Schlacht an der Elster.

15. Oktober 1080.

[139] Erst nach dem Treffen von Flarchheim trennte sich Papst Gregor zum zweitenmal und definitiv von Heinrich, indem er ihn auf der Oster-Synode von 1080 von neuem in den Bann tat. Erst damit erreichte auch die militärische Spannung ihre volle Intensität: alle Illusionen über friedliche Beilegung, die bis dahin noch ein Teil der Kräfte hüben und drüben gebunden hatten, waren jetzt geschwunden und beide Teile konnten keinen anderen Gedanken mehr haben, als unter Zusammenfassung aller erreichbaren Kräfte eine möglichst schnelle und gründliche Entscheidung herbeizuführen. Rudolf wußte, nach den Erfahrungen der letzten Jahre, daß er für eine Offensive nicht stark genug sei; die Initiative fiel an Heinrich als den Stärkeren. Den Sommer über war er noch mit den kirchlichen Angelegenheiten beschäftigt, hielt eine Synode zu Mainz und eine zweite, gemeinsam mit den italienischen Bischöfen, in Brixen, wo er den äußersten Schritt tat und einen Gegenpapst aufstellte. Dann wandte er sich gegen Rudolf.

Wir sind über den Feldzug und die Schlacht verhältnismäßig gut unterrichtet durch die ausführliche Erzählung Brunos, der vielleicht selbst zugegen war. Vollständigkeit in der Motivierung aber dürfen wir bei dem eifrigen priesterlichen Parteischriftsteller natürlich nicht suchen, nicht einmal für die Aktion der sächsischen Führer, noch viel weniger für die König Heinrichs.

Die Aufgabe des Königs war, die Truppen West- und Süddeutschlands mit denen von Böhmen und denen des Markgrafen von Meißen, der auf seine Seite getreten war, zu vereinigen. Heinrich nahm den gefährlichen Weg von Hessen durch Thüringen, an der Südgrenze Sachsens entlang, um sich an der Saale oder Elster mit den anderen Kontingenten zu treffen. Durch eine Demonstration gegen Goslar gelang es ihm, das gesammelte Heer der Sachsen zunächst in diese Richtung zu locken, während das königliche Heer über Erfurt nach Osten marschierte. Bald aber merkten die Sachsen ihren Irrtum und jagten dem Gegner nach. An der Elster holten sie ihn ein.[139] Die Bayern, von Süden her kommend, stießen hier vielleicht schon zu ihm;126 die Böhmen und Meißner waren noch jenseits des Flusses.

Bruno wirft die Frage auf, ob Heinrich etwa absichtlich die Seinen mit dem Rücken gegen das Wasser aufgestellt habe, damit ihnen keine Möglichkeit der Flucht bleibe, und die spätere Lokal-Tradition in der Pegauer Chronik weiß, daß die Schlacht bei einem Orte Milsin (Mölsen) an der Elster (juxta Elstram) stattgefunden hat. Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß das Gefecht sich unmittelbar am Flußufer abgespielt hat.

Wenn Bruno weiter erzählt, Heinrich habe die Schlacht nicht länger verzögern wollen, so verdunkelt diese Wendung offenbar den Tatbestand; weshalb wäre er denn noch erst so weit marschiert? Überdies sagte uns derselbe Schriftsteller, daß der König wider seinen Willen (nolens) sein Lager an der Elster aufgeschlagen habe. Wenn es in Heinrichs Macht gelegen hätte, so hätte er sicherlich die Entscheidung verschoben, bis der Böhme und der Meißner zu ihm gestoßen waren.

Keine Quelle gibt uns irgend eine Andeutung, was den König verhindert hat, die Elster, die doch keine so sehr bedeutende Barriere ist, zu überschreiten. Da er die Saale südlich von Naumburg,127 ohne diese Stadt einnehmen zu können, überschritten hatte, so führte die natürliche Straße zur Vereinigung mit den Böhmen in der Richtung auf Zeitz, was, wie wir sehen werden, auch mit den weiteren Ereignissen stimmt. Zeitz muß notwendig eine Brücke über die Elster gehabt haben; vielleicht[140] hat ihm Zeitz, ebenso wie Naumburg, die Tore verschlossen und ihm damit den direkten Weg verlegt, und ehe man einen eigenen Übergang gebaut hatte, waren die Sachsen zur Stelle.

