Strafvorschriften.

Capitul. v. 802. M. G. I, 96.

[34] 29. De pauperinis vero qui [quibus] in sua elymosyna domnus imperator concedit qui [quod] pro banno suo solvere debent, ut eos judices, comites vel missi nostri pro concesso non habeant constringere parte sua.

34. Ut omnes pleniter bene parati sint, quandocunque iussio nostra vel annuntiatio advenerit. [Ähnlich in einem besonderen Kapitular des Jahres 802 M. G. I, 100]. Si quis autem tunc se inparatum esse dixerit et praeterierit mandatum, ad palatium perducatur; et non solum ille, sed etiam omnes qui bannum vel praeceptum nostrum transgredere praesumunt.


Capitulare von 805. M. G. I, 125.

19. De heribanno volumus ut missi nostri hoc anno fideliter exactare debeant absque ullius personae gratia, blanditia seu terrore secundum iussionem nostram; id est ut de homine habente libras sex in auro, in argento, bruneis, aeramento, pannis integris, caballis, boves, vaccis vel alio peculio (et uxores vel infantes non fiant dispoliati pro hac re de eorum vestimentis) accipiant legitimum heribannum, id est libras tres. Qui vero non habuerint amplius in suprascripto praecio valente nisi libras tres, solidi triginta ab eo exigantur (id est libra et dimidia). Qui autem non habuerit amplius nisi duas libras, solidi decem. Si vero una habuerit, solidi quinque, ita ut iterum se valeat praeparare ad Dei servitium et nostram utilitatem. Et nostri missi caveant et diligenter inquirant, ne per aliquod malum ingenium subtrahant nostram iustitiam, alteri tradendo aut commendando.


Capitulare von 808. M. G. I, 137.

2. Volumus atque jubemus, ut idem missi nostri diligenter inquirant, qui anno praeterito de hoste bannito remansissent super illam ordinationem quam modo superius comprehenso de liberis et pauperioribus hominibus fieri iussimus; et quicumque fuerit inventus qui nec parem suum ad hostem suum faciendum secundum nostran iussionem adjuvit neque perrexit, haribannum nostrum pleniter rewadiet et de solvendo illo secundum legem fidem faciat.

3. Quod si forte talis homo inventus fuerit qui dicat, quod iussione comitis vel vicarii aut centenarii sui hoc quo ipse semetipsum praeparare debeat eidem comiti vel vicario aut centenario vel quibuslibet hominibus eorum dedisset et propter hoc illud demisisset iter et missi[35] nostri hoc ita verum esse investigare potuerint, is per cuius iussionem ille remansit bannum nostrum rewadiet atque persolvat, sive sit comes sive vicarius sive advocatus episcopi atque abbatis.


Capitulare von 810. M. G. I, 153.

12. De heribanno, ut diligenter inquirant missi. Qui hostem facere potuit et non fecit, ipsum bannum componat si habet unde componere possit; et si non habuerit unde componere valeat, rewadiatum fiat et inbreviatum et nihil pro hoc exhactatum fiat usque dum ad notitiam domni imperatoris veniat.


Capitulare von Boulogne. 811. M. G. I, 166.

1. Quicunque liber homo in hostem bannitus fuerit et venire contempserit, plenum heribannum id est solidos sexaginta persolvat aut si non habuerit unde illam summam persolvat semetipsum pro wadio in servitium principis tradat donec per tempora ipse bannus ab eo fiat persolutus; et tunc iterum ad statum libertatis suae revertatur. Et si ille homo qui se propter heribannum in servitium tradidit in illo servitio defunctus fuerit, heredes eius hereditatem quae ad eos pertenet non perdant nec libertatem nec de ipso heribanno obnoxii fiant.

2. Ut non per aliquam occasionem nec de wacta nec de scara nec de warda nec pro heribergare neque pro alio banno heribannum comis exactare praesumat, nisi missus noster prius heribannum ad partem nostram recipiat et ei suam tertiam partem exinde per iussionem nostram donet. Ipse vero heribannus non exactetur neque in terris neque in mancipiis, sed in auro et argento, pannis atque armis et animalibus atque pecoribus sive talibus speciebus quae ad utilitatem pertinent.


