Renan, Ernest

[590] Renan, Ernest, geb. 1823 in Tréguier (Bretagne), studierte Theologie, entfernte sich aber vom Katholizismus. Er erhielt 1851 eine Stelle in dar Pariser Bibliothèque Nationale, 1862 wurde er Prof. des Hebräischen am Collège de France; infolge jener Arbeiten (»Leben Jesu«), in welchen er das rein Menschliche des Christentums und der Person Jesu betonte, wurde er von klerikaler Seite angefeindet. Er starb 1892.

R., dessen Arbeiten vor allem schriftstellerisch hervorragend sind, ist ein Positivist, der auch vom Idealismus (Kant, Schelling, Hegel u. a.) beeinflußt ist. Eine Metaphysik hält er für unmöglich und er betont die Relativität dar Erkenntnis. Die stetige Entwicklung der Welt aus einfachen Zuständen führt schließlich zum Auftreten des menschlichen Geistes, wobei R. die Zeit als Koeffizienten, als Faktor der Entwicklung auffaßt und einen Trieb zum Leben[590] und zur Höherentwicklung annimmt. Das Bedürfnis, der Trieb gestaltet das gestaltet das Organ, leitet die Entwicklung, die beim Menschen dem Ideal zustrebt; die Idee belebt alles. Gott offenbart sich in der geistig-geschichtlichen Entwicklung, ist das Ziel derselben. Die Seele ist keine Substanz, sie lebt in ihren Wirkungen fort. »Das menschliche Leben zeichnet wie eine Zirkelspitze durch seine moralische Kehrseite eine kleine Furche in den Schoß der Unendlichkeit« (vgl. Fechner). »In dem Gedächtnisse Gottes sind die Menschen unsterblich.« Die Ethik R.s ist individualistisch-aristokratisch (vgl. Nietzsche). »Der Zweck, den die Welt verfolgt, liegt... darin: Götter, höhere Wesen zu schaffen, welchen die übrigen bewußten Wesen Verehrung erweisen, und denen zu dienen sie glücklich sein sollen.« Der Zweck: der Menschheit ist die »Hervorbringung großer Männer«. Die Masse arbeitet, einige erfüllen für sie die höheren Funktionen des Lebens.

Schriften (philosophische): Averroes et l'Averroisme, 1852; 3. éd. 1859. – Essais de morale et de critique, 1859; 3. éd. 1861. – Questions contemporaines, 1868. – Dialogues et fragments philosophiques, 1876; deutsch 1877. – L'avenir de la science, 1890. – Examen du conscience philos., Revue des deux mondes, 1889. – Vgl. S. PAWLICKI, Leben und Schriften R.s, 1894. – E. PLATZHOFF, E. R., seine Entwicklung und Weltanschauung, 1900. – ALLIER, La philos. d' E. R., 2. éd. 1903.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 590-591.
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