nebenwort nicht zusammen gezogen werden darf, obgleich solches bey ihren Hauptwörtern nothwendig ist; Vorherbestimmung, Vorhersagung. Bey manchen dieser Zeitwörter ist der Terminus a quo nicht deutlich bestimmt, sondern muß aus dem Zusammenhange ersehen werden. Vorher sagen, sehen, wissen, ehe etwas wirklich geschiehet. Vorher bestimmen, in der Theologie, ehe eine Sache zur Wirklichkeit kommt, u.s.f.

Anm. Vorher ist in der Bedeutung von hervor wesentlich unterschieden. Zuweilen gebraucht man dafür nur das kürzere vor, vorgethan und nachbedacht. Man muß dieses Nebenwort nicht mit dem Vorworte vor vermengen, wenn es das her in seiner Gesellschaft hat; vor jemanden her gehen; was vor der Hochzeit her ging. Wo der Dativ zeiget, daß vor die Präposition ist. Ehedem wurde vorher auch von dem Orte gebraucht, vorher gehen, dem Orte nach; wofür aber jetzt voran üblich ist. S. auch Vorherig und Vorhin.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1272.
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