Zweites Kapitel

288-277
Daß ägyptische Reich – Das Reich des Seleukos – Das thrakische Reich – Koalition gegen Demetrios – Beginn des Krieges – Demetrios aus Makedonien vertrieben – Teilung Makedoniens – Demetrios in Griechenland – Friede zwischen Demetrios und Pyrrhos – Demetrios' Zug nach Asien – Agathokles gegen Demetrios – Demetrios' Verhandlungen mit Seleukos – Letzte Unternehmung des Demetrios – Demetrios' Gefangenschaft – Pyrrhos von Lysimachos verjagt – Demetrios' Tod – Die Thronerben in Syrien und Ägypten – Lysimachos' Charakter – Lysimachos' Zug gegen Herakleia – Agathokles' Ermordung – Krieg zwischen Seleukos und Lysimachos – Seleukos' Plan – Seleukos' Ermordung – Ptolemaios Keraunos König in Makedonien – Areus gegen die Aitoler – Antigonos' Stellung – Arsinoës Söhne ermordet – Die Kelten an der Donau – Brennos' Zug – Antigonos König von Makedonien – Schluß

[400] Zehn Jahre hindurch hatte der Orient fast ungestörte Ruhe gehabt; Ptolemaios' Expedition gegen Kypros hatte sie nur für kurze Zeit und ohne weitere Zerwürfnisse mit dem syrischen Nachbarn unterbrochen; jetzt war die schöne Insel in der Hand des Lagiden, dessen Reich, dessen Völker sich schnell und zum reichsten Wohlstande erhoben. Künste und[400] Wissenschaften blühten in dem Lande unvordenklicher Kultur wieder auf und fanden Ehre, Muße und Aufmunterung an dem hochgebildeten Hofe Ägyptens; Alexandreia war der Mittelpunkt des Welthandels, und ägyptische Schiffe fuhren nach Indien und Äthiopien, nach Hesperien und in den Pontos; königliche Prostagmen ordneten die Verhältnisse der Nomen des Sesostris, die sich zu hellenisieren begannen, und die Gesetze der alten Pharaonen wurden zugleich mit den neuen Verordnungen des makedonischen Königs gehandhabt. Die neue Zeit war hier im gedeihlichsten Aufblühen.

Auch in den weiten Landschaften Asiens begannen die Segnungen des Friedens erkennbar zu werden; nicht hoch genug läßt es sich preisen, was der alternde Seleukos für sein Reich tat. Es war eine Maßregel wahrhafter Regierungsweisheit, wenn er die Verwaltung seines ungeheuren Reiches, das bis dahin vielleicht nur zehn bis zwölf Satrapien ausgemacht hatte, in mehr als siebzig Satrapien umformte, wodurch die zu große und stets bedrohliche Macht der einzelnen Satrapen auf solches Maß zurückgeführt wurde, daß sie leicht beobachtet und in Ordnung gehalten werden konnte; ihre Anordnung im einzelnen kennen wir nicht. Noch wichtiger und für das Ganze heilsamer war eine zweite Maßregel, welche durch die Natur und die Völkerverhältnisse vorgezeichnet schien: die Länder des Tieflands vom Tigris bis zum Mittelmeer, von Völkerschaften bewohnt, deren Sprache von gleichem Stamm, deren Religionen in den wesentlichen Dingen einander ähnlich, deren Zivilisation zur Aufnahme hellenistischer Weise geeigneter war als die des Ostens, mußten das rechte Kernland seiner Monarchie werden; die Länder der hohen Feste Iran mit den kriegerischen Raubvölkern in den Gebirgslandschaften umher, den Nomadenstämmen des Inneren, den eigentümlichen Kulturentwicklungen in Medien, am Kabulstrom und im baktrischen Tiefland bildeten eine Welt für sich, die, durch Alexanders Zug in den großen Weltkampf hineingezogen, sich bald in ihre eigentümliche Weise zurückzuziehen begann und zum hellenistischen Wesen weit langsamer und nur unter viel stärker modifizierten Formen in ein Verhältnis treten zu können schien. Dementsprechend teilte Seleukos sein Reich; während er für sich den Westen behielt, gab er seinem Sohne Antiochos, den ihm die Sogdianerin Apame geboren, die oberen Landschaften. Es wird erzählt, daß des Sohnes Liebe zu seiner Stiefmutter Stratonike, der Tochter des Demetrios von Makedonien, den Anlaß dazu gab in einer Weise, die für Vater und Sohn bezeichnend ist. Stratonike war jung und schön; Antiochos liebte sie und verzweifelte, seine hoffnungslose Leidenschaft zu bekämpfen; er entschloß sich, durch Hunger zu sterben. Der Arzt Erasistratos erkannte wohl, daß ein tiefes Seelenleiden den jungen Fürsten ergriffen hatte; er beobachtete, wie er[401] ruhig blieb, wenn die schönen Pagen in das Gemach traten oder die Frauen der Königin, aber wenn sie selber kam und mit freundlicher Stille an das Krankenbett trat, so errötete er, atmete tief, Fieberschauer ergriff ihn, er bebte, er erblaßte, er barg weinend das Haupt in sein Kissen. Umsonst fragte der treue Arzt; er erkannte des Antiochos Leiden. Wieder und wieder forderte der besorgte Vater Auskunft; endlich sagte ihm Erasistratos: sein Sohn kranke an einem schweren Leiden; eine Liebe, die sich nimmer erfüllen könne, martere ihn; er wolle den Tod nehmen, da ihm keine Hoffnung für das Leben bleibe. Als der König mit Sorgen fragte, wer das Weib sei und ob sie seinem Sohne nicht zuteil werden könne, antwortete der Arzt: »Es ist meine Frau, o Herr.« Und Seleukos wieder: »Du bist mir treu, rette meinen Sohn, er ist meine Freude, meine Hoffnung.« Nun wandte der Arzt seine Rede: »Wie magst du es fordern, o König? Wäre es dein Gemahl, würdest du selbst um deines Sohnes willen sie dahingehen?« Und Seleukos: »Wäre es möglich, daß ein Gott oder ein Mensch auf sie meines Sohnes Sinn wenden möchte, mit Freuden würde ich sie, ja mein ganzes Königreich geben, um ihn zu retten.« Darauf Erasistratos: »Du bedarfst, Herr, keines Arztes weiter, du kannst den Sohn retten; es ist Stratonike, die er liebt.« Seleukos berief sein Heer und erklärte vor demselben, er habe seinen Sohn Antiochos zum König der oberen Satrapien gemacht und Stratonike zur Königin; er hoffe, daß sein Sohn, der ihm in allem gehorsam und treu sei, nichts gegen die Vermählung einwenden werde; wenn aber die Königin an dieser außerordentlichen Veränderung Anstoß nehme, so bitte er die Freunde, sie zu überzeugen, daß das recht und schön sei, was dem allgemeinen Besten fromme.

So die Überlieferung27. Gar wohl wäre es möglich, daß Seleukos auch aus Rücksicht auf den Vater der Königin so zu handeln bestimmt worden; gerade damals hatte er Kilikien seinem Reiche einverleibt, und gewiß nicht ohne seine Beistimmung war Kypros von Ptolemaios besetzt worden. Mit jener Teilung des Reiches sollte die Einheit desselben nicht aufgehoben sein, wohl aber scheinen wesentliche Verschiedenheiten in den Einrichtungen und der Verwaltung hier und dort geherrscht zu haben;[402] es ist bemerkenswert, wie überaus viele hellenistische Städte in dem unteren Reiche entstanden, wie die Landesteile, mit Namen der makedonischen Heimat genannt, gleichsam ein asiatisches Makedonien darstellten; vielleicht noch schneller und umfassender als im Nillande hat in Syrien die hellenistische Weise sich ausgebreitet und sich mit ihr der Wohlstand des Landes und ein höheres, regsameres Interesse in Kunst und Wissenschaft ausgebildet.

Während so das Reich der Lagiden, das der Seleukiden sich sicher begründet und zu entwickeln begonnen hatte, war das dritte der Hauptreiche, das des Lysimachos, noch keineswegs so mit dem Boden, an den es gewiesen war, zusammengewachsen; eine Reihe hellenischer Städte an der Küste, vor allem Byzanz auf der europäischen, Kyzikos auf der asiatischen Seite, behaupteten sich in voller Unabhängigkeit; die thrakische Pentapolis zwischen dem Haimos und der Donaumündung war, mit den Geten, den Skythen, den Griechenstädten der skythischen Küste verbündet, stark genug, ihre Autonomie zu wahren; der Getenkrieg von 291 hatte selbst die Existenz des Reiches für einen Augenblick in Frage stellen können, und Lysimachos' Macht war nach Beendigung desselben ungemein geschwächt. Verhältnisse der Art konnten nicht dazu dienen, den Besitz der neuerworbenen Länder in Asien zu befestigen, um so mehr, da diese, überall voll alter hellenischer Städte oder mit dem Griechentum in naher Beziehung, der neuen monarchischen Art ungleich größere Schwierigkeiten entgegenstellen mußten als Syrien oder Ägypten. Auch Lysimachos gründete Städte, oder richtiger, nahm alten Orten ihren Namen und ihre Verfassung, um durch eine neue Städteordnung sie desto sicherer zu besitzen; so wurde vor allem die Stadt Ephesos, die am längsten das Verhältnis zu Demetrios bewahrt hatte, mit den Bürgerschaften von Kolophon und Lebedos vereinigt, tiefer seewärts gebaut und nach dem Namen der Königin Arsinoë genannt; ein ernannter Rat und mit ihm die sogenannten Epikleten traten an die Stelle der früheren Demokratie. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Munizipalverfassungen ähnlicher Art auch sonst in den hellenischen und den neuen Städten Kleinasiens, wo es sich tun ließ, eingerichtet wurden. Früher ist erwähnt, daß die Dynasten von Bithynien mit 298/7 eine eigene Ära begannen, wohl mit der Annahme des Königstitels, die auf Erweiterung ihres Gebietes schließen läßt; nicht minder wird das Königtum am Pontos – es beginnt eine eigene Ära mit demselben Jahre – die Schwäche des thrakischen Reiches benutzt haben. Von Herakleia am Pontos wird angeführt, daß die Königin Amastris, die noch immer in naher Beziehung mit Lysimachos geblieben war, von ihren beiden Söhnen Klearchos und Oxathres ermordet worden sei; es war so gut wie eine Absage an Lysimachos.[403]

Dies etwa waren die Verhältnisse um das Jahr 288, um die Zeit, da sich die Kunde von den ungeheuren Rüstungen des Demetrios von Makedonien verbreitete. Jeder der drei Könige war durch dieselbe gefährdet. Lysimachos hatte zunächst und zumeist zu fürchten, seine europäischen Länder lagen einem Unternehmen von Makedonien aus am nächsten und bequemsten; der makedonische Eroberer mußte sich auf sie wenden, um den Hellespont zu gewinnen, und Kleinasien wäre seinem Angriff leicht erlegen. Seleukos hatte für den Besitz Kilikiens zu fürchten, und gewann der kühne und rastlose Demetrios auch vorläufig nur Kleinasien, so war die so mühsam errungene Ruhe im Osten dahin. Ptolemaios endlich hatte seit kurzem erst Kypros; kam Demetrios mit seiner ungeheuren Seemacht in jene Gewässer, so war der so schwer gewonnene Besitz für ihn verloren und Ägyptens maritime Bedeutung von neuem in Frage gestellt.

