Joseph Servan

[240] Joseph Servan stammt aus einer adelichen Familie aus dem ehemahligen Dauphine her, und war eine Zeit lang Unterhofmeister der königlichen Pagen; dann ward er Obristlieutenant bei einem Infanterieregiment, und erwarb sich durch ein brauchbares Werk unter dem Titel: der Soldat ein Bürger, einen großen Ruf, wurde auch an Degraves Stelle, am 9. Mai 1792, zum Kriegsminister ernannt, obgleich der König ungern in diese Wahl willigte. Servan, der der Girondepartei von ganzem Herzen ergeben war, und sich besonders an Roland, bei dessen Frau er gewisser Maßen den Liebhaber spielte, genau anschloß, unterstützte aus allen Kräften die Projecte der dermahligen Machthaber. Er schlug dem zu Folge vor, in der Nähe von Paris ein Lager von 20,000 Mann zu errichten, angeblich um dadurch die Ruhe am bevorstehenden Bundesfeste zu sichern, eigentlich aber um der Girondepartei eine ansehnliche gewaffnete Macht unterthänig zu machen. Der König, welcher wohl voraussah, wie nachtheilig dieser Vorschlag für den Hof ablaufen würde, verweigerte dem darüber von der Nationalversammlung ausgefertigten Decrete die Sanction; und Servan erhielt am 12. Juni 1792 seinen Abschied. Dessen ungeachtet wurde der König auf eine andere Art bald darauf gezwungen, das Decret zu sanctioniren, und Servan am 10. August als Minister wieder angestellt. Seine schwächliche Gesundheit und sein melancholisch-furchtsamer Charakter erlaubten ihm nicht, diesen Posten lange zu behaupten: er nahm am 14. Oct. seinen Abschied; und weil er merkte, daß sich die Girondepartei [240] langsam ihrem Untergange zu nähern anfing, so hielt er es für das Rathsamste, sich aus Paris zu entfernen. Man befürchtete einen Krieg mit Spanien; und Servan wurde deßhalb schon vorläufig zum General der Armee gegen Spanien ernannt, ehe noch die Armee organisirt war. Endlich ging er nach den Pyrenäen ab, hatte anfänglich einige kleine Vortheile über den Feind, wurde aber der darauf erfolgten Niederlagen wegen bald abgesetzt und in Paris verhaftet. Indessen war er doch so glücklich, unter Robespierre der Guillotine zu entgehen, und rechtfertigte sein Betragen 1795 vor einem Kriegsgericht, worauf er wieder völlige Freiheit erhielt, ohne jedoch wieder zu öffentlichen Geschäften gezogen zu werden, weil die Regierung, wahrscheinlich nicht ohne Grund, Mißtrauen in seinen Charakter zu setzen schien.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 240-241.
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