Weltweisheit, die

[1484] Die Wêltweisheit, plur. car. die Kenntniß der natürlichen Dinge in der Welt, wie und warum sie sind, und die Sammlung der dazu gehörigen Vernunftwahrheiten; ein Ausdruck, welcher schon vor langen Zeiten Statt des ausländischen Philosophie eingeführet worden; denn schon im Willeram ist Weltwiso, ein Philosoph. Dem Baue des Wortes nach ist es eigentlich denjenigen Lehren entgegen gesetzt, welche positiven oder willkührlichen Ursprunges sind, wohin besonders die Theologie und Rechtsgelehrsamkeit gehören, daher in manchen Fällen auch noch jetzt alle übrige Wissenschaften zur Weltweisheit oder Philosophie im weitesten Verstande gerechnet werden. Beyde Ausdrücke, sowohl der Griechische, Philosophie, eigentlich Liebe zur Weisheit und Gelehrsamkeit, d.i. zu deutlichen Begriffen, als der Deutsche, Weltweisheit, sind freylich sehr unbestimmt; allein in dem Deutschen ist das Unbestimmte merklicher und auffallender, als in dem ausländischen, und dieß ist vermuthlich die Ursache, warum Philosoph und Philosophie noch immer gewöhnlicher sind, als Weltweiser und Weltweisheit. Philosoph hat über dieß noch den Vortheil,[1484] daß sich davon das Adjectivum philosophisch bilden lässet, welches von Weltweisheit nicht angehet; indem weltweise, wenn es auch als ein Adjectivum üblich wäre, sich nur selten für philosophisch würde gebrauchen lassen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1484-1485.
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