Die drei Reiche, in gleicher Gefahr wie in dem letzten Kampf gegen Demetrios' Vater, schlossen oder erneuten die gleiche Koalition, dem Angriff dessen zu begegnen, dessen Herrentum die kleineren Könige, die Dynasten, die Freiheit der hellenischen Städte, die Handelsfreiheit von Rhodos, Kyzikos, Byzanz, die ganze Welt bedrohte; sie durften hoffen, daß sich alles ihnen anschließen werde, die Staatenfreiheit gegen den, der mit wüstem Ungestüm das Reich und die Alleinherrschaft herzustellen gedachte, zu verteidigen. Es mag im Zusammenhang dieser politischen Kombination gewesen sein, daß die Witwe des von Demetrios ermordeten jungen Königs Alexandros, des Ptolemaios Tochter Lysandra, an Agatholdes, den Sohn des Lysimachos, vermählt wurde; man konnte für die Witwe des Ermordeten als der einzig zu dem makedonischen Diadem Berechtigten, seitdem Lysimachos seines Eidams Antipatros Anrecht auf Makedonien in jenem Friedensschluß von 292 förmlich aufgegeben hatte, gegen den Usurpator Demetrios auftreten. Denn Phila, Demetrios' Gemahlin, war nicht eines makedonischen Königs Tochter, erst ihr Bruder Kassandros hatte das Diadem erworben. Die Verbündeten luden Pyrrhos ein, ihrem Bunde beizutreten: noch sei Demetrios mit seinen Rüstungen nicht fertig, sein Land voller Wirren; sie könnten nicht glauben, daß Pyrrhos diese Gelegenheit nicht sollte benutzen wollen; versäume er sie, so werde ihn der makedonische König bald nötigen, im molossischen Lande selbst für die Tempel der Götter und die Gräber seiner Väter zu kämpfen; sei ihm denn nicht seine Gemahlin und mit ihr die Insel Korkyra entrissen? Damit habe er Grund vollauf, sich wider ihn zu wenden. Pyrrhos versprach seinen Beitritt.

Demetrios war noch mit seinen Vorbereitungen zum Einfall nach Asien beschäftigt, da kam die Nachricht, daß eine große ägyptische Flotte in den hellenischen Gewässern erschienen sei und die Griechen aller Orten[404] zum Abfall aufrufe; zugleich wurde berichtet, daß Lysimachos von Thrakien aus gegen die oberen Landschaften Makedoniens anrücke. Schleunigst zog Demetrios dem thrakischen Heere entgegen, während er seinem Sohn Antigonos Griechenland zu beschützen übertrug. Schon jetzt zeigte sich die üble Stimmung in seinem Heer; kaum war er ausgezogen, so kam die Meldung, daß auch Pyrrhos sich gegen ihn erhoben habe, in Makedonien eingebrochen, bereits bis Beroia gedrungen sei, die Stadt eingenommen habe, mit seinem Heere vor derselben gelagert sei, seine Strategen die Landschaften bis ans Meer durchstreiften, Pella bedrohten. Die Unordnung im Heere wuchs; man war unwillig, gegen Lysimachos zu kämpfen, der einer der Getreuen Alexanders, ein großer Held sei; manche erinnerten daran, daß Kassandros' Sohn, der rechtmäßige Herr des Reiches, bei ihm sei; die Stimmung der Truppen und die Gefahr der Residenz veranlaßten Demetrios, sich gegen Pyrrhos zu wenden. Er ließ Andragathos zur Deckung der Grenze in Amphipolis zurück, eilte mit dem Heer rückwärts über den Axios nach Beroia, lagerte Pyrrhos gegenüber. Da kamen viele, Freunde und Angehörige zu besuchen, aus der Stadt, die in der Gewalt des Epeiroten war; Pyrrhos, sagten sie, sei ebenso milde und menschenfreundlich wie tapfer, sie konnten sein Benehmen gegen die Bürger, gegen die Gefangenen nicht genug rühmen; auch Leute, die von Pyrrhos geschickt waren, gesellten sich zu ihnen: nun sei die Zeit gekommen, das schwere Joch des Demetrios abzuschütteln; Pyrrhos verdiene es, über das edelste Volk der Welt zu herrschen, er sei ganz Soldat, er sei herablassend und gütig, er sei der einzige, der dem glorreichen Hause Alexanders noch verwandt sei. Sie fanden bereite Ohren, bald wuchs die Menge derer, die Pyrrhos zu sehen verlangten. Er setzte seinen Helm, der an den hohen Federbüschen und den Hörnern kenntlich war, auf, sich, den Makedonen zu zeigen. Als sie den königlichen Helden erblickten, um ihn Makedonen und Epeiroten mit Eichenlaub auf den Helmen, steckten auch sie Eichenlaub auf ihre Helme, zogen scharenweise zu Pyrrhos hinüber, begrüßten ihn als ihren König, forderten von ihm die Losung. Umsonst zeigte sich Demetrios in den Gassen des Lagers; man schrie ihm zu, er werde wohl tun, an seine Rettung zu denken, die Makedonen seien es müde, zu seinem Vergnügen zu Felde zu liegen. Unter allgemeinem Geschrei und Hohn eilte Demetrios in sein Zelt, tauschte die Kleider, entfloh fast ohne Begleitung nach Kassandreia. Immer wilder tobte der Aufruhr im Lager; man suchte den König, man fand ihn nicht, man begann sein Zelt zu plündern, sich um die Kostbarkeiten desselben zu reißen, aufeinander loszuschlagen, ein förmliches Gefecht entstand, schon war das Zelt in Fetzen gerissen; da kam Pyrrhos, bemächtigte sich des Lagers, stellte schnell die Ordnung wieder her.[405]

Dies geschah im siebenten Jahre, nachdem Demetrios König von Makedonien geworden war; so empört war überall die Stimmung gegen ihn, daß sich auch nicht an einem Punkte des Landes jemand für ihn erhob. Er war nach Kassandreia am Thermaischen Meerbusen geflüchtet, eiligst ging er zu Schiff, um Griechenland zu gewinnen. Phila, die so oft mißehrte Gemahlin des flüchtigen Königs, verzweifelte an jeder Rettung; sie wollte die Schande ihres Gemahls nicht überleben, sie tötete sich mit Gift.

In Makedonien war indessen Pyrrhos zum König des Landes ausgerufen worden; nun kam auch Lysimachos heran und forderte, da die Bewältigung des Demetrios ein gemeinschaftliches Werk gewesen sei, daß das Land zwischen ihnen geteilt werde; man haderte, man war daran, mit den Waffen zu entscheiden. Pyrrhos zog vor, da er der Makedonen noch keineswegs gewiß war und ihre Neigung für den alten Feldherrn Alexanders erkannte, einen Vertrag anzubieten; er überließ Lysimachos das Land am Flusse Nestos, und, wie es scheint, die Gegenden, die man das neuerworbene Makedonien zu nennen pflegte. Und als des Lysimachos Eidam Antipatros, der jetzt endlich in sein väterliches Erbe zurückgeführt zu werden gehofft hatte, zugleich mit seiner Gemahlin Eurydike sich bitter darüber beklagte, daß ihm Lysimachos selbst Makedonien entrissen habe, ließ er ihn umbringen; seine Tochter verdammte er zu ewigem Gefängnis.

Unter den Griechen brachte der Sturz des Demetrios die mannigfachste Bewegung hervor; sie würde gleich anfangs entschiedener gewesen sein, wenn sich die ägyptische Flotte nicht, wie es scheint, begnügt hätte, einige Häfen des Archipelagos zu besetzen. An anderen Orten hinderten die makedonischen Besatzungen und die Nähe des jungen Antigonos üblere Auftritte; der starke Posten, den derselbe in Korinth zurückgelassen zu haben scheint, hielt wohl die Peloponnes in Ordnung, mindestens erfahren wir von keinen Bewegungen auf der Halbinsel. Antigonos selbst, so scheint es, war auf dem Wege nach Thessalien, um womöglich dem von zwei Seiten gefährdeten Reich Hilfe zu bringen; er kam zu spät; als ein Flüchtling, mit wenigen Begleitern, unerkannt gelangte der Vater, wie es scheint, in Boiotien zu ihm. Des Sohnes Heer, die Besatzungen einzelner Ortschaften, einige Abenteurer, die sich zu ihm gesellten, gaben ihm wieder einige Macht; bald schien es, als ob sein altes Glück noch einmal zurückkehren wolle; er bemühte sich, die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen; Theben erklärte er für frei, er konnte dadurch den Besitz Boiotiens sich zu sichern hoffen.

Nur in Athen war es zu ernstlichen und erfolgreichen Vorgängen gekommen. Gleich nach der Kunde vom Fall des Demetrios hatten sich die Athener erhoben, ihre Freiheit wiederherzustellen. Olympiodoros stellte[406] sich an die Spitze der Bewegung; sein Ruhm ist, daß er, während die Besten, durch vergebliche Versuche entmutigt, nichts mehr zu hoffen wagten, mit kühnem Entschluß, mit Gefahr seines Lebens voranschritt. Er rief auch die Greise und Jünglinge unter die Waffen, führte sie zum Kampf gegen die starke makedonische Besatzung; er schlug sie, sie zog sich auf das Museion zurück, es wurde gestürmt; der kühne Leokritos war der erste auf der Mauer, sein Heldentod wirkte begeisternd auf alle; nach kurzem Kampf war das Museion genommen28. Und als nun, wahrscheinlich von den Makedonen in Korinth, eiligst ein Einfall nach Attika gemacht wurde, zog ihnen Olympiodoros entgegen, rief die Eleusinier gleichfalls zur Freiheit und schlug an ihrer Spitze die Gegner29.

Nun aber kam die Nachricht, daß Demetrios sich mit seinem Sohne vereinigt, wieder ein Heer von mehr als 10000 Mann zusammengebracht habe, gegen Athen anrücke; es schien unmöglich, einer solchen Macht zu widerstehen. Man wird nach allen Seiten ausgesehen haben, Beistand zu gewinnen; daß man selbst an den König Spartokos im Bosporos, an Audoleon, den König der Paionen, sich gewandt hat, ergeben die erhaltenen Inschriften, aus denen erhellt, daß beide alles Beste versprachen, daß jener 15000 Medimnen Getreide, dieser 7500 gesandt habe. Vor allem Pyrrhos, an den man sich gewandt, sagte seine Hilfe zu; man beschloß, sich zu verteidigen, solange es möglich sei. Demetrios rückte gegen die Stadt, er begann, sie auf das heftigste zu belagern. Nun, so wird erzählt, sandten die Athener den Philosophen Krates, einen damals hochangesehenen Mann, an ihn ab, der ihn teils durch seine Fürbitte für die Athener, teils durch die Vorstellung dessen, was jetzt zu seinem Besten gereiche, dahin bewog, daß er die Belagerung aufhob und mit allen seinen zusammengekommenen Schiffen, seinen 11000 Mann Fußvolk und einer Anzahl Reiter sich nach Asien einschiffte. Diese Nachricht ist unmöglich richtig; Demetrios gab gewiß nicht ohne die dringendste Not die Belagerung einer Stadt auf, deren Wiedereinnahme seine Herrschaft in Griechenland gesichert hätte; vielmehr war Pyrrhos im Anzug, solche Nachricht mochte den Worten des Krates Nachdruck geben; vielleicht zog sich Demetrios[407] in den Peiraieus, vielleicht nach Korinth zurück. Pyrrhos kam, mit Jubel empfingen ihn die Athener, sie öffneten ihm die Burg, daß er dort der Athena opfere; hinuntergehend sagte er: er danke ihnen für ihr Zutrauen, doch wenn sie klug wären, so würden sie keinem König die Tore öffnen. Dann schloß er mit Demetrios ein Abkommen, von dem wir nichts erfahren als die gelegentliche Anspielung, daß vor den Athenern selbst geheim gehalten wurde, was es enthielt. Die Bedingungen dieses Vertrages können wohl nur gewesen sein, daß Demetrios auf Makedonien verzichtete, Pyrrhos ihn als Herrn über Thessalien und die griechischen Staaten, die er jetzt innehatte, sowie in dem Besitz von Salamis, Munychia, Peiraieus anerkannte, Athen selbst von beiden für frei und selbständig erklärt wurde.

