Wuchern

[1618] Wúchern, verb. regul. welches auf gedoppelte Art gebraucht wird. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. (1) Sich vermehren, sich ausbreiten; doch nur noch von Gewächsen. Ein Gewächs wuchert, wenn es sich stark ausbreitet und vermehret, besonders, wenn selbiges vermittelst der Wurzeln geschiehet. Ein eingewuchertes Unkraut. (2) Gewinn zu erwerben suchen, wo es sowohl in gutem als nachtheiligem Verstande, d.i. sowohl von einem rechtmäßigen und billigen, als unerlaubten und unbilligen Gewinn gebraucht wird. Mit seinem Gelde wuchern. Besonders figürlich. Mit seinem Pfunde wuchern, seine Fähigkeiten zu seinem und anderer Nutzen anwenden. (3) Im engsten und gewöhnlichsten Verstande ist wuchern, mit etwas wuchern, unerlaubten, unbilligen Gewinn zu erhalten suchen. 2. Als ein Activum, durch Wucher erwerben. Viel Geld zusammen wuchern. Ingleichen als ein Reciprocum, sich reich wuchern, sich durch Wucher Reichthum erwerben. So auch das Wuchern.

Anm. Dieses alte Wort lautet schon von den frühesten Zeiten an, wuochern, wochern, und bedeutete ehedem bald wachsen, bald ersparen, erwerben überhaupt, bald Früchte tragen u.s.f. Allein seine erste ursprüngliche Bedeutung ist, vermehren. Es ist dabey ein Iterativum, oder Intensivum, daher man nur auf die Wurzelsylbe wuch zu sehen hat, und diese ist mit der ersten Sylbe in wachsen einerley, indem die Vocale unaufhörlich in einander übergehen; z.B. Wuchs. Wuchern und wachsen sind daher bloß in der Form der Ableitung unterschieden. Da auch das w so wie das b in manchen Sprachen ein bloß müßiger Vorsatz ist, so gehören unser auch und das Lateinische augere gleichfalls zur Verwandtschaft. Im Schwedischen ist Ocker, Isländ. Okur, Dän. Aager, Wucher, von öka, vermehren.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1618.
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