Wir könnten noch fragen, weshalb Heinrich, wenn er die Elster nicht überschreiten konnte und seine Kräfte doch nicht beisammen hatte, nicht an dem Fluß entlang nach Süden ausgewichen ist. Hatten die Sachsen ihn aber einmal eingeholt, so war das ordnungsmäßig kaum noch möglich. Ein solcher Rückzug wäre leicht zur Flucht geworden. Ein Heer, welches fast ganz auf Nahwaffen und dazu vorwiegend auf Reiter angewiesen ist, kann zu schwer die hinhaltenden Arrièregarde-Gefechte führen, die dem Gros die Zeit für den geordneten Rückzug schaffen. Überdies hat die Elster südwärts der Gegend, wo die Schlacht stattgefunden haben muß, eine starke Ausbiegung nach Westen, die ein Ausweichen von einem aus dieser Richtung kommenden Heer sehr erschwerte, und schließlich ist wohl möglich, daß der Zuzug der Böhmen und Meißner, um dessentwillen man den ganzen Marsch von Hessen durch Thüringen gemacht hatte, bereits jenseits des Flusses in der Nähe war. Die Pegauer Chronik, die freilich viel später ist, aber doch eine lokale Tradition gehabt haben wird, berichtet sogar, daß die Böhmen an der Schlacht teilgenommen hätten. Das werden wir dem positiven Zeugnis Brunos gegenüber zu verwerfen haben; wenn aber jene Chronik weiter erzählt, daß der Herzog von Böhmen König Heinrich durch Böhmen hindurch gerettet habe, so hat das alle innere Wahrscheinlichkeit für sich und kann schwerlich rein fingiert sein. Die angebliche Teilnahme der Böhmen an der Schlacht wird erst aus der Erzählung von dieser Flucht und Rettung geschlossen worden sein, als man den Zusammenhang nicht mehr so genau wußte. Wir aber dürfen nunmehr schließen, daß, wenn der Böhmenherzog den König aus der Schlacht retten konnte, er drüben vielleicht mit seiner Vorhut während des Gefechts schon am anderen Ufer stand und daß die unmittelbare Aussicht auf Vereinigung mit ihm den König veranlaßte, statt weiter nach Süden auszuweichen, durch ein Manöver die nötige Zeit zu gewinnen.


Schlacht an der Elster

[142] Er nahm also hinter einem Sumpftal Stellung, wo die Sachsen ihn nicht direkt angreifen konnten. Grona hieß dieser Sumpf nach Bruno; wie dürfen annehmen, daß dieser Name erhalten ist in dem Namen des Dorfes Grana oder Grona gegenüber von Zeitz. Hier zieht sich in der Richtung von West nach Ost ein Tal zur Elster hin, das ehedem Sumpf gewesen sein wird. Die Straße, auf der Heinrich von der Saale her heranmarschiert war, lief an dem südlichen Rande dieses Tales entlang, überschritt dann nahe der Elster den Sumpf mit einer scharfen Wendung nach Norden und führt hier zur Zeitzer Brücke. Vermutlich war die Brücke damals schon ziemlich an derselben Stelle wie heute. Heinrich hatte also diesen Sumpf überschritten und stand nördlich von ihm, als die Sachsen hinter ihm erschienen.

Angesichts des Feindes den Sumpf zu überschreiten, waren die Sachsen außerstande und die Ritter schimpfen sich gegenseitig, wie Bruno erzählt, und forderten höhnisch einander heraus, doch herüberzukommen.

Gedeckt durch den Sumpf, war der König augenblicklich unangreifbar. Wohl versperrte ihm Zeitz den unmittelbaren Übergang über den Fluß, aber von der anderen Seite waren der Herzog von Böhmen und der Markgraf von Meißen gegen die Stadt im Anzug, und wenn auch diese Bedrohung den Durchzug nicht er öffnete, dann konnte es dem König doch nicht schwerfallen, binnen kurzem außerhalb der Stadt einen Übergang herzustellen, durch den er seine Truppen, sei es diesseits, sei es jenseits des Flusses, vereinigte.

