Weib, das

[1440] Das Weib, des -es plur. die -er, Diminut. Weibchen, Oberd. Weiblein. 1. Eine Person weiblichen Geschlechtes, ohne Rücksicht auf Alter, Stand und Heirath. Sich als ein Weib verkleiden. Die Natur weinet, wenn ein Weib gebohren wird. Alle Weiblein in unserer Haushaltung, alle weibliche Personen. In weiterer Bedeutung wird auch ein weibliches Individuum von allen Thieren ohne Unterschied, doch nur im Diminutivo, das Weibchen, im Oberd. Weiblein, genannt; im Gegensatze des Männchens oder Männleins. Die natürliche Form Weib ist in diesem Verstande so wenig üblich als von Mann. Das Weibchen des Elephanten, des Hahnes, des Karpfen, des Sperlinges u.s.f. im gemeinen Leben die Sie. 2. Eine verheirathete weibliche Person, eine Frau. Ein Weib nehmen. Jemanden seine Tochter zum Weibe geben. 3. Alte Weiber, ein Nahme, welcher zwey Arten von Fischen gegeben wird, sowohl[1440] dem Labrus Tinca Linn. als auch der größten Art Stockfische, Balistes Vetula Linn. Beyde heißen im Franz. Vielles, im Engl. Oldwife. Nach einer niedrigen Figur ist ein altes Weib eine feige zur Unzeit weichherzige Mannsperson.

Anm. 1. So wenig das Wort im Hochdeutschen als veraltet angesehen werden kann, so eingeschränkt ist doch dessen heutiger Gebrauch. In den mittlern Zeiten wurde es in den angegebenen beyden Bedeutungen in allen Fällen, und selbst von vornehmen Personen, ohne Anstoß gebraucht, daher es in denselben in der Deutschen Bibel noch so häufig ist. Allein, daß man schon sehr frühe angefangen hat, etwas Unedles in dem Worte zu empfinden, erhellet aus dem Walther von der Vogelweide, welcher um den Anfang des 13ten Jahrhunderts lebte, und dawider eifert, daß man dem Worte Weib das Wort Frau vorzuziehen anfing.


Wib muos jemer sin der wibe hohste name

Und tuiret bas danne Frowen als ichs erkenne

Swa der deheiniu si die sich ir Wibheit schame

Die merk e disen Sanc und kiese ouch denne

Under Frowen sint unwip

Under Wiben sint sie tiure, u.s.f.


S. 116 der Manessischen Sammlung. Und S. 119 sagt er von Deutschland:


Sem mir Got so swiure ich wol das da diu Wib

Bessers sint danne anderswa die Frowen.


Woraus zu erhellen scheinet, daß schon zu seiner Zeit das Wort Weib mehr von niedrigen, Frau aber mehr von vornehmen Personen gebraucht worden. Ist in den spätern Zeiten dieser Unterschied großen Theils wieder verlohren gegangen, so rühret es vermuthlich daher, weil nach den Zeiten der Hohenstaufen der wenige Geschmack und feine Empfindung wieder abzunehmen anfingen, und erst in den neuesten Zeiten wieder erwachten. Jetzt wird dieses Wort im Hochdeutschen noch in folgenden Fällen gebraucht. 1. Im gemeinen Leben von geringen verheiratheten, oder doch bejahrten weiblichen Personen. Ein Bauerweib, Bettelweib u.s.f. 2. In der vertraulichen Sprechart von einer verheiratheten Person, doch in Oberdeutschland häufiger, als in Obersachsen. Dort ist nichts gewöhnlicher, als daß man mein Weib für meine Frau höret. 3. In der Dichtkunst und höhern Schreibart, doch gemeiniglich nur von einer herzhaften, männlichen weiblichen Person. Dieser Nebenbegriff der Stärke und Rüstigkeit scheint auch die wahre Ursache zu seyn, warum dieses Wort in den obern Classen von der Zeit an verächtlich geworden, da man mehr Sanftmuth, Milde und Zärtlichkeit, als Stärke und Männlichkeit, von dem andern Geschlechte erwartet. Indessen ist das Diminutivum Weibchen, wo dieser Nebenbegriff wieder sehr geschwächt wird, von verheiratheten weiblichen Personen in den vertraulichen Sprecharten üblicher. In vielen der folgenden Zusammensetzungen, wo Weib voran stehet, und folglich das Bestimmungswort ist, verlieret sich der verächtliche Nebenbegriff, dagegen er wieder kommt, wenn es hinten stehet, oder das bestimmte ist, Eheweib, Soldatenweib u.s.f. S. Frau, Gattinn, Gemahlinn.

Anm. 2. Dieses Wort ist so alt, als die Sprache, und lautet schon von den ältesten Zeiten an Wip, Wib, und im Plural Wibo, im Nieders. Wief, im Schwed. Vif, und Angels. Wife. Dieses hohe Alter und die einfache Beschaffenheit, da es ein völlig nacktes Wurzelwort ist, macht auch dessen ursprüngliche Bedeutung äußerst dunkel. Wachters Ableitung von weben, weil das Weben eine der ältesten Beschäftigungen ist, ist so albern als möglich, und zwar aus mehr als Einer Rücksicht. Weib ist ein wahres Wurzelwort, an welchem sich keine Spur einiger Ableitung findet; allein weben ist abgeleitet, wie aus der Endung des Infinitives[1441] en erhellet. Ein Wurzelwort von einem abgeleiteten abzuleiten, ist etymologischer Unsinn. Von weben können wohl Webe, Gewebe, Weber u.s.f. abstammen, aber gewiß nicht Weib. Und über dieß ist dieses Wort in der Deutschen und den verwandten Sprachen älter, als die Kunst, zu weben. An eine Ableitung ist also bey diesem Worte so leicht nicht zu gedenken, eher an einen ältern ursprünglichen Begriff, den ich, wenn es bloß Rathens gölte, eher in dem Ulphilanischen waibjan, binden, zu finden hoffte, und da würde Weib eigentlich eine Gebundene heißen, und dem ältesten Zustande der Rohheit, da die Weiber immer Sclavinnen waren, angemessen seyn. Daraus würde denn auch begreiflich werden, warum Weib und Frau, eigentlich eine Freye, einander schon so frühe entgegen gesetzt worden. Doch der Etymologie muß gerade nicht alles ableiten wollen; wenn er es aber will, so muß er ein Paar Ungereimtheiten nicht achten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1440-1442.
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