Drittes Kapitel

[52] 322-321


Leonnatos und Eumenes – Perdikkas und Eumenes gegen Kappadokien – Perdikkas gegen die Pisider – Neoptolemos und Eumenes – Nikaia – Kleopatra – Kynane und Eurydike – Antigonos' Flucht – Ptolemaios – Perdikkas rüstet – Antipatros' Aufbruch – Der Krieg in Kleinasien – Tod des Neoptolemos und Krateros – Die Aitoler gegen Polyperchon – Ptolemaios' Macht – Kyrene von Ptolemaios gewonnen – Perdikkas' Zug gegen Ägypten – Perdikkas' Tod – Ptolemaios beim Reichsheere – Gericht über die Perdikkaner – Euridikes Intrigen – Rebellion des Heeres – Antipatros Reichsverweser

Nach dem Charakter der Überlieferungen, die über die Diadochenzeit erhalten sind, tritt uns immer nur die rastlose Bewegung und Zerrüttung, die sie beherrscht, entgegen; von stetigen und retardierenden Elementen, von der Breite und Langsamkeit der Zuständlichkeiten, an denen sich die Bewegung vollzieht, ist nirgends die Rede.

Und doch hat es deren gegeben, nicht bloß in der Passivität und Eigenart der orientalischen Völker, von denen wenigstens an einer Stelle, in[52] Dekreten ägyptischer Priester aus der Zeit, da Ptolemaios sich noch Satrap nannte, ein eminentes Beispiel erhalten ist; auch auf der beherrschenden Seite sind Formen und Dispositionen, sind erhaltende Kräfte, über die der Prozeß der Zersetzung nur erst allmählich Herr wird.

In dem makedonischen Volk und Heer lebt ein stark ausgeprägter Zug für die Monarchie und mehr noch für dies altangestammte Königshaus, und die glorreichen Zeiten Philipps und Alexanders haben diesem echt nationalen Gefühl einen Typus gegeben, der nicht mehr auszutilgen ist. Vor allem das Heerwesen hat seine großen Erinnerungen, die sichere Gewohnheit des Befehlens und Gehorchens, die trotz gelegentlicher Auflehnung und Meuterei ihres Weges geht. Selbst daß die Truppen, jede Waffe in ihrer Art, ihre besonderen Traditionen, Ehren, Ansprüche, daß die einzelnen Korps ihre geschlossene Organisation und eine Art demokratisches Gemeinwesen in sich haben, macht sie, wenn nicht um so handlicher, doch fester zum Handeln und Widerstehen; die Soldateska ist neben und trotz aller Politik, wie in den Zeiten Wallensteins und Banèrs, eine Macht, mit der die Lenker der Politik rechnen müssen.

Daß Alexander dies Machtinstrument zu beherrschen und mit vollkommener Freiheit zu verwenden, daß er wie die Masse des Heeres, so die hohen und höchsten Offiziere vollkommen in seiner Hand zu haben verstanden hatte, zeugt mehr als vieles andere von seiner genialen Überlegenheit, von der fesselnden Gewalt seines Geistes und Willens. Wie mächtige, leidenschaftliche, explosive Elemente er in diesen seinen Hipparchen, Strategen, Leibwächtern, Satrapen zusammen- und niederzuhalten vermocht hatte, wurde in den wüsten Vorgängen offenbar, die gleich nach seinem Tode begannen. Und doch ist auch in diesen noch wohl erkennbar, wie stark gefugt und sicher berechnet das System war, das er gegründet hatte; die Formen seines Reiches hielten noch lange über seinen Tod hinaus, länger, als man bei der verhängnisvollen Schwäche derer, die demnächst den Königsnamen trugen, hätte möglich halten sollen. Nicht ein König folgte dem großen König; »ein Kind und ein Tor«, wie es in dem deutschen Verse heißt, sollten ihn ersetzen.

Es mag gestattet sein, hier im vorweg ein Moment hervorzuheben, das zum Beweis des Gesagten dienen dürfte. Gewiß strebte jeder der Satrapen, Strategen, sonstigen Großen Alexanders nach unabhängiger Herrschaft und selbständiger Macht; und wenn die einen kluge Berechnung, andere die Besorgnis vor dem stärkeren Nachbarn, andere die Gefahr eines ersten Wagnisses mochte zögern lassen, die gleiche Begier war bei allen und wuchs in dem Maße, als die Aussicht auf Erfolg größer wurde. Und doch wagte keiner, solange noch »das Kind und der Tor« da waren, den Königstitel anzunehmen, ja auch nach dem unglücklichen Ende beider währte es[53] noch sechs volle Jahre (bis 306), bevor einer der »Folger« das Diadem um seine Stirn zu binden wagte. Mehr noch: im letzten Jahrhundert des persischen Reiches war es üblich geworden, daß auch die Satrapen Münzen mit ihren Namen prägten27; daß es in der Zeit Alexanders nicht geschehen ist, wird als Zeugnis einer bedeutsamen Veränderung in der Stellung, die er den Satrapen gab, gelten dürfen; und diese veränderte Stellung der Satrapen erhielt sich nach dem Tode Alexanders, solange der Name seines Königtums blieb; natürlich haben die Satrapen und gewiß auch die Strategen Gold und Silber prägen lassen, aber unter den Typen und Namen der legitimen Könige, kaum, daß man in kleinen Beizeichen, dem Adler des Ptolemaios, dem Anker des Seleukos, dem halben Löwen des Lysimachos erste Anfänge, an die prägenden Satrapen zu erinnern, erkennt, und auch diese dürften schwerlich dem Jahre 311 vorausliegen; von der großen Zahl anderer Satrapen im Osten und Westen sind nicht einmal solche Anläufe nachzuweisen.

Mochten die Satrapen, wie sie die erste Teilung bestellt hatte, als Landesobrigkeit in ihren Territorien und für ihre innere Politik so frei, wie das Herkommen und die Zustände in ihrem Lande es ihnen gestatteten, zu einer Art Territorialfürstentum gelangen können, der Reichsverweser hatte die Autorität des Reiches über sie, und ihre Absetzbarkeit gab ihm das Mittel in die Hand, sie in den Schranken ihrer Kompetenz zu halten.

Es gab in diesem System einen sehr gefährlichen Punkt. Wir mußten voraussetzen, daß bei den Verhandlungen in Babylon, in denen es begründet worden ist, die Militärmacht in den Satrapien, die Alexander in der Regel von der Zivilverwaltung getrennt und neben den Satrapen gestellt hatte, den Satrapen untergeordnet worden war. Hatten sie somit in ihrem Territorium zugleich die territoriale Militärmacht, so fanden sie leicht Anlaß und Vorwand genug, dieselbe zu mehren und die Truppen an ihre Person zu ketten. Dies war der Punkt, in dem für die Einheit des Reiches eine ernste Gefahr lag, wie denn durch dasselbe Verhältnis die Auflösung des Perserreiches sichtlich beschleunigt worden ist. Das Bestreben des Reichsverwesers mußte dahin gehen, mit dem Reichsheer, das nicht ferner Eroberungen zu machen hatte, gleichsam die allgemeine Strategie des Reiches geltend zu machen und kraft seines Amtes Maßregeln zu treffen, durch welche die Militärgewalt der Satrapen daran erinnert wurde, daß sie unter der Verfügung des Reiches stehe.

Bei der Verteilung der Satrapien im Jahre 323 war bestimmt worden, daß Antigonos von Großphrygien und Leonnatos von Phrygien am Hellespont[54] mit ihren Heeren ausrücken sollten, für Eumenes Paphlagonien und Kappadokien zu erkämpfen. Antigonos hielt es für geraten, dem Befehl nicht Folge zu leisten; die Expedition hätte ihm nicht bloß keinen Nutzen gebracht, sondern ihn überdies von den Befehlen des Reichsverwesers, dem er nichts weniger als dienstpflichtig zu sein geneigt war, abhängig gezeigt. Anders Leonnatos; er war mit bedeutenden Streitkräften aus Babylon aufgebrochen, um erst den kappadokischen Feldzug zu beenden und demnächst in seine Satrapie am Hellespont zu gehen. Auf dem Marsch nach Kappadokien war ihm jener Hilferuf des Antipatros durch Hekataios von Kardia überbracht worden, zugleich geheime Briefe von seiten der königlichen Witwe Kleopatra, der Schwester Alexanders, die ihn einluden, nach Pella zu kommen, um sich des makedonischen Landes zu versichern und sich mit ihr zu vermählen. Welche Aussichten für den kühnen und hochstrebenden Sinn des Leonnatos! Ohne Bedenken gab er den Feldzug gegen Kappadokien auf; er versuchte Eumenes zur Teilnahme an der neuen Expedition zu bewegen, die ja das Reich vor dem schwersten Schlage, der es treffen könne, schützen müsse; er konnte es als einen Akt höchster Hingebung an das Reich von ihm fordern, seinen Vorteil jetzt hintanzusetzen; und sei in Hellas der Kampf entschieden, so könne man desto schneller und entscheidender gegen Ariarathes kämpfen. Eumenes trug Bedenken, ihm Folge zu leisten: er habe noch bei Alexanders Lebzeiten mehrfach beantragt, seiner Vaterstadt Kardia die Freiheit zu geben; darum hasse ihn Hekataios, den diese Sendung als den ergebensten Freund des Antipatros bekunde; er müsse befürchten, daß dem Hekataios zuliebe Antipatros alles gegen ihn für erlaubt halten werde, er fürchte, daß selbst sein Leben in Antipatros' Nähe gefährdet sein könne. Darauf eröffnete ihm Leonnatos, daß das Verhältnis zwischen Antipatros und Hekataios nicht von der Art sei, wie er meine, daß der Tyrann von Kardia ihm heimliche Anträge der Kleopatra überbracht habe, die nichts Geringeres als den Sturz des Strategen von Makedonien bezweckten; er legte ihm das Schreiben Kleopatras vor: Antipatros zu retten sei ihm nur der Vorwand, um nach Europa hinüberzugehen, der eigentliche Zweck seines Zuges sei, Makedonien in Besitz zu nehmen. Eumenes hatte nicht mehr den Vorwand seiner Besorgnis vor Antipatros, um sich der Teilnahme zu weigern; aber er war im Besitz eines Geheimnisses, dessen Erfüllung für das Schicksal des Reiches von unberechenbarem Einfluß werden mußte. Was hätte es ihm genützt, wenn er mit Leonnatos nach Europa gezogen wäre? Dagegen konnte er, wenn er dem Reichsverweser die Pläne des Leonnatos mitteilte, seines Dankes gewiß sein; und wenn überall die Satrapen mehr oder minder offenbar bemüht waren, sich der Abhängigkeit von Perdikkas zu entziehen, wenn[55] andererseits derselbe entschlossen war, seine Macht namens des Königtums entschieden geltend zu machen, so mußte es über lang oder kurz zu einem Kampf kommen, für den wahrhaft ergebene Freunde zu gewinnen und mit möglichster Macht auszurüsten der Reichsverweser das dringendste Interesse hatte. Noch war Eumenes nicht im Besitz seiner Satrapie, und die Satrapen, wenn er sich zu ihrer Partei schlug, hatten kein Interesse dabei, ihm zu derselben zu verhelfen; ihnen konnte es vorteilhafter sein, Ariarathes als Feind des Reiches und somit des Reichsverwesers im Besitz seiner bedeutenden Macht zu lassen. Dies mochten die Motive sein, die Eumenes zu einem Schritte bestimmten, der nahezu ein Verrat gegen das offene Vertrauen des Leonnatos war. Während dieser der Meinung war, ihn für seinen Plan gewonnen zu haben oder demnächst zu gewinnen, ließ Eumenes in der Stille der Nacht seine Sachen aufpacken und eilte mit 300 Reitern, 200 bewaffneten Knechten und 5000 Talenten in Gold aus dem Lager hinweg. Er kam zu Perdikkas und offenbarte ihm die Pläne des Leonnatos; es bildete sich schnell zwischen beiden ein um so engeres Verhältnis, da ihr Vorteil Hand in Hand ging; und der gewandte Kardianer war von dieser Zeit an der vertrauteste Ratgeber, der treueste Anhänger des Reichsverwesers.