Die Sachsen aber hatten die Möglichkeit, indem sie auf ihrer Straße ein Stück zurückkehrten, den Sumpf westlich zu umgehen. Heinrich wird das nicht außer acht gelassen, aber entweder gerechnet, haben, daß darüber noch ein Tag vergehen könne, der genügte, einen Übergang über die Elster herzustellen, oder aber, daß er, während die Gegner ihre Bewegung ausführten, seinerseits wieder nach Süden über den Sumpf gehen könne, so daß das Hindernis abermals zwischen den beiden Heeren gelegen hätte.

König Rudolf aber und Otto von Nordheim wußten, was auf dem Spiel stand, und waren der Lage gewachsen. Bruno erzählt uns, daß, weil bei dem Verfolgungsmarsch durch Thüringen[143] viele vom sächsischen Fußvolk vor Müdigkeit liegen geblieben seien, angeordnet worden wäre, alle Ritter, die weniger kräftige Pferde hätten, sollten absteigen und zu Fuß kämpfen. Zu welchem Zweck gebrauchte man das Fußvolk? Es heißt nicht etwa, daß die Ritter abgestiegen wären, weil die Pferde nicht mehr leistungsfähig waren, sondern um das fehlende Fußvolk zu ersetzen. Wir wissen, wieviel mehr in der offenen Feldschlacht der Reiter ist als der Fußgänger. Das Fußvolk, das hier künstlich geschaffen wurde, muß einen besonderen Zweck gehabt haben, und zwar einen sehr wichtigen, da Otto von Nordheim, der erste Mann im Heer nach König Rudolf, den Befehl darüber übernahm. Dieses Fußvolk ist, so dürfen wir schließen, bestimmt gewesen, die Übergänge über den Grona-Sumpf zu besetzen und zu sperren, während die Reiter die Umgehung machten, und während des Gefechts von hier aus selber einzugreifen. Unzweifelhaft war das sächsische Heer dem königlichen numerisch erheblich überlegen, so daß es sich diese Teilung der Kräfte, die nun Heinrich zur Schlacht zwang, und zwar zur Schlacht ohne anderen Rückzug als in den Fluß, erlauben durfte.

Das Fußvolk war fähig, den Sumpf sowohl zu verteidigen als auch ihn zu überschreiten an Stellen, die für Reiter ungangbar gewesen wären.

Mit dieser Vermutung stimmt der weitere Gang der Ereignisse. Die Reiterschlacht, die mit der Front nach Osten und Westen geschlagen wurde, schwankte; ein Teil der Sachsen soll schon auf der Flucht gewesen sein: da erschien von Süden her Otto von Nordheim mit dem Fußvolk. Nach Bruno schlägt Otto einen Teil des Feindes, kommt ins feindliche Lager, verhindert seine Leute zu plündern und führt sie gegen den Rest der Feinde, der noch steht. Immer siegt er. Eine solche Wirkung von Fußvolk gegen Ritter ceteris paribus ist ganz unglaublich. Alles aber wird klar in dem Augenblick, wo wir uns vorstellen, daß Otto mit seinen Leuten über den Sumpf kam, während die Reiterschlacht noch schwankte. Er vertrieb zunächst die Besatzung der Übergangsstelle; dann stieß er auf das königliche Lager, wußte aber seine Mannschaft zusammenzuhalten und führte sie in das Reitergefecht, das durch diese Verstärkung zugunsten[144] der Sachsen entschieden wurde. Ob die Einzelheiten so oder etwas anders verlaufen sind, mag dahingestellt bleiben. Bruno selbst, unsere Quelle, hat davon offenbar keine deutliche Vorstellung gehabt. Die Hauptsache für uns ist die Erklärung, weshalb man hier Ritter absitzen ließ und weshalb die abgesessenen Ritter in der Reiterschlacht die Entscheidung geben konnten.