Memorial von 811. M. G. I, 165.

6. Dicunt ipsi comites, quod alii eorum pagenses non illis obediant nec bannum domni imperatoris adimplere volunt, dicentes quod contra missos domni imperatoris pro heribanno debeant rationem reddere, nam non contra comitem; etiam etsi comes suam domum illi in bannum miserit, nullam exinde habeat reverentiam, nisi intret in domum suam et faciat quaecumque ei libitum fuerit.

Überblicken wir diese Strafbestimmungen, so erkennen wir, daß das alte Aufgebotssystem bei Heerbann zwar staatsrechtlich bestand, aber durchaus schlecht oder vielmehr gar nicht funktionierte. Bald an dieser, bald an jener Stelle suchte man die Maschine in Gang zu bringen, umzuformen, die Einzelstücke durch andere zu ersetzen, je nachdem gerade eine Klage vorgebracht wurde.[36]

Das überlieferte Recht ist, daß der Graf bei Königsbann, d.h. 60 Solidi zum Heer aufbietet. Es ist nicht leicht, sich vorzustellen, was eine Summe von 60 Solidi im damaligen Wirtschaftsleben bedeutete.38 Der Satz ist uralt, aber der Wert des Geldes mag von Chlodwig bis zu den Nachfolgern Karls des Großen sehr gewechselt haben, auch der Solidus selber ist nicht unverändert geblieben und unter Karl dem Großen fand eine Münzreform statt. Der ursprüngliche Solidus war einer Goldmünze gleich etwa 12 Mark heutiger Währung. Die lex Ripuaria (XXXVI, 11) gibt den Wert einer guten gesunden Kuh auf einen Solidus, eines Ochsen auf 2, einer Stute auf 3, eines Hengstes auf 12, eines Schwertes mit Scheide auf 7 Solidi an. In einem Zusatz zur lex Salica ist ein Knecht auf 25-35, eine Magd auf 15-25, an anderer Stelle der Wert eines gewöhnlichen Sklaven auf 12 Solidi geschätzt. Hiernach wäre eine Strafe von 60 Solidi für einen gewöhnlichen Bauern schlechthin unerschwinglich gewesen. Ein Bauer ist nicht nur ruiniert, wenn er einen Wert von 60 Kühen oder 30 Ochsen oder 20 Stuten bezahlen soll, sondern er kann es überhaupt nicht. Bei Androhung einer Strafe von 60 Solidi kann, wenn anders sie je wirklich eingetrieben werden sollte, an einen einfachen Hufenbesitzer gar nicht gedacht worden sein. Ein etwas anderes Bild erhalten wir, wenn wir in Betracht ziehen, daß in einem Aufgebots-Capitular39 eine halbe Hufe einem Besitz von 100 Solidi gleichgesetzt wird. Da der eigentliche Grund und Boden kaum gewertet wird, so sind 200 Solidi gleich dem Hause, der Hofwehr, den Waffen und sonstiger Mobilien des Vollbauern zu setzen. Eine Strafe von fast einem Drittel dieses Wertes wäre zwar immer noch exorbitant, aber nicht physisch unmöglich. Bei den chamavischen Franken hatte die Heerbannbuße ursprünglich nur 4, bei den Langobarden 20 Solidi betragen, unter den Karolingern aber wurde allenthalben der gleichmäßige Satz von 60 eingeführt.40 Ist der Heerbann von 60 für einen Bauern unerschwinglich, so ist er für einen reichen Mann viel weniger, als ihm die Teilnahme an einem mehrmonatlichen Feldzug kostete. Er war also in der Lage, sich durch eine mäßige Geldzahlung loszukaufen. Die Strafe durch die Missi oder gar durch den Grafen beliebig erhöhen zu lassen, ging nicht an. Das wird der Ursprung des Capitulars 802 § 34 sein, in dem befohlen wird, die Säumigen vor den Hof zu bringen. Der Heerbann ist gar nicht erwähnt. Hätte diese Vorschrift das allgemeine Aufgebot aller freien Männer im Auge gehabt, so hätte sie ganze Völkerwanderungen an den jedesmaligen Regierungssitz des Kaisers geführt.[37]