Für Perdikkas war es jetzt das wichtigste, den treuergebenen Freund in den Besitz der ihm zugeteilten Länder zu bringen; ein Feldzug gegen Ariarathes konnte ihm jetzt um so erwünschter sein, da er durch denselben Anlaß hatte, mit Heeresmacht nach Kleinasien zu ziehen, wo sich die beiden mächtigsten Satrapen, Antigonos und Leonnatos, seinen Befehlen in drohender Selbständigkeit geweigert hatten. Mit dem Anfang des Jahres 322 rückte das Reichsheer nach Kappadokien aus; der König Philippos, Perdikkas, Eumenes befanden sich bei demselben. Ariarathes zog ihnen mit seinen 30000 Mann Fußvolk und 15000 Reitern entgegen. Es kam zur Schlacht; die Makedonen erfochten einen glänzenden Sieg, 4000 Kappadoker wurden erschlagen, 6000 gefangen, unter diesen der greise Fürst selbst; er und die Seinigen wurden ans Kreuz geheftet, den Kappadokern verziehen, Hab und Gut und Recht gesichert, ihr Land Eumenes als Satrapie übergeben, der sofort die nötigen Einrichtungen traf und die erforderlichen Zivil- und Militärbeamten aus der Zahl der ihm Ergebenen bestellte, um sich der neuen Satrapie zu versichern. Seine Absicht war, bei Perdikkas zu bleiben, teils um ihm stets mit Rat und Tat zur Hand zu sein, teils um nicht durch Entferntsein vom königlichen Hoflager von seinem Einfluß einzubüßen. So verließ er seine neue Provinz bald und eilte nach Kilikien, wohin das Reichsheer in Kantonierung verlegt war.

So mochte der Frühling des Jahres 322 herangekommen sein. Leonnatos war bereits im Kampf gegen die Hellenen gefallen, Krateros auf dem Wege[56] nach Makedonien; Lysimachos hatte sich nach einem kurzen, aber mörderischen Kampf gegen den Odrysenfürsten Seuthes zurückgezogen, um sich zu einem neuen Feldzug zu rüsten; Antipatros stand hinter dem Peneios und war außerstande, auf die Angelegenheiten jenseits des Hellesponts irgendeinen Einfluß auszuüben. So vermochte Perdikkas, der durch den kappadokischen Feldzug in Kleinasien festen Fuß gefaßt hatte, den begonnenen Weg zu verfolgen; er konnte daran denken, in einem strengen Exempel die Autorität des Reiches gegen die Satrapen geltend zu machen. Antigonos von Großphrygien war schwerster Unbotmäßigkeit schuldig; es erging ein Befehl der Könige an ihn, sich zu Gericht zu stellen. Perdikkas konnte erwarten, daß der stolze Satrap sich nicht stellen, daß mit bewaffneter Macht gegen ihn zu verfahren sein werde; um schlagfertig in der Nähe zu sein und sich den Weg nach Phrygien zu öffnen, beschloß er einen Zug gegen die Städte Laranda und Isaura in dem Teile Pisidiens, der zwischen dem rauhen Kilikien und Phrygien liegt; noch zu Alexanders Zeit hatten sie, unbewältigt in ihren Bergen, sich mit bestem Erfolg gegen die königlichen Feldherren verteidigt; es war endlich Zeit, sie zu züchtigen.

Schnell und leicht wurde Laranda genommen, der größte Teil der Einwohner niedergehauen, der Rest in die Sklaverei verkauft, die Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Dann rückte das Heer gegen die große und wohlbefestigte Stadt Isaura; sie wurde von einer bedeutenden Zahl Bewaffneter verteidigt, sie war mit Kriegsgerät und Vorräten jeder Art hinreichend versehen. Mit außerordentlichem Mut kämpften die Isaurier für ihre Unabhängigkeit; zweimal wurde der Sturm zurückgeschlagen; aber die Belagerten hatten viele Menschen verloren, so daß sie nicht mehr imstande waren, die Zinnen der Mauern hinreichend zu besetzen. Durch den Untergang von Laranda belehrt, was ihrer warte, wenn ihre Stadt genommen werde, zogen sie es vor, sich selbst den Untergang zu bereiten, dem sie doch nicht mehr entgehen konnten. Die Greise, Weiber und Kinder schlossen sie in die Häuser ein, zündeten in der Stille der Nacht die Stadt an mehreren Enden an; und während drinnen die Flammen emporloderten, hielt die waffenfähige Mannschaft die Mauern besetzt, um sie auch jetzt noch zu verteidigen. Unter dem Scheine der ungeheuren Feuersbrunst rückten die makedonischen Truppen aus, umzingelten die Mauern, versuchten den nächtlichen Sturm; mit ungemeiner Tapferkeit kämpften die Isaurier und zwangen die Feinde, vom Angriff abzustehen; dann zogen sie von den Mauern hinab und stürzten sich mit in die Flammen. Am andern Morgen kamen die Makedonen wieder, zogen ungehindert in die brennende Stadt; es gelang ihnen, den Flammen Einhalt zu tun; die Trümmer und Brandstätten wurden ihnen zur Plünderung überlassen; sie fanden des edlen Metalles viel in der Asche der einst so reichen Stadt.[57]

Während dieser Zeit war Eumenes in seiner Satrapie Kappadokien; ihn hatte Perdikkas dorthin geschickt, weil Neoptolemos, der Satrap des benachbarten Armenien, nicht minder als Antigonos unzuverlässig schien. Allerdings war des armenischen Satrapen Sinn hochfahrend und auf große Dinge gerichtet; aber der klugen Gewandtheit des Eumenes gelang es, ihn zu gewinnen oder doch ein äußerlich gutes Verhältnis mit ihm aufrechtzuerhalten. Zugleich benutzte Eumenes die Zeit, sich in aller Weise auf den bevorstehenden Kampf zu rüsten; dieser war bei den Makedonen nicht populär, und es schien gefährlich, sich für denselben auf so trotzige und an militärischen Stolz gewöhnte Truppen allein zu verlassen. Eumenes beeilte sich, aus seiner Provinz, die zu aller Zeit durch ihre Reiterei ausgezeichnet gewesen ist, ein eigenes Reiterkorps zu bilden, das nötigenfalls den Phalangen die Stange zu halten vermochte. Er gab den Einwohnern, die zum Reiterdienst geeignet waren, volle Abgabenfreiheit, verteilte unter diejenigen, denen er besonders traute, Pferde und Rüstzeug, munterte sie durch Belohnungen und Auszeichnungen auf, übte sie in der abendländischen Kunst des Reiterdienstes und Gefechtes; in kurzem war ein vollkommen geübtes Reiterkorps von 6500 Mann zur Verfügung, so daß die Phalangen selbst erstaunten und sich sofort dienstwilliger zeigten.

In anderer Weise schickte sich Perdikkas zu dem Kampf an, der bevorstand. Freilich war der Satrap von Phrygien in freundschaftlichem Vernehmen mit Antipatros, der ihm eben jetzt, nach der glücklichen Bewältigung der Griechen, mit Krateros einig, im Besitz einer bedeutenden und disponiblen Macht als ein vollkommen sicherer Rückhalt erscheinen mochte. Ihm diese Stütze zu entziehen, mag Perdikkas um die Tochter des Antipatros geworben haben; jetzt kam sie, von Archias und Iolaos begleitet, nach Asien, um sich mit Perdikkas zu vermählen.

Alles dies durchkreuzte eine Intrige der Königin Olympias. Sie haßte Antipatros mit aller Heftigkeit ihres leidenschaftlichen Gemüts; neben dem Haß war der Stolz der Herrschaft und die Macht des königlichen Hauses ihr stetes Dichten und Trachten; sie sah deutlich, wie Antipatros und jeder der Statthalter nach unabhängiger Macht strebte; sie mußte für Perdikkas sein, der, mit welchen ferneren Absichten immer, die Majestät und Einheit des Reiches aufrechtzuerhalten beflissen war. Und jetzt sollte sie es mit ansehen, daß sich die beiden großen Führer der vollkommen entgegengesetzten Tendenzen versöhnten? Gab Perdikkas einmal die Sache der Könige auf, so sollte es mindestens nicht zu Antipatros' Gunsten sein. Deshalb ließ die Königin um dieselbe Zeit, als Nikaia nach Asien zog, dem Reichsverweser die Hand ihrer Tochter Kleopatra, der königlichen Witwe von Epeiros, antragen; es schien der beste Weg, das[58] Interesse des mächtigen Reichsverwesers, wenn nicht an das Schicksal der Könige, doch an das königliche Haus zu fesseln. Im Rate des Perdikkas wurde dieser Antrag vielfach erwogen; auf der einen Seite konnte man geltend machen, daß Perdikkas sich durch solche Verbindung fesseln werde, daß er nicht des Vorwandes legitimer Rechte bedürfe, um zu der alleinigen Macht im Reiche, die er dem Wesen nach schon habe, auch noch die Zeichen und Namen derselben zu gewinnen, daß es ersprießlicher sei, sich durch Verbindung mit Antipatros zu verstärken; allerdings werde auch die Verbindung mit der königlichen Familie große und gewiß größere Wirkungen bringen, aber mehr zu ihrem als zum eigenen Gewinn; stets würde für Perdikkas die Legitimität Kleopatras und ihrer Rechte als der Grund seiner Macht angesehen werden. Andererseits konnte gesagt werden: die Macht des Reichsverwesers gründe sich darauf, daß er Vertreter des Königtums und der Rechte desselben sei, in diesem Namen sei er der Makedonen gewiß; um keinen Preis dürfe er diese Stellung aufgeben; nur durch die Verbindung mit einer königlichen Prinzessin könne er sich den Weg zu einem höheren Ziele bahnen. Der König Philipp Arrhidaios habe, da er nicht ebenbürtig sei, geringes Recht an den Thron, und es werde leicht sein, die Makedonen, die ihn übereilt zu demselben bestimmt, von ihm, dem einfältigsten Menschen des Reiches, abwendig zu machen; das Kind Alexanders sei einer Asiatin Sohn, wie es bei der Entscheidung über die Nachfolge wiederholt von den Phalangen eingewandt worden; so bleibe die legitime Erbfolge bei Kleopatra, der einzigen des königlichen Hauses, welche in rechtmäßiger und ebenbürtiger Ehe gezeugt sei; als deren Gemahl werde Perdikkas, schon im Besitz der vollen Gewalt, von den Makedonen selbst leicht als Herr und König anerkannt werden. Perdikkas entschied sich dahin, für jetzt sich mit Nikaia zu vermählen, um nicht vor der Zeit sich Antipatros zu verfeinden, der gerade jetzt durch die Bewältigung der Hellenen mächtig dastand; er wußte sehr wohl, daß sowohl Antigonos wie Ptolemaios von Ägypten mit Antipatros in enger Verbindung war, und daß es ihm, wenn Antipatros sich für sie erklärte, vielleicht unmöglich sein würde, die Statthalter niederzuhalten; seine Absicht war, den Satrapen von Phrygien, dem aus dem fernen Ägypten nicht so bald Hilfe kommen konnte, zu überrennen, sich dann durch Vermählung mit Kleopatra offen als Gegner des Antipatros zu erklären, nach Europa hinüberzugehen und dort für sich alle die Ansprüche geltend zu machen, auf welche ihm die Hand der einzigen rechtmäßigen und ebenbürtigen Erbin des königlichen Hauses ein Recht zu geben schien.