Obgleich Heinrich völlig geschlagen wurde und ein Teil seines Heeres in der Elster unterging, so blieb die Wage doch insofern gleich, als der Sieger, der Gegenkönig Rudolf, selber umkam. Die rechte Hand war ihm abgehauen und er hatte eine schwere Wunde im Unterleib, die ihm den Tod brachte. Sein Grabdenkmal ist noch heute im Merseburger Dom zu sehen. Man mag sich denken, wie der stolze Ritter, der bei Melrichstadt »vor seinem eigenen Siege geflohen war«, bei Flarchheim seine Königslanze verloren hatte, diesmal »alsamer wuote«, um mit dem Nibelungenliede zu reden, gefochten hat, um seinen Ruhm von der Unstruter Schlacht wiederherzustellen, und dieser Ritter-Ehrgeiz brachte dem König den Tod. Seine Anhänger setzten ihm eine Inschrift:

»Da wo die Seinen gesiegt, fiel er als ein heiliges Opfer.

Leben war ihm der Tod, den für die Kirche er litt.«

Ekkehard aber schrieb in seiner Chronik, daß, als man ihm die abgehauene Rechte gebracht, er seufzend zu den Bischöfen, die ihn umstanden, gesagt haben soll: »Das ist die Hand, mit der ich meinem Herrn Heinrich die Treue geschworen; sehet ihr, die ihr mich seinen Thron besteigen ließet, zu, ob ihr mich den rechten Weg geführt habt.«

Der letzte Grund der Niederlage Heinrichs IV. ist der Anmarsch durch Thüringen. Hätte er sich, weiter südlich durch Franken marschierend, mit den bayerischen, böhmischen und meißnischen Truppen im Gebiet der oberen Saale vereinigt und wäre dann geschlossen vorgegangen, so weiß man nicht, wer der Stärkere gewesen wäre. Aber indem der König mit der Hälfte des Heeres durch Thüringen marschierte, kam er den Sachsen so nahe, daß sie ihn angreifen und zur Schlacht zwingen konnten, ehe er sein ganzes Heer vereinigt hatte. Um wenige Stunden, um einen Zufall, der das Überschreiten eines mäßigen Flusses,[145] wie die Elster, etwas aufhielt, mag es sich schließlich gehandelt haben. Wir wissen nicht, was den König zur Wahl seines unvorsichtigen Anmarschweges bestimmt hat, wir sehen nur aus dem Manöver, mit dem er das sächsische Heer in eine falsche Richtung lockte, daß er sich der Gefährlichkeit seines Unternehmens ganz wohl bewußt gewesen ist. Vermutlich waren es Verpflegungsrücksichten, die ihn bestimmten, den Vereinigungspunkt aller seiner Kontingente möglichst weit nach vorn zu legen. Das Gesamtheer, das zusammengekommen wäre, wenn es Heinrich gelungen wäre, die rheinischen, süddeutschen, böhmischen und meißnischen Truppen alle auf einem Fleck zu vereinigen, wäre wohl ungewöhnlich groß geworden und hätte sich nur sehr schwer einheitlich bewegen können. Überdies schonte man bei einem Marsch der westlichen Kontingente durch Thüringer eigenes Gebiet und strafte feindliches. Man mag auch die Tat- und Offensivkraft der Sachsen unterschätzt und sich auf die Wirkung des Ablenkungs-Manövers zu sehr verlassen haben. Alles das sind ja bloße Vermutungen, aber Vermutungen, wie sie sich aus der Natur der Kriegführung der Zeit, den Verhältnissen und dem Geist der Handelnden ungezwungen aufdrängen. Die ewige Schwierigkeit aller Kriegführung, daß große Heere schwer zu bewegen und zu verpflegen sind, daß, wenn man sie aber teilt oder mindert, die kleinen Heere geschlagen werden, diese Schwierigkeit ist in der Epoche der Lehnsaufgebote und der Naturalwirtschaft noch größer als in anderen; daß Heinrich IV. bei seinem Versuch, diese Schwierigkeit zu überwinden, scheiterte, ist uns lehrreich für die Tatsache, daß im Mittelalter die Versuche mit großen, versammelten Kräften große Entscheidungen auf dem Schlachtfelde zu erzwingen, überhaupt so selten gemacht werden.