Wie man auch über Demetrios urteilen mag, es ist in ihm eine Rüstigkeit, eine Elastizität des Charakters, ein Bedürfnis des Handelns und Wagens, wie kaum in irgendeiner anderen geschichtlichen Gestalt. Er weiß es, wie oft er sich schon in seinem vielbewegten Leben vom tiefsten Fall zu neuer Höhe und Macht erhoben hat; vielleicht hilft ihm noch einmal sein guter Stern. Kaum hat er in Griechenland einigermaßen wieder eine Stellung gewonnen, so wendet er, da er in Makedonien jetzt nichts mehr zu hoffen hat, allen Sinn auf jenes große Unternehmen, das ihn gestürzt hat; er will Asien erreichen, dort hofft er den großen Erfolg. Allerdings sind die Umstände günstig; Lysimachos ist noch mit den neuerworbenen Landschaften Makedoniens beschäftigt, und schon ist über die Teilung Makedoniens zwischen ihm und Pyrrhos ein Krieg dem Ausbruch nahe gewesen; vor diesem eroberungssüchtigen und tapferen Fürsten, der sich ungern mit einem Teil des Ganzen begnügt hat, muß Lysimachos auf seiner Hut sein; er wird nicht Muße haben, Kleinasien zu verteidigen, wo gegen ihn, den habsüchtigsten aller Diadochen, überall die größte Unzufriedenheit herrscht, wo man gewiß der besseren Zeiten unter Antigonos und Demetrios gedenken wird. Demetrios haßt diesen Lysimachos, diesen Säckelmeister, wie er ihn nennt, diesen unbedeutenden Menschen, der nicht einmal dem Ruhme eines tüchtigen Soldaten, den man ihm gibt, zu entsprechen weiß, dem sein unverdientes Glück die Früchte der Siege zuwirft, die von anderen erkämpft werden.

Demetrios ging mit seiner Flotte und einer nicht unbedeutenden Kriegsmacht von Hellas hinweg, wo er seinen tapferen Sohn Antigonos als Befehlshaber zurückließ. Er kam nach Milet; dort fand er Eurydike, Philas Schwester; sie hatte den Hof von Alexandreia verlassen, wo sie lange genug von dem König, ihrem Gemahl, und nicht bloß von ihm zurückgesetzt zu werden ertragen hatte; sie lebte mit ihrer Tochter Ptolemais, die im Jahre 300 an Demetrios verlobt worden war, in Milet; die Stadt[408] mochte ihr nach damaliger Sitte zum Eigentum geschenkt sein30. Demetrios, der ja des ägyptischen Königs Feind war, fand die beste Aufnahme; er feierte mit Ptolemais sein Beilager31. Von hier aus wurden Lydien und Karien durchzogen, viele Städte unterwarfen sich freiwillig, andere wurden mit Gewalt genommen; offenbar war des Lysimachos Regiment hier gründlich verhaßt, selbst mehrere seiner Strategen, die in jenen Landschaften standen, traten zu Demetrios über und brachten ihm Geld und Truppen; seine Macht mehrte sich mit jedem Tage; auch Sardeis wurde eingenommen, die Hauptstadt Lydiens.

Nur für den ersten Moment war Kleinasien unverteidigt. Lysimachos hatte Macht genug, ein bedeutendes Heer unter seinem Sohn Agathokles nach Asien zu senden. Ihm entgegenzuziehen wagte Demetrios nicht; bald hielt er sich in Lydien und Karien nicht mehr sicher, er zog sich auf Phrygien zurück. Schwer zu begreifen ist, daß er, dessen Flotte bedeutend sein mußte, sich von der Küste entfernte; er hätte, sollte man meinen, alles, nur das Meer nicht aufgeben müssen: dann wären ihm auf jeden Fall die weite See und ein Felsen drinnen und ein paar treue Kameraden zum Korsarenleben geblieben. Er schmeichelte sich mit phantastischen Plänen; er wollte sich mit seinem kleinen Heere nach Armenien durchschlagen, von dort aus hoffte er Medien zu insurgieren, sich in den oberen Provinzen festzusetzen, für den Notfall Felsenburgen genug zu finden, die ihm sichere Zuflucht gewähren konnten. Er versäumte, für die nächste dringende Not zu sorgen; schon konnte er nicht mehr die nächste Straße durch Phrygien wählen, Agathokles' Bewegungen zwangen ihn, sich südwärts zu wenden; am Ostabhang des Tmolos zog er landein, immer näher folgte Agathokles; durch glückliche Scharmützel gewann Demetrios einigen Vorsprung, aber Agathokles ließ sein leichtes Volk ringsumher das Land bedecken und jede Fouragierung des Feindes hindern. Schon begann es in Demetrios' Heer an der nötigen Verpflegung zu fehlen; es verbreitete sich unter den Truppen der Verdacht, sie sollten nach Armenien geführt werden. Unter steigendem Mangel ging es über den Maiandros, dem Lykosfluß zu. Die Nähe des nachfolgenden Feindes zwang zur Eile,[409] man verfehlte die Furt; an der Stelle, wo man den Fluß passieren mußte, war die Strömung sehr heftig und von ziemlicher Tiefe; schnell ließ Demetrios die Reiter, welche starke und große Pferde hatten, in den Strom reiten, sich vier Mann hoch gegen die Strömung aufstellen und führte dann unter dem Schutz dieses seltsamen Walles, der allerdings die Heftigkeit der Strömung brach, sein Fußvolk hinüber, freilich mit großem Verlust. Stets vom Feinde begleitet, unter wachsender Not, unter der Nässe und Kälte des in jenen Berggegenden frühen Herbstwetters leidend, zog das Heer weiter; der dauernde Mangel an gehöriger Nahrung brachte eine schwere Seuche hervor, die 8000 Mann dahinraffte. Nach Armenien zu kommen, war keine Aussicht mehr; zurückzukehren schien weder möglich noch rätlich, da Ephesos, der letzte Punkt auf der Küste, den Demetrios' Feldherr Ainetos mit Hilfe der Piraten hielt, durch Verrat von Lysimachos' Strategen Lykos genommen war32. Demetrios stand am Nordabhang des Tauros, ein Zusammentreffen mit Agathokles hätte ihn vollkommen vernichtet; es blieb ihm nichts übrig, als über den Tauros und die kilikische Grenze zu gehen. Er eilte nach Tarsos in Kilikien; gern hätte er es gemieden, dem König Seleukos Anlaß zu Feindseligkeiten zu geben; er hoffte sich auf irgendeinem Wege aus Kilikien nordwärts wenden zu können, aber schon waren sämtliche Pässe von Agathokles gesperrt. Demetrios war eingeschlossen, sein Heerhaufen im traurigsten Zustand, seine Lage verzweiflungsvoll. Ihm blieb kein Ausgang als der demütigende, sich an Seleukos zu wenden: das Schicksal verfolge ihn, alles habe er verloren, seine letzte Hoffnung sei Seleukos' Großmut.

Mag Seleukos durch das Schicksal und die Bitten des so tief Gestürzten gerührt worden sein, er sandte an die dortigen Strategen Befehl, für Demetrios alles zum königlichen Dienst Notwendige, für seine Truppen hinlänglichen Unterhalt zu beschaffen. Aber was dann weiter? In den darüber angestellten Beratungen äußerte Patrokles, einer der Freunde und von großem Ansehen beim König: die Kosten für Demetrios und seines Heeres Unterhalt seien das Geringste; der König dürfe nicht übersehen, daß sich Demetrios länger und länger in seinem Lande aufhalte, er, der von jeher unter den Königen der gewalttätigste und neuerungssüchtigste gewesen und jetzt in einer Lage sei, die selbst einen von Natur ruhigeren Charakter zu allem Äußersten bringen könne. Die Vorsicht gebot, sich auf jeden Fall vorzubereiten. Seleukos zog bedeutende Truppenmassen zusammen und brach mit diesen nach Kilikien auf.[410]

Demetrios scheint, sobald ihm Seleukos' Großmut aus der nächsten Not geholfen, schnell neue Hoffnungen gefaßt zu haben; er hatte ja einst Kilikien besessen, vielleicht, daß es ihm gelang, sich da festzusetzen und zu behaupten. Das Anrücken des Seleukos versetzte ihn in Bestürzung: auch Seleukos' Freundlichkeit habe nur den Verrat verhehlen sollen, man wolle ihn umzingeln, ihn aufheben. Er zog sich auf die festesten Punkte des Tauros zurück; er sandte von neuem an Seleukos: mindestens möge er ihm vergönnen, von dannen zu ziehen, um sich unter fernen Barbaren ein unabhängiges Reich zu gründen und dort den Rest seiner Tage ruhig zu verleben; weigere er ihm das, so möge er ihm wenigstens gestatten, den Winter mit seinen Truppen in diesen Gegenden zu bleiben; er werde ihn nicht so im äußersten Mangel, nackt und bloß von hinnen treiben und seinen Feinden preisgeben wollen. Seleukos war nachgiebig genug, wenn er ihm anbieten ließ, auf zwei Monate nach Kataonien in die Winterquartiere zu gehen und die Vornehmsten seiner Freunde als Geiseln zu senden; zugleich ließ er die Pässe, die nach Syrien führten, stark besetzen; an Agathokles, der auf seiner Verfolgung die Grenzen des Reiches überschritten hatte, stellte er das Ersuchen, jetzt, da Demetrios in seiner Gewalt sei, zurückzukehren, er werde Sorge tragen, daß jeder ferneren Gefahr begegnet werde. Demetrios seinerseits fühlte sich noch zu stark, als daß er auf jene Bedingungen des Seleukos hätte eingehen sollen; er konnte den Gedanken nicht ertragen, sich förmlich zu unterwerfen; die Not zwang ihn zu Plünderungen, tollkühne Streifzüge wurden gewagt, der Mut, die Wildheit des letzten verzweifelten Ringens machte ihn und seine Scharen furchtbar; wo man auf kleine Abteilungen feindlicher Truppen traf, wurden diese überwältigt und niedergemacht, bald wagte man sich an größere Haufen. Seleukos sandte die Sichelwagen aus, sie wurden in die Flucht geschlagen; Demetrios drang bis zu den syrischen Pässen vor, warf die dortigen Posten, war Meister der Heerstraße nach dem Osten. Nun wuchs seine Hoffnung; er stand in der Gegend von Issos, seine Truppen waren voll Mut und zu jedem Wagnis bereit; er hoffte eine Schlacht gewinnen zu können, sein gutes Glück schien ihm noch einmal geholfen zu haben. Seleukos sah mit Sorgen die Wendung, die der seltsame Kampf nahm; er beklagte es, Agathokles zurückgesandt zu haben; er wagte nicht, allein gegen Demetrios zu kämpfen, dessen Glück, dessen Mut, dessen Feldherrntalent er mit Recht fürchtete.