Gegen so stolze und, wie es schien, wohlangelegte Pläne des Reichsverwesers erhob sich aus dem Schoße des königlichen Hauses unerwartete Gefahr.[59]

Auch mit einer Illyrerin hatte sich einst König Philipp, als er für den unmündigen Sohn seines Bruders das Regiment übernahm und auch von illyrischen Häuptlingen bedrängt wurde, vermählt. Aus dieser Ehe war ihm Kynane geboren, die er dann, als sie erwachsen war, jenem Amyntas, der das Königtum hätte erhalten sollen, vermählte. Amyntas selbst bedeutete wenig; aber denen, die nach Philipps Ermordung gegen Alexanders Nachfolge sich verschworen, konnte dessen Erbrecht einen erwünschten Vorwand bieten. Als Alexander von seinem ersten Zuge nach Hellas zurückkam, wurden Entdeckungen gemacht, in denen auch Amyntas' Name eine Rolle spielte; er wurde verurteilt und hingerichtet. Kynane hatte ihm eine Tochter Adea, oder, wie sie später genannt wurde, Eurydike geboren; die junge Witwe verlobte Alexander mit dem Agrianerfürsten Langaros, der ihm in den schweren Kämpfen des Jahres 334 Treue gehalten; aber dieser starb, bevor das Beilager gehalten wurde, und Kynane zog es fortan vor, ehelos zu bleiben. Sie hatte das wilde illyrische Blut ihrer Mutter; sie zog mit in die Kriege; Abenteuer und Kriegsfahrten waren ihre Lust, und mehr als einmal nahm sie am Kampf persönlich teil; in einem Kriege gegen die Illyrer erschlug sie mit eigener Hand deren Königin und trug durch ihr wildes Eindringen in die Feinde nicht wenig zur Entscheidung des Tages bei. Ihre Tochter Eurydike hatte sie von früh an in den Waffen geübt und an Heerfahrten gewöhnt; und die nun fünfzehnjährige Fürstin, schön, herrisch, kriegerisch, wie sie war, die Erbin des Reiches, das ihrem Vater von ihrem Großvater vorenthalten war, schien der Mutter sehr geeignet, um an ihrer Seite auf die Bühne der Weltbegebenheiten zurückzukehren, von der sie Antipatros' Ränke bisher ausgeschlossen. Mit ihm und seiner Partei verfeindet, mußte sie unter dessen Gegnern den suchen, dem sie mit der Hand ihrer Tochter den größten Anspruch bot; und wenn sich Kleopatra anschickte, durch Vermählung mit dem mächtigen Reichsverweser Perdikkas höchsten Einfluß im Reiche zu gewinnen, so blieb ihr nichts übrig, als ihre Partei zwischen dem Reichsverweser und den Satrapen zu suchen; dem König Philipp Arrhidaios beschloß sie ihre Tochter zuzuführen. Mit einem kleinen Kriegsheer brach sie plötzlich aus Makedonien auf, eilte dem Strymon zu; dort hatte Antipatros, um sie zurückzuhalten, sich mit bewaffneter Macht aufgestellt; mit dem Speer in der Hand stürmte sie und ihre Tochter auf dessen Truppen, und deren Linie wurde durchbrochen; andere Posten, die ihr den weiteren Weg zu sperren versuchten, wurden ebenso geworfen; ungehindert ging der seltsame Heereszug über den Hellespont, nach Asien, weiter des Weges zum Lager des Königs. Perdikkas sandte Truppen unter Alketas gegen sie mit dem Befehl, sie, wo er sie fände, anzugreifen, sie lebend oder tot einzubringen. Aber die Makedonen,[60] der kühnen Fürstin, der Tochter Philipps gegenüber, weigerten den Kampf, forderten Vereinigung beider Heere, die Vermählung der jungen Fürstin mit ihrem König. Es war die höchste Zeit, daß sich Alketas seiner blutigen Vollmacht bediente; vergebens, daß Kynane kühn und beredt von ihrem königlichen Blut, von dem schnöden Undank des Alketas und Perdikkas, von dem Verrat, mit dem man sie umgarnt, sprach; Alketas ließ sie, wie es sein Bruder Perdikkas forderte, ermorden. Der laute Unwille des Heeres, der zu offener Empörung gegen den Reichsverweser auszubrechen drohte, wurde mit Mühe und nur dadurch beschwichtigt, daß Eurydike mit Philipp Arrhidaios verlobt wurde; mit ihr hoffte Perdikkas, nachdem er sich der Mutter entledigt, leicht fertig zu werden. So kam die junge Fürstin in das königliche Lager, und Perdikkas' Macht schien sicherer und größer aus dieser Gefahr hervorzugehen; Eurydike war in seiner Nähe, ihr Schicksal in seiner Hand; er schien sich seinem höchsten Ziele zu nahen. Es kam ein unerwartetes Ereignis hinzu, die Entscheidung zu zeitigen.

Perdikkas hatte erwartet, Antigonos, den er vor ein makedonisches Gericht geladen, werde sich der Vorladung weigern und dadurch Gelegenheit geben, gegen ihn als offenen Rebellen mit aller Strenge zu verfahren; es war nicht zweifelhaft, daß der Satrap der Macht des Reichsverwesers erlegen wäre. Antigonos hatte sich zu stellen und seine Unschuld zu erweisen versprochen; er war dann heimlich mit seinem Sohne Demetrios und seinen Freunden aus der Satrapie entwichen, hatte sich nach der Küste geflüchtet, auf attischen Schiffen, die dort lagen, sich nach Europa zu Antipatros zu begeben. Für den Reichsverweser eine nicht unwillkommene Wendung. Allerdings war jetzt das Schicksal des Satrapen, den er als Schuldigen mit gerechter Strafe heimzusuchen beabsichtigt hatte, ein Gegenstand des Bedauerns; auch im Heere, das nur zu sehr die Gewohnheit hatte, zu räsonieren und zu tadeln, was gerade geschah; da galt nun Antigonos für einen ungerecht Verfolgten, mit Recht habe der edle Satrap, wenn selbst nicht das königliche Geschlecht dem blutgierigen Reichsverweser Scheu eingeflößt, sein Leben nicht einem Gericht anzuvertrauen gewagt, das sichtlich nicht um der Gerechtigkeit willen berufen werden sollte; daß Antigonos nach Europa geflüchtet sei, bedeute dem Reich einen schweren inneren Kampf, er habe die Flucht nur wagen können, wenn er gewiß sei, daß Krateros, Antipatros, vielleicht andere mehr die Waffen für ihn erheben würden. Eben das erwartete und wünschte der Reichsverweser; nicht er war dann schuld, daß es zum Bruch und zum entscheidenden Kampf kam; Krateros und Antipatros hatten wohl die Griechen, aber nicht die Aitoler bewältigt, sie lagen gegen diese im Felde, hatten vollauf mit ihnen zu schaffen; für den Augenblick[61] konnten sie für Antigonos wenig tun. Daß dieser sich zu ihnen geflüchtet, ließ sich als Beweis ihrer Mitwisserschaft und ihrer Schuld benutzen. Es galt, der Koalition, die im Werden war, zuvorzukommen, sie zu treffen, bevor sie die Offensive ergreifen konnte; und wie Antipatros in Makedonien selbst zu treffen sei, zeigte das Erbieten Kleopatras und ihrer Mutter Olympias.

Bisher hatte Perdikkas das Spiel mit Antipatros' Tochter fortgesetzt. Jetzt sandte er Eumenes mit reichen Geschenken nach Sardeis, wohin Kleopatra sich begeben hatte; er ließ ihr eröffnen, daß er, um sich mit ihr zu vermählen, beschlossen habe, Nikaia ihrem Vater zurückzusenden; die Königin gab sofort ihre Zustimmung. Nikaia wurde verstoßen, kehrte ins Vaterhaus zurück.

Mit Recht sah Perdikkas in dem Lagiden seinen gefährlichsten Gegner. Von dem Augenblick an, da Ptolemaios seine Satrapie übernahm, hatte er sich zum Kampf gegen Perdikkas vorbereitet, den er als unvermeidlich erkannte. Er hatte damit begonnen, den bisherigen Machthaber über Ägypten, Kleomenes, welcher nach den Anordnungen von Babylon als Hyparch unter ihm stehen sollte, beiseitezuschaffen; denn es lag in der Natur der Sache, daß sich dieser, aus seiner bisherigen Macht verdrängt, zu der Partei des Perdikkas neigte; die furchtbaren Bedrückungen, die er sich gegen die Satrapie erlaubt hatte, gaben Grund genug, ihm den Prozeß zu machen. Der Schatz von 8000 Talenten, den Kleomenes zusammengescharrt hatte, fiel in des Satrapen Hände, und er benutzte ihn sofort zur Anwerbung von Truppen, deren der Ruhm seines Namens genug herbeiziehen mochte, und zur Förderung des ihm anvertrauten Landes, das durch Kleomenes' habgierige Verwaltung in das tiefste Elend versunken war. Ptolemaios verstand es wie kein anderer der Feldherren Alexanders, sich das Volk zu gewinnen, das ihm zugeteilt war; schnell hob sich das Land unter seiner einsichtigen Leitung und den für jene Zeit außerordentlich milden Anordnungen für die Einheimischen; der lebhafte überseeische Verkehr, der sich bereits in Alexandreia konzentriert hatte, bot der von Natur reichen Landschaft einen ergiebigen Markt für ihre Erzeugnisse. Zu alledem kam die überaus günstige geographische Lage Ägyptens, wenn es zu einem Kriege kam; fast von allen Seiten von Einöden umgeben, deren spärliche Bewohner, schweifende Beduinenstämme, keine Gefahr drohten, war das Nilland einem feindlichen Landheer nur auf dem einen Wege längs der Küste von Syrien her zugänglich, der für den Gegner unendliche Schwierigkeiten hatte, ihm die Zufuhr erschwerte, ihm im Falle des Mißlingens den Rückzug fast unmöglich machte, während die ägyptische Macht, unterstützt von allen Vorteilen des schwierigen und vielfach durchschnittenen Terrains, der leicht zu bewerkstelligenden[62] Überschwemmungen, der stets nahen Vorräte und Hilfsmittel aller Art, endlich bei jedem Schritt rückwärts in einer neuen und gleich festen Position, sich fast nur verteidigend zu verhalten brauchte, um des Sieges gewiß zu sein. Offener ist das Land einem Angriff von der Seeseite; aber eine nur einigermaßen wohlgeordnete Verteidigung vermag den Feind an der Küste festzuhalten, und auch die Landung ist ihm durch die Schwierigkeit der Einfahrt in die Nilmündungen erschwert; und der einzige bequeme Angriffspunkt Alexandreia war durch die Vorsorge des Gründers hinreichend befestigt. Eine glückliche Fügung von Umständen fügte dem Besitz Ägyptens rasch und mühelos ein Gebiet hinzu, das nicht bloß als Rückendeckung von großem Wert war.

In der Kyrenaika waren um die Zeit, da Alexander starb, und, wie es scheint, veranlaßt durch dies Ereignis, Unruhen ausgebrochen, in deren Folge die Anhänger der einen Partei aus der Stadt Kyrene verjagt wurden, sich mit den Verbannten aus der Stadt Barka verbanden und sich hilfesuchend nach außen wandten; sie traten mit Thibron in Verbindung, jenem Spartaner, der mit Harpalos, dem Großschatzmeister Alexanders, im Herbst 324 von Tainaron aus nach Kreta gegangen war, ihn dort ermordet, sich seiner Schätze bemächtigt, die Truppen, die dem Harpalos gefolgt waren, an 6000 Soldknechte, in Dienst behalten hatte. Jetzt, von den verbannten Kyrenaiern aufgefordert, ging er mit seinem Kriegsvolk nach Libyen, siegte in einem blutigen Treffen, bemächtigte sich des Hafens Apollonia, zwei Meilen von der Stadt; dann rückte er gegen diese vor, begann sie zu belagern, zwang die Kyrenaier endlich, um Frieden zu bitten; sie mußten 500 Talente bezahlen, die Hälfte ihrer Kriegswagen ausliefern, die Verbannten wieder aufnehmen. Zugleich gingen seine Gesandten an die übrigen Städte der Kyrenaika und bewogen diese, sich mit ihm zu verbinden, um die libyschen Nachbarstämme zu bekämpfen; und mindestens Barka und Euhesperia schlossen sich ihm an. Indes hatte er seinen Kriegsknechten, um sie an sich zu fesseln, die Plünderung der Hafenstadt gestattet; die dort aufgestapelten Kaufmannsgüter und die Besitztümer der Einwohner gaben reichliche Beute. Bei der Teilung derselben entspann sich Streit; der Kreter Mnasikles, einer unter den Hauptleuten Thibrons, ein verwegener und trotziger Mensch, wurde wegen seines Verfahrens bei der Teilung zur Rechenschaft gezogen. Er zog es vor, die Sache Thibrons zu verlassen, er ging zu den Kyrenaiern, lärmte dort viel von der Grausamkeit und Treulosigkeit des Feldherrn, brachte die Bürger dahin, daß sie die ferneren Zahlungen (erst 60 Talente waren ausgezahlt worden) einstellten, den geschlossenen Vertrag für ungültig erklärten, die Waffen von neuem ergriffen. Auf diese Nachricht ließ Thibron etwa 80 Bürger von Kyrene, die sich gerade in Apollonia befanden, festnehmen[63] und zog, von den Barkaiern und Euhesperiten verstärkt, zu einer zweiten Belagerung gegen die Stadt. Sie widerstand unter Leitung des Mnasikles glücklich, und Thibron zog sich gegen Apollonia zurück; die Kyrenaier eilten mit einem Teil ihrer Mannschaft hinaus, um das Gebiet von Barka und Euhesperia zu verwüsten, und als Thibron diesen mit der Mehrzahl seines Heeres zu Hilfe eilte, brach Mnasikles mit den Kyrenaiern aus der Stadt hervor, überfiel die Hafenstadt, überwältigte die wenigen dort liegenden Truppen des Thibron und besetzte den Hafen; was man noch von Kaufmannsgütern oder anderem Besitztum dort fand, wurde den Eigentümern zurückgestellt oder aufbewahrt. Thibron wagte nicht, sich sofort gegen Apollonia zu wenden; er warf sich mit seinem Heere nach Taucheira in die westlicheren Teile der Landschaft, mit der Absicht, dorthin seine Flotte zu ziehen und dann weiter zu sehen. Indes war die Flotte durch den Fall von Apollonia ihrer Station beraubt; das Schiffsvolk mußte, um sich Lebensmittel zu verschaffen, täglich an das Land, und bald, da die Küste nicht mehr Vorräte genug darbot, weiter landein ziehen; das libysche Landvolk rottete sich zusammen, lauerte den Schiffsknechten auf, erschlug viele derselben, nahm andere gefangen. Als sich die übrigen auf die Schiffe zurückgeflüchtet hatten und den befreundeten Städten der Syrte zufuhren, erhob sich ein Sturm, zerstreute die Flotte, brachte dem größten Teil der Schiffe den Untergang; die übrigen wurden von Wind und Wellen teils nach Kypros, teils nach Ägypten verschlagen.

Die Lage Thibrons begann bedenklich zu werden; dennoch verlor er den Mut nicht. Er schickte getreue Männer nach der Peloponnes, nach dem Werbeplatz auf dem Tainaron; sie fanden dort schon wieder (denn wenige Monate früher hatte Leosthenes zum Lamischen Krieg alle damals versammelten Kriegsknechte angeworben) 2500 Mann, nahmen sie in Sold, beeilten sich, mit ihnen gen Libyen zu schiffen. Indes hatten die Kyrenaier, durch ihre bisherigen Erfolge ermutigt, den Kampf gegen Thibron selbst gewagt; er hatte eine bedeutende Niederlage erlitten. Gerade jetzt, da er schon an seiner Rettung verzweifelte, kamen, es mochte im Frühjahr 322 sein, die neuen Truppen von Tainaron; sofort hatte er neue Pläne und kühnere Hoffnung. Mit der größten Anstrengung rüsteten die Kyrenaier sich zu dem neuen Kampf, der unvermeidlich war, holten sich Hilfe von den libyschen Völkern umher und von Karthago, brachten ein Heer von 30000 Mann zusammen. Es wurde eine Schlacht geliefert, in der Thibron den Sieg davontrug; er unterwarf nun die Städte der Landschaft. Die Kyrenaier, deren Führer in der Schlacht gefallen waren, übertrugen dem Mnasikles den Oberbefehl und verteidigten sich, da Thibron Apollonia wiederholt berannte und die Stadt selbst eng einschloß, auf[64] das hartnäckigste. Bald wuchs die Not in der Stadt, es begannen Unordnungen, das gemeine Volk, wie es scheint, von Mnasikles aufgehetzt, vertrieb die Reichen aus der Stadt, die sich zum Teil zu Thibron schlugen, zum Teil nach Ägypten flüchteten, dem Satrapen berichteten, was in der Kyrenaika geschehen sei, ihn baten, sie in ihre Heimat zurückzuführen28. Dem konnte nichts erwünschter kommen; es mußte ihm leicht werden, bei der Erschöpfung der dort kämpfenden Parteien den Sieg davon zutragen. Er sandte bedeutende Land- und Seemacht unter Führung des Makedonen Ophellas29 etwa im Sommer 322 nach der Kyrenaika; sobald sie nahten, beschlossen die Vertriebenen, die sich bei Thibron befanden, zu ihnen zu stoßen; ihr Plan wurde entdeckt, sie alle hingerichtet. Die Führer des Pöbels von Kyrene, voll Furcht vor den Vertriebenen, wenn sie von den Ägyptern zurückgeführt würden, machten Thibron Friedensanträge und verbanden sich mit ihm, um Ophellas abzuwehren. Dieser indes ging mit aller Vorsicht zu Werke, sandte einen Heerhaufen unter Epikydes von Olynth gegen Taucheira und wandte sich selbst gen Kyrene. Er traf auf Thibron; dieser wurde vollständig besiegt, flüchtete nach Taucheira, wo er Schutz zu finden hoffte, und fiel dort dem Epikydes in die Hände; die Taucheiriten, denen Ophellas seine Bestrafung auftrug, stäupten ihn, schleppten ihn dann nach Apollonia, wo er so grausam gehaust, schlugen ihn dort ans Kreuz. Indes widerstanden noch die Kyrenaier, Ophellas vermochte nicht, ihrer Herr zu werden, bis Ptolemaios selbst mit neuen Truppen kam, die Stadt überwältigte und die Landschaft mit seiner Satrapie vereinigte.

Es war ein großer Gewinn, daß er diese griechische Landschaft an sich gebracht, ein größerer, daß er, entsetzlicher Anarchie ein Ende machend, recht eigentlich sich als ihr Retter erwiesen hatte. Wenn nun sein Name weithin in der griechischen Welt gefeiert wurde, unter den Makedonen war er von den Kriegsjahren her in hohem Maße beliebt; es wird angegeben, daß, je mehr ersichtlich wurde, daß es zwischen ihm und dem königlichen Heer zum Krieg kommen werde, desto größer die Zahl derer wurde, die, in seinen Dienst zu treten, nach Alexandreia zogen, »alle bereit, so groß und offenkundig die Gefahr für ihn war, ihr eigenes Heil an seine Rettung zu wagen«. Es war der Glaube verbreitet, daß er nur des Lagos Sohn heiße, in Wahrheit des Königs Philipp Sohn sei. Und in[65] der Tat schien etwas in seiner Art, das der des Gründers der makedonischen Macht glich; nur war er gütiger, gelassener, immer rücksichtsvoll. Keiner unter den Nachfolgern Alexanders hat es mehr als er verstanden, die Macht, die ihm sein gutes Glück zugewandt, durch Mäßigung zu erhalten und mit Bewahrung des guten Scheins zu mehren, keiner mehr, vorausschauend sich so einzurichten, daß die kommende Flut ihn heben und weiterführen mußte; und man darf sagen, daß er von Anfang her die Tendenz der Zeit, das Reich zu einer Reihe einzelner Staaten umzubilden, erkannt und zur Grundlage seiner Politik zu machen verstanden hat. Seine Macht war die erste, die sich als Staat im Sinne der werdenden neuen Zeit ausgebildet hat, und er ist stets der Führer und die Seele dieser Richtung gewesen, die bald genug im Reich die Oberhand gewinnen sollte. In diesem Sinne war die Verbindung, die er mit Antipatros angeknüpft hatte und die mit dem Ausgang 322 als fertige Koalition dem Reichsverweser gegenüberstand.

Schon begannen die Mißverhältnisse zwischen dem Reichsverweser und den Machthabern im Westen einen ernsteren Charakter anzunehmen; schon hatte Perdikkas für Eumenes Kappadokien in Besitz genommen und Antigonos von Phrygien vor Gericht geladen; dann entfloh dieser nach Europa, vielleicht schon im Einverständnis auch mit Ptolemaios, wie sich aus dem vermuten läßt, was demnächst geschah.

Bei dem großen Ausgleich in Babylon im Sommer 323 war bestimmt worden, daß die Leiche Alexanders in feierlichem Trauerzuge nach dem Tempel des Ammon gebracht, daß Arrhidaios mit der Ausrüstung und Führung des Zuges betraut sein sollte.

Mit dem Ende des Jahres 322 waren die sämtlichen Zurüstungen fertig, der riesige Wagen, der den königlichen Sarg aufzunehmen bestimmt war, mit unvergleichlicher Pracht erbaut. Ohne einen Befehl des Reichsverwesers zu erwarten, brach Arrhidaios von Babylon auf; von einem großen und feierlichen Zuge begleitet fuhr der Trauerwagen, unzählige Menschen strömten von nah und fern der Straße zu, teils um die Pracht des Werkes und des Zuges zu schauen, teils um dem großen König die letzte Ehre zu erweisen. Unter den Makedonen war die Sage allgemein, es werde des Königs Leiche, wie einst die des thebanischen Oidipus, die Wunderkraft haben, daß das Land, in dem sie ihr Grab finde, vor allen glücklich und mächtig sein werde; diesen Ausspruch habe der alte Seher Aristandros von Telmessos bald nach des Königs Tod getan. Mochte Ptolemaios diesen Glauben teilen oder ihn zu seinem Vorteil zu benutzen wünschen, – es waren wohl noch andere Motive, die ihn veranlaßt hatten, mit Arrhidaios in Einverständnis zu treten und ihn zu bestimmen, daß er ohne Befehl des Reichsverwesers aufbrach; er mochte sich von Perdikkas versehen,[66] daß er, um den Zug desto feierlicher zu machen, die Leiche mit dem Reichsheer nach Ägypten geleite; es war um seine Stellung in dem ihm anvertrauten Lande geschehen, wenn dort eine höhere Autorität als die seinige, eine militärische Macht unter anderer als seiner Führung erscheinen konnte30. Arrhidaios führte, wie mit Ptolemaios verabredet war, den Trauerzug nach Damaskos; vergebens trat ihm des Perdikkas Feldherr Polemon, der sich in der Nähe befand, entgegen; er vermochte nicht, den gemessenen Befehlen des Reichsverwesers Geltung zu verschaffen. Der Trauerzug ging über Damaskos gen Ägypten; Ptolemaios zog der Königsleiche, um sie auf das feierlichste einzuholen, mit seinem Heere bis Syrien entgegen; sie wurde nach Memphis geführt, da zu ruhen, bis das Prachtgebäude der königlichen Gräber zu Alexandreia sie aufnehmen konnte31.

Daß Arrhidaios eigenmächtig aufgebrochen, daß der Lagide ihm bis Syrien entgegengezogen war, daß beide, den ausdrücklichen Weisungen an den Strategen Polemon zuwider, des weiteren gehandelt hatten, waren Akte offenbarer Auflehnung gegen die höhere Autorität des Reichs, ebenso strafbar wie das Verhalten der Machthaber in Europa gegen den geflüchteten Satrapen von Phrygien.

Perdikkas berief die Freunde und die Getreuen zu einem Kriegsrat; er erklärte, Ptolemaios habe den Befehlen der Könige in Beziehung auf Alexanders Leiche Trotz geboten, Antipatros und Krateros den flüchtigen Satrapen von Phrygien aufgenommen, sämtlich seien sie zum Kampf gerüstet, den sie herbeizuführen gesucht; es gelte, gegen sie das Ansehen des Reiches aufrecht zu erhalten; man müsse suchen, ihnen zuvorzukommen, sie einzeln zu überwältigen; es frage sich, ob man Ägypten oder Makedonien zuerst angreifen müsse. Die einen empfahlen, nach Makedonien zu ziehen, dem Hauptlande der Monarchie, dort sei Olympias, und die Bevölkerung werde sich sofort zugunsten des königlichen Hauses und der Vertreter desselben erheben. Doch entschied man sich für den Feldzug gegen Ägypten: damit nicht während des Zuges nach Europa Ptolemaios mit seiner ausgezeichneten Heeresmacht sich nach Asien werfe und das[67] Reichsheer von den oberen Provinzen abschneide, müsse man erst ihn bewältigen; Antipatros und Krateros seien noch gegen die Aitoler im Felde, nach Ptolemaios' Sturz werde man leicht mit ihnen fertig werden. Mit dem eben beginnenden Frühling des Jahres 321 brach Perdikkas mit den Königen und dem Reichsheer nach Ägypten auf; die Flotte, die Attalos führte, erhielt Befehl, eben dahin zu folgen, während die im Aigaiischen Meer unter Kleitos' Befehl blieb, wohl mit dem Auftrag, den Hellespont zu sperren. Einem etwaigen Angriff von Europa her sollte der vielfach erprobte Eumenes begegnen; ihm wurde zu dem Ende, so scheint es, außer seiner Satrapie Kappadokien die seit Leonnatos' Tod erledigte kleinphrygische32, die karische, die Asandros, die lykische und phrygische, welche Antigonos gehabt hatte, übertragen; er erhielt die unumschränkte Strategie über sämtliche Satrapien diesseits des Tauros. Der Reichsverweser stellte seinen Bruder Alketas, den Satrapen von Armenien Neoptolemos, den Satrapen von Kilikien Philotas, dessen Satrapie Philoxenos erhielt33, unter Eumenes' Befehl; er ließ ihm eine große Zahl der ausgezeichnetsten Hauptleute und einige Mannschaften zurück, trug ihm auf, aus den Satrapien Kleinasiens möglichst viel Truppen zusammenzuziehen, bis in die Gegenden am Hellespont vorzurücken und dem Feinde jeden Versuch, herüberzukommen, unmöglich zu machen.

