Lamennais, Robert de

[378] Lamennais, Robert de, geb. 1782 in St. Malo, wurde katholischer Geistlicher, trat für die Freiheit der Kirche und für ein demokratisches Papsttum ein (vgl. seine Zeitschrift »L'Avenir«). Nachdem seine »Paroles d'un croyant« (1834) den schon begonnenen Bruch mit der Kirche vollendet hatten, wandte sich L. einem philosophischen Rationalismus zu und verkündete das Evangelium der Freiheit und Brüderlichkeit. Er starb 1854.

L. ist ein Vertreter der »reaktionären« (den Sensualismus u. dgl. bekämpfenden)[378] französischen Philosophie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und zwar des katholischen »Traditionalismus«, der aber von der Kirche verdammt wurde. Beeinflußt ist L. von Plato, Plotin, Leibniz u. a. »Skeptiker« ist er nur gegenüber den von den Intentionen der allgemeinen Vernunft wegführenden Philosophemen, nicht aber in bezug auf alles Erkennen. Die allgemeine Menschenvernunft ist die Quelle von Wahrheiten, welche die Kirche uns aufzeigt. Später gellt L. vom Begriffe des unendlichen Seins aus. Gott muß, um zu sein, Kraft sein, um etwas Bestimmtes zu sein, eine Form (Geist) und außerdem Leben oder Liebe sein. In Gott besteht ein Prinzip der Trennung und Vielheit, Das Endliche geht durch Schöpfung aus Gott hervor. Das Prinzip des Unterschiedes, die Schranke des Geistes ist die Materie, das Unendliche, in allem Wirksame ist der Geist. Alles Endliche besteht aus Materie und Geist, welch letzterer samt der Freiheit auf den höheren Seinsstufen herrscht. Die Körper haben sich aus dem Äther entfaltet. Die Schöpfung ist eine Hingabe des Unendlichen, ein Opfer desselben; alles nährt sich von Gott.

SCHRIFTEN: Essai sur l'indifférence en matière de religion, 1817 ff. – De la religion, 1825 f. – Essai d'un système philos. cathol., 1830 f., 1906. – Paroles d'un croyant, 1834, 1890; deutsch 1843. – Livre du peuple, 1837. – Esquisse d'une Philosophie, 1837-41, 1863: deutsch 1841. – Oeuvres complètes, 1836 –37. – Gesammelte Werke, 1844. – Vgl. P. JANET, La philosophie de L., 1890. – ROUSSEL, L., 1893.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 378-379.
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