[377] Gallia: unter diesem Namen verstand man in den ältesten Zeiten das ganze westliche Europa, das Land der Celten. Doch unterschied man zwei von den Celten bewohnte Länder, nemlich die celtischen Colonien in Italien (Gallia Cisalpina) und das eigentliche Land der Celten (Gallia transalpina), das jetzige Frankreich.
Das letztere, Gallia transalpina, hatte unter den Römern einen außerordeutlichen Umfang, ob es gleich vorher, ehe es Rom unterwürfig wurde, kein Ganzes ausmachte, auch bei den Bewohnern weder einen gemeinschaftlichen Namen, noch eine gemeinsame politische Verbindung hatte. Vier große, ganz unter einander verschiedene Völker bewohnten es, nemlich Aquitaner, Ligurer, Celten (Gallier) und Belgier. Die Römer lernten – wahrscheinlich noch vor dem zweiten punischen Kriege – das erste Volk im eigentlichen Gallien, nemlich die Salyer, kennen, die sie denn bald unterjochten und nun ihre Besitzungen immer weiter ausdehnten, besonders nachdem sie die Arverner, das mächtigste Volk Galliens, besiegt hatten. Endlich wurde Cäsar zum Gouverneur vom cisalpinischen Gallien ernannt, und da er diese als eine Provinz lange Zeit zu regieren hatte, so bekam er dadurch Gelegenheit, seine großen Pläne in Rücksicht Galliens auszuführen, denn durch dieses glaubte er den Weg zur Oberherrschaft über Rom sich zu bahnen. Er befreite Gallien von den eindringenden Helvetiern, unterwarf sich selbst aber bei dieser Gelegenheit eine Völkerschaft nach der andern, so daß beinahe ganz Gallien allmählich in seinen Besitz kam. Unter Kaiser August ward Gallien eine ordentliche römische Provinz, und die Römer blieben auch im größtentheils ruhigen Besitz bis zum dritten Jahrhundert. Da fielen aber mehrere deutsche Völker ein, z. B. die Franken, die Allemanen etc. und bemächtigten sich mehrerer Provinzen, [377] so daß nun wieder eine neue Eintheilung Galliens, und zwar in 17 kleinere Provinzen Statt fand. Indessen vermehrten sich bei zunehmender Schwäche der Römer immer mehr die Einfälle der Franken und Vandalen, das Land wurde immer mehr den Anfällen fremder Völker Preis gegeben und verwüstet, so daß im 5. Jahrhundert alles von Fremden besetzt war, und die römische Herrschaft verschwand endlich ganz. – Uebrigens waren bei der ungeheuern Ausdehnung des Landes Clima und Sitten auch sehr verschieden: im südlichen Theile wurden fast alle Früchte Italiens erbaut, in den kältern nördlichen Gegenden hatten sie dagegen Getreide, Hornvieh, Schafe u. s. w. Vor Cäsar war Gallien wohl in 400 kleinere Völkerschaften abgetheilt; einzelne Nationen davon standen unter einem eignen Oberhaupte; nur die Edeln nahmen an den Staatsangelegenheiten Theil. Die Hauptzüge ihres Charakters waren Leichtsinn, Leichtgläubigkeit, Neugierde; im Kriege hatten sie vielen Muth, aber nicht aushaltend.
Die Gallia cisalpina, das jetzige Oberitalien, hatte, dem größten Theile nach, Celten zu Bewohnern, die in den ältesten Zeiten auf den Alpen wohnten. Unter der Regierung des ältern Tarquinius brach eine celtische Völkerschaft, die Senonen, aus Gallien nach Ober-Italien ein, mehrere folgten; und so erhielt dieses Land von ihnen den Namen Gallia, und damit es vom eigentlichen Gallien unterschieden wäre, wurde es cisalpina genannt. Die Römer kamen mit ihnen bald in Krieg, wurden zwar Anfangs geschlagen, allein bald wußten sie ihnen mehrere Niederlagen beizubringen, und die Gallier sahen sich zuletzt genöthiget, die römische Oberherrschaft anzuerkennen; doch war dies nicht sogleich bei allen Galliern der Fall: mehrere verließen lieber ihre Wohnungen, ehe sie fremde Oberherrschaft anerkannten, und die Gallier auf den höhern Alpen wurden erst unter August völlig besiegt.