Noch einmal hatte das Glück dem königlichen Abenteurer gelächelt, um ihn desto sicherer zu verderben. Von den ungeheuren Anstrengungen der letzten Monate erschöpft, fiel Demetrios in eine Krankheit, die ihn auf das heftigste mitnahm; gerade jetzt, wo jeder Tag wichtig war, wo die Stunde entscheidend werden konnte, lag er vierzig Tage darnieder.[411] Alles stockte, die Unordnung unter den Truppen nahm furchtbar überhand, viele gingen zu den Feinden über, viele zerstreuten sich. Seleukos vermied es, anzugreifen; die Macht des Feindes mußte sich in sich selbst zerstören. Kaum genesen, brach Demetrios, es mochte im Mai 286 sein, aus Issos auf; man glaubte, er werde nach Kilikien zurückgehen; er wandte sich ostwärts, ging in der Stille der Nacht durch die Amanischen Pässe; am anderen Morgen schwärmten seine Scharen in die kyrrhestische Landschaft hinab, plünderten, mordeten, wüteten furchtbar. Schleunigst zog ihm Seleukos entgegen, lagerte ihm gegenüber, überzeugt, Demetrios werde sich sofort zurückziehen. Statt dessen beschloß dieser, ihn in der Nacht zu überfallen; er hoffte, der plötzliche Angriff, die Verwirrung, das Dunkel der Nacht werde besten Erfolg gewähren. Mit Jubel empfingen die Truppen den Befehl, schnell waren sie unter den Waffen, zum Angriff fertig. Indes schlichen zwei Peltasten aus Aitolien zu den feindlichen Vorposten, forderten, schleunigst zum König geführt zu werden; sie verrieten den beabsichtigten Angriff. Seleukos wurde aus dem Schlaf geweckt; schnell waffnete er sich: »Wir haben mit einem wilden Tiere zu tun«; er befahl, mit allen Heertrompeten Lärm blasen zu lassen, während sich die Truppen sammelten, das Reisig vor den Zelten anzuzünden, die Truppen mit dem Schlachtruf hinauszuführen. Als Demetrios anrückte und die unzähligen Feuer sah, den Schlachtruf, die Heertrompeten hörte, sah er, daß sein Anschlag verraten sei, und zog sich zurück.

Am anderen Morgen griff Seleukos an; Demetrios brachte auf seinem rechten Flügel die Feinde ein wenig zum Weichen, rückte in den Hohlweg, aus dem sich Seleukos' Truppen zurückzogen; schleunigst eilte Seleukos, von auserwählten Hypaspisten und acht Elefanten begleitet, dorthin, stellte diese am Wege auf, sprang selbst vom Pferde, warf den Helm weg, trat, den Speer vorhaltend, an des Hohlwegs Seite, rief den feindlichen Truppen ein lautes Halt zu: toll seien sie, daß sie diesem hungernden Räuberhauptmann länger folgten, da sie doch in eines reichen Königs Dienste treten könnten, der ein Königreich besitze, nicht erst erkämpfen wolle; sie sähen doch wohl, wenn er gewollt hätte, wären sie längst überwältigt; dem Hungertode habe nur er sie entrissen; wenn er bisher ihrer geschont, so sei es nicht des Demetrios wegen gewesen, sondern weil er gehofft habe, so tapfere Männer, die er um alles zu retten wünsche, noch zur Besonnenheit zurückkehren zu sehen; zu ihm möchten sie kommen, dann seien sie gerettet. Sie schrien Beifall, warfen die Waffen weg, begrüßten Seleukos als ihren König.

Kaum rettete sich Demetrios mit wenigen Freunden und Begleitern fliehend zu den Amanischen Pässen; in einem Walde verborgen, erwartete er hier die Nacht; er wollte dann nach Karien, nach Kaunos flüchten, wo[412] er seine Flotte zu finden hoffte. Da er hörte, daß nicht auf einen Tag Proviant vorrätig sei, änderte er seinen Plan, wandte sich nordwärts dem Tauros zu; Sosigenes, der Freunde einer, bot dem König die vierhundert Goldstücke, die er noch bei sich trug: mit diesen werde man sich bis zum Meere durchschleichen können. Man brach noch in der Nacht auf, wieder südwärts, den nächsten Küstenort zu erreichen. Indes hatte Seleukos, damit Demetrios nicht nach Syrien entkommen könne, die Amanischen Berge durch ein bedeutendes Korps unter Lysias besetzen lassen, mit dem Befehl, überall auf den Vorhöhen Feuer anzuzünden. Als Demetrios das Feuer sah, wandte er sich rückwärts zu der Stelle, von der er herkam; es war eine schaurige Nacht; von den wenigen, die noch um ihn waren, gingen viele heimlich davon, die übrigen gaben alle Hoffnung auf. Einer wagte zu sagen, man müsse sich ergeben. Demetrios riß sein Schwert heraus, ihn zu durchbohren; die Freunde hielten ihn davon ab, beruhigten ihn, aber es bleibe kein anderer Ausweg; er sandte einige Freunde an Seleukos, – mit der Botschaft, er gebe sich in seine Gewalt.

Seleukos empfing sie freundlich: »Es ist nicht des Demetrios, sondern mein gutes Glück, das ihn erhalten und mir Gelegenheit gegeben hat, meine Gnade zu zeigen.« Er befahl, ein königliches Zelt für Demetrios aufzuschlagen, Demetrios mit allen Ehren zu empfangen; er sandte einen von Demetrios' früheren Freunden, den Apollonides, zu ihm, der ihn begrüßen, ihn hergeleiten solle. Die Höflinge eilten, dem Manne, den ihr Herr so gütig aufnahm und der gewiß bald bei ihm in höchstem Einfluß stehen werde, ihre Ehrerbietung zu bezeigen; im Lager selbst war die lebhafteste Neugier, den Poliorketen zu sehen. Vorsichtigere sahen das nicht ohne Argwohn; sie sprachen zum König: er müsse sich vorsehen, es sei ein Aufruhr zugunsten des Demetrios zu besorgen. Indes hatte Apollonides den Demetrios begrüßt und ihm von der gnädigen Entschließung seines Herrn Kunde gebracht; viele Hofherren waren zu ihm gekommen; Demetrios selbst glaubte, nicht wie ein Gefangener, sondern wie ein König werde er in das Lager einziehen. Da erschien ein Kommando von 1000 Mann zu Fuß und zu Pferde unter Führung des Pausanias, umringte Demetrios, trieb die Umstehenden hinweg, nahm ihn selbst in die Mitte, führte ihn schweigend von hinnen. Demetrios wurde nach der festen Stadt Apameia am Orontes gebracht; eine starke Wache umgab ihn, im übrigen wurde er königlich gehalten; Seleukos selbst sandte ihm von seiner Hofbedienung, ließ ihm Geld, soviel er brauchte, auszahlen, für ihn und seinen kleinen Hof reichliche Lieferungen beschaffen; jedem Freunde war es erlaubt, Demetrios zu sprechen, die königlichen Jagdreviere, Reitbahnen, Gärten standen ihm offen; Hofleute, die von Seleukos kamen, brachten die gute Nachricht, daß Seleukos nur die Ankunft des Antiochos[413] und seiner Gemahlin aus den oberen Provinzen erwarte, um die Haft gänzlich zu lösen.

Für Seleukos war es von unberechenbarem Vorteil, daß sich Demetrios in seiner Macht befand; das Geringste war, daß in ihm der Feind, den er vielleicht allein noch zu fürchten hatte, zur Ruhe gebracht war; ungleich wichtiger durfte es ihm sein, daß er Lysimachos' heftigsten Gegner zu seiner Verfügung hatte. Denn schon war vielfache Spannung zwischen den Höfen von Lysimacheia und Antiocheia; die Verhältnisse in Europa hatten seit dem Abzug des Demetrios eine Entwicklung genommen, die Lysimachos' Gewalt außerordentlich hob und ernstliche Besorgnisse erregen konnte.

Pyrrhos hatte, trotz des mit Demetrios beschworenen Friedens, auf Lysimachos' Zureden und um durch Eroberungen die Neigung der Makedonen zu gewinnen, Thessalien zum Abfall gereizt und mehrere Städte, in denen noch Besatzungen des Demetrios und Antigonos standen, angegriffen, so daß Antigonos nicht viel mehr als die feste Stadt Demetrias dort behauptete. Mit dem Abkommen, das der Molosser so rücksichtslos verletzte, hatte er die Athener, die der Zuversicht gewesen waren, wie das Museion, so auch Munychia und den Peiraieus wiederzugewinnen, auf das bitterste enttäuscht; sie schlossen sich um so mehr an Lysimachos an, der ihnen alles Beste verhieß. Nicht minder arbeitete Lysimachos, die Makedonen Pyrrhos zu entfremden; der König Audoleon von Paionien hielt zu ihm, die Kämpfe seines Sohnes Agathokles mehrten seine Gewalt in Kleinasien, bis über die Grenzen seines Reiches hinaus hatte er den flüchtigen Demetrios verfolgen lassen. Als Demetrios in Kilikien eingeschlossen und so gut wie unschädlich gemacht war, wandte sich Lysimachos nach Makedonien; seine Absicht war keine andere, als Pyrrhos des makedonischen Diadems zu berauben. Pyrrhos lagerte in dem bergigen Gebiet von Edessa; Lysimachos umschloß ihn, schnitt ihm die Zufuhr ab, brachte ihn in immer härtere Not. Zu gleicher Zeit bemühte sich Lysimachos, die Vornehmsten des makedonischen Adels zu gewinnen; teils schriftlich, teils mündlich verhandelte er mit ihnen: es sei unwürdig, daß ein Fremdling, ein molossischer Fürst, dessen Vorfahren stets den Makedonen unterwürfig gewesen, jetzt über das Reich Philipps und Alexanders herrschen solle, ja daß die Makedonen selbst ihn dazu erwählt, sich von dem Freunde und Kampfgenossen ihres großen Königs abgewandt hätten; es sei hohe Zeit, daß die Makedonen, ihres alten Ruhmes eingedenk, zu denen zurückkehrten, die ihn mit erkämpft hätten. Überall fand Lysimachos' Stimme und mehr noch sein Geld Eingang, überall zeigten sich unter Adel und Volk Bewegungen zugunsten des thrakischen Königs. Pyrrhos gab es auf, die Position von Edessa länger zu halten, er ging den[414] epeirotischen Grenzen zu, er trat mit Antigonos, der, die Umstände benutzend, wieder in Thessalien vorgedrungen sein mag, in Verbindung; den vereinigten Heeren beider rückte Lysimachos entgegen und gewann eine Schlacht, infolge deren Pyrrhos das Königtum von Makedonien gänzlich aufgab und Thessalien bis auf Demetrias mit dem makedonischen Königtum in Lysimachos' Gewalt kam.

