Kavallerie.

[168] Die griechische Reiterei haben wir uns vorzustellen als ziemlich lose Scharen, die, mit Schutzrüstungen versehen, wohl auf den Kampf mit der blanken Waffe ausgingen, den Spieß aber noch mehr zum Werfen als zum Stoßen gebrauchten.

Xenophon, von dem wir zwei Schriften über die Reiterei besitzen, »über die Reitkunst« und den »Reiterführer«, sagt, er ziehe die Ausrüstung mit zwei kürzeren Spießen der mit einem Langspieß85 vor. Dieser sei unbequem zu tragen und zerbrechlich; von den Kurzspießen, die besser zu tragen und stärker seien, könne man den einen schleudern und mit dem anderen nach allen Seiten stoßen.86 Außer den Spießen führten die Reiter auch ein Schwert[168] oder einen krummen Säbel; letzterer, sagt Xenophon, sei besser, da der Reiter von oben haue. Xenophon empfiehlt, nicht nur den Reiter, sondern auch das Pferd zu panzern; einen Schild gibt er dem Reiter nicht.

Die Steigbügel waren noch nicht erfunden; die Reiter ritten auf festgeschnallten Decken oder Kissen. Der Stoß mit der Lanze mußte also viel mehr mit der Kraft des Armes geführt werden, als heute, wo der Reiter sein ganzes Körpergewicht und die Anlaufskraft des Rosses in den Stoß legen kann. Auf den zahlreichen Vasenbildern, die Gefechtsszenen darstellen und uns erhalten sind, habe ich die Führung der Lanze, wie sie heute bei unserer Kavallerie vorgeschrieben ist (eingepreßt zwischen Oberarm und Rumpf) niemals gefunden. Auf dem Mosaik, das vermutlich die Schlacht bei Issus darstellt, führt Alexander die sehr lange Lanze frei in der Hand.

Die macedonische Kavallerie war nach Bewaffnung und Ausrüstung der griechischen ähnlich. Das aus dem macedonischen Adel hervorgehende Reiterkorps hieß die »Gefolgsleute«, »Hetären« des Königs. Sie kämpfen mit dem Spieß, den sie sowohl zum Schleudern87 wie zum Stoßen gebrauchen, und mit dem Schwert. Die Panzerung des Pferdes, von der Xenophon spricht, scheint nicht üblich geworden zu sein. Dagegen trugen die Hetären Schilde.88

Was die macedonische Reiterei hauptsächlich von der griechischen voraus gehabt haben wird, war, daß sie diszipliniert war: wir dürfen ihren »Ilen« so viel Zusammenhalt zuschreiben, daß sie als »taktische Körper« zu bezeichnen sind. Man darf »Reiterei«[169] und »Kavallerie« so unterscheiden, daß jenes Wort Schwärme einzelner Reiter, dieses Reiter in disziplinierten Körpern bezeichnet.

Dann hätten also die Macedonier die erste wirkliche Kavallerie gebildet. Taktische Körper aus Reitern zu bilden, ist aus mancherlei Gründen, über die noch zu reden sein wird, viel schwerer, als Infanterie-Körper zu formieren. Es ist daher nur natürlich, daß die griechischen Kanton-Republiken über die Hopliten-Phalanx nicht hinausgelangt sind; die monarchische Autorität der macedonischen Könige aber zwang auch die auseinanderstrebenden Reiter in den festen Rahmen der der Führung eines Willens folgenden Körperschaft.

Die Mischtruppe der »Hamippen« finden wir bei den Macedoniern nicht, was ebenfalls darauf schließen läßt, daß sie fester geschlossene taktische Körper hatten als die Böotier.

Neben der Hetären-Kavallerie hatten die Macedonier die Sarissophoren, Lanzenträger, die man geglaubt hat als die leichte Kavallerie auffassen zu sollen. Ich vermag jedoch in den Quellen eine Begründung für diese Auffassung nicht zu finden. Die Bewaffnung mit der langen Sarisse würde sogar eher auf eine schwere Kavallerie schließen lassen. Die Hetären führten zwar das Gefecht wesentlich als Nahkampf; unter Umständen bedienten sie sich aber ihrer Lanze auch noch nach der älteren Art zum Werfen. Die Sarisse war zu lang, um noch geworfen zu werden, ihre Träger also noch unbedingter als die Hetären auf den Nahkampf angewiesen, der wieder auf eine Schutzrüstung, also auf schwere Kavallerie schließen läßt. In der Schlacht erscheinen die Sarissophoren ganz ebenso verwandt wie die Hetären, und diese wiederum werden auch zur Rekognoszierung und zur Verfolgung gebraucht. Es scheint also, daß zwischen den beiden Truppenkorps der Unterschied in der Bewaffnung und Ausrüstung nur gering war. Vielleicht bestand er nur in der verschiedenen Herkunft der Mannschaft.

Während des Krieges gegen Darius bildete Alexander sich noch aus Asiaten ein Korps berittener Bogenschützen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 1, S. 168-170.
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