Schlacht bei Cortenuova[366] 374.

27. November 1237.

Als die Lombarden sahen, daß der Kaiser seine Stadt-Kontingente entlassen und selber westwärts ziehend den Oglio überschritt, um, wie es schien, nach Cremona ins Winterquartier zu gehen, beschlossen sie, auch ihrerseits den Heimweg anzutreten. Sie hatten ihren Zweck, Brescia zu decken, erreicht. Der direkte Weg aus ihrer bisherigen Stellung nach Crema und Mailand hätte sie nur einen Tagemarsch entfernt von dem Platz, wo Friedrich selbst über den Oglio gegangen war (Pontevico), über den Fluß geführt; vorsichtig genug bogen sie noch einen Tagemarsch weiter nach Norden aus, bis fast an den Fuß der Alpen, um den Zusammenstoß zu vermeiden. Aber der Kaiser war selber sofort den Fluß aufwärts marschiert, und plötzlich sahen sich die Lombarden, die ruhig bei Cortenuova, im Gebiet von Bergamo, lagerten, angegriffen. Da die Kaiserlichen einen längeren Marsch zurückzulegen hatten, so begann die Schlacht erst spät am Tage. Die Vorhut der Lombarden wurde von den kaiserlichen Rittern geworfen. Was von dem lombarischen Heer nicht sofort, von der Panik ergriffen, die Flucht nahm, sammelte sich um das Carroccio, das, wie bei Legnano, an einer durch einen Graben oder Kanal geschützten Stelle stand. Friedrichs Ritter waren nicht imstande, diese Stellung zu erstürmen. Es wäre Sache der sarazenischen Bogner gewesen, ihnen den Zugang zu eröffnen. Nach einigen Quellen haben sie auch gekämpft und ihre Köcher entleert; da jedoch der Kaiser in seinen eigenen Berichten über die Schlacht, die uns erhalten sind, ihre Tätigkeit gar nicht erwähnt, so kann ihre Wirkung nicht so groß gewesen sein. Vielleicht waren sie nicht sehr zahlreich oder kamen erst sehr spät auf dem Schlachtfelde an. Auf jeden Fall konnte die Schlacht an diesem Tage nicht ausgekämpft werden. Der Kaiser befahl, daß die Ritter die Nacht ruhen sollten, ohne den Panzer abzulegen, um das Treffen am nächsten Tage fortzusetzen.

Die Lombarden aber warteten die Erneuerung des Kampfes nicht ab. In der Nacht griff die Flucht immer mehr um sich[367] und wurde schließlich allgemein. Man ließ das Carroccio im Stich und nahm nur das Kreuz des Fahnenmastes, das man abbrach, mit, aber auch dieses blieb schließlich liegen und wurde von den Kaiserlichen erbeutet. Das ganze Lager fiel in ihre Hände, und noch viele Lombarden wurden auf der Flucht getötet oder gefangen.

Nach einer Art von offiziösem Bulletin, der »Encyclika an die Getreuen des Reiches«, die unter dem Namen des Petrus de Vineis erhalten ist, ist das kaiserliche Heer, als es den Marsch zur Schlacht antrat, über 10000 Mann stark gewesen,375 müßte also, da schon eine Anzahl Bürger-Kontingente entlassen waren, vorher noch erheblich stärker gewesen sein. Die Zahl scheint nach dem, was wir bisher von Ritterheeren gehört haben, sehr hoch zu sein, und der Ton der Erzählung scheint nicht auszuschließen, daß die Zahl reichlich hoch gegriffen ist, um die Stärke des Kaisers zu bezeugen, jedenfalls nicht umgekehrt, daß etwa die Zahl zu gering angegeben sei, um den Ruhm des Siegers zu erhöhen. Da die 10000 »sui exercitus« nicht als Reiter bezeichnet oder sonstwie eingeschränkt sind, so sind darunter alle Kombattanten im weitesten Sinne zu verstehen.

Die lombardischen Städte hatten bei der Erneuerung ihres Bundes im Jahre 1231 abgemacht, daß das Bundesheer 10000 Mann zu Fuß, 3000 Ritter und 1500 Schützen stark sein sollte.376 Es wird anzunehmen sein, daß die tatsächliche Stärke, die am Schluß des Feldzuges, Ende November, noch beisammen war, hinter der Soll-Stärke, wenn diese überhaupt je erreicht wurde, sehr wesentlich zurückblieb, vielleicht, namentlich an Fußvolk, nur die Hälfte betrug.377 Es war also nicht unnatürlich, daß der Bund die Schlacht im offenen Felde zu vermeiden suchte, da der Kaiser sowohl in der Zahl wie auch vermutlich in der Qualität der Krieger der Überlegene war.[368]

Da es sich um eine große Aktion handelt, bei der beide Teile ihre ganze Kraft eingesetzt hatten, so ist es für uns sehr wertvoll, von beiden Seiten Zahlenangaben zu haben, die positiv und zuverlässig genug sind, um mit Sicherheit sagen zu können, daß es sich hüben und drüben um nicht mehr als etwa 10000 Kombattanten, alles eingeschlossen, gehandelt hat.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 366-369.
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