Friedrich der Gebissene

[368] Friedrich der Gebissene, oder mit der gebissenen Wange, Markgraf zu Meißen und Landgraf zu Thüringen, verdient nicht blos als einer [368] der Stammväter des Hauses Sachsen, sondern auch wegen seiner besondern Schicksale hier eine Stelle. Sein Vater Albert, Landgraf zu Thüringen, mit dem Beinamen der Unartige, hatte Kaiser Friedrichs des Zweiten Tochter, Margarethen, zur Gemahlin, mit welcher er Friedrich und Diezmann oder Dietrich zeugte. Allein seine Liebe zu einer Hoffräulein Kunigunde von Eisenberg verleitete ihn sogar zu dem Plane, seine Gemahlin heimlich ermorden zu lassen (m. s. den Art. Thüringen, Th. VI. S. 157.). Zwar mißlang dieser Plan; allein Margarethens Freunde glaubten diese nur durch eine schleunige Flucht ganz retten zu können. Die trostlose Mutter konnte sich kaum von ihren Söhnen trennen; sie überhäufte vorzüglich bei ihrem Abschiede Friedrich mit Küssen, und biß ihn, im heftigsten Ausbruche ihres mütterlichen Schmerzes, in den Backen, so daß Friedrich für immer eine kleine Narbe behielt. Albert, erbittert über das Mißlingen seines schändlichen Vorhabens, trug nun den Haß gegen sie auf seine beiden Söhne über, wollte sie von der Thronfolge in Thüringen ausschließen, und solche auf Apitz, den mit Kunigunden erzeugten Bastard, bringen. Mehrere seiner Ritter und Vasallen sahen die Ungerechtigkeit seines Verfahrens ein, traten auf die Seite seiner beiden rechtmäßig erzeugten Söhne, und es brach zwischen diesen und dem Vater 1281 ein Krieg aus. In diesem war Friedrich so unglücklich, von seinem Vater gefangen genommen zu werden, und mußte ein ganzes Jahr als Gefangener auf der Wartburg zubringen, bis ihn endlich einige seiner getreuen Unterthanen mit Gewalt befreieten. Als er und sein Bruder nachher, nach dem Absterben des Vater-Bruders (der beide Brüder nach Margarethens Flucht erzogen hatte), Dietrichs des Weisen, Markgrafens zu Meißen und Lausitz (1282) und seines Sohnes († 1291), dessen Länder erhielten, und ihr Vater dies nicht zufrieden war, kam es zwischen ihm und seinen Söhnen von neuem zum Kriege, in welchem aber Albert gefangen und nur auf Kaiser Rudolphs von Habsburg Vermittelung losgelassen wurde. Aus Rache suchte nun Albert [369] verschiedene Fürsten gegen seine Söhne zum Kriege zu reizen; verkaufte, da dies nicht gelang, viele Güter, ja endlich, seiner Söhne und der Landstände Widerspruch ungeachtet, ganz Thüringen an Kaiser Rudolphs Nachfolger, Adolph von Nassau, 1294 für 94,000 Gülden. Dieser rückte in Thüringen ein, bemächtigte sich auch einiger Städte und Schlösser; allein da ihm Friedrich und Diezmann mit einer Armee entgegenrückten zog er sich, nachdem er Thüringen sehr verwüstet hatte, aus Mangel an Lebensmitteln, mit einem Theil seiner Armee nach Mühlhausen, setzte aber nachher seine Verwüstungen in Meißen fort, bis er endlich 1298 seiner Kaiserwürde entsetzt und von dem an seiner Stelle zum Kaiser gewählten Albrecht am 2. Juli in einer Schlacht in der Gegend von Worms getödtet wurde. Allein Albrecht, eben so wenig gesonnen, seines Vorgängers Anspruch auf Thüringen aufzugeben, nahm Anfangs, da es ihm zu Altenburg nicht geglückt war, Friedrich durch einen Meuchelmord auf die Seite zu schaffen, Eisenach und einige andere Städte in Besitz, und rückte endlich mit einer großen Armee auf Friedrich und seinen Bruder los; diese gingen ihm entgegen, und er wurde am 31. Mai 1307 bei Lucka im Fürstenthum Altenburg völlig geschlagen. Da er als anfänglicher Vormund seines Neffen, Johannʼs von Schwaben, dieses Herzogthum administrit hatte, aber in der Folge ganz an sich zu bringen suchte, so waren seine Truppen größtentheils aus Schwaben. Es entstand daher, zum Andenken jener Schlacht das Sprichwort, durch welches man jemandem den unglücklichen Ausgang seines Vorhabens anzudeuten pflegte: es wird dir gehen (oder glücken) wie den Schwaben bei Lucka (oder Lücken). Albrecht, obgleich mit einer wieder zusammengebrachten Armee Thüringen aufs neue verwüstend, konnte doch nichts gegen Friedrich ausrichten: er zog sich zurück; allein eben im Begriff, mit einer neuen Armee gegen Friedrich anzurücken, wurde er von seinem Neffen, dem Prinzen Johann von Schwaben, aus Unwillen, daß ihm Albrecht sein Herzogthum noch immer vorenthielt, [370] am 1. Mai 1308 unweit Habsburg ermordet. Sobald sein Tod bekannt wurde, unterwarf sich die bisher immer aufrührerische Stadt Eisenach Friedrich von neuem, und da ihm durch seines Bruders Ermordung (s. Th. VI. S. 158.) auch dessen Landesantheil zugefallen war, so wurde Friedrich nun nicht nur alleiniger Markgraf zu Meißen und Lausitz, und Landgraf zu Thüringen, sondern er vereinigte auch die vorherigen Reichsstädte Altenburg, Chemnitz und Zwickau mit seinem Lande, und ließ im folgenden Jahre in demselben einen allgemeinen Frieden anbefehlen, auch zu dessen Haltung Adel und Bürger sich eidlich verbindlich machen. Im Jahr 1317 hatte er das Unglück, von Churfürst. Waldemar von Brandenburg, mit dem er in Krieg gerieth, gefangen genommen zu werden, und erhielt seine Freiheit nur unter den Bedingungen, daß er Waldemarn eine Summe von 30,000 Mark Silber erlegte und die Niederlausitz abtrat. Nach so vielen Stürmen seines Lebens konnte er endlich seine Länder noch einige Jahre in Ruhe besitzen, bis er 1326 starb, nachdem ihn einige Zeit vorher ein Schlagfluß getroffen hatte. Ihm bleibt der Ruhm, sich unter vielen widrigen Schicksalen und gegen vielfältige Feinde, sagar gegen zwei Kaiser, muthig und siegreich behauptet zu haben.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 368-371.
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