Wohnen

[1600] Wohnen, verb. regul. neutr. mit dem Hülfsworte haben, seinen beständigen Aufenthalt an einem Orte haben. 1. Eigentlich. (1) Von dem Orte im weitesten Verstande. In der Stadt, auf dem Lande wohnen. In Afrika, in Rom wohnen. In Höhlen wohnen, auf einem Berge wohnen. Die wilden Thiere wohnen in einsamen Gegenden. (2) In engerer Bedeutung, von dem Gebäude, in welchem man seinen gewöhnlichen, oder beständigen Aufenthalt hat; da es denn sowohl von dem eigenthümlichen, als auch gemietheten Aufenthalte gebraucht wird. In einem Pallaste, in einer Hütte wohnen. Bey jemanden wohnen, in dessen Hause. Einem gegen über wohnen. Am Flusse, an der Straße wohnen. Bequem, angenehm, unbequem, schlecht wohnen, eine solche Wohnung haben. Im ersten Stock, hinten aus, unter dem Dache wohnen. Ich weiß ihn wohnen, im gemeinen Leben, ich weiß, wo er wohnt. 2. Figürlich. (1) An einem Orte einheimisch seyn. So sagt man, eine Pflanze wohne in China, wenn sie dort wild wächset. Golderz wohnet in Ungarn, wenn es daselbst häufig gebrochen wird. (2) Sich auf eine beständige Art thätig und gegenwärtig beweisen. Ein Herz, in welchem die Tugend, das Laster wohnt. Es kann keine gute Neigung in einem Herzen wohnen,[1600] wo die unmäßige Begierde nach Reichthum herrscht, Gell.


Und lügt die Stirn auch Fröhlichkeit,

So wohnt im Herzen Mißvergnügen,

Weisse.


Daher das Wohnen und die Wohnung. S. das letztere im Folgenden besonders.

Anm. Dieses Wort lautet schon von des Kero Zeiten an, wonan, im Nieders. wanen, im Engl. to won. Es bedeutete ehedem nicht bloß wohnen in dem heutigen Verstande, sondern verharren, bleiben, überhaupt. Ther wonat in der guati, der im Guten bleibet, verharret, Ottfried, und im Kero ist duruhwonan, verharren, perseverare. So alt nun dieses Wort auch ist, so lässet es sich doch leicht in seine ersten Bestandtheile auflösen. Das n in der Mitte zeiget, daß es ein Intensivum ist, so wie dehnen, sehnen, gähnen u.s.f. Die Wurzel ist folglich entweder unser wo, woen, sich an einem Orte befinden, oder auch das veraltete Verbum bauen, welches gleichfalls für wohnen gebraucht wurde, im Kero puan, und im Dänischen noch jetzt boe. Daß b und w gern in einander übergehen, ist bekannt genug. S. auch 1. Bauen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1600-1601.
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