Zieren

[1712] Zieren, verb. regul. welches auf eine dreyfache Art gebraucht wird. 1. Als eine Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, einem Dinge zur Verschönerung gereichen. Ehedem zierte der Bart den Mann. Bildsäulen zieren einen Garten. Tropen, wenn sie mit Verstande angebracht werden, zieren eine jede Schreibart. In dieser Form ist zieren mit schmücken und dem vertraulichen putzen gleich bedeutend, nur daß schmücken einen größern Grad der Verschönerung bedeutet, als zieren. S. dasselbe. 2. Als ein Activum, ein Ding durch einen Zusatz von außen verschönern.

[1712] Eine Stadt mit Tempeln, einen Garten mit Bildsäulen zieren. Seine Seele mit christlichen Tugenden zieren. Wenn die Morgenröthe sich mit Rosen zieret. Im Oberdeutschen sagt man noch: eine Braut zieren, eine wohlgezierte Braut, ein geziertes Zimmer, eine schlechte Waare zieren, u.s.f. wofür man im Hochdeutschen theils schmücken, theils putzen gebraucht. S. auch Auszieren und Verzieren. 3. Ein Reciprocum; sich zieren. (1) Unnatürliche, oder gezwungene Geberden aus einer übel verstandenen Wohlanständigkeit machen.


Schau an den Sauertopf, der sich so fromm kann zieren,

Opitz.


– – Jeder Mund, der ohne Kraft und Geist

Sich kindisch ziert, und nur die Zähne weißt,

Haged.


(2) Sich wider seine Neigung aus übel verstandener Wohlanständigkeit weigern. Sie ziert sich ja, wie ein Kind von acht Jahren.


Zur Unzeit stellen sich die Bürgermädchen spröde.

Kein Fräulein ziert sich so,

Zach.


Hierher gehöret eigentlich auch (3) die gezierte Schreibart, worunter man eine gekünstelte oder affectirte Schreibart verstehet, obgleich die Form des Ausdrucks nicht ganz richtig ist, weil zieren in dieser Bedeutung ein Reciprocum ist, die Reciproca aber eigentlich keine Participia Passiva leiden.

Anm. Das Verbum ist alt, und lautet schon bey dem Ottfried zieran, im Nieders. tehren, im Engl. to tire. Die Grundbedeutung ist dunkel. Vielleicht ist unser schier, helle, schön, bey dem Ottfried scioro, schön, die Wurzel. In dem alten Gedichte auf den heil. Anno sind Cieri, Kostbarkeiten, Juwelen. Das Griech. σάρειν, σιρειν, reinigen, vielleicht auch das Hebr. צורה, die Gestalt, scheinen damit verwandt zu seyn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1712-1713.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika