Treffen bei Héricourt


Treffen bei Héricourt.

13. November 1474.

[636] Die Schweizer, Elsässer und Österreicher waren gleich nach der Kriegserklärung, während Herzog Karl mit seiner Hauptmacht am Niederrhein stand, mit einem Heer von 18000 Mann ausgezogen, Héricourt zu belagern. Ein burgundisches Entsatzheer nahte sich von Norden; da es jedenfalls sehr viel schwächer als das Belagerungsheer (10000 Mann, die angegeben werden, dürften es schwerlich gewesen sein),586 so sieht man nicht recht, was es eigentlich wollte, vielleicht nur den Versuch einer Demonstration machen. Die Verbündeten zogen ihm entgegen, und die Burgunder ergriffen ohne wesentlichen Kampf die Flucht. Daß die burgundischen Reisigen erstaunt gewesen sein sollen über die ungewohnte Kühnheit, womit bloße Fußknechte so ungescheut auf sie losgingen,587 ist sicherlich bloß schweizerische Vorstellung.

Quellenkritisch interessant sind die Verlust-Angaben.

Die Solothurner Hauptleute berichteten nach Hause, es seien 600 Feinde erschlagen.

Die Bieler Hauptleute berichteten nach Hause, es seien vom Feinde »ob 1000 Mann erschlagen«.

Die Berner berichteten an den König von Frankreich, man habe auf dem Schlachtfelde 1617 feindliche Leichname gezählt,588 ungerechnet die Menge, die in einem Dorf durch Feuer untergegangen, so daß der Feind selbst seinen Verlust auf 3000 Mann anschlage.

Ein anderer offizieller Bericht gibt 2000 Tote.

Der Berner Chronist Schilling 2000 auf dem Schlachtfeld und 1000 Verbrannte.

Man ist wohl zunächst geneigt, die 1617 feindlichen Leichname, die die Berner gezählt haben wollen, außer den Verbrannten, als authentisch anzusehen, und moderne Forscher haben[637] die Angabe der Solothurner, die noch in der Nacht nach der Schlacht nach Hause geschrieben wurde, mit dieser Zählung so ausgleichen wollen, daß der Sieg sich am nächsten Tage noch viel größer herausgestellt, als es anfänglich geschienen habe. Das ist ja oft genug vorgekommen, aber es stimmt nicht mit dem Gang des Gefechts und dem eigenen Verlust der Verbündeten.

Der Baseler Stadtschreiber Nicolaus Rüsch589 und der Berner Chronist Diebold Schilling behaupten beide, daß die Eidgenossen keinen einzigen Toten verloren hätten, nur einige Verwundete, die wieder gesund geworden. Andere Berichte590 geben bis zu drei Toten; die Bieler Hauptleute berichteten nach Hause von zweien. Rodt591 will in einer Quelle, die er nicht nennt, 70 gelesen haben.

Selbst bei 70 Mann Verlust auf der Schweizer Seite werden wir 2000 und mehr auf der anderen, da die Burgunder weder von der Flanke noch vom Rücken angegriffen und in der Flucht unbehindert waren, schwerlich glauben, um so weniger, da ja die falschen Angaben über den eigenen Verlust unmittelbar daneben stehen. Hält man aber gar die Angabe, daß die Eidgenossen keinen einzigen Togen oder höchstens 2-3 verloren hätten, für richtig, so werden die Tausende von gefallenen Burgundern erst recht unglaublich. Die anscheinend so sorgsam gezählten 1617 feindlichen Toten sind also durchaus nicht als urkundlich zu betrachten.

Von den Gefangenen wurden 18 lombardische Söldner unter der Anschuldigung, bei einem Einfall ins Elsaß Kirchen- und sonstige Frevel begangen zu haben, gefoltert und lebendig verbrannt. Für die Zukunft aber wurde durch einen Beschluß der Tagsatzung festgesetzt, daß, wie schon früher bei den Eidgenossen, überhaupt keine Gefangenen gemacht, sondern alles getötet werden solle.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 636-638.
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