Wahrlich

[1347] Wáhrlich, adv. welches nur als eine gelinde Betheurungs Formel für gewiß gebraucht wird. Es ist wahrlich nicht an dem. Er ist wahrlich unschuldig.

Anm. Bey dem Ottfried uuarlich, der es aber als ein Adjectivum für wahr gebraucht. Es ist vermittelst der Ableitungssylbe lich von wahr gebildet, und vermöge dieser Abstammung sollte die erste Sylbe gedehnt lauten, wāhrlich, dagegen sie durchgängig geschärft gesprochen wird, als wenn das Wort warrlich geschrieben wäre; eine Erscheinung, welche viele befremdet hat, die daher entweder die Aussprache, oder die Schreibart verändert wissen wollten. Die Aussprache ändern zu wollen, möchte vergebens seyn, weil sie in allen Mundarten, so viel ich weiß, allgemein ist; und die Schreibart läßt sich um der nächsten Abstammung willen nicht ändern. Es kommt daher nur darauf an, diese Abweichung da sie einmahl geduldet werden muß, zu entschuldigen, und den Grund, unter dessen Schutz sie sich eingeschlichen hat, aufzusuchen. Dieser ist nun leicht zu finden, wenn man nur erwäget, daß hier zwey streitige Analogien zusammen kommen, da denn nothwendig die eine nachstehen muß; eine, nach welcher die Wurzelsylbe in der Ableitung völlig unverändert bleibt, folglich wahrlich, und die andere, nach welcher zwey auf einen Vocal folgende Consonanten denselben schärfen, also wárlich, wie mögen,[1347] ich mag, ich mochte, sehen, Sicht, stehen, Stand, fliehen, Flucht, drey, dritte, groß, größte, wohl, Wollust, und hunderte andere mehr. In diesem Worte suchte man, so wie in einigen andern, beyde streitige Analogien zu vereinigen, und folgte der ersten in Ansehung der Schrift, und der letzten in Ansehung der Aussprache; d.i. man schreibt wahrlich, und spricht warlich. Auf ähnliche Art schreibt man vierte, Viertel, vierzig, Pohlnisch, dieß, und spricht virte, Virtel, virzig, Polnisch, diß.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1347-1348.
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