Zerstreuen

[1692] Zerstreuen, verb. regul. act. 1. Eigentlich, aus einander streuen. Staub, welchen der Wind zerstreuet. 2. Figürlich. (a) Auf eine fehlerhafte Art aus einander theilen. Der Mahler zerstreuet seine Lichter, wenn sie nicht genug durch Schatten contrastiret sind, und daher das Auge verblenden. (b) Theilen und dadurch unwirksam oder unmerklich machen. Jemandes Furcht zerstreuen. Wir müssen den Verstand anwenden, durch sein Licht den falschen Glanz des Lasters zu zerstreuen, Gell. Die Sonne, die den Nebel zerstreuet. Jemandes Besorgnisse zerstreuen. (c) Die Aufmerksamkeit auf mehrere fremdartige Dinge lenken. So zerstreuet man einen Bekümmerten, wenn man dessen Aufmerksamkeit von dem Gegenstande seines Grames auf andere Dinge lenket. Sich ein wenig zerstreuen, seine Aufmerksamkeit von den gewöhnlichen Gegenständen auf andere richten. In engerer Bedeuzerstreuet[1692] man sich und andere, wenn man die Aufmerksamkeit auf eine fehlerhafte Art theilet, sie von einem pflichtmäßigen Gegenstande auf fremdartige Dinge lenket. Das Participium zerstreuet wird gemeiniglich in noch engerer Bedeutung von der Fertigkeit gebraucht, sich des Zusammenhanges seiner Vorstellungen mit sich selbst unbewußt zu seyn, oder die Aufmerksamkeit mehr auf fremdartige Gegenstände, als auf sich, zu lenken. Zerstreut seyn, den Zerstreuten spielen.

Anm. Schon im Ottfried in eigentlicher Bedeutung, gistreuan; ingleichen zispreitan. Die letztere figürliche Bedeutung scheinet neuern Ursprunges, und nach dem Franz. distrait gebildet zu seyn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1692-1693.
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