Septimia Zenobia

[469] Septimia Zenobia, eine berühmte, merkwürdige Beherrscherin in der Hälfte des 3ten Jahrhunderts, die sich durch viele große Eigenschaften, durch männlichen Heldenmuth und einen hohen Grad von Klugheit und List über ihr Zeitalter erhob. Sie, die Gemahlin des Odenathus, des Stifters des Palmyrischen Reichs in Syrien, übernahm nach dessen Todte im J. Chr. 267 die Regierung, und verwaltete sie im Namen ihrer Söhne mit vielem Glücke. Bei der Schwäche der damahligen Römischen Kaiser, die ihr Stolzverachtete, hatte sie sich der Oberherrschaft derselben entzogen; sie vergrößerte ihr Reich bald durch beträchtliche Eroberungen, und nahm den Namen der Königin des Orients an. Dem Kaiser Aurelian war es vorbehalten, sie zu überwinden. Nachdem er ihr Heer, welches den hartneckigsten Widerstand leistete, geschlagen hatte, wurde sie endlich selbst in Palmyra: belagert, und alle Hoffnungen eines glücklichen Ausganges für sie waren verschwunden. Aurelian schickte ihr einen Brief, eigenhändig geschrieben, und versprach ihr das Leben, wenn sie sich ihm ergeben würden. Aber Zenobia verwarf diesen Antrag mit Unwillen, und antwortete ihm mit Kaltblütigkeit, daß ihr immer [469] Muth genug übrig bleiben würde, um im verzweifelndsten Falle die Standhaftigkeit der Cleopatra nachzuahmen. Der Kaiser, hierüber aufs äußerste erbittert, wagte einen neuen Angriff, eroberte (im Jahre 273) Palmira, und nahm die Zenobia gefangen. Obgleich nun seine Krieger wünschten, daß er ihr das Leben jetzt nicht schenken möchte, so glaubte doch Aurelian, daß solch ein Weib den Todt nicht verdiente. Er nahm sie daher mit sich nach Rom, und verherrlichte durch sie den glänzenden Triumph, den er hielt. Zenobia erschien in unbeschreiblicher Pracht, in einem mit Edelsteinen reich besetzten Gewande, und war an goldne Ketten gefesselt, die ihr nachgetragen wurden. Ihr schöner Wuchs, ihre schwarzen, lebhaften Augen und eine majestätische Würde in ihrem ganzen Betragen gewannen ihr die Herzen der Römer. Sie erhielt nachher einen ansehnlichen Strich Ländereien in der Gegend von Tibur, wovon sie so viel Einkünfte hatte, daß sie ihrem vorigen Stande angemessen leben konnte. Ihre Töchter wurden mit den vornehmsten Römern verheirathet, ihr Sohn, Vaballath, erhielt ein kleines Fürstenthum in Armenien, und ihre Nachkommenschaft soll noch am Ende des 4ten Jahrhunderts zu Rom geblüht haben.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 469-470.
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