Ziegler, Theobald

[854] Ziegler, Theobald, geb. 1846 in Göppingen (Württemberg), Prof. in Straßburg (seit 1886).

Z. vertritt eine Art Positivismus. Der primäre, allen Bewußtseinsvorgängen, auch dem Denken und Willen, zugrunde liegende psychische Zustand ist das Gefühl. Die Lust ist die psychische Seite des Lebens, d.h. der Betätigung des Vermögens, jedem als neu auftretenden Reiz gegenüber sich selbst zu behaupten. Das Gefühl ist das psychische Zeichen für den Selbstbehauptungsakt. Es zeigt uns den Wert, den ein Reiz für uns hat und erzwingt demselben durch seine Wertung den Eintritt in unser Bewußtsein. Der Wille zeigt sich nur als Gefühl; dieses ist primär, das Vorstellen sekundär, das Wollen tertiär. Das Gefühl ist auch das Bestimmende in der Assoziation. »Solche Vorstellungen werden reproduziert, welche mit unseren jeweiligen Stimmungen und Gefühlen harmonieren, dadurch selbst Gefühlswert erhalten und durch diesen sich eben jetzt den Eintritt in das Bewußtsein erzwingen. Und fürs zweite: »Was einmal zusammen unser Interesse erregt hat, uns angenehm oder unangenehm war, das kehrt auch zusammen wieder.« Die Willensfreiheit besteht nur in dem Ausgehen meiner Handlungen von mir selbst. Wir handeln stets auf Grund der stärksten Motive; der Glaube, wir hätten auch anders handeln können, ist eine Illusion. Das Sittliche ist ein Entwicklungsprodukt, es ist aus Trieben und vernünftiger Überlegung hervorgegangen und ist historisch-sozial bedingt, wechselnd. Gut ist, was der Gesellschaft und zuhöchst der Menschheit nützt (Sozialteologischer Standpunkt). Bezüglich der Religion denkt Z. ähnlich wie D. Fr. Strauß, bezüglich der sozialen Frage, die nach ihm eine ethische Frage ist, ähnlich wie F. A. Lange.

Schriften: In Sachen des Straußschen Buches: Der alle und der neue Glaube, 1874. – Lehrb. d. Logik, 1876; 2. A. 1881. – Republik oder Monarchie? 1877. – Die Ethik, der Griechen und Römer, 1881. – Gesch. d. christl. Ethik, 1886; 2. A. 1892. – Sittliches Sein und sittliches Werden, 1890. – Die soziale Frage eine sittl. Frage, 1891; 6. A. 1899. – Religion und Religionen, 1893. – Das Gefühl, 1893; 4. A. 1908. – Gesch. der Pädagogik, 1895; 2. A. 1904. – Die geistigen a. sozialen Strömungen des 19. Jahrhund., 1899; 2. A. 1901. – Glauben u. Wissen, 1899; 2. A. 1900. – Fr. Nietzsche, 1900. – Allgem. Pädagogik, 1901; 2. A. 1905. – Schiller. 1905. – D. Fr. Strauß, 1908 f. – Individualismus u. Sozialismus, 1899, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 854.
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