Umgekehrt war der Heerbann von 60 Solidi für den kleinen Mann schlechthin unerschwinglich. Man wußte sich zuweilen nicht anders zu helfen, als daß der Kaiser ihn niederschlug (Cap. von 802 § 29), was dann freilich die Wirksamkeit der Strafe für die Zukunft aufhob, oder daß der Kaiser die Entscheidung im einzelnen Fall sich selber vorbehielt (Cap. v. 810), was für den kleinen Mann auf dasselbe hinauskam. Dann versuchte man es mit einer Abstufung nach dem Vermögen. Auch diese Methode versagte, da Vermögenseinschätzung ein überaus schwieriger, jeder Willkür ausgesetzter Akt ist. Man versuchte es deshalb mit der vorübergehenden Verknechtung, einer Vorschrift, die vermutlich viel dazu beigetragen hat, die sich ohnehin vollziehende Entwickelung, daß die kleinen Gemeinfreien ihre Freiheit aufgaben und in irgendeine Abhängigkeit traten, zu beschleunigen. Denn wenn auch den Kindern der nach dem Capitular von 811 Verknechteten die Freiheit gewahrt bleiben sollte, so haben sie vermutlich selber darauf verzichtet. Eine Schuld von 60 Solidi in der Knechtschaft abzuverdienen, war so viel, daß der Verknechtete wohl meist sein Lebenlang zu arbeiten hatte. In dieser Zeit waren etwaige kriegerische Neigungen und Traditionen in der Familie abgestorben, und die Nachkommen, vor die Wahl gestellt, wieder zum Kriege aufgeboten zu werden oder als Kolonen zu Hause sitzen zu dürfen und bloß gewisse Dienste und Lasten zu tragen, unter der Gewalt, aber auch unter dem Schutze eines Herrn, werden diese Alternative oft vorgezogen haben.

So streng die Heerbann-Vorschrift zu sein scheint, so nimmt sie doch wieder ein ganz anderes Gesicht an, wenn wir in Betracht ziehen, daß nicht der Graf, sondern nur der Missus befugt ist, ihn einzuziehen. Die Missi sind sehr vornehme Herren, die eine Reihe von Grafschaften als königliche Kommissare und Inspizienten bereisen; es ist ausgeschlossen, daß sie in jeder Grafschaft mehr als einige wenige Fälle der versäumten Heerespflicht untersucht, das Vermögen und die Strafe abgeschätzt und die verfallenen Gegenstände an Vieh, Waffen, Tuch usw. eingezogen haben.

Zuweilen erscheinen eigene Beamte, »Heerbannatoren«, als Steuereintreiber, aber wenn schon Karl der Große einmal verordnet (802), daß nur Reiche zu Missi ernannt werden sollen, weil Arme ihr Amt zur Bedrückung des Volkes mißbrauchten, so müssen subalterne Steuerexekutoren mit ihren willkürlichen Abschätzungen vollends Blutsauger gewesen sein.

Es scheint deshalb, daß zeitweilig auch den Grafen direkt das Recht der Einziehung des Bannes übertragen worden ist, was aber wiederum die Untertanen als rechtmäßig nicht anerkennen wollten – ganz natürlich, denn damit waren sie ja in jeder Beziehung der Willkür der Grafen vollständig preisgegeben.

Der Graf benutzt (Mem. v. 811) seine Aufgebotsgewalt, die Leute zu chikanieren und zu ruinieren, damit sie sich bereit finden lassen, ihm ihr Eigentum nachzutragen und seine Hörigen zu werden. Die Zentral-Regierung hatte dagegen nichts als Verbote und fromme Wünsche. Denn[38] eine wirkliche Untersuchung und Kontrolle, ob der Einzelne beim Aufgebot überlastet oder bevorzugt sei, ob die von ihm gelieferten oder eingezogenen Naturalien, Vieh, Kleider, Waffenstücke richtig abgeschätzt seien, waren neuerdings unmöglich.

