Vorsehen

[1296] Vorsehen, verb. irregul. S. Sehen, welches in doppelter Gestalt vorkommt. 1. Als ein Activum, für vorher sehen, eine nur noch hin und wieder im gemeinen Leben übliche Bedeutung. Wer konnte einen solchen Fall vorsehen? besser vorher sehen. 2. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. (1) Einem Dinge vorsehen, alle mögliche Veränderungen desselben vorher sehen und bestimmen; eine jetzt größtentheils veraltete Bedeutung, von welcher indessen noch das Hauptwort die Vorsehung üblich ist. Nur in einigen Gegenden höret man noch zuweilen in engerer Bedeutung, ich habe der Sache schon vorgesehen, d.i. vorgebeuget, sie zum voraus veranstaltet. Siehe Vorsehung. (2) Sich vorsehen, als ein Reciprocum, eigentlich vor sich sehen, damit man im Gehen keinen Schaden nehme. Wenn die Sänftenträger in Ober-Deutschland die vor ihnen hergehenden mit einem aufgeschaut! warnen, so rufen sie in Obersachsen vorgesehen! Sich vorsehen bedeutet überhaupt aufmerksam seyn, daß man keinen Schaden oder Verlust leide. Darum hüte dich und siehe dich wohl vor, Sir. 13, 17. Er hat sich schlecht vorgesehn, daß er dich zum Vorsprecher angenommen hat. Die Person, vor welcher man sich hütet, bekommt das Vorwort vor. Sehet euch vor vor dem Sauerteige der Pharisäer, Marc. 8, 15; für (vor) den falschen Propheten, Matth. 7, 15. Indessen gebraucht man vorsehen im Hochdeutschen am häufigsten mit dem Bindeworte daß. S. Vorsicht.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1296-1297.
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