Wider

[1520] Wider, eine Präposition, welche nur allein mit dem Accusative gebraucht wird. Sie bezeichnet: 1. Eigentlich, die Richtung einer Bewegung in gerader Linie gegen einen andern Körper, doch daß damit ein Widerstand verbunden sey, derselbe mag nun von dem Subjecte oder von dem Objecte, oder von beyden zugleich herrühren, welcher letztere Fall der gewöhnlichste ist. Wider den Strom schwimmen. Mit dem Kopfe wider die Wand laufen. Wider den Stachel läcken. Der Begriff des Widerstandes ist sowohl in dieser, als der folgenden figürlichen Bedeutung, dem heutigen Gebrauche nach nothwendig, und dadurch unterscheidet es sich von gegen, welches in viel weiterer Bedeutung gebraucht wird, und die bloße Richtung bezeichnet. S. dieses Wort. Ehedem gebrauchte man auch wohl wider auf ähnliche Art. Wider den Altar rufen, die Hand wider jemanden ausrecken, für gegen, 1. Kön. 13, 2. 4. Richte dein Angesicht wider Jerusalem, Ezech. 21, 2. Und du, Bruder, fing ich wider Buchnern an, Opitz. Im gemeinen Leben ist auch dieser Gebrauch noch nicht ganz veraltet, wohl aber in der anständigen Schreibart. 2. Figürlich, einen Gegenstand des Widerstandes, der Beleidigung, der Übertretung, der Abneigung zu bezeichnen. Des Widerstandes und Widerspruches. Jemanden Schutz wider seine Feinde gewähren. Wider jemand streiten.


Da wider ihn mehr Feinde sich gesellten,

Als dir die Nachwelt glauben darf,

Raml.


Keine Thräne ruft wider ihn um Hülfe. Die Demuth ist im Himmel und auf Erden angenehm, alles hingegen ist wider den Stolz. Sich wider eine Sache erklären. Er ist sehr dawider. Wider sein Gewissen handeln, etwas thun, was man als unrecht erkennet. Wider Gewalt kann ich nicht. Sich wider jemand setzen. Ein Schirm wider die Hitze. Ein Mittel wider das Fieber. Sich wider die Kälte verwahren. Es geschahe wider meinen Willen. Wider alle meine Erwartung. Der Übertretung. Wider seine Pflicht, wider das Gesetz handeln. Wider Recht und Billigkeit. Wider alle Wahrheit. Wider die Gebühr. Wider besser Wissen und Gewissen. Wider sein Versprechen.

Anm. 1. Dieses alte Wort lautet schon von den frühesten Zeiten an widhar, und ward ehedem auch häufig mit dem Dative gebraucht, widar mir, Notker. Im Niederdeutschen wedder, im Ulphilas vithra, im Schwed. veder. Von dem seit langen Zeiten eingeführten orthographischen Unterschiede zwischen dieser Präposition wider und dem Adverbio wieder, siehe das letztere.

Anm. 2. Die Verba, mit welchen diese Präposition zusammen gesetzt wird, sind in Ansehung der Form von gedoppelter Art. In einigen wenigen ist die Präposition trennbar, indem sie in der Conjugation hinter das Verbum tritt, da denn dieses im Participio das gewöhnliche Augment bekommt. In diesen ruhet der Ton allemahl auf der Präposition. In andern ist die Präposition untrennbar, daher der Ton auf dem Verbo ruhet, und das Augment wegfällt. Von der ersten Art sind: widerbellen, widerdrucken, widerhalten, widerreden; von der letztern aber: widerfahren,[1520] widerlégen, widerrāthen, widerrúfen, widersétzen, widerspréchen, widerstéhen, widerstrében und widerstreíten. Folglich: ich belle wider, widergebéllet; aber ich widerspréche, widerspróchen. Die letzte Classe ist älter und von allgemeinerm Gebrauche; die erste neuer und seltener. In den mit wider zusammen gesetzten Nennwörtern ruhet der Ton gleichfalls auf der Präposition; außer wenn das Wort vier- oder mehrsylbig ist. Wíderhalt, Wíderspruch, Wíderstand; aber Widerréchtlichkeit, Widersétzlichkeit.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1520-1521.
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