Allerdings war dies der zunächst gefährdete Punkt. Um dieselbe Zeit, als Perdikkas mit dem Reichsheer von Pisidien und Kappadokien aus nach Ägypten aufbrach, war das makedonische Heer bereits in vollem Marsch nach dem Hellespont.

Den Aufbruch beschlossen hatten Antipatros und Krateros, als ihnen die Meldung kam – Antigonos erhielt sie von dem lydischen Satrapen Menandros –, daß Perdikkas im Begriff sei, sich mit Kleopatra zu vermählen, Antipatros' Tochter zurückzusenden. Sofort schlossen sie mit den Aitolern den bereits erwähnten Frieden, eilten nach Makedonien, um möglichst schnell nach Asien einzubrechen. Dann erfuhren sie, daß Perdikkas mit dem Reichsheer gegen Ägypten aufgebrochen sei; es wurde an Ptolemaios von Ägypten gesandt, ihm mitgeteilt, welche Gefahr ihm und allen bereitet werde, ihm versprochen, daß man mit ganzer Macht über den Hellespont gehen, in schnellem Zuge durch Kleinasien und Syrien[68] eilen und zur rechten Zeit im Rücken des Reichsverwesers erscheinen werde; es wurde beschlossen, daß Krateros die Hegemonie über Asien erhalten, bei Antipatros die über Europa bleiben, während seiner Abwesenheit Polyperchon Stratege von Makedonien sein solle. Mit dem Frühling des Jahres 321 war das makedonische Heer unter dem Oberbefehl des Krateros am Hellespont; Antipatros war mit ihm; Antigonos, so scheint es, führte ihre Flotte.

Eumenes konnte sich nicht verhehlen, daß seine Aufgabe schwieriger und gefährlicher wurde, als irgend vorausgesehen war. Zwar hatten die Versuche, die Aitoler aufzuwiegeln, glücklichen Fortgang, es wurden Verträge mit ihnen zu einer neuen Schilderhebung geschlossen; aber Krateros und Antipatros rückten, um die möglichen Bewegungen in ihrem Rücken unbekümmert, heran. Die alten makedonischen Krieger in Asien waren mit diesem Kriege so wenig zufrieden, daß sich Alketas geradezu weigerte, den Kampf zu wagen, da die unter ihm stehenden Makedonen gegen Antipatros nicht würden fechten wollen, für Krateros aber solche Verehrung hegten, daß sie sofort zu ihm übergehen würden. Dazu kam, daß weder Menandros von Lydien noch Philoxenos von Kilikien zuverlässig war, daß Neoptolemos von Armenien, der kaum erst und mit Mühe gewonnen worden, bei seinem unruhigen und herrschsüchtigen Sinn zu jedem Äußersten geneigt schien. Überdies rückten die europäischen Feldherren mit überlegener Streitmacht heran, und ihren vielgeübten und vollkommen ergebenen makedonischen Kerntruppen hatte für jetzt Eumenes fast nur asiatische Rekruten entgegenzustellen. Dies alles bewog ihn, nicht am Hellespont die Gegner zu erwarten34, sondern sich nach seiner Satrapie Kappadokien zu ziehen, wo er auf die Ergebenheit der Einwohner sich verlassen, sein Heer verstärken, den armenischen Satrapen beobachten konnte; es war seine Absicht, die Gegner, die über den Tauros nach Syrien eilen mußten, durch seine Stellung in ihrer Flanke entweder gänzlich zu hemmen oder stets zu gefährden.

Krateros und Antipatros hatten, auf der Chersones angekommen, die Truppen, welche Eumenes in die festen Plätze längs des Hellesponts gelegt hatte, aufgefordert, die ungerechte Sache des Reichsverwesers zu verlassen und sich ihnen anzuschließen35; bereitwillig folgten die Truppen,[69] die den Eumenes als Griechen haßten, dem Krateros auf das herzlichste ergeben waren. Auch den Nauarchen Kleitos werden sie, gewiß mit leichter Mühe, gewonnen haben. So rückten die Feldherren ungehindert über den Hellespont nach Asien hinein; sie fanden nirgends Widerstand; von den freien hellenischen Städten dort, als gälte es einen Reichskrieg, Rettung des Reichs vor Willkür und Gewalt, forderten und erhielten sie Bundeshilfe. Eumenes schien Kleinasien ihrer überlegenen Macht preiszugeben. Schon war der Frühling verstrichen, und sie mochten bereits in Großphrygien eingerückt sein, da sandte heimlich Neoptolemos von Armenien geheime Botschaft an sie: er habe sich nur wider Willen der Sache des Perdikkas angeschlossen, er sei geneigt, mit Krateros gemeinschaftlich zu handeln, er werde gegen Eumenes zeigen, daß seine Anträge treu gemeint seien. Solchem Versprechen suchte er durch hinterlistige Versuche gegen das Leben des Kardianers, den er auf das bitterste haßte, nachzukommen. Seine Pläne mißlangen; Eumenes entdeckte den Verrat; mit seiner gewohnten Vorsicht verbarg er es und begnügte sich, dem Satrapen zu befehlen, daß er sofort mit seinem Heere nach Kappadokien kommen solle. Da der Satrap nicht gehorchte, zog er schleunigst gegen ihn, Neoptolemos, im Vertrauen auf das makedonische Fußvolk in seinem Heer, ihm entgegen. Es entspann sich ein hitziges Gefecht; den Makedonen des Neoptolemos erlag das asiatische Fußvolk des Eumenes, er selbst kam in Lebensgefahr; aber mit seiner trefflichen kappadokischen Reiterei erfocht er einen entschiedenen Sieg, eroberte das feindliche Gepäck, warf endlich auch das Fußvolk, zwang dasselbe, nach einer vollständigen Niederlage die Waffen zu strecken und dem Perdikkas den Eid der Treue zu schwören. Nicht bloß durch diese Vermehrung seiner Streitkräfte, sondern mehr noch dadurch, daß er mit einem asiatischen Heere die für unüberwindlich gehaltenen makedonischen Phalangen geworfen, war dieser Sieg für Eumenes von außerordentlicher Wichtigkeit; im Rücken gesichert, konnte er Krateros mit besserem Vertrauen entgegengehen.

Schon waren auch an ihn seitens des Krateros und Antipatros Gesandte mit sehr lockenden Anträgen gekommen: die Feldherren seien bereit, wenn er die Sache des Reichsverwesers aufgebe, ihm nicht bloß die Satrapien,[70] die er bereits habe, zu lassen, sondern noch eine neue Landschaft hinzuzufügen und ein Heer unter seinen Befehl zu stellen; er möge doch nicht seine lange Freundschaft mit Krateros auf so unglückliche Weise zerstören, und Antipatros sei geneigt, des alten Haders zu vergessen und ihm ein getreuer Freund zu werden. Eumenes wählte das Schwerere; er wußte wohl, daß er bei seiner nicht makedonischen Geburt nur in Perdikkas die haltbare Stütze seiner Macht habe, daß er mit dem Reichsverweser stehen und fallen müsse. Er ließ den Feldherren zurücksagen: er werde mit dem, dessen Feind er so lange gewesen, jetzt um einer ungerechten Sache willen nicht anfangen, Freund zu werden, da er sehe, wie Antipatros sich gegen die benehme, deren Freund er sich so lange genannt habe; er sei bereit, alles zu versuchen, um seinen alten und vielgeehrten Kameraden Krateros mit dem Reichsverweser auszusöhnen; es herrsche die Habsucht und der Verrat in der Welt, er aber wolle und werde dem, der Unrecht leide, beistehen, solange er atme, und eher Leib und Leben daransetzen als treulos werden.

Zugleich mit dieser Antwort des Eumenes, als man beratschlagte, welche weiteren Maßregeln zu ergreifen seien, traf Neoptolemos ein; er hatte sich nach Verlust der Schlacht geflüchtet, hatte etwa 300 Reiter um sich gesammelt, war auf dem nächsten Wege zum makedonischen Lager geeilt, dort Schutz und Hilfe zu suchen; er berichtete den Verlauf der Schlacht: es sei vorauszusehen, daß Eumenes nicht so bald die Ankunft der Makedonen erwarte, daß er und sein Heer sich der Siegesfreude ganz hingeben würden; überdies könne er sich auf seine Truppen nicht verlassen, die Makedonen in seinem Heere hätten für den Namen des Krateros solche Verehrung, daß sie um keinen Preis gegen ihn kämpfen würden; in offener Schlacht würden sie, wenn sie seine Stimme hörten und seinen Helmschmuck erkennten, mit den Waffen in der Hand zu ihm übergehen. Die beiden Feldherren überzeugten sich, daß man Eumenes' Macht nach dem Siege über Neoptolemos nicht im Rücken lassen dürfe, daß es nicht schwer sein werde, dieselbe zu brechen; es wurde beschlossen, daß Antipatros mit dem kleineren Teil des Heeres nach Kilikien vorausrücken, Krateros mit 20000 Mann Fußvolk und 2000 Reitern, fast sämtlich makedonischen Truppen, von Neoptolemos begleitet nach Kappadokien eilen und Eumenes, wie man hoffte, unvorbereitet überfallen solle. Sofort brach Krateros auf und rückte in eiligen Märschen nach der Gegend vor, in der man das Heer des Eumenes gelagert glaubte.

Sie täuschten sich in dem einen, daß der vorsichtige Feldherr nach dem Sieg über Neoptolemos an keine weitere Gefahr denken werde. Eumenes war zu dem neuen Kampf bereit, den er erwarten mußte. Er durfte den Gegnern nicht den Vorteil des Angriffs vorausgeben; er mußte den Mut[71] seiner Truppen, der durch den eben erfochtenen Sieg nicht wenig gehoben war, nicht durch Untätigkeit und Rückzug lähmen; er mußte ihnen die gefährliche Kunde, gegen wen man kämpfen werde, möglichst fernzuhalten wissen; er wußte, daß der Name des Krateros hinreichen würde, seine Niederlage zu entscheiden. Er ließ die Nachricht verbreiten, der eben geschlagene Neoptolemos habe Gelegenheit gefunden, kappadokische und paphlagonische Reiter an sich zu ziehen, und wolle nun, mit Pigres vereint, Widerstand zu leisten versuchen.

Diesen Feinden entgegenzurücken, gab er Befehl zum Aufbruch; er führte das Heer auf abgelegenen Straßen, auf denen keine Kunde von den Feinden zu den Seinigen kommen konnte. Wie aber, wenn er nicht einen entschiedenen Sieg davontrug? Oder wenn während des Gefechtes die Truppen sahen, daß sie gegen Krateros kämpften? Er konnte sich nicht verhehlen, daß er dann, der Erbitterung seiner Truppen und den Gegnern zugleich preisgegeben, ohne Rettung verloren war; mehrfach war er daran, mindestens den Vertrauten und den höheren Offizieren den Stand der Dinge zu entdecken, aber wie leicht konnte dann das Geheimnis verraten werden, die einzige Möglichkeit eines glücklichen Erfolges dahin sein? Er entschied sich, zu schweigen, das verwegene Spiel zu wagen.

Am nächsten Tage mußte man den Feind treffen; noch wußte niemand anders, als daß es Pigres und Neoptolemos sei. In der Nacht, so wird erzählt, hatte Eumenes einen bedeutungsvollen Traum: es schien ihm, als wenn zwei Alexander, jeder an der Spitze einer Schlachtlinie, gegeneinander rückten, und als komme dem einen Athena, dem anderen Demeter zu Hilfe; dann unterlag die Partei der Athena, und Demeter setzte dem Sieger einen Ährenkranz auf. Eumenes deutete den Traum auf sich, er wollte ja für das schöne und eben jetzt im Segen der Demeter blühende Land Kleinasien kämpfen, rings standen die Felder mit reifendem Korn bedeckt; dazu erfuhr er, daß die Losung der Feinde Athena und Alexander sei. Er gab für den Schlachttag die Losung Demeter und Alexander, er ließ die Truppen sich und ihre Waffen mit Ähren kränzen: das bedeutete ihnen nach dem Zeichen der Götter den Sieg.

