2. Vorrat an Edelmetall.

[238] Es wäre höchst wertvoll, wenn eine Spezialuntersuchung sich noch näher mit der Frage des Schwindens des Edelmetalls im 3. Jahrhundert beschäftigen wollte. In unserem grundlegenden Werk, der monumentalen »Geschichte des römischen Münzwesens« von MOMMSEN, ist diese Seite[238] gegenüber der Verschlechterung der Münze selbst etwas zurückgetreten141. Ich will wenigstens zusammenstellen, woraus sich mir die Überzeugung ergeben hat, daß es sich tatsächlich auch, und vielleicht zu allererst, um einen zu geringen Bestand an Edelmetall gehandelt hat, weil die Bergwerke nichts mehr gaben oder wenigstens in ihrem Ertrage sehr zurückgegangen waren.

Daß die Erträge der antiken Bergwerke zeitweilig sehr reich waren, unterliegt keinem Zweifel. In Griechenland muß im fünften Jahrhundert viel Geld zirkuliert haben, und über den Silberreichtum Spaniens können die antiken Schriftsteller sich kaum genug tun. Der Dichter Statius im ersten Jahrhundert nennt unter den Einnahmen des Fiskus an erster Stelle »quidquid ab auriferis ejectat Iberia fossis Dalmatico quod monte nitet.« Aber über einige Jahrhunderte hinaus hält die Edelmetallgewinnung an einem Platz so leicht nicht vor. Von den attischen Silberbergwerken in Laurion wird uns direkt berichtet, daß sie schon in den letzten Jahrhunderten vor Christus stark zurückgingen und endlich ertraglos wurden142. Über Spanien haben wir kein direktes Zeugnis; die Angabe bei MARQUARDT (Röm. Staatsverwalt. II, 260), daß die spanischen Silbergruben schon im Beginne des ersten Jahrhunderts wenig ausgiebig gewesen, scheint auf einem Irrtum zu beruhen, wenigstens ist es mir nicht gelungen, eine Quelle dafür zu entdecken, und sonst spricht alles dafür, daß Spanien noch in den beiden ersten Jahrhunderten unserer Ära einen sehr reichen Bergbau gehabt hat. Auch gelang es den Römern, z.B. in Dacien, noch ganz neue Erzfelder zu entdecken, die eifrig betrieben wurden. Dann aber trat ein solcher Niedergang ein, daß HIRSCHFELD in seinen »Untersuchungen auf dem Gebiete der römischen Verwaltungsgeschichte«, S. 91 (2. Aufl. unter dem Titel »Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian«, S. 180) sagen kann, auf keinem anderen Gebiet sei er so jäh und so frappant. Die Notitia dignitatum hat nur noch einen einzigen kaiserlichen Bergwerksbeamten, und zwar für Illyrien. Im Codex Theodosianus finden sich nur einige wenige Bestimmungen über Bergbau und Bergwerksabgaben (Buch X tit. XIX). In Spanien hören wir unter den Westgoten gar nichts mehr von Silberbergbau, höchstens findet sich eine Spur von Goldwäscherei am Tajo143. Erst die Mauren haben ihn hier wieder aufgenommen144, vielleicht an anderen Stellen.

Daß noch unter Macrin (a. 217) von goldenen und silbernen Standbildern die Rede ist (Dio 78, 12), daß berichtet wird, bei Galliens Tode (268) sei viel Geld in der Staatskasse gewesen, so daß man jedem Soldaten sofort 20 Goldstücke geben konnte (Scr Hist. Aug. Gallieni 15),[239] und ähnliche Nachrichten sind natürlich kein Beweis, daß der Geldvorrat dem wirtschaftlichen Bedürfnissen des ungeheuren Reiches entsprach.

Wenn unter Konstantin wieder eine gewisse Ordnung in das Münzwesen kam, so ist das wohl einerseits dadurch zu erklären, daß das Wirtschaftsleben nunmehr andere Formen angenommen hatte, die nicht so viele Barmittel beanspruchten, andererseits dadurch, daß die Einziehung der Tempelschätze tatsächlich den Vorrat für den Umlauf vergrößerte.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 238-240.
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