Nicht ohne Besorgnis konnte Seleukos die steigende Macht des Lysimachos sehen; Pyrrhos hatte sich auch mit Antigonos vereint zu schwach erwiesen, um dem mächtigen Herrn von Thrakien, Makedonien, Kleinasien das Gegengewicht zu halten. Daher wohl sein Zögern, gegen Demetrios in Kilikien scharf einzuschreiten, daher seine auffallende Großmut, als sich dieser ihm hatte ergeben müssen; er konnte daran denken, nötigenfalls Demetrios von neuem auf die Bühne zu führen, ihn mit Heeresmacht nach Europa zu senden, um mit der Erneuerung seines makedonischen Königtums das Gleichgewicht herzustellen, in dem allein der Bestand der werdenden hellenistischen Staatenwelt seine Sicherung finden konnte. Von vielen Seiten liefen Bitten um die Freigebung des Demetrios ein; nicht nur von einzelnen Städten und Dynasten; auch Ptolemaios, auch Pyrrhos scheint in diesem Sinne unterhandelt zu haben. Antigonos bemühte sich auf das eifrigste, er erbot sich, alles, was noch in seiner Gewalt sei, abzutreten, sich selbst als Geisel zu stellen, wenn Seleukos den Vater freigebe; er sandte an die Könige umher, daß sie seinen Antrag unterstützen möchten. Von allen Seiten wurde Seleukos bestürmt; nur Lysimachos machte ernstliche Gegenvorstellungen: werde Demetrios freigelassen, so sei die Welt wieder voll Krieg und Verwirrung, keiner der Könige seines Besitzes sicher; er biete 2000 Talente, wenn Seleukos den Gefangenen aus dem Wege räume. Mit harten Worten wies Seleukos die Gesandten zurück, die ihm zumuteten, nicht bloß sein Wort zu brechen, sondern an dem ihm doppelt verschwägerten Fürsten solchen Frevel zu üben. Er verhandelte schriftlich mit seinem Sohne Antiochos in Medien, wie mit Demetrios des weiteren zu verfahren; er war willens, ihn freizugeben, ihn in glänzender Weise in sein Königreich zurückzuführen; er sorgte dafür, daß schon jetzt bei dem, was für Demetrios geschah, der Name des Antiochos und der seiner Gemahlin, der Tochter des Demetrios, genannt wurde.

Indes schien Lysimachos die hellenischen Angelegenheiten völlig aus den Augen zu lassen und jeden Anlaß zu Mißhelligkeiten mit Seleukos sorgfältig zu meiden; Demetrios' Freilassung verzögerte sich ins Ungewisse. Er selbst schrieb an seinen Sohn Antigonos, an seine Freunde und Strategen in Hellas: man möge auf seine Wiederkehr nicht hoffen, und wenn Briefe mit seinem Siegel kämen, denselben nicht trauen; man solle[415] verfahren, als sei er tot; seinem Sohne Antigonos übergebe er alle Städte und Besitzungen, alle Ansprüche, sein Diadem. Er selbst gab die Hoffnungen auf, die er in der ersten Zeit seiner Gefangenschaft genährt hatte; mit Jagen, Ringen, Reiten vertrieb er sich die Zeit; bald ward er dessen überdrüssig; er teilte seine träge Muße zwischen Gelagen, Würfelspiel und Ausschweifungen, vielleicht nicht minder um den nagenden Kummer zu betäuben als aus angeborener Neigung, vielleicht mit der Absicht, das Ende eines hoffnungslosen Lebens zu beschleunigen. Im dritten Jahr seiner Gefangenschaft begann er zu kranken; er starb im vierundfünfzigsten Jahre seines vielbewegten Lebens. Seleukos beklagte es bitter, ihn nicht gerettet zu haben; von allen Seiten her ward ihm an des Königs frühem Tod schuld gegeben.

Er wird es an glänzenden Leichenfeierlichkeiten nicht haben fehlen lassen. Des Demetrios Asche ward in einer goldenen Urne nach Griechenland geschickt, und Antigonos segelte mit seiner ganzen Flotte zu den Inseln, sie nach Korinth zu geleiten; alle Städte, bei denen er landete, schmückten die Urne mit Kränzen oder schickten Trauergesandtschaften, die sterblichen Überreste des Helden zu geleiten. Als die Flotte, erzählt Plutarch, vor Korinth angekommen, wurde der Aschenkrug auf dem Deck des Schiffes, mit dem Purpur und Diadem geschmückt, zur Schau ausgestellt, von jungen Männern die Ehrenwache gehalten; der berühmte Flötenbläser Xenophantos saß bei der Urne und blies das heiligste Trauerlied; mit gleichmäßigem Ruderschlage ging das Schiff an Land; Tausende standen am Ufer und folgten der Urne nach, die weinend Antigonos trug. Nach Beendigung der Totenfeier in Korinth wurde die Asche zur Beisetzung nach der Stadt Demetrias in Thessalien gebracht, die der König gegründet hatte.

So das Ende des Königs Demetrios; sein Leben, vielbewegt und abenteuerlich, wie es kaum ein ähnliches in der Geschichte gibt, ist wie die Zeit der Diadochen selbst ein rastloses Weiterstürmen, das endlich sich selbst erschöpft; herrlich und blendend beginnt es, um endlich widrig und in fauler Verdumpfung zu endigen. Es stellt sich in Demetrios das gärende Element jener seltsamen Zeit dar; je mehr sie selbst zur Ruhe und zum endlichen Abschluß drängt, desto unsteter und planloser wird sein Treiben; seine Zeit ist vorüber, sobald die ungeheure Bewegung der Diadochenkämpfe sich zu klären und zu beruhigen beginnt. Der hellste Stern in der Sturmnacht, der mit Alexanders Untergang hereinbrach, verliert er seinen Glanz, sobald der Morgen eines stilleren Tages zu dämmern beginnt; man mag ihn anstaunen in seiner exzentrischen Größe, innigere Teilnahme kann selbst sein Fall nicht erwecken. Seine geschichtliche Bedeutung ist, daß er den Gedanken, das Phantom einer Einheit des großen[416] Alexanderreiches, auf dessen völlige Zersetzung die Elemente, die es in sich schließt, hinarbeiten, festhält und immer neue, immer phantastischere Unternehmungen als Vorwand nimmt, daß er, der im Morgenlande aufgewachsen, der selbst schon zum morgenländischen Despoten geworden ist, an der Spitze der Hellenen, der Makedonen ihn zu verwirklichen sucht. Er hat das positive Element der Zeit verkannt, das, von Alexander ausgesät, inmitten des fünfzigjährigen Kampfes aufgegangen und bereits in vollem Wachstum war. Es ist die Art geschichtlicher Entwicklungen, daß sie, während um andere und andere Fragen gekämpft wird, ruhig und sicher ihre Stadien durchlaufen; wer diese erkennt und hegt, der gründet Dauerndes. So ist es seit Alexanders Tod der Kampf um die Einheit seines Reiches, der alle Kräfte zu absorbieren, der das Verhalten der Parteien zu bestimmen scheint; aber das Dauernde ist jenes Prinzip des Hellenismus, das, nachdem der Kampf ausgetobt, als fertig und für Jahrhunderte gesichert dasteht. Dies Prinzip ist es, in dessen Interesse die nochmalige Vereinigung des großen westöstlichen Reiches sich als unmöglich erweisen mußte, damit die Vereinigung des Abendländischen mit den verschiedenen Potenzen der östlichen Volkstümlichkeiten zu ebenso vielen hellenistischen Gestaltungen sich vollziehen konnte; in diesem Prinzip ist die Herrschaft des Lagiden fest und großartig, in diesem Prinzip ruht die Macht des Seleukos.

Wir nahen uns dem Abschluß der Periode; die drei Könige Lysimachos, Seleukos und Ptolemaios, die letzten Kampfgenossen Alexanders, sind im Greisenalter, neben ihnen ist des Epigonen Demetrios Sohn Antigonos auf den Besitz von Hellas zurückgedrängt, und Pyrrhos von Epeiros, den des Lyaimachos Macht von den makedonischen Grenzen fernhält, beginnt seinen kriegerischen Sinn auf die Halbinsel der Apenninen zu wenden. Jenen drei Greisen stehen Söhne in der vollen Kraft der Jahre zur Seite, denen sie ihr schwer errungenes und in endlosen Kämpfen gesichertes Diadem zu vererben denken. Schon hat Seleukos seinem nun vierzigjährigen Sohne Antiochos das Königtum des oberen Asiens übergeben. Auch Ptolemaios eilt, noch bei seinen Lebzeiten das Reich in die Hände eines Nachfolgers zu legen; der älteste unter seinen Söhnen, Ptolemaios, den man wegen der Heftigkeit seines Charakters Keraunos, den Blitz, nannte, war ihm von der jetzt verstoßenen Eurydike geboren; mehr liebte er den sanfteren Sohn der ihm so teuren Berenike, Ptolemaios, der sich später Philadelphos nannte33. Vielfach mag der greise König mit den Freunden darüber beraten haben; es wird berichtet, daß Demetrios von Phaleron, der jetzt, mit literarischen Arbeiten beschäftigt, in hohem Ansehen und im Range der ersten Freunde in Alexandreia lebte, für[417] das Recht der Erstgeburt sprach34; dennoch entschied sich der König, dem geliebteren Sohne das Diadem zu übergeben. Mit lautem Jubel vernahmen die ägyptischen Makedonen des Königs Entschluß; und mit dem Jahre 285 begann Ptolemaios Philadelphos sein Regiment; zu seiner Thronweihe wurde ein Prachtfest gefeiert, bei dem ein so ungemessener Aufwand von Gold und Edelgestein, von Kunstwerken und Seltenheiten der fernsten Länder ausgestellt wurde, wie bis dahin nie, selbst an den Höfen der Perserkönige nicht, beisammen gewesen sein mag. Zwei Jahre nach diesem starb Ptolemaios Soter, im vierundachtzigsten Jahre seines Alters, unter den Nachfolgern Alexanders wenn nicht der größte noch der edelste, doch jedenfalls derjenige, welcher von Anfang an die Tendenz des Zeitalters am richtigsten auffaßte und unter den Diadochen das am meisten befestigte und am besten geordnete Reich hinterließ.

Ptolemaios Soter erlebte die traurigen Folgen, welche die Bevorzugung des jüngeren Sohnes für sein Haus haben sollte, nicht mehr; doch war es wohl noch bei seinen Lebzeiten, daß der zurückgesetzte Keraunos und seine zwei Brüder den Hof von Alexandreia verließen. Ptolemaios Keraunos wandte sich nach Thrakien zu Lysimachos, dessen Sohn und einstiger Nachfolger Agathokles mit Lysandra, der rechten Schwester des flüchtigen Königssohnes, vermählt war. Seitens des alexandrinischen Hofes wurde, damit nicht durch Keraunos' Einfluß das freundschaftliche Vernehmen mit Thrakien gestört werde, eine Verbindung des jungen Königs Ptolemaios mit Arsinoë, der Tochter des Königs Lysimachos und der makedonischen Nikaia, unterhandelt35.[418]

Lysimachos ist unter den Kampfgenossen Alexanders am spätesten zu größerer Bedeutung gelangt; erst seit der Schlacht von Ipsos tritt er unter den Mächten ersten Ranges auf; und auch dann noch hat er die schwersten Kämpfe gegen die thrakischen Nachbarn im Norden zu bestehen. Allgemein war er als ein tapferer und rüstiger Kriegsmann bekannt; von bedeutendem Geiste scheint er nicht gewesen zu sein, wohl aber verstand er es, seinen Vorteil zu erlauern und zu verbergen, was er beabsichtigte. Darf man aus den wenigen Nachrichten, die auf uns gekommen sind, ein allgemeines Bild entnehmen, so möchte man ihn wohl in die Nähe der gewöhnlichen Charaktere stellen, die, aus Gewohnheit redlich und rührig, sich, solange sie unscheinbar und ohne bedeutendes Ereignis dahinleben, durchaus achtbar und ehrenhaft zeigen. Höchlichst zuwider ist ihm die Genialität des Demetrios; von Herzen liebt er die Perserin Amastris, deren Seelenadel und Charaktergröße ihm imponiert; dennoch trennt er sich von ihr, sobald es die politischen Interessen zu fordern scheinen; aber seiner neuen Gemahlin Arsinoë von Ägypten redet er immerfort vor von der Trefflichkeit jener Frau, und wie sie da gesprochen und dort gehandelt habe. Er weiß den Wert des Geldes zu schätzen; er scharrt große Schätze zusammen, ohne sie wie Demetrios in prunkendem Luxus zu vertun oder wie Ptolemaios sich in Förderung der Künste und Wissenschaften zu gefallen. Im kräftigen Greisenalter bietet sich ihm wieder und wieder Gelegenheit, seine Macht zu vergrößern, und er benutzt sie, wo es sich tun läßt. Nirgends beherrscht er die Verhältnisse, er läßt sich von ihnen leiten, und zur rechten Zeit zugreifend, gewinnt er Kleinasien, drängt er den kriegerischen Pyrrhos aus Makedonien, fügt er Gewinn zu Gewinn. Ihm fehlt jene Energie des Charakters, durch welche Seleukos oder Ptolemaios den festen Kern eines Reiches zu bilden verstanden haben; er scheint sich damit zu begnügen, was er erwirbt, äußerlich aneinanderzufügen. Ebensowenig vermag er seine nächste Umgebung fest und wohlgeordnet zu gestalten; an seinem Hofe sind Parteiungen, deren er nicht Herr zu werden versteht; und während er immer wieder das Gedächtnis der hochherzigen Amastris erhebt, intrigiert Arsinoë gegen den Thronfolger Agathokles und dessen Gemahlin Lysandra. Seine väterliche Liebe ist nicht so groß, daß er sie nicht um einer Laune, eines Argwohns, eines namhaften Vorteils willen gar sehr hintansetzt; seine Tochter Eurydike hat er zu ewigem Gefängnis verdammt, weil sie mit ihrem Gemahl Antipatros von Makedonien wiederholt um die Wiederherstellung[419] seines Königtums gebeten; den Schwiegersohn, der hilfebittend sich zu ihm gerettet, hat er ermorden lassen, um sein Reich besitzen zu können; Ärgeres noch wird die weitere Erzählung lehren, sie wird die Habgier und die Charakterschwäche des alten Mannes zeigen, die endlich ihm, seinem Hause, seinem Reiche den Untergang gebracht hat.

Nachdem Lysimachos alleiniger Herr von Makedonien geworden war, hatte er sich zunächst zu einem neuen Krieg gegen Thrakien gewandt; Näheres wissen wir über denselben nicht; dann war er gegen Herakleia gezogen. Es ist bereits angeführt, wie Amastris von ihren beiden Söhnen Klearchos und Oxathres ermordet worden. Lysimachos hielt, so heißt es, jenen Mord für so entsetzlich und verabscheuungswürdig, daß er ihn nicht ungestraft lassen zu dürfen meinte. Doch verbarg er seinen Entschluß auf das sorgfältigste, er tat, als habe er noch die alte herzliche Freundschaft für Klearchos; er verstand, ihn völlig unbesorgt zu machen. Er meldete sich zum Besuch bei ihm an, als habe er des gemeinen Besten wegen mit ihm zu sprechen. Er ward in Herakleia eingelassen; dann sprach er mit dem Ernste eines Vaters zu den Brüdern, gleich darauf ließ er den einen, dann auch den andern umbringen. Die Stadt nahm er unter seine Herrschaft, plünderte die von den Tyrannen seit langen Jahren aufgehäuften Reichtümer, gab dann den Bürgern die Erlaubnis, eine Demokratie einzurichten, wie sie sie wünschten. Hierauf kehrte er nach Thrakien zurück.

Heimgekehrt, erzählte Lysimachos viel, wie bewundernswürdig Amastris Herakleia regiert, wie sie den Wohlstand der Stadt gemehrt, wie sie durch die Gründung von Amastris alte, verfallene Ortschaften zu neuer Regsamkeit erweckt habe, wie dort in Herakleia alles herrlich und königlich sei. Seine Lobpreisungen reizten die Königin Arsinoë, sie bat ihn, die Stadt ihr zu schenken; anfangs weigerte sich Lysimachos: das sei ein zu kostbares Geschenk, sie besitze ja schon das schöne Kassandreia in Makedonien, auch habe er der Stadt die Freiheit zugesichert; aber sie verstand ihn zu kirren, sie ließ nicht nach, bis er ihren Bitten willfahrte. So wurde Herakleia nebst Amastris und Tios Arsinoës Eigentum; sie sandte den Kymaier Herakleides dorthin, der in ihrem Namen die Stadt verwalten sollte, einen ihr ganz ergebenen, höchst harten und tyrannischen Mann, der die Bürger, die sich kaum der wiederkehrenden Freiheit zu freuen begonnen hatten, auf das härteste drückte, viele hinrichten ließ, ihr Vermögen konfiszierte.

Der älteste und zum Erben des Reiches bestimmte Sohn des Lysimachos war Agathokles, derselbe, der den Feldzug gegen Demetrios mit ebensoviel Mut wie Besonnenheit geführt hatte, ein edler und ritterlicher Fürst, der am Hofe, im Heere, vor allem, in Kleinasien, wo er mehrere Jahre[420] kommandiert haben mochte, außerordentlich beliebt war; man freute sich, in ihm und seinen Kindern die Erben des Reiches zu sehen. Nur Arsinoë sah das alles mit bitterem Neid; sollten denn diesem Sohn der Odryserin ihre, der Königstochter, Kinder nachstehen? Sollten sie einst von Agathokles' und seiner Kinder Gnade leben? Sollte sie selbst dann dieser Stiefschwester Lysandra, die sie im väterlichen Hause schon verachtet, den Rang abtreten und sich mit den armseligen Witwensitzen Herakleia und Kassandreia begnügen müssen? Ihre Kinder nahten dem Alter der Mündigkeit; es war Zeit zu handeln, wenn ihnen der thrakische Thron werden sollte. Auch noch Geheimeres mag in ihrer Seele vorgegangen sein; Agatholdes war schön und ritterlich, was war es der Königin, des alten Mannes Bett zu teilen? Lysandra war die Glücklichere. Man erzählt sich, die Königin habe den jungen Fürsten zu gewinnen versucht; er liebte seine Gemahlin, er vermied die zweideutige Gunst seiner Stiefmutter, er wandte sich verachtend von ihr. Arsinoë sann auf Rache. Der flüchtige Ptolemaios Keraunos war nach Lysimacheia gekommen, mit ihm schmiedete sie ihre Pläne. Sie begann, Lysimachos zu umspinnen: nicht genug könne sie ihm danken, daß er ihr in Herakleia einen Zufluchtsort habe geben wollen, dessen sie bald genug bedürfen werde; sie verstand, die Ängstlichkeit und den Argwohn des alten Mannes zu steigern: auch das Erdbeben, das jüngst die Residenz fast zerstört, sei ein nur zu deutliches Zeichen der Götter; es werde ihn schmerzen, zu erfahren, daß er einem, der ihm auf Erden der liebste sei, schon zu lange gelebt habe; es sei eine Zeit der scheußlichsten Verbrechen. Endlich nannte sie Agathokles' Namen, berief sich auf Ptolemaios' Zeugnis, der gewiß Glauben verdiene, da Agathokles' Gemahlin seine rechte Schwester sei; der habe, für seines edlen Beschützers Leben besorgt, ihr alles entdeckt. Der König glaubte; er eilte, einem Verbrechen zuvorzukommen, dessen Agathokles nicht fähig gewesen wäre. Der Sohn ahnte die Ränke der Königin; als ihm an seines Vaters Tisch Vergiftetes gereicht war, nahm er Gegengift und rettete sein Leben. Er ward ins Gefängnis geworfen, Ptolemaios übernahm es, ihn zu ermorden.

Nun mochte sich Lysimachos sicher fühlen. Wenigstens so dreist, als wenn er nichts mehr zu fürchten habe, wagte er Frevel und Gewalt, sein Gebiet zu mehren. In dieser Zeit muß der alte Paionenfürst Audoleon gestorben sein, vielleicht in einer Empörung, die ein Verwandter des Hauses veranlaßt haben mag; des Audoleon Sohn, den jungen Ariston, führte Lysimachos in das väterliche Erbe zurück, als sei es ihm um die Gunst der Paionen zu tun. Aber als man nach der Königsweihe, dem Bade im Fluß Astakos, beim Königsmahl saß, brachen auf ein Zeichen des Lysimachos Bewaffnete hervor, den jungen Fürsten zu ermorden; kaum daß[421] es ihm noch gelang, hinauszukommen, sich auf ein Pferd zu schwingen; er flüchtete in das nahe Gebiet der Dardaner. Lysimachos besetzte das Land; einer von den Getreuen des Audoleon zeigte ihm die Stelle in dem Fluß Sargentios, wo er selbst die Königsschätze versenkt hatte. Diese Erweiterung an Land und Schätzen, dazu die immer neuen Dank- und Ehrendekrete der Athener mochten dem alten König die Zuversicht geben, daß alles gut sei.

Aber der Ausgang des Agathokles hatte nah und fern tiefen Eindruck gemacht. Des Ermordeten Bruder Alexandros, seine Witwe mit den Kindern flüchteten nach Asien zu Seleukos; laut sprach sich der allgemeine Unwille über die gräßliche Tat aus. Mit den strengsten Maßregeln suchte Lysimachos solcher Stimmungen Herr zu werden; viele von Agathokles' Freunden wurden gefänglich eingezogen und hingerichtet; die Strategen, die Truppen in Kleinasien vermochte man nicht so leicht zur Ruhe zu bringen, viele von ihnen gingen zu Seleukos über; Philhetairos, der Tianer, der über den königlichen Schatz zu Pergamon bestellt war, einer der treuesten Anhänger des Agathokles, sagte sich von Lysimachos los, sandte einen Herold an Seleukos, ergab sich ihm mit dem Schatz von 9000 Talenten. Solche Folgen mochte Lysimachos nicht geahnt haben; nun kamen ihm überzeugende Beweise, daß Agathokles vollkommen schuldlos gewesen sei; um so besorgter sah er die Wetter, die ringsum wider ihn aufstiegen. Er hatte dem syrischen Hofe Anlaß genug zu Beschwerden gegeben; wie, wenn jetzt Seleukos über den Tauros kam, Genugtuung zu fordern? Auch der Hof der Lagiden war gekränkt, des Ermordeten Witwe war die Schwester des jungen Königs Ptolemaios, und unmöglich konnte der es ruhig mit ansehen, daß Keraunos, dem um seinetwillen das ägyptische Diadem entrissen war, so mächtigen Einfluß am thrakischen Hofe gewann. Lysimachos mußte fürchten, daß sich Seleukos und Ptolemaios gegen ihn verbänden, und Agathokles lebte nicht mehr, der für ihn hätte kämpfen können. Mindestens der Vereinigung beider Mächte mußte vorgebeugt werden; Lysimachos beeilte sich, seine Tochter Arsinoë, um die von Alexandreia her geworben war, dem jungen König Ptolemaios zuzusenden; und dieser wird darin die Bürgschaft gesehen haben, daß sein Stiefbruder, der den Gedanken an die ägyptische Herrschaft noch keineswegs aufgegeben hatte, um den gefürchteten Einfluß am thrakischen Hofe gebracht sei.

