Thracien

[151] Thracien war ehemahls ein Land von sehr großer Ausdehnung, indem es gegen Mittag bis an Thessalien und den Peneus, und gegen Mitternacht bis an den Ister sich erstreckte. Ueber das eigentliche Alter desselben läßt sich nichts bestimmtes angeben; so viel aber ist gewiß, daß seine Bewohner eine sehr alte und wilde Nation, aber in viele kleinere Völker abgetheilt war: sie lebten meistens von Krieg und Räubereien; den Ackerbau hielten sie für schimpflich. Anfangs hatten sie ihre eignen Könige, bis sie dann unter die Botmäßigkeit der Macedonier kamen, dann wieder frei wurden, und endlich nach mehreren harten Schlachten unter die Herrschaft der Römer geriethen, wo denn auch nachher Constantin der Große sogar seinen kaiserlichen Sitz zu ihnen nach Constantinopel – damahls Byzantinum – verlegte, wodurch der Ort zum Sitz des Römischen Reichs eingeweiht wurde, bis 1453 es die Türken eroberten, und zu ihrer Hauptstadt machten. – Ihr Land, in welchem einer der bekanntesten Flüsse, der Strymon, und ihre berühmtesten Berge, Rhodope und Hämos, waren, wird von den alten Geographen (z. B. Pomponius Mela) als sehr schlecht, rauh und unfruchtbar – jedoch bloß nur das Innere – angegeben; die Gegenden nach dem Meere zu werden als besser, wenigstens was den Wein anlangt, geschildert: wie denn auch noch h. z. T. dieses Land, das den Namen Romanien oder Romelien führt, oder von seinen Beherrschern, den Türken, auch Icella genannt wird, eben nach dem Meere zu sehr fruchtbare Gegenden hat. (S. d. Art. Romelien, Th. IV. S. 329.) Der berühmte Orpheus war übrigens ein Thracier.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 151-152.
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