3. Clostermeier und Wietersheim.

[80] Im wesentlichen das Richtige über den Varuszug hat bereits CLOSTERMEIER gesagt »Wo Herman den Varus schlug«, Lemgo 1822. Nur das Ende des Zuges hat er nicht ganz zutreffend bestimmt. Er nimmt an, daß das Varuslager bei Minden oder etwas weiter abwärts bei Petershagen gewesen sei und daß die Schluß-Katastrophe nicht vor der Dörenschlucht, sondern im Tal der Berlebeke, am Fuße der Grotenburg, stattgefunden habe; Varus habe zwar eigentlich den Weg durch die Dörenschlucht nehmen wollen, diese hätten ihm die Germanen jedoch gesperrt gehabt, und deshalb habe er auf dem Umweg über Detmold zu entkommen gesucht. Das ist nicht möglich. Wenn Varus sich zu schwach fühlte, sich den Dörenpaß zu öffnen, so konnte er noch viel weniger hoffen, das Gebirge entlang marschierend durch den Lopshorner Paß oder gar über die Berge weg zu entkommen. Die Germanen ließen diesen schwerfälligen langen Zug, nachdem sie ihn einmal gepackt hatten, nicht wieder los. Die Römer mußten die Dörenschlacht nehmen oder sterben. Es gab keine andere Wahl mehr.

Diese Einwände hat schon ganz zutreffend v. WIETERSHEIM in seiner Geschichte der Völkerwanderung gegen Clostermeier erhoben. Er verlegt die Schlußkatastrophe deshalb ganz richtig in die Dörenschlucht selbst, hat jedoch das Sommerlager des Varus viel weiter oberhalb an der Weser gesucht und daher noch nicht den richtigen Weg und auch noch nicht den taktischen Charakter des Schlußgefechts erkannt und namentlich von den strategischen Grundelementen der Kriegführung in Germanien noch keine volle Anschauung gewonnen. Sonst würde seine der Wahrheit so nahe kommende Lösung wohl mehr Beachtung gefunden haben.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 80-81.
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