Die Schreibart

[443] Die Schreibart selbst genommen: in dieser Bedeutung wird das Wort Styl in den schönen Künsten in mancherlei Sinne gebraucht: und zwar bezeichnet es[443] 1) in Werken des Geschmacks, besonders der redenden Künste, die Art, die Gedanken vorzutragen. Also das besondere Gepräge, das der Schriftsteller dem Werke beilegt, die Anordnung der Materien, die Art der Darstellung – entweder launig, scherzhaft, witzig, oder auch wieder ernsthaft, trocken etc. – die Einkleidung, die Ordnung und Verbindung der Gedanken gehören eben so gut zum Styl, als auf der andern Seite einzelne Worte und Redensarten – edle oder niedrige, platte oder feine, anständige oder unanständige etc. – ferner der Bau der Periode – steif oder ungebunden, gezwungen oder leicht, holpricht oder fließend – das Wesen desselben ausmachen. Daß der Styl bei einem solchen Werke ein wichtiger Gegenstand sei, sieht man von selbst; und daß er in Werken des Geschmacks von größerer Wichtigkeit sei, als bei speculativen Materien, wo es bloß auf die Sache selbst und auf Belehrung ankommt, ist eben so leicht zu begreifen. Es läßt sich übrigens – wenn man eine Eintheilung annehmen will – wohl der Styl am besten in den hohen (erhabenen), den mittleren (natürlichen) und den niedern eintheilen: ihnen setzt man die hochtrabende, die holprichte und die gemeine oder niedrige Schreibart entgegen. 2) In der Musik versteht man unter Styl einen gewissen unterscheidenden Charakter der Composition, welcher öfters auch eine Verschiedenheit in der Ausführung nöthig macht. Land, Geschmack, Ort, Zeit, Materie – alles dieß hat Einfluß auf die Musik, und bringt die verschiedentlichen Eintheilungen des Styls hervor. So hat man in Ansehung der Länder und des Geschmacks ihrer Bewohner vorzüglich den Französischen und Italiänischen Styl, welchen letztern Rousseau dem erstern bei weitem vorzieht, und den Französischen fade, platt und monotonisch nennt; endlich auch den Deutschen, der denn wohl zwischen jenen beiden die Mittelstraße hält. Es giebt ferner einen gebundenen Styl, welcher vorzüglich in der Kirche herrscht, und alle Regeln der Harmonie genau beobachtet, und eine freie, ungebundene Schreibart, wo man sich schon mehrere und größere Abweichungen von jenen Regeln erlaubt. Von den Oertern, wo die Musiken aufgeführt werden, rühren wieder hauptsächlich dreierlei [444] Eintheilungen des Styls her, nehmlich die in den Kirchenstyl (s. Kirchenmusik), Theaterstyl und Kammerstyl (s. Kammermusik). Dieß sind die hauptsächlichsten Eintheilungen des Styls in Betreff der Musik, außer welchen es noch sehr viele giebt, die aber, da sie meisten Theils auf den Charakter und den Ausdruck eines Stücks Beziehung haben, zum Theil sich von selbst erklären lassen. Richtiger wäre freilich wohl die Eintheilung in die hohe oder pathetische, in die mittlere oder gemäßigte, und in die populaire oder komische Schreibart. Endlich nennt man auch 3) bei einem Gemählde den Styl nicht nur die besondere Art des Mahlers in der Zusammensetzung, in der Zeichnung und Farbengebung, sondern auch etwas von dem Materiellen selbst.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 443-445.
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