Friedrich North

[273] Friedrich North, Graf von Guilford. Dieser berühmte Brittische erste Minister, geboren 1732, trat i. J. 1770 ins Ministerium, wo er sich eben so sehr durch seine Talente als durch seine Tugenden auszeichnete. Da indeß überhaupt die königliche Partei dem Volke damals verhaßt war, und North unglücklicher Weise auf dem Plane bestand, die wider England aufgestandenen Amerikaner durch Gewalt zu unterdrücken; so geschah es, daß nur der unparteiische Beobachter seiner Moralität und seiner Geisteskräfte ihm volle Gerechtigkeit widerfahren ließ. North vermied sorgfältig alle Taxen, welche die niedern Classen des Volks drücken könnten. Für seinen Geist war es kein geringes Problem, sich während einer so kritischen Periode so lange zu behaupten, und zwölf Jahre hindurch der Oppositionspartei, an deren Spitze sich Männer wie Fox und [273] Burke befanden, zu widerstehen. Der stärkste Opponent der Maßregeln und Wünsche des Hofes, Fox, der sich im Hause der Gemeinen beinahe verbürgt hatte, den Lord North noch auf das Schaffot zu bringen, war indeß, dem Könige selbst unerwartet, mit demselben versöhnt und einverstanden, wovon die Folge dessen Eintritt in das Ministerium als Staatssecretair war. Diese Verbindung, welche sich auf die Parteien beider Minister im Parlament ausdehnte, wurde die Coalition genannt. Im Vertrauen auf dieselbe wagte es Fox, eine dem Hofe unangenehme Bill ins Parlament zu bringen, nach welcher der Ostindischen Compagnie die Oberherrschaft über ihre großen Erwerbungen in Indien genommen, und dieselbe einer vom Unterhause zu ernennenden Direction übertragen werden sollte. Zum Glück wurde die Sache im Oberhause abgeschlagen; und nun konnte der König wagen, sein ganzes Ministerium zu verändern, und ein neues nach seinem Sinn und dem Rath seiner Freunde, vorzüglich des Lords Temple, zu erwählen. In jedem Brittischen Ministerio ist der Lord of the Exchequer der vorzuglich wichtige. Er muß aber noch nicht von hohem Adel sein, um in dem Unterhause sitzen, und die Propositionen, welche der König selbst nicht zu machen das Recht hat, thun zu können: er muß die Stürme abschlagen, welche die Opposition wider diese Vorschläge, so wie überhaupt wider das Ministerium, wagt; und wenn er dieß nicht mehr konnte, so wurde es noch bis dahin als ausgemacht angesehen, daß er seine Stelle aufgeben mußte. Zu dieser Stelle wurde nun Pitt ausersehen, welcher, obgleich die noch zusammenhaltende Coalition ihn nicht nur im Unterhause beständig abvotirte, sondern auch alles, was dem König und den Ministern unangenehm sein mußte, durch die Stimmenmehrheit durchgesetzt wurde, dennoch nicht wich; denn es war kein Gesetz da, das ihm dieses gebot. Zwei Monathe hindurch dauerte dieser Kampf, bis es endlich dem König d. 25. März 1784 gelang, dieses der Coalition so ergebene Parlament aufzuheben; und seit dieser Zeit ist denn alles im Parlament nach dem Sinne des Hofes gegangen. – Lord North starb den 5. August 1792.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 273-274.
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