Bewaffnung und Taktik.

[25] Über die Bewaffnung der fränkischen Krieger unter Karl widersprechen sich unsere Quellen so sehr, daß man daran ein rechtes Beispiel hat, wie wenig auf derlei Einzelheiten überhaupt zu geben ist. In dem Aufgebotsbrief an den Abt Fulrad wird vorgeschrieben, daß jeder Reiter (caballarius) ausgerüstet sein solle mit Schild, Lanze, Schwert, Halbschwert (Dolch), Bogen und Köcher mit Pfeilen. Es ist nicht genannt Helm und Panzer: wir hätten uns die karolingischen Reiter also als leichtgerüstete berittene Bogenschützen vorzustellen; dabei ist aber auffällig die Kombination des Schildes mit dem Bogen. Ein Schild ist störend bei der Handhabung des Bogens und gibt während des Spannens und Schießens nur eine sehr ungenügende Deckung; ein Panzerhemd oder ein fester Lederkoller ist für einen Bogner eine viel natürlichere Schutzwaffe.

Auch sonst ist in den Capitularien noch öfter die Ausrüstung mit dem Bogen gefordert.27 In den erzählenden Quellen kommt er aber nur selten vor.28

Die Krieger der karolingischen sowohl wie der späteren Epoche erscheinen, wie schon die älteren Germanen, als Nahkämpfer mit Schwert und Lanze und gebrauchen auch als Wurfwaffe die Lanze. Als Schutzwaffe wird zwar fast immer nur der Schild erwähnt,29 wenn aber Einhard einmal die Schwere der fränkischen Bewaffnung hervorhebt und der Mönch von St. Gallen in der berühmten Schilderung Karls des Großen und seines Heeres sie als ganz[25] eisern erscheinen läßt, so müssen wir doch wohl auf Panzerhemden schließen. Die Capitularien verlangen eine Brünne einmal nur von Besitzern von mehr als 12 Hufen30, ein andermal in ganz unbestimmter Art.31

Vielleicht vereinigen sich diese auseinanderstrebenden Nachrichten dahin, daß Schild, Lanze und Schwert die aus Urzeiten überlieferte Forderung für die Kriegerbewaffnung war, die man formelhaft wiederholte. Die Forderung von Pfeil und Bogen wurde hinzugefügt, weil gerade diese Waffen bei den Germanen nicht eigentlich volkstümlich waren, die Heeresleitung aber Wert darauf legte, daß sie vorhanden seien. Helm und Panzerhemd dagegen wurden nicht erwähnt, da ohnehin alle, die dazu in der Lage waren, sich diese kostbaren Stücke anzuschaffen, sich gern damit versahen. Wurde einmal, wie bei der Abfassung des Capitulars von 805 daran gedacht, die Brünne besonders zu erwähnen, so wurde die Forderung einerseits auf die Wohlhabenderen eingeschränkt, für diese aber durch die besondere Strafandrohung, daß, wer eine Brünne haben, sie aber nicht einbringe, sein ganzes Lehen zusammen mit der Brünne verlieren solle, verschärft.

Daß Bogen und Pfeil wirklich auf dem Wege dieser Verordnungen zu allgemeinem Gebrauch gebracht worden sein sollten, ist nicht anzunehmen. Ein Bogen ist zwar leicht hergestellt, ein wirklich guter Bogen aber schwer, und auch ein guter Bogenschütze, namentlich aber ein Bogenschütze zu Pferd, kann nur durch sehr fleißige Übung gebildet werden.

Wie auch die einzelnen Quellenstellen zu erklären seien, so viel ist gewiß, daß wir uns die Krieger Karls des Großen in der[26] Mehrzahl vorzustellen haben angetan mit einem mäßig schweren Panzerhemd und einem konischen Helm, ohne Visir, am linken Arm den Schild, kämpfend mit Schwert und Lanze; Pfeil und Bogen werden nur als Hilfswaffe verwandt.32

Über die Taktik der karolingischen Zeit, also hauptsächlich über die Verteilung und das Zusammenwirken der Waffen, Reiter, Bogner, Spießer, haben wir in den Quellen keine Nachrichten und könnten darüber nur aus späteren Nachrichten und Ereignissen Rückschlüsse machen. Exerziert wurde nicht, und eigentliche Schlachten waren so selten, daß sich traditionelle feste Formen für eine Schlachtordnung und eine wirkliche Kunst des Schlachtenschlagens nicht wohl bilden konnten. Schon Karls Biograph, Einhard (cap. 8) hebt hervor, daß in dem Kriege mit Sachsen, der 33 Jahre dauerte, doch nur zwei wirkliche Feldschlachten vorfielen, bei Detmold und an der Hase, beide binnen fünf Wochen im Jahre 783. Weder der Longobardenkönig Desiderius, noch Thassilo, der Bayernherzog, haben es auf eine Schlacht ankommen lassen. Eine Untersuchung über die Taktik ist also an dieser Stelle und für diese Epoche weder geboten, noch unmittelbar durchführbar.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 25-27.
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