Die Mnemonik

[68] Die Mnemonik (a. d. Griech. – Erinnerungs- oder Gedächtnißkunst,) heißt diejenige Kunst oder Geschicklichkeit, vermöge welcher man im Stande ist, dem Gedächtniß alle Gegenstände genau einzuprägen. – Diese Kunst hat in der neuern Zeit wieder viel Aufsehen gemacht. Schon bei den Römern bekannt, wurde sie im Mittelalter, besonders in Klöstern geübt; und noch vor 2 Jahrhunderten machten zwei Gelehrte, Schenkel und Sommer, ein großes Aufsehen, indem sie einen großen Theil von Europa durchreisten, jene Kunst lehrten, und viel Belohnungen davon trugen: ihnen bildete vor ungefähr 100 Jahren Döbel zu Hamburg die Mnemonik nach, und seitdem wurde diese Kunst wieder vergessen, bis vor einigen Jahren (1804) der Oberhofbibliothekar zu München Herr von Aretin sich als Erfinder einer Methode ankündigte, wodurch man alle Gegenstände, wären sie auch noch so schwierig, ohne große Anstrengung dem Gedächtniß einzuprägen vermögte; und zugleich einen seiner Schüler, Düchet, aussendete, um Proben dieser seiner Kunst abzulegen und dadurch Freunde für diese Erfindung zu erhalten, die er ihnen um 4 Ducaten beibringen wollte. In Leipzig, Berlin, Erlangen etc. hat dieser solche Proben gegeben, und bald Lob, bald Tadel eingeerndtet, indessen von Klüber zu Erlangen wieder die oben erwähnte und schon längst vergeßene Mnemonik von Schenkel und Sommer in Erinnerung gebracht wurde. Auch der Prediger Kästner zu Belitz ohnweit Leipzig, hat eine Methode in Vorschlag gebracht, welche ebenfalls Beifall gefunden hat. – Es ist wohl nicht zu läugnen, daß es gewisse Hülfsmittel gebe, um dem Gedächtnisse auf diese oder jene Art zu Hülfe zu kommen, und die Theorie jener Kunst [68] läßt sich, zu Folge der Anleitung des Hrn. von A., hauptsächlich auf zwei Regeln zurückführen: 1) Man verwandle das einzelne Wort, oder den Gegenstand in ein Bild; 2) dieses Bild verbinde man mit einem raum- oder zeitgemäßen Gegenstande, der einem lebhaft vorschwebt, oder doch da vorschweben wird, wo die Zurückrufung jenes Bildes nothwendig wird. u. s. f.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 68-69.
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