Krateros rückte am Morgen des Schlachttages ins Feld; jenseits des Hügels, wußte er, stand Eumenes; er sprach zu seinen Truppen, er entflammte, wie er es verstand, ihre Kampfbegier; er versprach ihnen des geschlagenen Feindes Lager und Habe zur Plünderung. Dann ordnete er das Heer; die Mitte bildeten die Phalangen und das übrige Fußvolk, auf die beiden Flügel wurde die Reiterei verteilt, die den Angriff eröffnen sollte, da man vermutete, daß dies hinreichen werde, um die feindliche Schlachtlinie aufzulösen; die Führung des rechten Flügels übernahm Krateros, die des linken übergab er dem Neoptolemos.[72]

Auch Eumenes hatte seine Schlachtlinie geordnet; sein Fußvolk belief sich zwar auch auf 20000 Mann, aber es war zum größeren Teil aus Asiaten gebildet und den Makedonen der feindlichen Phalangen nicht gewachsen; seine Übermacht an Reiterei (er hatte deren 5000 Mann trefflicher, wenn auch meist junger Truppen) mußte ihm die Entscheidung des Tages bringen; er verteilte sie auf beide Flügel, an den linken, dem Krateros gegenüber, stellte er zwei Hipparchien asiatischer Reiter unter Befehl des Pharnabazos36 und des Tenediers Phoinix mit der Weisung, sobald sie des Feindes ansichtig würden, auf ihn loszustürmen, unter keiner Bedingung zurückzuweichen, auf kein Rufen der Feinde zu achten, selbst, wenn sie parlamentieren wollten, sich auf nichts einzulassen; die Führung des rechten Flügels übernahm er selbst, 300 der tüchtigsten Reiter versammelte er zum Agema um seine Person, um mit ihnen gegen Neoptolemos persönlich zu kämpfen.

Nun trabte die Reiterlinie des Eumenes über die Hügelreihe, welche das Schlachtfeld durchschnitt, heran, festgeschlossen, und sobald sie des Feindes ansichtig wurde, mit heller Schlachtmusik und dem Ruf zum Angriff. Mit Erstaunen sah Krateros, was geschah; er zürnte laut über Neoptolemos, der ihn mit der Versicherung, die Makedonen des Eumenes würden sofort übergehen, betrogen habe; er ermahnte mit kurzer Anrede seine Reiter zur Tapferkeit und gab den Befehl zum Angriff. Sein Flügel traf zuerst mit dem des Feindes in heftigem Anstoß zusammen; bald waren die Speere verbraucht, man zog die Schwerter; mit furchtbarer Erbitterung wurde gekämpft; bei der Übermacht der feindlichen Reiter schwankte das Treffen lange, Krateros selbst stets voran, unermüdlich, mitten unter den Feinden, überwältigend, wohin er drang, seines alten Ruhmes und seines Lehrers Alexander würdig; dann traf ihn eines Thrakers Schwert in die Seite; er stürzte mit seinem Pferde, Schar bei Schar jagte über ihn hin, ohne ihn zu erkennen; er rang mit dem Tode. So fand ihn und erkannte ihn Gorgias, einer von Eumenes' Generalen; er stieg vom Pferde, erklärte ihn für seinen Gefangenen und ließ eine Wache bei ihm zurück. Siegreich drangen die Asiaten vor, die Makedonen, die sich ihres Führers beraubt sahen, zogen sich mit großem Verlust zurück auf die Linie der Phalangen.

Indes war auch auf dem andern Flügel das Gefecht begonnen; schon zweimal war der Angriff erneut, erst beim dritten fanden sich Eumenes und Neoptolemos. Mit furchtbarer Wut stürzen sie aufeinander, sie versuchen[73] es mit dem Speer, mit dem Schwert, sie werfen ihren Pferden den Zügel über den Hals, sie fassen sich mit den Händen, reißen sich an der Mähne des Helmes, an den Schienen des Panzers; wild bei dem Reißen und Zerren rennen die Pferde ihnen unter dem Leib weg; beide stürzen zu Boden, sie liegen übereinander, ringend, fluchend, unter der Last ihrer Rüstungen unfähig, sich emporzuarbeiten; endlich erhebt sich Neoptolemos, mit dem Dolch zerschneidet ihm Eumenes die Sehnen des einen Knies; sich auf das andere stemmend, auf das grimmigste weiterkämpfend trifft der Ermattende dreimal den Gegner, ohne ihn tief zu verwunden; ein Hieb des Eumenes in seinen Hals raubt ihm die letzte Kraft, er sinkt sterbend zurück; mit Schimpf und Hohn beginnt Eumenes ihm die Rüstung abzunehmen; er rafft die letzte Kraft zusammen und stößt sein Schwert dem Gegner in den Bauch, aber der Stoß von des Sterbenden Hand ist ohnmächtig; und mit dem letzten Blick sieht er seinen Todfeind als Sieger.

Indessen wogt über das Feld hin der furchtbarste Reiterkampf; Eumenes, obschon er sich mit Wunden bedeckt und vom warmen Blute überrieselt fühlt, wirft sich wieder auf ein Pferd; die Feinde beginnen zu weichen, ziehen sich auf ihre Phalangen zurück. Eumenes sprengt durch die fliehenden, durch die verfolgenden Scharen über das Schlachtfeld hin zum andern Flügel, wo er noch das volle Treffen vermutet; dort findet er schon das Feld von den Feinden geräumt, erfährt, daß Krateros gefallen sei; er eilt zu ihm, er springt, da er ihn noch atmen und seiner Sinne mächtig sieht, vom Pferde, umarmt ihn unter Tränen; er verwünscht das Gedächtnis des Neoptolemos, er beklagt des Krateros und sein eigen Geschick, das ihn gezwungen, gegen den alten Genossen und Freund zu kämpfen und entweder selbst zu fallen oder ihm den Tod zu bereiten. In seinen Armen stirbt Krateros, der hochherzigste und ruhmreichste unter den Feldherren Alexanders, von dem großen König vor allen hochgehalten.

An allen Punkten war die feindliche Reiterei geschlagen und hatte sich auf die Phalangen zurückgezogen. Von seinen Wunden erschöpft, ließ Eumenes, um nicht durch einen Angriff auf das noch ungeschwächte makedonische Fußvolk die gewonnenen Erfolge auf das Spiel zu setzen, das Zeichen zum Rückzug geben. Er errichtete die Trophäen und begrub seine Toten; er sandte zu den feindlichen Truppen: sie seien überwältigt, ohne Feldherrn, in seiner Hand; dennoch biete er ihnen ehrenvolle Kapitulation; wer nicht zu ihm und zur Sache der Könige übertreten wolle, möge in Frieden heimziehen. Die Makedonen fügten sich seinem Anerbieten, beschworen den Vertrag, verteilten sich nach seinen Anordnungen in die bezeichneten Ortschaften der Umgegend.

Sie hatten sich nur zum Schein gefügt; sobald sie sich einigermaßen[74] von den Eilmärschen und dem Kampf erholt und hinreichende Lebensmittel zusammengebracht hatten, brachen sie bei nächtlicher Stille auf, zogen eiligst südwärts, um sich mit Antipatros wieder zu vereinigen. Auf die Nachricht von ihrem Treubruch brach Eumenes auf, ihnen nachzueilen; aber teils die Übermacht und den erprobten Mut der makedonischen Phalangen fürchtend, teils durch das Wundfieber, das ihn ergriff gehemmt, stand er von der Verfolgung ab.

Jene Schlacht hatte Eumenes zehn Tage nach dem Gefecht gegen Neoptolemos gewonnen37. Seine und des Reichsverwesers Sache konnte keine glücklichere Wendung nehmen; Antipatros war mit seinem Heere von Makedonien abgeschnitten, die Satrapien Kleinasiens standen Eumenes offen, niemand war da, ihm entgegenzutreten. In aller Mund war sein Ruhm; er hatte zweimal überlegene Streitmacht, er hatte Krateros besiegt. Freilich die makedonischen Krieger allerorten waren empört, daß der Grieche von Kardia dem edlen Krateros, dem Liebling jener Veteranen, die Asien überwältigt, dem einzigen Manne, der ihres ganzen Vertrauens würdig gewesen, Anlaß zum Tode geworden sei; aber Eumenes benutzte jede Gelegenheit, zu zeigen, wie sehr ihm selbst seines alten Freundes Tod nahegegangen und wie hoch er den im Tode ehre, dessen Leben zu retten nicht in seiner Macht gestanden; er ließ ihm eine pomphafte Leichenfeier halten und sandte seine Asche an die Seinigen zur Bestattung38.

Er eilte, die erfochtenen Siege möglichst zu benutzen; da er nach der Weisung des Reichsverwesers Kleinasien nicht verlassen durfte, zog er von Kappadokien aus in die westlicheren Satrapien, um sich ihrer von neuem zu versichern und durch eine Stellung in der Nähe des Hellespontes den Verbündeten in Europa allen möglichen Vorschub zu leisten.


Auch in Europa standen die Sachen des Reichsverwesers vortrefflich; es war gelungen, die Aitoler trotz ihrer in den ersten Monaten des Jahres beschworenen Verträge mit Krateros und Antipatros zum Wiederbeginn der Feindseligkeiten zu bewegen. Mit dem Frühling, als die beiden Feldherren nach Asien hinübergesetzt waren, hatten sie ein Heer von 12000 Mann Fußvolk und 400 Reiter versammelt, waren unter Anführung des Aitolers Alexandros gegen die lokrische Stadt Amphissa ins Feld gerückt,[75] verwüsteten ihr Gebiet, besetzten einige der umliegenden Städte. Der makedonische Feldherr Polykles eilte zum Entsatz der Stadt herbei; sie zogen ihm entgegen, schlugen ihn, töteten ihn nebst vielen seiner Truppen, nahmen die übrigen gefangen, die teils in die Sklaverei verkauft, teils gegen schweres Lösegeld freigegeben wurden. Durch solche Erfolge und durch Aufforderungen von Asien her kühner gemacht, brachen sie in Thessalien ein; der größte Teil der Bevölkerung erhob sich gegen Makedonien, Menon von Pharsalos an der Spitze der thessalischen Ritterschaft zog ihnen zu, ihr Heer mehrte sich auf 25000 Mann Fußvolk und 1500 Reiter; sie entrissen eine Stadt nach der andern den makedonischen Besatzungen. Das war um die Zeit, da Eumenes siegte. Es fehlte nur, daß auch die Griechen sich empörten und ihre Freiheit proklamierten; schon waren dem Reichsverweser von Athen aus Mitteilungen gemacht worden, die das Beste erwarten ließen; auch anderer Orten wuchs die Aufregung und der Lärm für die Freiheit; die öffentliche Stimme war natürlich für Perdikkas, der ja auf dem Wege war, den Satrapen zu züchtigen, durch den nun auch die Freiheit der Griechenstädte in Libyen vernichtet war.

An der Spitze des Reichsheeres, von den beiden Königen und der jungen Königin Eurydike begleitet, war der Reichsverweser im Frühling 321 von Pisidien und Kappadokien über Damaskos nach der ägyptischen Grenze marschiert. Wie er im Herbst vorher getan, als es Antigonos zu strafen galt, berief er das Heer zum Gericht über den Satrapen von Ägypten; er erwartete ein Urteil, auf Grund dessen er zu vollenden gedachte, was er begonnen. Die Anklage wird darauf gelautet haben, daß derselbe sich des schuldigen Gehorsams gegen die Könige geweigert, daß er die Griechen der Kyrenaika, denen von Alexander die Freiheit zugesichert worden sei, bekämpft und unterworfen, daß er sich der Königsleiche bemächtigt, sie nach Memphis geführt habe. Nach der einzigen Nachricht, die über dies Gericht vorliegt – sie stammt aus der besten Quelle, – muß man schließen, daß Ptolemaios persönlich erschien, vor versammeltem Kriegsvolk sich zu verteidigen39. Er hatte wohl Grund, auf den Eindruck[76] einer so ehrlichen Zuversicht, auf seine Beliebtheit bei den Makedonen, auf die Abneigung gegen den herrischen Reichsverweser zu rechnen; seine Verteidigung wurde mit wachsendem Beifall gehört, das Urteil des Heeres, sprach ihn frei. Trotzdem blieb der Reichsverweser bei dem beschlossenen Kriege. Die Meinung der Truppen entfremdete sich ihm nur um so mehr; der Krieg gegen Ägypten war nichts weniger als in ihrem Sinne, laut und offen wurde gemurrt. Mit strengen militärischen Exekutionen versuchte Perdikkas den Geist der Widerspenstigkeit zu brechen; vergebens waren alle Vorstellungen der Hauptleute und Strategen; launenhaft, rücksichtslos, despotisch behandelte er auch die Vornehmsten, entfernte Verdienstvolle von ihrem Kommando, traute nur sich und seinem Willen. Derselbe Mann, der die Bahn seiner Größe mit so vieler Vorsicht und Zurückhaltung begonnen, mit Energie und Stetigkeit verfolgt hatte, schien, je mehr er sich dem großen Ziele alleiniger Herrschaft nahte, um so mehr die Klarheit des Blickes und die Mäßigung zu verlieren, die allein den letzten und gefährlichsten Schritt hätten können gelingen machen.