Nun war für Keraunos kein längeres Bleiben in Lysimacheia; auch er floh, da jetzt Thrakien mit Ägypten so gut wie verbündet war, zu dem Feinde, dem der Bund galt, zu Seleukos. Dieser nahm ihn freundlich auf: er sei der Sohn eines ihm befreundeten Mannes, ihm sei großes Unrecht geschehen, er verspreche ihm, wenn sein Vater gestorben, daß er[422] das Reich, welches allein ihm gebühre, wiedererhalte. Auch Lysandra und Alexandros lagen dem Könige an, den Krieg gegen Lysimachos zu beginnen; von Kleinasien aus mochten viele Bitten gleicher Art kommen. Noch lebte der alte Ptolemaios; Seleukos scheint in Rücksicht darauf den Beginn der Feindseligkeiten gegen Thrakien noch verschoben zu haben.

Die Geschichte des Krieges, der nun folgt, ist überaus unklar. Es heißt, Lysimachos habe auf die Nachricht von den Empörungen in Kleinasien zuvorzukommen gesucht, sei mit einem Heere nach Asien hinübergegangen, habe den Krieg begonnen; gewiß versuchte er, die abgefallenen Städte und Landschaften wiederzugewinnen. Wann und wie Seleukos in den Kampf eingetreten, wird nirgends bezeichnet; erst als Ptolemaios Soter 283 gestorben war, so scheint es, zog er mit einem aus Asiaten und Makedonen gemischten Heere, einer bedeutenden Zahl Elefanten heran. Leicht genug mußte ihm die Eroberung Kleinasiens werden; fast scheint es, als wenn Lysimachos, von Empörungen rechts und links genötigt, vor Seleukos bis an den Hellespont zurückwich, ohne den Kampf zu wagen; und Seleukos wieder scheint keineswegs den nächsten Weg, um Lysimachos zu finden, gewählt, sondern Kleinasien langsam durchzogen und in Besitz genommen zu haben, um dann gegen Lysimachos nicht mehr um Kleinasien, sondern um dessen europäisches Reich zu kämpfen. Auch nach Sardeis kam er auf seinem Zuge; dort war Theodotos vom thrakischen König als Hüter des Schatzes bestellt und hielt sich gegen Seleukos auf der festen Burg; hundert Talente Belohnung bot der König für seinen Kopf, worauf Theodotos, sie selbst zu verdienen, die Tore der Burg öffnete. Die griechischen Städte und Inseln der Küste scheinen, mit Lysimachos' Regiment unzufrieden, sich an Seleukos angeschlossen zu haben; überall war in den Städten die Partei der Seleukizonten im Übergewicht; Lysimachos wich bis nach Phrygien am Hellespont zurück. In der Ebene von Kuros trafen sich beide Könige zur entscheidenden Schlacht; Lysimachos' Niederlage war vollkommen; er selbst fiel, von einem Herakleoten Malakon erschlagen; das Heer scheint die Waffen gestreckt zu haben. Lysimachos' Leichnam blieb auf dem Schlachtfeld liegen; es war sein Sohn Alexandros, der endlich um die Erlaubnis bat, ihn zu bestatten; man suchte ihn lange vergeblich; der Hund des Königs, der bei der Leiche geblieben und Vögel und Raubtiere ferngehalten, ließ die schon verwesende Königsleiche erkennen; Alexandros brachte die Gebeine des Vaters nach Lysimacheia, bestattete sie dort im Lysimacheion36.[423]

Mit dieser Schlacht war der Krieg beendet. Nur vermutungsweise können wir angeben, wie Seleukos nach diesem Siege über Lysimachos' Reich verfuhr. Die Königin war mit ihren Kindern entflohen; wenn berichtet wird, daß sich Alexandros von Agathokles' Witwe den Leichnam erbat, so muß sie durch Seleukos gewisse Befugnisse erhalten haben, die keine anderen gewesen sein können, als daß sie die Vormundschaft für ihre und Agathokles' Kinder übernahm, welche die rechtmäßigen Erben des Reiches waren; es scheint nicht unglaublich, daß Seleukos ihnen die Länder, die Lysimachos ursprünglich besessen, zu lassen beabsichtigte; Kleinasien dagegen wird er seinem großen Reiche einverleibt haben. Er blieb mehrere Monate in Kleinasien, um die Verhältnisse hier zu ordnen, namentlich die Städte in festere Hand zu nehmen. Nur was in Herakleia geschah, wissen wir näher. Die Herakleoten knüpften, sobald die Nachricht von Lysimachos' Fall gekommen war, mit Herakleides Unterhandlungen an, versprachen ihm reichliche Entschädigung, wenn er aus der Stadt ginge und sie die Freiheit wiederherstellen ließe; als er sich dessen nicht bloß weigerte, sondern mehrere Bürger hart bestrafte, gewannen sie die Besatzung und ihre Befehlshaber, nahmen Herakleides gefangen, zerstörten die Burg bis auf den Grund, bestellten zum Verweser der Stadt den Phokritos und traten mit Seleukos in Unterhandlungen. Indes suchte Zipoites von Bithynien das Gebiet von Herakleia mit räuberischen Einfällen heim, deren man sich nicht ohne Mühe erwehrte. Seleukos sandte den Aphrodisios nach Phrygien und den Gegenden am Pontos, um dort die Huldigungen zu empfangen und das neue Regiment einzurichten; zurückkehrend berichtete Aphrodisios von den übrigen Städten und Landschaften Rühmliches, Herakleia dagegen bezeichnete er als keineswegs dem König zugetan; als daher die Gesandten der Stadt kamen, ließ sie der König hart an und drohte, er werde sie zur Ordnung zwingen. Die Herakleoten eilten, sich auf jeden Fall zu rüsten, schlossen ein Bündnis mit Mithradates von Pontos, mit Byzanz und Kalchedon, nahmen die früher aus der Stadt Verbannten wieder auf und erneuten die Freiheit ihrer Stadt.

Mit dem Ausgang des Jahres 281 mochten die Angelegenheiten Kleinasiens geordnet sein; wollte Seleukos, wie wir vermutet, das Königreich Thrakien den Kindern des Agathokles unter seiner und ihrer Mutter Verwesung aufbewahren, so blieb noch die Krone Makedoniens, für die sich Seleukos eine besondere Bestimmung vorbehalten. Der greise König hatte[424] Sehnsucht nach dem Lande seiner Kindheit, das er vor mehr als fünfzig Jahren mit dem Heldenjüngling Alexander, damals selbst noch ein Jüngling, verlassen hatte; dort waren die Gräber seiner Eltern, dort die teuren heimatlichen Orte, mit deren Namen er die Landschaften und Städte seines syrischen Landes bezeichnet hatte, dort jenes Volk, dem er doch kein gleiches im weiten Morgenlande gefunden; am Abend seines tatenreichen Lebens König von Makedonien zu sein, dort friedlich, beglückend und von aller Welt geehrt zu leben, das mochte ihm der schönste Abschluß eines vielbewegten Lebens erscheinen. Seinem Sohne Antiochos übergab er Asien vom Hellespont bis zum Indus; der letzte von den Kampfgenossen Alexanders, der einzige aus der Heldenzeit, während ringsher in Epeiros, Griechenland, Thrakien, Ägypten, Asien ein jüngeres Geschlecht auf den Thronen saß, mochte er als König des Landes, von dem aus die Welt erobert war, eine Stellung nicht der höchsten äußeren Gewalt, wohl aber des alles vermittelnden Einflusses einzunehmen gedenken; er mochte hoffen, wie ein Vater zu den jüngeren Herrschern um sich her, beratend, schlichtend, von allen geehrt, sein Makedonien ehrend und beglückend, wie ein Hüter des Weltfriedens, der nun endlich dauernd werden sollte, die neue Zeit, deren Keime Alexander gelegt, sich entfalten zu sehen. Mit solchen Hoffnungen, die mindestens dem Herzen des greisen Königs Ehre machen, ging Seleukos im Ausgang des Jahres 281 über den Hellespont.

Es war das letzte Nachklingen des Gedankens, der seit dem Tode Alexanders die politische Welt bewegt hatte, die letzte Form, in der die Einheit des Reiches wenigstens ideell noch fortzuleben scheinen konnte. Auch diese letzte Möglichkeit hat sich als unmöglich erweisen müssen; der Hellenismus, den Makedonien über die Welt gebracht, sollte in keiner außerheimischen Macht nach Makedonien zurückkehren, es sollte das Weltreich nicht in der Potenz des hellenistischen Asiens erneuert werden.

Orakelsprüche hatten Seleukos gewarnt, »gen Argos nimmer zu gehen.« Als er nun über den Hellespont gegangen war und nach Lysimacheia zog, kam er bei einem Altar vorbei, den die Argonauten hier gegründet haben sollten und den die Umwohnenden Argos nannten; als Seleukos das Denkmal grauer Vorzeit betrachtete und nach seiner Gründung, seinem Namen fragte, kam Ptolemaios Keraunos und durchbohrte ihn hinterrücks. Dann schwang sich der Mörder auf sein Pferd, jagte nach Lysimacheia, legte das Diadem an, zog mit glänzendem Waffengefolge zum Heere des Seleukos, das überrascht, verwirrt, ohne Führung, sich fügte, ihn als König begrüßte.

So die dürftige Überlieferung, in der freilich keine Spur eines Zusammenhangs, durch welchen die furchtbare Tat erst möglich und erfolgreich sein konnte, zu erkennen ist. Ob die Königin Arsinoë mit im Spiele[425] war? Nach Lysimachos' Niederlage hatte sie sich nach Ephesos geflüchtet; als aber die Seleukizonten in der Stadt einen Aufstand machten, die Burg er brachen und schleiften, der Königin Leben feil gaben, ließ sie eine Dienerin in die königliche Sänfte steigen und von Trabanten umgeben zum Hafen eilen; sie selbst, in Lumpen gehüllt, das Gesicht mit Schmutz unkenntlich gemacht, entkam nach dem Hafen, bestieg heimlich ein Schiff und entfloh. Kurze Zeit darauf ist sie mit ihren Söhnen in ihrer Stadt Kassandreia in Makedonien; sie mochte hoffen, daß sich die Makedonen nach Seleukos' Tode zugunsten ihres ältesten, jetzt fast achtzehnjährigen Sohnes erheben würden; mindestens ist ihr Benehmen gegen Ptolemaios, als dieser mit ihr Verhandlungen anknüpfte, von der Art, daß man kaum auf ein Einverständnis schließen darf. Auch war es nicht die Partei der verhaßten Königin, mit der sich Ptolemaios in Verbindung setzen mußte, um zunächst in Thrakien festen Fuß zu fassen; er erscheint mit den Herakleoten im Bündnis, denen Arsinoë nicht minder verhaßt war als Seleukos; gewiß waren Herakleias Verbündete, namentlich Byzanz und Kalchedon, mit Ptolemaios im Einverständnis; es scheint glaublich, daß auch Philhetairos in Pergamon vor Seleukos besorgt zu sein begann; Seleukos' Macht wird auch anderweitig Haß und Furcht erregt haben. Man darf wohl voraussetzen, daß namentlich in Thrakien die Stimmung dem König Seleukos nichts weniger als günstig war; das früher mächtige und selbständige Reich war ja jetzt, wenn auch Seleukos die Rechte von Agathokles' Kindern aufrechtzuerhalten versprechen mochte, nicht viel mehr als eine Provinz des großen Seleukosreiches, und Agathokles' sonst so große Partei mußte sich in demselben Maße von seinen Kindern zurückziehen, als sie die Macht und Unabhängigkeit des Königreiches wünschte. Gewiß waren die Bürger von Lysimacheia und die sonst im Lande ansässigen oder im Heere söldnernden Makedonen und Griechen leicht für den Plan des Ptolemaios gewonnen oder zu gewinnen, und wenn ein Teil der lysimachischen Truppen in Seleukos' Dienst übergegangen war, so konnte Ptolemaios mit desto größerer Gewißheit wagen, den greisen König inmitten seiner Umgebung, in der Nähe seines Heeres zu ermorden.

