Die Whaabys

[404] Die Whaabys, oder Anhänger des Abdul Wechab, haben zu Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts durch ihre Einfälle in das südwestliche Assen [404] ein zu großes Aufsehen verursacht, als daß sie nicht auch hier eine kurze Erwähnung verdienten. In der Mitte des letzten Jahrhunderts machten sie einen kleinen Haufen nomadischer Familien aus, die durch Verwandtschaft, gleichförmige Sitten und Gebräuche verbunden waren, und sich von den übrigen Beduinen, oder herumziehenden Arabischen Völkerstämmen (s. den Art. Beduinen), auch selbst in Rücksicht der Religion absonderten. Nach und nach verbanden sie sich mit mehreren Arabischen Stämmen, machten sich bald die ganze Provinz, wo sie zuerst aufgekommen waren, unterwürfig, und erstreckten sich zuletzt von Mecca an bis an die Ufer des Persischen Meerbusens. Sie hatten nun hierbei vorzüglich einen durch Einsichten und Kenntniß des Korans sich besonders ausgezeichneten Lehrer, Abdol Wahab (Abdul Wechab) an ihrer Spitze (daher rührt auch ihr Name Whaaby), und machten sich durch diesen dem Türkischen Reiche in Asien höchst furchtbar. Besonders verbreiteten sie durch die Einnahme der reichen und heil. Stadt Iman Hussein im Jahr 1802, und besonders durch die Grausamkeit, mit welcher es geschah, allgemeines Schrecken. Dieser Ort, an einem Arm des Euphrat gelegen, und von dem Sohne Aliʼs, Iman Hussein, welcher 680 in dieser Gegend getödtet wurde, also benannt, enthielt ungeheure Schätze von Gold und Edelsteinen, weil die jedesmahligen Beherrscher Persiens das Grabmahl Husseins so reichlich beschenkten, ja, auch in der Folge ein großer Theil der vom Nadir Schach aus Indien mitgebrachten Beute hieher kam. Grund genug, die Habsucht der Whaabys zu reitzen, obgleich selbst ein Tamerlan diesen Ort seiner Heiligkeit wegen verschont hatte. Sie überfielen die Einwohner unvermuthet mit ungefähr 12,000 Mann, suchten den Ort mit Feuer und Schwert auf das schrecklichste heim, ermordeten den größten Theil der Bewohner, auch Weiber, Kinder, Greise, so daß von den 8000 Einwohnern nur etwa 3000 entkamen, und zogen, nachdem sie auch sogar das Mausoleum des Iman zerstört hatten, mit der ungeheuersten Beute, womit sie 400 Kamehle beladen hatten, davon, ohne im mindesten von dem Pascha von Bagdad, der noch Zeit genug Nachricht davon erhielt, verfolgt zu werden. [405] Bloß allgemeines Schrecken war die Folge; selbst der Hof des Königs von Persien legte 40 Tage lang Trauerkleider an – statt die kräftigsten Maßregeln gegen diese Vorschritte zu ergreifen. So drangen sie nun im folgenden Jahr (im Juli 1803) noch mehr vor; und 50,000 Mann stark, griffen sie auch Mecca an, und eroberten es ohne vielen Widerstand, plünderten – wenn auch vielleicht nicht unter Begehung so vieler Grausamkeiten – die Häuser, und selbst das heil. Haus, worin sich Mahomeds Grab befindet, zogen sich aber nach einiger Zeit aus dieser Stadt, und endlich auch ganz in ihre alte Heimath – vielleicht weil sie sich nicht recht sicher glaubten – zurück. Ihr Anführer, Abdul Wechab, wurde endlich gegen Ende des Jahres 1803 von einem eifrigen Muselmann, Iladgi Osmann, ermordet. Dieser, um die Asche des Propheten, welche jener entweiht hatte, zu rächen, zog auf einem Dromedar durch die Arabische Wüste, drang in sein Zelt, als derselbe eben sein Gebet verrichtete, und stieß ihm einen Dolch durchs Herz; der herbeieilende Bruder wurde auch von ihm durchstoßen, bis erst die übrigen Soldaten herbei sprangen, und diesen Märterer in Stücken hauten. Der Sohn Wechabs folgte ihm in der Regierung; und es ist sehr zu befürchten, daß sie sich nach und nach ganz Arabien, da mehrere Stämme sich mit ihnen verbinden, unterwürfig machen werden. – Uebrigens sind diese Whaabys stark und robust, von dauerhafter Gesundheit, rauchen keinen Tabak, sind sehr mäßig in Essen und Trinken; und, so wie sie in vielen andern Dingen von den übrigen Arabern, mit Verachtung und Verwerfung der Gewohnheiten anderer Völker, sich unterscheiden, so haben sie auch in ihrem Aeußern bei weitem nicht das Gefällige der gebildetern Araber, ob sie gleich in Sprache, Kleidung und Religionscerimonieen von diesen wenig abweichen. Ihr Oberhaupt, Schech, theilt die oberste Gewalt mit ihrem Religionshaupte. Sie wohnen in Zelten, die sie mit sich führen, haben aber dessen ungeachtet auch schon Städte (worunter Daryè die gewöhnliche Residenz des Schech ist) und ziemlich bevölkerte Flecken; aber alles dieß ist von dürren, sandigten Wüsten, Gebirgen und beschwerlichen Thälern umgeben, so daß es schwer ist, zu ihnen zu [406] gelangen. – Sie glauben an ein höchstes Wesen, welches das Gute belohnt, das Böse bestraft, erkennen aber keinen Propheten. Sie nehmen den Koran auch an, der, nach ihrer Meinung, vom Himmel gefallen ist, erklären Mahomed für einen guten, rechtschaffenen, aber eben so sterblichen und nicht anzubetenden Menschen. Ihrem Oberhaupte gehorchen sie blindlings, sind unter einander selbst sehr einig, und nur gegen die, die nicht zu ihrer Secte gehören, höchst grausam. Muthig in Gefahren, bieten sie dem Todte Trotz, und erwarten, wenn sie, mit den Waffen in der Hand gegen die Feinde sterben, im künftigen Leben ewige Belohnung.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 404-407.
Lizenz:
Faksimiles:
404 | 405 | 406 | 407
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Brockhaus-1809: Die Whaabys

Pierer-1857: Whaabys