Er hatte die Übermacht altgedienter Truppen, die Elefanten Alexanders; die Flotte unter seines Schwagers Attalos40 Führung war den Nilmündungen nahe; er überschritt die Grenze. Eben jetzt kam ihm die Nachricht aus Kleinasien, daß Neoptolemos sich mit den Feinden eingelassen, daß Eumenes ihn vollkommen besiegt und den größten Teil seiner Truppen für sich gewonnen habe. Mit um so größerer Hoffnung ging er dem Feinde entgegen; ungehindert erreichte er Pelusion; dort ließ er sein Heer lagern. Innerhalb des pelusischen Nilarmes lagen einzelne feste Plätze, von denen aus, wenn sie in Feindeshand blieben, der weitere Zug stromaufwärts in der Seite gefährdet wurde. Diese und der Überfluß an Vorräten aller Art innerhalb des Deltas, während der Weg durch das sogenannte Arabien wenig bebaut war, machten es notwendig, das Heer auf das andere Ufer des pelusischen Stromes zu bringen. Es war zu erwarten, daß sich dort die ägyptische Macht stellen werde; war das nicht der Fall,[77] so bedurfte Perdikkas einer festen Stellung, von der aus er seine Operationen gegen Ägypten leiten, mit seiner Flotte, die bereits vor Pelusion angelangt war, in Verbindung bleiben, und wohin er sich im Notfall zurückziehen konnte. Um den Übergang mit leichter Mühe zu bewerkstelligen, befahl Perdikkas die Ausräumung eines alten und versandeten Kanals, der aus dem Nil abführte; man mochte die Arbeit ohne gehörige Vorsicht begonnen haben, man achtete nicht, daß bei dem starken Niederschlag des Nilwassers der lange versandete Kanal ein viel tieferes Bett haben mußte als der jetzige Strom; kaum war der alte Graben geöffnet, so brach plötzlich das Wasser des Stromes mit so ungemeiner Gewalt herein, daß die aufgeworfenen Dämme unterwühlt zusammenstürzten und viele Arbeiter ihr Leben einbüßten. Während der Verwirrung war es, daß viele von den Freunden, Hauptleuten und anderen Vornehmen das Lager verließen und zu Ptolemaios eilten41.

Dies war der Anfang des ägyptischen Krieges; jene Desertion so vieler bedeutender Männer mochte Perdikkas bedenklich machen. Er berief die Offiziere des Heeres; mit Herablassung sprach er zu diesem und jenem, beschenkte die einen, ehrte andere mit Beförderungen, die er gewährte oder versprach; er ermahnte sie, ihres Ruhmes würdig und für die Sache der Könige tapfer zu kämpfen gegen den Empörer; mit dem Befehl, die Truppen zum Aufbruch bereit zu halten, entließ er sie. Erst am Abend, zugleich mit dem Signal zum Aufbruch, wurde dem Heere bekannt, wohin man marschieren werde; Perdikkas fürchtete bei den immerwährenden Desertionen aus seinem Heer, daß sein Marsch dem Feinde entdeckt werden dürfte. Man marschierte die Nacht hindurch, in möglichster Eile; man lagerte endlich am Strom, einem festen Platz Kamelsburg gegenüber. Mit Anbruch des Tages, nachdem die Truppen ein wenig geruht hatten, gab Perdikkas Befehl zum Übergang; voran die Elefanten, ihnen nach die Hypaspisten, die Träger der Sturmleitern und die Truppen, welche zum Sturm kommandiert waren, endlich die besten Scharen der Reiterei, die, falls der Feind während des Sturmes heranrückte, ihn zurückwerfen sollten. Perdikkas hoffte, wenn er nur auf dem jenseitigen Ufer festen Fuß gefaßt, die ägyptischen Truppen mit seiner Übermacht leicht aus dem Felde zu schlagen; von seinen makedonischen Truppen aber war er, und mit Recht, überzeugt, daß sie, wenn auch nichts weniger als ihm ergeben, beim Anblick des Feindes über das, was die militärische Ehre fordert, alles andere vergessen würden.[78]

Als etwa die Hälfte des Zuges über den Strom war und sich die Elefanten bereits gegen die Festung in Bewegung setzten, sah man feindliche Truppen in größter Eile eben dahin ziehen; man hörte ihre Trompeten und ihren kriegerischen Ruf; sie waren vor den Makedonen unter den Wällen der Feste und zogen ein. Dadurch nicht entmutigt, rückten die Hypaspisten zum Sturm heran, die Sturmleitern wurden an die Wälle gelegt, die Elefanten herangetrieben, von ihnen die Palisaden niedergeworfen, die Brustwehren abgerissen. Aber die ägyptischen Truppen verteidigten die Wälle auf das tapferste; Ptolemaios, von einigen auserlesen Kriegern umgeben, stand in der Rüstung der makedonischen Phalangiten, mit der Sarissa in der Hand, auf dem Wall, im Kampf immer voran; dem führenden Elefanten stieß er von oben her die Lanze in das Auge, den Inder auf des Tieres Rücken durchbohrte er, die auf den Leitern Heranstürmenden stieß er hinab, verwundete, tötete viele; wetteifernd kämpften seine Hetairen und Hauptleute; dem zweiten Elefanten wurde der Treiber gleichfalls vom Nacken gestürzt, die heranstürmenden Hypaspisten zurückgeschlagen. Perdikkas kommandierte neue und neue Scharen zum Sturm, er wollte um jeden Preis die Feste nehmen; Ptolemaios dagegen feuerte die Seinigen durch Wort und Tat an; sie kämpften mit außerordentlicher Ausdauer, Perdikkas hatte alle Vorteile der Übermacht für sich; beide spornte das Bewußtsein, daß es die Ehre der Waffen gelte, zu der außerordentlichsten Anstrengung.

Den ganzen Tag hindurch währte der furchtbare Kampf, auf beiden Seiten waren der Toten, der Verwundeten viele; es kam der Abend, und noch nichts war entschieden. Perdikkas gab das Zeichen zum Rückzug und kehrte in sein Lager zurück.

In der Mitte der Nacht brach das Heer von neuem auf; Perdikkas hoffte, daß Ptolemaios mit seinen Truppen in der Feste bleiben, daß nach einem angestrengten Nachtmarsch einige Meilen stromauf der Übergang über den Strom zu bewerkstelligen sein werde. Mit Tagesanbruch stand er einer der vielen Inseln gegenüber, welche der Nil, sich spaltend und bald wieder vereinigend, bildet; sie war groß und geräumig genug, um einem großen Heere zum Lagern Raum zu geben. Dorthin beschloß er sein Heer, trotz der Schwierigkeit des Übergangs, zu führen. Das Wasser reichte den Soldaten bis an das Kinn, so daß sie sich gegen die Strömung nur mit der größten Anstrengung aufrecht zu halten vermochten. Um diese ein wenig zu brechen, ließ Perdikkas stromaufwärts, zur Linken der Hinübergehenden, die Elefanten in den Strom treiben, während unterhalb die Reiter hineinritten, um diejenigen, welche etwa die Strömung abgetrieben, aufzufangen und hinüberzubringen. Schon waren so einige Abteilungen mit vieler Anstrengung hinübergekommen, andere befanden sich[79] noch im Strom; da bemerkte man, daß sich das Wasser vertiefe, daß die Schwerbewaffneten gänzlich versanken, daß die Elefanten und Reiter tiefer und tiefer im Wasser standen. Ungeheurer Schrecken befiel die Menge; man schrie, die Feinde hätten stromaufwärts Kanäle gesperrt, bald werde alles unter Wasser sein; oder: die Götter hätten Unwetter in den oberen Gegenden verhängt, darum schwelle der Strom an. Die Verständigeren sahen, daß der Grund des Flusses, von der Menge der Übergehenden aufgewühlt, weiche und sich vertiefe. Es war unmöglich, das Durchwaten fortzusetzen; ebensowenig konnten die auf der Insel zurück, sie waren vollkommen abgeschnitten, dem Feinde preisgegeben, den man bereits mit großer Heeresmacht heranrücken sah42. Es blieb nichts übrig, als ihnen zu gebieten, so gut sie vermöchten, über den Strom zurückzukehren. Glücklich, wer zu schwimmen verstand und Kräfte genug hatte, über das breite Wasser zurückzukommen. So retteten sich manche, sie kamen ohne Waffen, auf das äußerste erschöpft und erbittert, am diesseitigen Ufer an. Die anderen ertranken oder wurden von Krokodilen verschlungen oder langten, vom Strom weiter und weiter hinabgetrieben, unterhalb der Insel bei dem Ufer der Feinde an. An 2000 Leute vermißte man im Heere, unter ihnen viele Hauptleute.

Jenseits sah man das Lager der Ägypter, man sah, wie sie bemüht waren, die im Strom Treibenden aus den Wassern zu retten, wie hier und dort Scheiterhaufen brannten, um den Leichen die letzten Ehren zu gewähren. Diesseits war traurige Stille; jeder hatte seinen Kameraden, seinen Hauptmann zu suchen und fand ihn nicht mehr unter den Lebenden. Dazu begann Mangel an Lebensmitteln, und es war keine Aussicht, dieser gräßlichen Lage zu entkommen. Die Nacht brach an; Jammern und Fluchen hörte man hier und dort: so viele tapfere Krieger seien um nichts hingeopfert; nicht genug, daß die Ehre der Waffen verloren sei, durch die Unklugheit des Führers sei nun auch ihr Leben preisgegeben; von Krokodilen verschlungen zu werden, das sei nun der ruhmvolle Tod für makedonische Krieger. Viele der Führer gingen in das Gezelt des Reichsverwesers, beschuldigten ihn offen, daß er dies Unheil verschuldet habe, die Truppen seien schwierig, an dem Notwendigsten Mangel, der Feind in der Nähe. Dazu tobten und schrien die Makedonen der Phalangen, die sich draußen vor dem Zelte versammelt hatten. Etwa hundert[80] von den Hauptleuten, geführt von dem medischen Satrapen Peithon, erklärten, daß sie für alles weitere die Verantwortlichkeit nicht teilen wollten; sie kündigten dem Reichsverweser den Gehorsam und verließen das Zelt. Dann drangen einige der Hetairen, der Chiliarch Seleukos und Antigenes, der Führer der Silberschildner, an ihrer Spitze, in das Zelt, warfen sich auf den Reichsverweser; Antigenes tat den ersten Streich, wetteifernd folgten die anderen; nach heftiger Gegenwehr, mit Wunden bedeckt, sank Perdikkas tot zu Boden.

So endete Perdikkas, der Sohn des Orontes, im dritten Jahre, nachdem er Verweser des Reiches geworden war. Der große Gedanke, die Einheit des ihm anvertrauten Reiches aufrechtzuerhalten, würde ihn glücklicherer Erfolge würdig gemacht haben, wenn er sich ihm aufrichtig und besonnen, hingegeben hätte. Die selbstischen Absichten, die ihn leiteten und in denen sein wachsendes Glück ihn bald zu Ungerechtigkeit, Heimtücke und despotischen Maßregeln verleitete, brachten ihm den Untergang. Nach Alexander die Welt zu beherrschen, war er nicht groß genug; der letzte Schritt, mit dem er sein Ziel zu erreichen hoffte, wurde sein Sturz.