Genug, Ptolemaios wurde König; Seleukos' Freunde mögen sich nach Asien geflüchtet haben; Philhetairos von Pergamon kaufte des Königs Leichnam von Ptolemaios und sandte ihn an Antiochos; was aus der Witwe, dem Bruder, den Kindern des Agathokles geworden, wird nicht berichtet.

Unter den unermeßlichen Wechseln der Diadochenzeit war der Tod des Seleukos der verhängnisvollste; er zerriß alle Zusammenhänge, er war der Anfang einer neuen Reihe ungeheurer Erschütterungen; rasch folgte Stoß auf Stoß, und daß gleich nach den ersten in den zunächst und[426] am schwersten betroffenen Ländern der plötzliche Einbruch nordischer Barbaren, die keltische Völkerwanderung sich ergoß, vollendete den Untergang.

Mochte der Mörder sich sofort mit dem Diadem schmücken, in Griechenland erhob sich, mit den Aitolern verbündet, Antigonos, um nach Makedonien zu eilen und seine Ansprüche geltend zu machen; Antiochos sandte seinen Feldherrn Patrokles nach Kleinasien, um die an vielen Punkten aufflammenden Empörungen zu unterdrücken und einen Feldzug nach Europa vorzubereiten. Aufruhr in der Seleukis, der Einbruch des ägyptischen Königs in das südliche Syrien fesselte ihn dort oder rief ihn dahin. Das Heer, das mit Seleukos nach Lysimacheia gezogen war, hatte sich dem Mörder angeschlossen; begreiflich, daß dieser vorerst von Kleinasien absah; er eilte mit der thrakischen Flotte, unterstützt von den Schiffen von Herakleia – unter ihnen ein Achtruderer, der Löwenträger – dem Einfall des Antigonos in Makedonien zuvorzukommen; in einem Seegefecht unterlag Antigonos, dessen Flotte sich nach Boiotien zurückzog, während Ptolemaios mit seinem Landheer in Makedonien eindrang und dort das Regiment übernahm. Er sandte eiligst nach Ägypten an seinen Bruder: er gebe seine Ansprüche auf Ägypten auf, durch Bewältigung ihres väterlichen Feindes sei er König von Makedonien und Thrakien; er bitte um seines Bruders Freundschaft. Nun begann der Landkrieg gegen Antigonos, während jenseits des Meeres Patrokles gegen des Keraunos Verbündete anrückte.

Vor allem, wie sich Pyrrhos verhalten werde, mußte entscheidend sein. Ihn hatten, von den Römern schwer bedroht, die Tarentiner schon im Frühjahr 281 um Hilfe ersucht, hatten, als ein römisches Heer die reifende Ernte ihres Gebietes zerstörte, ihr Gesuch dringender erneut. Gewiß hatte Pyrrhos den beginnenden Kampf des Seleukos gegen Lysimachos, der ihm das makedonische Diadem entrissen, mit wachsender Spannung verfolgt, vielleicht auf den Moment harrend, da er den in Asien schwankenden Kampf in Europa zu seinem Vorteil entscheiden könne; des mächtigen Seleukos Sieg am Hellespont, dessen ausgesprochener Plan, nach Makedonien zu gehen, machten der Hoffnung ein Ende, in der er den ersten Antrag Tarents abgelehnt hatte; er sandte Kineas, den Vertrag mit Tarent abzuschließen; er ließ noch im Herbst 281 eine erste Truppensendung folgen. Aber daß Seleukos ermordet wurde, Keraunos das thrakische Diadem annahm, verwandelte für Pyrrhos die Lage der Dinge; Makedonien war für den Augenblick herrenlos, die molossische Kriegsmacht die nächste und zum Kriege fertig; aber den Zug nach Italien machte der geschlossene Vertrag mit Tarent, mehr noch das bereits vorausgesandte Korps unabweislich. Und wetteifernd bemühten sich die drei Könige um[427] ihn, nicht seinen Beistand zu gewinnen, für den er Makedonien als Preis gefordert haben würde, sondern um ihn dem schon eingeleiteten Werk der Rettung Italiens nicht ungetreu werden zu lassen, das ihm ja reichen Ersatz für das Diadem Makedoniens bot. Antigonos lieh ihm Schiffe zur Überfahrt, Antiochos zahlte Subsidien, Keraunos erbot sich, so sehr er selbst jetzt seine Macht brauchte, ihm 5000 Mann Fußvolk, 4000 Reiter, 50 Elefanten für den Zug nach Italien zu stellen; noch vor dem Frühling 280 ging der Epeirotenkönig in See, indem er Ptolemaios von Makedonien für die Sicherheit seines Reiches gleichsam verantwortlich machte.

Während Antigonos gegen Keraunos und dessen Verbündete kämpfte, war in Griechenland ein Krieg ausgebrochen, den wohl Ptolemaios von Ägypten veranlaßt hatte, um seinem Bruder die Behauptung von Makedonien, die ihn selbst in Ägypten sicherte, möglichst zu erleichtern. Die Spartaner sandten in Griechenland umher, zum Kampf für die Freiheit aufzurufen. Seltsame Bewegung erwachte überall; vier achaiische Städte aus dem seit lange zertrümmerten Bunde erneuten die alte Vereinigung; in Athen – noch immer waren Salamis, der Peiraieus, Munychia von Antigonos besetzt – frischte Demochares durch ein Ehrendekret das Andenken des Demosthenes auf; Ehrendekrete für makedonische Offiziere, die bei der Erhebung von 287 sich der Sache der Freiheit angeschlossen hatten, waren wie Aufrufe, solchem Beispiel zu folgen; den wackeren Epheben, die den wichtigen Posten auf dem Museion das letzte Jahr hindurch gehütet hatten, sowie den Offizieren derselben wurden hohe Ehren zuerkannt; sichtlich erhitzte sich die Stimmung in Athen. Und nun zog mit einem nicht unbedeutenden Heere der Spartanerkönig Areus ins Feld; es galt den Aitolern, den Verbündeten des Antigonos; ein Amphiktyonenbeschluß gegen die Aitoler, die das heilige Feld von Kirrha mit Gewalt eingenommen und zum Ackerbau mißbraucht hatten, gab den Vorwand zum Kriege. Areus rückte gegen Kirrha, zerstörte die Saaten auf den Feldern, plünderte die Stadt, verbrannte, was er nicht mitnehmen konnte. Als dies die Hirten auf den Bergen sahen, versammelten sie sich, an Zahl etwa 500, fielen über die zerstreuten Feinde her, die ihre Zahl nicht wußten und voll Angst, da der ringsher aufsteigende Rauch ihnen den Blick ins Weite entzog, zu fliehen begannen; 9000, heißt es, wurden erschlagen, die anderen zerstreut. Als nach dieser seltsamen Niederlage37 die Spartaner zur Erneuerung des Krieges aufriefen, weigerten viele Städte ihre Hilfe, weil sie glaubten, daß die Spartaner ihre Herrschaft zu erweitern, nicht die Freiheit Griechenlands wiederherzustellen trachteten. Das ganze Unternehmen,[428] das, wie die Dinge lagen, wohl Erfolg hätte haben können, scheiterte an dem Unverstand dieses hoffärtigen Spartanerkönigs, der prunkte und Hof hielt wie die großmächtigen Könige makedonischen Namens; wie bedrückt sich die Männer der Freiheit fühlen mochten, des Antigonos Kreaturen als Verweser, Phrurarchen, Tyrannen in ihren Städten zu sehen, die Oligarchen Spartas verstanden es nicht, sie zu begeistern; und statt selbst mit Opfern den Beitritt der Aitoler zu bewirken, griffen sie den Bund an, der von dieser Zeit an nicht aufgehört hat, Feind der Peloponnes zu sein.

Der Angriff der Spartaner wird genügt haben, die Aitoler, die nach Makedonien mit ausgezogen waren, zur schleunigen Heimkehr zu bewegen; und damit war des Antigonos Unternehmen gescheitert; er mußte für jetzt den Kampf um Makedonien aufgeben, sich mit dem begnügen, was er in den hellenischen Landen noch besaß. Es war nichts weniger als ein Reich, als eine geschlossene Territorialmacht; er hatte nur wenige Städte unmittelbar im Besitz, in anderen Freunde, Anhang, Einfluß; aber in jeder Stadt stand wider ihn eine Gegenpartei, wider ihn die Pleonexie Spartas, die ihm überall in den Weg trat, hinter Sparta die Macht Ägyptens. So in dieser Zeit Hellas; überall ein rastloses Zerren und Sperren der Parteien, erschlaffte und erschlaffende Zustände, das Ganze mehr denn je ohne Einheit und Richtung, in voller Auflösung, ein politisches Nichts. Und dazu noch ein bemerkenswertes Moment, von dem eine vereinzelt dastehende Angabe obenhin Kunde gibt38: um die Zeit, da der achaiische Bund erneut worden, seien die achaiischen Städte »noch am wenigsten« von den Kriegen und der Pest heimgesucht gewesen. Es liegt in diesen Worten eine Steigerung, die das Bild von dem tiefen Elend dieser Zeit, dem politischen und moralischen, an dem die griechischen Lande krankten, vervollständigt. Die verheerende Seuche tritt da, wie so oft, man möchte sagen als geschichtliche Macht auf; zugleich Wirkung und Ursache, schließt sie die absinkende Periode, indem sie die Reste einer Vergangenheit, die sich überlebt hat, hinwegtilgt und neuen Entwicklungen freie Stätte bereitet. Wenn die Pest dieser Jahre die Städte der achaiischen Landschaft verschont hat, so sind gerade sie es, in denen ein neues Leben für Griechenland erwachen sollte, dessen Keime schon in der Vereinigung der vier Städte erkennbar sind.

Der Angriff der Spartaner auf Kirrha fiel in die Zeit, da das Getreide in Halmen stand. Es mag um diese Zeit gewesen sein, daß der Stratege Patrokles, den Antiochos mit Heeresmacht über den Tauros gesandt[429] hatte, durch Phrygien anrückte, zunächst, wie es scheint, in den griechischen Städten an den Küsten die königliche Gewalt, deren Ende sie in dem Falle des Seleukos mit Freuden begrüßt haben werden, herzustellen. Herakleia am Pontos, zunächst, wie es schien, von seinem Angriff bedroht, zog es vor, ihm Gesandte entgegenzuschicken; und er begnügte sich, mit der mächtigen Stadt Frieden und Freundschaft zu schließen, gewiß, um desto eher zu den wichtigeren Positionen am Hellespont zu gelangen. Er zog weiter durch das bithynische Land.

Dort in dem Gebiet zwischen dem astakenischen Busen, dem Bosporos und dem Pontos hatte der alte Zipoites in langem Ringen gegen die Griechenstädte, namentlich Herakleia, gegen Alexanders Strategen, gegen Lysimachos seine Herrschaft erweitert, seit 298/7 sich König genannt; jetzt war ihm sein ältester Sohn Nikomedes gefolgt; dieser war verwegen genug, das Heer des Patrokles, als es in sein Gebiet kam, zu überfallen, er vernichtete es völlig. Freilich mußte er einen schweren Gegenschlag der seleukidischen Macht erwarten; er eilte, sich den Beistand der mächtigen Herakleoten zu versichern; er erkaufte ihre Freundschaft mit Rückgabe dessen, was sein Vater ihnen entrissen, Tios im Osten der Stadt an der Küste, