Pascal Paoli

[196] Pascal Paoli, geb. 1726. zu Vostina in Corsica, ein in der Geschichte der Corsischen Revolutionen höchst wichtiger und merkwürdiger Mann. Ein Sohn des Hyacinth Paoli (eines der geschicktesten Generale Corsicas), in der Militairschule zu Neapel erzogen, wurde er nachher zum Lieutenant bei dem Regiment, wo sein Vater Oberster war, ernannt. Bald mußte dieser, bei den Verfolgungen der Genuesischen Regierung (s. d. A. Corsica) sein Vaterland verlassen; er flüchtete nach Neapel, und im Jahre 1755 sandte er unsern Pascal nach Corsica, welcher sogleich das Commando erhielt, und ohne regulaire Truppen, ohne Geld und Munition dennoch sich eben sowol gegen die Genuesische Regierung, als gegen eine Parthei seiner Landsleute behauptete. Dies erwarb ihm, selbst von Friedrich dem Großen, den Beinamen des ersten Feldherrn in Europa. Nachdem er nun den bürgerlichen Kriegen ein Ende gemacht, unzählige Misbräuche, und namentlich die eingeführte Mordsitte abgestellt, eine gesetzmäßige Rechtspflege eingeführt, die Kenntnisse seiner Landsleute durch öffentlichen Unterricht erweitert, und überhaupt Ruhe und Ordnung im Innern der Insel hergestellt hatte, fing er gegen die Genueser an, zu kämpfen; er verjagte sie immer weiter, bis in die entferntesten Winkel, bemächtigte sich (1763) der Insel Caprara mit 600 braven Volontairs, und alle Versuche der Genueser, sie wieder zu erobern, waren vesgebens; auch seine Marine und die Corsische Flagge wurde von den benachbarten Mächten respectirt; überall schlug er die Genueser, die endlich ihre Zuflucht zu Frankreich nahmen, welches ihnen zwar Hülfstruppen sendete; allein jene mußten dennoch 1768. die Insel Corsica verlassen, und sie an Frankreich abtreten. Lange aber kämpfte dieses um den Besitz derselben; denn unter Paolis Anführung fochten die Corsen bis zur Verzweiflung, und noch Ein Jahr lang hielt er sich, [196] blos von seinen Mitbürgern unterstützt, gegen die erste Macht von Europa unbesiegt. Endlich, da er sich nicht mehr zu halten vermochte, verließ er mit ungefähr tausend braven Patrioten Corsica; er selbst ging nach London, und wies alle glänzenden Anerbietungen, die ihm der französische Hof machte, zurück. Im Jahre 1791 durch ein Decret der Nationalversammlung in sein Vaterland zurückberufen, wurde er, obgleich als bloßer Bürger in Corsica wieder einkehrend, doch mit großen Ehren-und Freudenbezeugungen aufgenommen, aber eben darum auch dem National-Convent verdächtig, welcher ihn endlich durch ein Decret vom 17. Jul. zum Verräther gegen die Republik und für vogelfrei erklärte. Indessen vermogte ein solches Decret, wenn auch während der Schreckensregierung Rache und Factionen den großen Mann aufzuopfern suchten, dennoch nicht, seinen Ruf zu verdunkeln, und er blieb, von seinen Landsleuten immerfort vertheidigt und geschützt, für diese unvergeßlich: sein Genie, seine Bürgertugenden, seine Liebe für Freiheit und Vaterland wiesen ihm einen Platz neben den ersten Männern des verflossenen Jahrhunderts an, wenn auch schon das Glück ihm nicht zulächelte, Corsica frei zu machen, oder sich die völlige Herrschaft zu verschaffen. – Der große Mann kam 1796 glücklich wieder nach England und lebte wenigstens noch lange genug, um zu sehen, daß ein anderer seiner Landsleute endlich ein größeres Werk ausführen und ganz Europa eine andre Gestalt geben würde. Er genoß von England eine jährliche Pension von 2000 Pfd. Sterl. und starb unweit London am 5. Febr. 1807. Sein Leichnam wurde mit allem seinem Range angemessenen Gepränge in der Pancratius-Kirche beigesetzt.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 196-197.
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