Steinthal, Heymann

[713] Steinthal, Heymann, geb. 1823 in Gröbzig, 1863 Prof. in Berlin, gest. daselbst 1899.

S. ist von Herbart ausgegangen und ist mit Lazarus (s. d.) ein Begründer der Völkerpsychologie, die er auch »psychische Ethnologie « nennt. Die Sprache ist ursprünglich eine Art Reflexbewegung; die Affektionen der Seele setzen sich reflexartig in Töne um, wobei das Sprechen erleichternd, befreiend wirkt. Der Urmensch begleitete in größter Lebhaftigkeit alle Wahrnehmungen, die er hatte, mit Bewegungen, mimischen Stellungen, Gebärden und besonderen Tönen. Dazu kommen dann Assoziation, Apperzeption, Onomatopöie, soziale Resonanz. Die »innere Sprachform« bezieht sich auf die Subjektive Apperzeption der Dinge; die Grammatik ist ursprünglich rein psychologisch, nicht logisch bedingt. Das einfache, anschauliche Denken geht der Sprache voran. Die Apperzeption faßt S. ähnlich wie Herbart auf, er unterscheidet identifizierende, subsumierende, harmonisierende, disharmonisierende Apperzeption und stellt die apperzipierenden als apriorische den apperzipierten als aposteriorischen gegenüber. In der Ethik betont S. den absoluten Wert der »objektiven« Gefühle. Die sittlichen Ideen sind die Idee der sittlichen Persönlichkeit, des Wohlwollens, der Vereinigung, des Rechts und der Vollkommenheit.

Schriften: Die Klassifikation der Sprachen, 1850. – Grammatik, Logik und Psychologie, 1855. – Der Ursprung der Sprache, 1856; 3. A. 1877. – Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen u. Römern, 1863-64; 2. A. 1900. – Philologie, Geschichte u. Psychologie in ihren gegenseitigen Beziehungen, 1864. – Abriß der Sprachwissenschaften I, 1871; 2. A. 1881. – Mythos u. Religion, 1870. – Gesammelte kleine Schriften I, 1880. – Allgemeine Ethik, 1886. – Zur Bibel- und Religionsphilosophie, 1890. – Vgl. GLOGAU, S.s psychol. Formeln, 1876. – ACHELIS, H. St., 1898. – VAIHINGER, D. Philos. des Als Ob, 1911 (von S. beeinflußt).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 713.
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