Die Vampyren

[289] Die Vampyren spielen in der Geschichte der Gespenster und des Aberglaubens der vorigen Zeit eine bedeutende Rolle. Es sollten dieß nehmlich todte Körper sein, welche einige Zeit nach ihrer Beerdigung des Nachts aus den Gräbern sich heraus machten, den Lebenden das Blut aussaugten, und diese dadurch umbrächten. Um nun solchen blutsaugenden Todten den Appetit zu dergleichen Nachtpromenaden zu benehmen, hätte man sie hinwiederum ausgegraben (dabei denn der Körper, wie sich von selbst versteht, noch unverweset, wohlgenährt, und der Mund voll Blut gefunden worden) und einen Pfahl durch das Herz desselben geschlagen u. s. f. – Was man h. z. T. von dem Vampyr (auch der fliegende Hund genannt), einem Thiere, von dem so viel widersprechende Nachrichten vorhanden sind, weiß, ist immer noch für die Naturgeschichte ziemlich unbefriedigend. Gemeiniglich hat man dieß Thier mit dem Blutsauger für einerlei gehalten; allein beide sind von einander ganz verschieden. Es ist aber der Vampyr [289] eine Art Fledermaus, gewöhnlich von der Größe einer Taube, mit einem dem Hundskopfe sehr ähnlichen Kopfe, kurzen Ohren, mit einer wollig haarigen Haut bedeckt, und von unangenehmen Geruche, übrigens mit den andern Fledermäusen übereinkommend. Auch ihr Umherfliegen ist gewöhnlich zur Dämmerungszeit; und wenn der Mensch ihnen zu nahe kommt, thun sie nichts: nur dann beißen sie sehr scharf, wenn man sie faßt oder reitzt. Auf den Molucken und andern Ostindischen Inseln, auch in Afrika – in ungeheurer Menge aber auf Neu – Holland ist ihr Aufenthalt. Von vielen Völkern werden sie als Leckerspeise verzehrt.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 289-290.
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