Nur einmal (Cap. v. 808) finden wir in allen Strafandrohungen einen Hinweis auf die Tatsache, daß ja bei weitem die meisten Heerespflichtigen überhaupt nicht wirklich aufgeboten, sondern nur zu einem Adjutorium herangezogen wurden. Die Leistung der Adjutorien erzwang jedenfalls der Graf durch die direkte Exekution. Die Heerbann- Strafen haben also von vornherein, worauf ja auch die meisten Vorschriften hindeuten, vorwiegend die größeren Besitzer im Auge. Auch bei diesen aber leuchtet durch, daß keineswegs die Strafe als solche und die Versäumnis der Heerespflicht der einzige Gesichtspunkt ist, sondern ebenso sehr der fiskalische: tapfere und willige Kriegsgesellen gab es im karolingischen Reiche genug; eine ordentliche Steuerleistung war dem Kaiser viel wertvoller, als ein nur halbwillig oder widerwillig dem Aufgebot folgender Grundbesitzer. Nicht also etwa bloß aus Schonung, sondern damit dem Kaiser sein Anteil nicht entgehe, soll der Heerbann nicht vom Grafen direkt, sondern durch die Missi eingezogen werden. Schließlich ist der Heerbann kurzweg zu einer Steuer geworden. Wenn die Annales Bertiniani z.J. 866 berichten »heribanni de omnibus Francis accipiuntur«, so ist es nicht mehr eine Versäumnisstrafe, sondern eine Steuer, die erhoben wird, und da alle Franken angehalten worden sind, sie zu zahlen, so kann diese Steuer auch mit dem alten Satz von 60 Solidi gleich 60 Kühen nichts mehr zu tun gehabt haben. Wir finden später Heerbannsteuern von 2 und 3 Solidi.41

Die Vorschrift im Capitular von 808 § 3, daß der Beamte, der ein Adjutorium einzieht und dafür den Zahler zu Hause läßt, 60 Solidi büßen soll, kann natürlich nicht dahin verstanden werden, daß dies Verfahren schlechthin verboten worden ist, sondern nur dahin, daß der Beamte bestraft werden soll, der das Adjutorium eingezogen, aber unterschlagen[39] und niemand dafür ausgerüstet hat. Daß das Letztere gar nicht erwähnt wird, dürfte ein neuer Beleg dafür sein, daß es als selbstverständlich angesehen wurde.


Capitul. v. Boulogne 811. M. G. I, 166.

3. Quincumque homo nostros honores habens in ostem bannitus fuerit et ad condictum placitum non venerit, quot diebus post placitum condictum venisse conprobatus fuerit, tot diebus abstineat a carne et vino.

In einem gewissen inneren Widerspruch mit der Strenge des Königsbannes für denjenigen, der ausbleibt, steht diese Strafdrohung für denjenigen, der zu spät kommt; ihm steht nichts anderes bevor, als daß er sich für soviel Tage, als er zu spät gekommen ist, des Fleisches und des Weines enthalten solle – eine Vorschrift, die umsoweniger schrecken konnte, als die Ausführung sich doch schließlich nicht kontrollieren ließ. Wenn wir in diesen Gesetzesvorschriften und Verordnungen tatsächlich einen Ausdruck und Niederschlag der Wirklichkeit hätten, so müßten wir sagen: es gab für einen Franken nichts bequemeres, als bei einem Heereszug erst anzukommen, wenn die Hauptsache vorbei war; dann konnte ihm nichts weiter geschehen, als daß ihm für einige Wochen oder Monate vegetarische Lebensweise zudiktiert wurde, und wir er sich nachher abfand mit dieser gnädigen Strafe, darüber wachte niemand anders als sein eigenes Gewissen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 34-40.
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