Tahmasp Kulichan

[339] Tahmasp Kulichan, auch Schah Nadir, geb. i. J. 1687, einer der thätigsten Männer, aber auch der größten Unmenschen unsers Jahrhunderts. Er hieß eigentlich Nadir, und war anfänglich Persischer Feldherr, verließ aber die Kriegsdienste bald, und wurde Anführer einer mörderischen und gefährlichen Räuberbande. Tahmasp, König in Persien, verzieh ihm gänzlich, und erhob ihn wegen seiner militairischen großen Talente nach und nach bis zum General. Bald aber empfand der König die Folgen dieser Unvorsichtigkeit; denn Nadir, der sich nun auf Befehl des Königs Tahmasp Kuli (Sclav des Tahmasp) mit dem Zusatz [339] des Titels Chan nannte (der größte Ehrentitel, den ihm der König geben konnte), hatte das ganze Heer für sich eingenommen, entthronte seinen Wohlthäter, als dieser ohne ihn mit den Türken Friede geschlossen hatte, führte hierauf im Namen des noch in der Wiege liegenden Prinzen, als dessen Vormund, die Regentschaft, bekam aber im J. 1735 nach einer wider die Türken erfochtenen blutigen Hauptschlacht und nach dem Tode seines Mündels selbst die Königswürde, und wird seitdem oft Schah Nadir genannt. Seine Waffen waren überall siegreich: allein er vergoß zahllose Ströme Bluts, ließ die Ueberwundenen oft hinrichten und ihre Länder in Einöden verwandeln; ja er wüthete selbst gegen seine eignen Unterthanen mit der empörendsten Grausamkeit. Seine Soldaten waren durch die vielen Feldzüge und Plünderungen sehr bereichert worden, und hingen ihm daher so fest an, daß es niemand wagte, dem Despoten die Spitze zu bieten; selbst der Grimm der Geistlichkeit, der er viele Einkünfte entzogen hatte, konnte keinen Plan zu dessen Entthronung zu Stande bringen. Sein größter, aber zugleich auch abscheulichster Feldzug war i. J. 1739 gegen den Großmogul in Hindustan. Er setzte sich durch Tapferkeit und Verrätherei in Besitz aller seiner Länder, plünderte und brandschatzte, ließ die Hauptstadt Delhi einäschern und über 200,000 Einwohner niederhauen, und war dabei noch so frech, sich selbst für eine von Gott gesandte Strafe der Völker auszugeben. Doch i. J. 1747 wurde die Welt von dem Unmenschen befreit; sein Neffe und ein Statthalter verschworen sich, ihn zu tödten. Als die Verschwornen auf ihn eindrangen, flehte er um Gnade; allein man rief ihm zu, daß der, welcher nie Gnade ertheilt habe, auch keine zu empfangen verdiene: und so hauchte er seine Seele unter den Händen der Mörder aus.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 339-340.
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