Aus Brunos Erzählung allein und unmittelbar ist ein Bild der Schlacht an der Elster nicht zu gewinnen. Um unsere Rekonstruktion zu ermöglichen, war es nötig, zwei andere Elemente zuzuziehen und zur Verfügung zu haben, das prinzipielle Verständnis für den Wert und die Bedeutung der Waffengattungen, der Reiter und des Fußvolks in dieser Epoche, und die Feststellung und Kenntnis des Geländes, auf dem die Schlacht sich abspielte. Diese letztere verdanken wir einer Untersuchung von[146] Dr. G. LANDAU im »Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine« Bd. 10, Nr. 5, S. 38 (1862). FLOTO in seinem wertvollen Buch über Kaiser Heinrich Iv. ist zu einem völlig abweichenden Bilde der Schlacht gekommen, da ihm jene beiden Momente der Forschung noch fehlten; überdies hat er auch den strategischen Hintergrund der Schlacht, daß nämlich Heinrich seine Kräfte noch nicht beisammen hatte und die Schlacht noch zu vermeiden suchte, die Sachsen, im Besitz der Überlegenheit, ihn dazu zwangen, übersehen. Er weiß daher den Ausgang der Schlacht nicht anders zu erklären, als durch das unbegreifliche Verhalten des Pfalzgrafen Heinrich von Laach, der mit dem von ihm kommandierten Flügel des königlichen Heeres zunächst siegte, dann Halt machte und nun Kyrie eleison singen ließ, statt sich um das Ergehen des anderen Flügels zu kümmern.

GIESEBRECHT und MEYER v. KNONAU lehnen die Untersuchung Landaus ab und suchen das Schlachtfeld etwa eine Meile nördlicher am Grunau-Bach bei Hohen-Mölsen. Der Name »Grunau-Bach« ließe sich wohl mit »Grona« zusammenbringen und auch die lokale Überlieferung, daß die Schlacht bei Milsin stattgefunden habe, führt naturgemäß auf den Ort, der heute Mölsen heißt. Aber die Lage von Hohen-Mölsen stimmt nicht mit der Angabe Brunos, die das Lager Heinrichs und die Schlacht unmittelbar an die Elster setzen. Höhen-Mölsen ist fast anderthalb Meilen von der Elster entfernt. Auch die anderen späteren Quellen setzen Mösen an die Elster. Die Pegauer Chronik (M. G. SS. XVI, 241) sagt »Milsin juxta Elstram fluvium pervenerunt«; die Pöhlder Annalen (M. G. SS. XVI, 70) »Milsin juxta fluvium Elsteram«. Daß Heinrich, von Naumburg kommend, die Richtung auf Pegau eingeschlagen, statt auf Zeitz, wäre an sich nicht ausgeschlossen. Unverständlich aber wäre es, wie er von der Elster, wo er nach Bruno schon angelangt war, wieder mehr als eine ganze Meile zurück an den Grunau-Bach gelangt sein soll. Hätte die Schlacht bei Hohen-Mölsen stattgefunden, so hätte Bruno auch nicht sagen können, Heinrich habe sein Heer absichtlich mit dem Rücken gegen den Fluß gestellt, um es zur Tapferkeit zu zwingen. Die Flüchtenden hätten nicht so direkt in den Fluß gejagt werden können; sie hätten vorher Raum genug gehabt, auszubiegen. Eine volle Meile erstreckt sich eine Verfolgung überhaupt nicht so leicht. Es bleibt daher keine andere Annahme, als daß das Milsin der Quellen mit dem heutigen »Hohen-Mölsen« nicht identisch ist. Im Gegensatz zu diesem »Hohen-Mölsen« auf den Höhen zwischen Elster und Saale muß es damals ein anderes Mölsen im Flußtal der Elster, etwas abwärts von Zeitz, gegeben haben.