Bald war Ptolemaios von den Vorgängen im Lager unterrichtet; am andern Morgen kam er über den Strom in das Lager, ließ sich zu den Königen führen, brachte ihnen und den vornehmsten Führern Geschenke, war gegen alle huldreich und herzlich, ward von allen Seiten mit lautem Jubel begrüßt. Dann wurde das Heer zur Versammlung berufen; Ptolemaios sprach zu den Makedonen, wie es der Moment forderte: nur die Not habe ihn gezwungen, gegen seine alten Kameraden zu kämpfen; er beklage mehr als irgendeiner den Tod so vieler Tapferen; des trage Perdikkas die Schuld, ihm sei sein gerechter Lohn geworden; fortan habe alle Feindschaft ein Ende; er habe von denen, die im Strom mit dem Tod gekämpft, so viele gerettet, als er vermocht, und den anderen, deren Leichen an das Ufer getrieben, die letzten Ehren bereitet; er habe Befehl gegeben, daß, da im Lager Mangel sei, Lebensmittel und was sonst nötig, herbeigeschafft werde. Mit lautem Beifall wurde seine Rede aufgenommen; der soeben noch den Makedonen als Feind gegenübergestanden und mit so vieler Heftigkeit von ihnen bekämpft worden war, stand nun ungefährdet, bewundert, als Retter gepriesen mitten unter ihnen; er war, man sah es, der Sieger und für den Augenblick im unzweideutigen Besitz der gesamten Macht, die Perdikkas mißbraucht hatte. Die nächste Frage war, wer Perdikkas' Stelle übernehmen, im Namen der Könige das Reich verwesen sollte. Laut sprach sich der Wunsch aus, daß es Ptolemaios tun möge. Die Vorsicht und Besonnenheit des Lagiden wurde nicht durch das Lockende eines solchen Anerbietens, durch den plötzlichen Wechsel des Glückes, durch das freudige Zurufen der Makedonen geblendet; er wußte,[81] daß, wenn er die höchste Stelle des Reiches verschmähte und vergab, er selbst aufhörte, unter ihr zu sein, sie in den Augen der Welt sank und als eine Dependenz seiner Gunst und Entscheidung dazu diente, ihn um so mächtiger erscheinen zu lassen, je weniger selbstsüchtig er gehandelt zu haben schien. Er selbst war es, der zu dieser Stelle, gleich als wäre sie eine Belohnung, die er zu erteilen habe, dem Heere diejenigen empfahl, denen er Dank schuldig zu sein glaubte; es war Peithon, der medische Stratege, der den ersten entscheidenden Schritt gegen Perdikkas getan und in das ägyptische Lager übergetreten war, und Arrhidaios, der trotz Perdikkas' Befehl die Königsleiche nach Ägypten geführt hatte. Mit lautem Zuruf wurden beide zu unumschränkten Reichsverwesern ernannt.

Die großen Übelstände, die aus dieser Teilung der höchsten Macht hervorgingen, mochten den Verständigen nicht verborgen bleiben; die plötzliche Umwandlung aller Verhältnisse mußte notwendig viele von Perdikkas' Freunden bloßstellen und sie die ganze Wut der aufgeregten Menge fürchten machen; eine einzelne Notiz gibt an, Ptolemaios habe sich auf jede Weise bemüht, alle von der Furcht zu befreien, denen noch irgendeine Gefahr von den Makedonen drohte. Auch die Nichtwollenden mußten bekennen, daß Ptolemaios, für den Augenblick unumschränkter Gebieter, seine Macht ebenso klug wie mäßig benutzte, und daß er jeden Schein eines Herrentums vermied, das so wenigstens erträglich wurde.

Zwei Tage nach der Ermordung des Perdikkas kam aus Kleinasien die Botschaft, daß Eumenes gesiegt habe, daß Krateros und Neoptolemos gefallen, daß die Landschaften Kleinasiens in seiner Hand seien. Wenn diese Nachricht um zwei Tage früher eingelaufen wäre – so sagt die Überlieferung, die auf Hieronymos, den Freund und Genossen des Eumenes, zurückgeht –, so hätte wohl niemand an Perdikkas Hand zu legen gewagt, seine Truppen hätten an keine Empörung gedacht, sie hätten mit erneutem Mut gegen Ägypten gekämpft; dann wäre, menschlicher Berechnung nach, kein anderer als Eumenes der Erste unter den Makedonen gewesen. Jetzt erschien dem Heere der Sieg des Eumenes wie ein Unglück und eigene Niederlage, der Tod des hochgeehrten Krateros ward ihm zum Verbrechen gemacht. Der Grimm des durch Meuterei und Niederlage erbitterten Heeres entlud sich auf den Schreiber von Kardia. Daß die üblen Stimmungen so ihren Weg suchten, mag dem Satrapen Ägyptens schon genehm gewesen sein, um den einen, den er nicht zu gewinnen hoffen konnte, und die anderen, die mit ihm gesiegt hatten, zu treffen, ehe sie Weiteres wagten. Wieder wurde das Heer zur Versammlung berufen, über Eumenes und die anderen abwesenden Strategen des Perdikkas zu richten; sie wurden, fünfzehn an der Zahl, zum Tode verdammt, unter ihnen der Bruder des Reichsverwesers, Alketas; seine Schwester Atalante, des[82] Admirals Attalos Gemahlin, die sich im Lager befand, wurde sofort hingerichtet. Attalos selbst war mit der Flotte von Pelusion nach Tyros geeilt, den dort niedergelegten Schatz zu retten und die Trümmer der Partei, die am Nil gesprengt war, zu sammeln.

Hierauf wurden Botschaften an Antipatros nach dem oberen Syrien, an Antigonos, der sich in Kypros befand, gesendet mit der Weisung, eilig zu den Königen nach Triparadeisos zu kommen. Das Heer selbst trat unter Führung der beiden Reichsverweser seinen Rückzug nach Syrien an; Ptolemaios, wie es scheint, blieb in Ägypten zurück.

Auf diesem Rückmarsch war es, daß Eurydike, die junge Gemahlin des Königs Philipp Arrhidaios, die bisher sich von allem Anteil an den Reichsangelegenheiten ferngehalten hatte, von ihrem Grammateus Asklepiodoros unterstützt, gegen die Reichsverweser eine Rolle zu spielen begann, zu der sie ihre Stellung nicht minder als ihr Charakter zu berechtigen schien; sie forderte von Peithon und Arrhidaios, daß ihr als Gemahlin des Königs, die das nächste und natürlichste Interesse an dem Reiche habe, hinfort der gebührende Anteil an dessen Leitung nicht vorenthalten werde. Anfangs weigerten sich die Reichsverweser dessen nicht; bald aber, als die Vereinigung mit Antipatros nahe war, versagten sie, vor ihm und seiner alten Feindschaft gegen Eurydike besorgt, der Königin die weitere Einmischung: sie hätten die Verantwortung, sie würden, bis Antipatros und Antigonos eingetroffen seien, allein handeln. Aber Eurydike hatte die Stimmung des Heeres für sich, sie war beliebt als Fürstin des königlichen Hauses und wegen ihres minder weiblichen als soldatischen Wesens; Peithon dagegen hatte die gute Meinung der Makedonen seit seinem medischen Zug im Herbst 323 verscherzt, und unverhohlen genug sprach sich das Mißtrauen des Heeres gegen ihn aus. Die Intrigen der jungen Königin machten dem Reichsverweser so viel zu schaffen, daß er sich endlich, in Triparadeisos angelangt, genötigt sah, vor einer Versammlung der Makedonen seine Würde niederzulegen. Es scheint, daß Arrhidaios, da die Bestimmungen der Geschäfte nun wesentlich geändert waren, gleichfalls aus dem Amte trat.

Eurydikes Intrige war nur zur Hälfte gelungen; sie war des Heeres nicht soweit Meister, daß sie die Wahl eines neuen Reichsverwesers nach ihrem Sinne zu lenken vermochte. Das Heer ernannte Antipatros zum Reichsverweser, eine Wahl, die allen Wünschen und Erwartungen der jungen Königin zuwiderlaufen mußte.

Indes waren Antipatros und Antigonos in die Gegend von Triparadeisos gekommen, und Antipatros' Heer hatte jenseits des Orontes ein Lager aufgeschlagen. Als er zu den Makedonen kam, war das erste, was sie forderten, daß ihnen Antipatros endlich das Geld, das ihnen noch von Alexander[83] zur Belohnung versprochen sei, auszahlen solle. Und der alte Antipatros wagte nicht, den trotzigen und verwilderten Truppen streng und strafend entgegenzutreten: er bedaure für den Augenblick, nichts zu haben, worauf er ihnen Anweisungen geben könne; doch seien da und dort königliche Schatzkammern, und seinerzeit, wenn er in deren Besitz sei, werde er dem gerechten Verlangen der Truppen nachkommen. Das hörte das Heer mit Unwillen, Eurydike aber schürte auf das eifrigste nach; ihr war Antipatros verhaßt, der sie und ihre Mutter ehedem nicht gehalten, wie er mußte, und in dessen Nähe sie gewiß den Einfluß, den sie kaum zu gewinnen begonnen, bald wieder eingebüßt hätte. Es gelang ihr nur zu wohl; es brach ein förmlicher Aufstand aus, die Königin selbst hielt vor den versammelten Truppen eine Rede, die ihr Asklepiodoros aufgesetzt hatte; sie beschuldigte Antipatros, daß er ebenso geizig wie fahrlässig sei, daß er den Schatz, welchen Perdikkas in Tyros niedergelegt, nicht in Sicherheit gebracht habe; wenn so mit den königlichen Geldern verfahren werde, so könnten die Makedonen ihr Lebelang auf die Belohnungen warten, die sie mit ihren Waffen und ihrem Blute so reichlich verdient hätten; sie sollten sich von Antipatros lossagen. Nach ihr sprach Attalos, einer der Führer des Fußvolks, und häufte neue Beschuldigungen auf Antipatros. Immer wieder tobte die Versammlung: nicht eher würden sie den Strategen vom Platze lassen, als bis er Geld schaffe, sich rechtfertige; und könne er es nicht, so würden sie ihn steinigen. Und damit stellten sie sich vor der Brücke auf, die dem Antipatros über den reißenden Orontes den einzigen Rückweg in das Lager der Seinigen darbot. Seine Lage wurde sehr bedenklich; die wenigen Reiter, die er bei sich hatte, waren nicht hinreichend, ihn bei einem Angriff zu schützen, geschweige denn, sich durch die Phalangen mit ihm durchzuschlagen. In dieser Not versprach Antigonos zu helfen. Er war mit dem Chiliarchen Seleukos im Einverständnis; in voller Bewaffnung ging er über die Brücke, mitten durch die Phalangen hin, einzelnen andeutend, daß er vor dem Heere zu sprechen beabsichtige; die Makedonen wichen dem erlauchten Führer aus dem Wege und folgten ihm, um zu vernehmen, was er sagen werde. Während die Menge um ihn herstand und hörte und er in langer und gewandter Rede Antipatros verteidigte, Versprechungen, Ermahnungen, Begütigungen einmischend, ersah Seleukos mit seinen Reitern die Zeit; sie trabten dichtgeschlossen, Antipatros in ihrer Mitte, über die Brücke, bei den Makedonen vorüber, zum anderen Lager. Mit Mühe rettete sich Antigonos vor der empörten Menge. Antipatros wurde seiner Würde unwürdig und verlustig erklärt; es schien, als werde nun alles Regiment in die Hand Eurydikes übergehen. Die alte Eifersucht zwischen Ritterschaft und Fußvolk erwachte, es schieden sich die Hetairen der Ritterschaft von dem übrigen[84] Heere, ihre Hipparchen kamen auf Antipatros' Befehl in sein Lager. Es mochte den Phalangen bange werden, ohne Führung und Pflicht sich selbst überlassen zu sein; Eurydike selbst erschrak vor der Möglichkeit eines Angriffs, mit dem Antipatros drohte; man eilte, sich zu fügen. Schon tags darauf wurde dekretiert, Antipatros sei unumschränkter Reichsverweser.

Antipatros zögerte nicht, die ihm zum zweiten Male übertragene Macht anzunehmen. Es war sein nächstes und wichtigstes Geschäft, den neuen Verhältnissen gemäß die Würden und Satrapien des Reiches zu verteilen; es galt, mit einiger Vorsicht dabei zu Werke zu gehen, da die Partei des Perdikkas noch keineswegs zertrümmert war.


Quelle:
Johann Gustav Droysen: Geschichte des Hellenismus. Tübingen 1952/1953, Band 2, S. 52-85.
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