Wanken

[1381] Wanken, verb. regul. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, sich langsam hin und her bewegen. 1. Eigentlich. Das Erdbeben machte, daß die Häuser wankten. Das wankende Rohr. Ich will jetzt durch den kleinen Hain des wankenden Grases hinsehen, Geßn. Besonders vor Schwäche, Ohnmacht. Im Gehen wanken. Mit den Füßen wanken. Seine wankenden Schritte verrathen Angst und Entsetzen. Wenn meine Hand des plappernden Kindes wankenden Fußtritt leitete, Geßn. Ingleichen aus Mangel der gehörigen Festigkeit, da man das Wort in der edlern Schreibart gern für das niedrigere wackeln gebraucht, welches, vermöge seiner Bildung, ein schnelleres Hin- und Herbewegen fester Körper bezeichnet. Der Tisch, der Stuhl wanket. 2. Figürlich. (a) Sich ein wenig aus seiner Lage bewegen,[1381] wie weichen. Wenn du wankest, so tödte ich dich. Die Armee fing an zu wanken. Nicht wanken noch weichen, unbeweglich da stehen. (b) Anfangen, sich zu verändern, besonders aus einem vortheilhaften Zustande in einen nachtheiligern zu gerathen. Der Sieg fing an zu wanken. Das wankende Glück. So manches Herz, das auf der Bahn der Tugend zu wanken anfing, hat an dem Freunde eine Stütze gefunden, Gell. (c) In der Rede wanken, nicht mit sich selbst übereinstimmen, eine Sache auf verschiedene Art vortragen. (d) In Ansehung der Entschließung, der Gemüthsstellung, anfangen, von seinem Entschlusse, von seiner Meinung abzugehen. Viele Aufrührer fingen bereits an, zu wanken. Diejenige Stärke der Seele, welche in keinem Sturme des Schicksals wanket. Sein Herz glaubt vielleicht schon fest zu seyn, o wie bald kann es wanken?

So auch das Wanken.

Anm. Schon bey dem Ottfried und andern alten Schriftstellern uuankon, im Schwed. vanka. Es ist ein Intensivum von einem veralteten Verbo, wanen, oder wenn man das n für zufällig hält, von wegen; im erstern Falle unterscheidet es sich, dem Baue nach, von wandeln, wandern, wenden, winden u.s.f. nur durch die Ableitungssylbe. Ehedem hatte man davon auch das Substantivum Wank, welches sowohl eigentlich eine wankende Bewegung, als auch figürlich, den Zweifel, (ana wank, ohne Zweifel, Ottfried,) und das Ende bedeutete. Mit vorgesetztem Zischlaute, und darin gegründeten Änderung der Bedeutung, ist aus wanken, schwanken gebildet. Im Niederdeutschen ist wanken ein sehr gangbares und allgemeines Wort für gehen überhaupt, nach eben der Figur, nach welcher ehedem auch wallen, gehen bedeutete; zu Hause wanken, ohne daß dabey ein Nebenbegriff der Schwäche oder der unstäten Bewegung Statt fände. In dieser Bedeutung des Gehens kommt es auch bey dem Ottfried vor.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1381-1382.
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