Die Frohnen

[67] Die Frohnen. Zu einer Zeit, in welcher alles, was sich auf Rechte und Kränkungen der Menschheit bezieht, zur Sprache gekommen ist, hat man auch so viel für und wider die Frohnen geschrieben, daß wir uns hier um so eher ein unparteiisches Wort hierüber erlauben, da wir noch täglich so viel einseitige Begriffe über diese Sache im Umlauf finden. Zuerst ein Wort aus der Geschichte, jedoch bloß die Deutschen Frohnen betreffend. Die Frohnen der Deutschen Bauern, von welchen hier bloß die Rede ist, sind nicht aus der alten Leibeigenschaft herzuleiten, wie man dieses so oft zu thun pflegt. Der Leibeigne mit seinen Frohnen – worüber in dem Artikel Leibeigne etwas gesagt werden wird – darf nicht mit dem freien Bauer und seinen Dienstleistungen vermengt werden, welche den nehmlichen Namen führen. Beide waren schon in den ältesten Zeiten von einander verschieden (s. den Art. Bauern); und wenn der Leibeigne fröhnte, weil er seiner Freiheit beraubt war, so entsprangen die Frohndienste des freien Bauers aus einem Vertrage mit seinem Gutsherrn, von welchem er gegen gewisse Dienstleistungen von demselben ein Grundstück erhielt. Ich rede nehmlich hier von den Frohnen, welche der Bauer dem Gutsbesitzer leistet; die dem Landesherrn zu leistenden Dienste gehören (die Frohnen für die Kammergüter abgerechnet, in deren Rücksicht der Landesherr ebenfalls bloß Gutsbesitzer ist) unter die landesherrlichen Abgaben. Aus dieser Darstellung des Ursprungs der Frohnen ergiebt sich von selbst, daß diese an sich keine Ungerechtigkeit enthalten; ja, zu einer Zeit und in einem Lande, in welchem die Industrie noch nicht belebt und der Geldumlauf nur noch in einem schwachen Gange ist, sind die Frohnen nicht nur eine unschädliche, sondern auch eine für den Gutsherrn und den Bauer gleich nützliche Abgabe. Wenn zu einer solchen Zeit und in einem solchen Lande [67] der Gutsherr der Frohnarbeiten zu seiner Erhaltung nicht entbehren kann, so hat der Bauer hier immer noch Zeit übrig, die er, da die Nachfrage nach Arbeit sehr schwach ist, noch zu anderm Verdienst benutzen kann. Dabei vermehren die Frohndienste nicht nur seine Thätigkeit überhaupt, sondern sie erhöhen auch seinen Wohlstand; indem er durch die Nachahmung einsichtsvoller Verwalter oder Pächter herrschaftlicher Güter, welche ihn anhalten, das Land nach ihrer Anweisung zu bearbeiten, sobald er einen guten Erfolg davon sieht, auch seinen Landbau zu verbessern Gelegenheit bekommt. Dieses alles verhält sich ganz anders zu einer Zeit und in einem Lande, in welchem das Selbstgefühl der Menschen erhöht, die Industrie belebt, und das Geld in einem raschen Umlaufe ist. Hier ist dem Bauer eine Auflage an Arbeit im höchsten Grade lästig; hier ist diese Auflage an sich selbst größer als in jenen Fällen, da der Werth der menschlichen Arbeit gestiegen ist; hier steht der Vortheil, den der Gutsherr durch die Frohnen erhält, mit dem Nachtheil, den diese auf den Bauer äußern, in gar keinem Verhältniß. Dieser letzte Punkt bedarf einer Erläuterung. Wie viel von der Zeit, welche der Bauer auf die Frohnen verwendet, geht nicht geradezu verloren, ohne weder dem Bauer noch dem Gutsbesitzer zu Gute zu kommen? Der Bauer arbeitet im Frohndienste nicht halb so viel, als er für seinen eignen Nutzen arbeiten würde, oder auch nur ein Tagelöhner arbeitet, der durch Faulheit sein Auskommen zu verlieren fürchtet. Noch unglücklicher ist dieses Verhältniß oft bei Kammergütern, wo der Bauer oft meilenweit nach dem herrschaftlichen Gute hinziehen muß; welche weite Reise reiner Verlust für ihn ist, ohne Gewinn für den Herrn zu sein. Wie nachtheilig sind demnach unter solchen Umständen die Frohneu, indem sie die Selbstthätigkeit des Bauers niederschlagen und hemmen, die Industrie in ihrem Fortgange stocken machen, ohne jedoch dem Gutsbesitzer verhältnißmäßige Vortheile zu gewähren. Es ist daher der patriotische Wunsch mehrerer Menschenfreunde, daß die Frohnen gegen ein Aequivalent (welches keinem Gutsbesitzer ohne Unbilligkeit versagt werden kann) aufgehoben werden, und das Geld mit seinen heilsamen Wirkungen zu Hülfe genommen werden möge; ein [68] Wunsch, welcher schon an mehrern Orten auf das glücklichste realisirt worden ist, und dessen Bewerkstelligung überall glücken wird, wo nicht Industrie und Geldumlauf noch in der Wiege sind. Nur ein Einwurf findet dagegen Statt, der von Gewicht ist, der Einwurf, daß das für die Frohnen bedungene Geld mit dem Gelde überhaupt seinen Werth verändere. Allein dieser Schwierigkeit wird leicht, wie Büsch zeigt, dadurch begegnet werden können, wenn das Aequivalent für die Frohnen nach einer gewissen jährlichen Kornlieferung bedungen, und diese für die nächsten zehn Jahre zu dem dermahligen Mittelpreise angeschlagen wird, jedoch so, daß es dem Gutsbesitzer auf immer frei bleibt (nach vorhergegangener fünfjähriger Aufkündigung) dieses Korn in Natur zu heben, dem Bauer dagegen ebenfalls unbenommen ist (nach einer durch zwei Drittheile der daran Theil nehmenden Bauern erfolgten Vereinigung) dem Gutsherrn die Geldzahlung zehn Jahre vorher aufzukündigen und wieder in eine Kornlieferung zu verwandeln.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 67-69.
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