Messer, August

[468] Messer, August, geb. 1867 in Mainz, Prof. in Gießen. M. vertritt einen rationalistisch gefärbten Kritizismus (ähnlich wie Külpe) und kritischen Realismus. Vom Denkerlebnis ist der Denkinhalt zu unterscheiden. Für die Logik sind die Denkinhalte »gleichsam völlig losgelöst von denkenden Individuen vorhanden«. »Solche Denkinhalte (Begriffe, Urteile, Schlüsse) sind ihr ganz zeitlose, ideale Gebilde.« Für viele erkenntnistheoretische Betrachtungen ist die Auseinanderhaltung von Inhalt und Gegenstand des Denkens von größter Wichtigkeit. Die Wahrheit bezieht sich nicht auf das Denkgeschehen, sondern auf Denkinhalte. Gegenstände des Denkens können auch Werte sein, die aber nicht außer aller Beziehung zu bewertenden Subjekten existieren. Die »Erfahrung« ist ein Zusammengesetztes aus Empfindungen (und ihren Reproduktionen) und objektivierenden Funktionen, und das »Denken« enthält auch anschauliche Bestandteile (Empfindungen, Wort- und Sachvorstellungen). Hinsichtlich der Formalwissenschaften (Logik, Mathematik) hat der Rationalismus recht, ihre Sätze gelten streng a priori, haben ihren Ursprung im Denken, hinsichtlich der Realwissenschaften gilt der Empirismus. Zugleich aber gibt es apriorische Bedingungen der Erfahrung selbst, die aber nicht logischer Art sind (relatives A priori). Eine Metaphysik ist nur als empirische Metaphysik möglich. Für den durchaus berechtigten »kritischen Realismus« gibt es eine von uns unabhängige Wirklichkeit und es ist ferner die raum-zeitliche Anordnung der Empfindungen und die Anwendung von Begriffen wie Ding und Eigenschaft, Ursache usw. nicht rein subjektiv, sondern sie steht »in gesetzmäßiger Beziehung zu objektiven Reizen, ihren Eigenschaften und Verhältnissen«. Unsere Erkenntnis geht auf die Dinge an sich, nicht auf Bewußtseinserscheinungen. Die »Synthesis« der vermeintlichen »synthetischen Urteile a priori« liegt nicht in den Sätzen selbst, welche vielmehr analytisch sind, sondern in den Zahlenkombinationen und in der Konstruktion der geometrischen Gebilde. Die obersten Sätze der Naturwissenschaft (wie das Kausal-

und Substanzprinzip) sind relativ a priori, Voraussetzungen, die in der Erfahrung sich stets bewährt haben und auf deren weitere Bewährung wir vertrauen können.

SCHRIFTEN: Kants Ethik, 1904. – Experimentell-psychol. Untersuchungen über das Denken, Archiv f. die gesamte Psychologie, VIII, 1906. – Empfindung und Denken,[468] 1908. – Einführung in die Erkenntnistheorie, 1909. – D. Problem d. Willensfreih., 1911, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 468-469.
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