Nun sagt die Pegauer Chronik weiter, die Schlacht habe sich erstreckt »a Milsin usque ad villam Widerhove«. In »Widerhowe« vermutet Landau das heutige Dorf Weida, das nördlich des Grona-Tales am Rande des Schlachtfeldes liegt. Der Name aber stimmt unzweifelhaft besser mit[147] Weiderau, eine halbe Meile abwärts von Pegau, zwei gute Meilen vom Schlachtfelde. Wäre es sonst möglich, die Schlacht an den Grunau-Bach bei Hohen-Mölsen zu setzen, so würde sich damit eine Verfolgung in der Richtung auf Weiderau gut vereinigen. Sie vereinigt sich aber auch mit der Lokalisierung der Schlacht nördlich von Trana. Die Schlacht oder auch die Verfolgung kann sich allerdings nicht von da bis Weiderau erstreckt haben. Aber königliche Truppen können auf der Flucht dahingelangt sein. Denn da der Ausgang nach Süden versperrt und im Osten, unmittelbar im Rücken der Kämpfenden, der Fluß war, so ist es ganz natürlich, daß ein Teil der Geschlagenen nach Norden ausgewichen ist und weiter abwärts, etwa bei Weiderau, den Fluß überschritten hat, und wenn es auch nur eine ganz kleine Abteilung war, so ist es doch natürlich, daß sich eine Erzählung davon in dem unmittelbar daneben liegenden Kloster Pegau erhalten hat.

Sehr viel Gewicht ist der späten Tradition und auch dem Namen selber nicht beizulegen. Die Gegend ist voll von Orten ähnlichen Klanges, Weida, Weiderode, Weiderau, und im Lauf der Jahrhunderte sind ja oft Dörfer zu Grunde gegangen und an anderer Stelle wieder aufgebaut.

So viel oder so wenig Wert man dieser Tradition beimessen will, so würde die Wendung, die Schlacht habe sich von Mölsen bis Weiderau erstreckt, auch noch gegen die Identifizierung von Mölsen und Hohen-Mölsen sprechen. Denn Hohen-Mölsen ist von dem Ost-Ufer des Grunau- Baches, wo die Schlacht gewesen sein müßte, eine volle halbe Meile entfernt.

In der Gegend von Hohen-Mölsen und bei dem Dorfe Nödlitz sind nach GIESEBRECHT Lanzenspitzen, Sporen usw. in großer Menge unter der Erde gefunden worden. Diese Funde können auf keinen Fall mit unserer Schlacht zusammenhängen, da die Fundstellen vom Grunau-Bache viel zu weit entfernt sind; Nödlitz liegt noch eine halbe Meile südwärts von Höhen-Mölsen.

Am dunkelsten bleibt die Frage, aus welchem Grunde das königliche Heer nicht hat über die Elster kommen können. Wenn, was fast die einzig plausible Erklärung wäre, die Stadt Zeitz ihm den Durchzug verwehrt hat, so fragt man, wie Bruno dazu kam, das zu verschweigen. Er hat es offenbar selber nicht gewußt, denn er gibt ja zwei sich widersprechende Versionen an, weshalb es hier zur Schlacht gekommen: einmal, daß Heinrich sie gewollt, und absichtlich das Feld mit dem Rücken gegen den Fluß gewählt, dann, daß er wider seinen Willen hier sein Lager habe aufschlagen müssen. Daß die zweite Version die richtige ist, ist evident. Ebenso deutlich ist die Genesis der ersten: die Ruhmredigkeit der Sieger wollte nicht zugeben, daß man nur das halbe Heer Heinrichs in einem vorteilhaften Augenblick besiegt habe, sondern postulierte eine Schlacht mit rittermäßig gleichen Waffen in beiderseitigem Einverständnis. Für die strategische Leistung, deren Triumph es ist, die Waffen ungleich zu machen, hat – das wissen wir seit Marathon – das Volk keinen Sinn. In[148] dieser psychologischen Stimmung ist das Moment des verschlossenen Brückentors von Zeitz vielleicht verlorengegangen.

Die maßgebende Monographie für die Schlacht, die meiner ganzen Darstellung zu Grunde liegt, ist die Berliner Dissertation von ERICH TOPP (1904), Druck von E. Ebering. Neuerdings sind noch zwei Untersuchungen von R. WILCKE und E. ZERGIEBEL, Zeitz 1919, erschienen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 139-149.
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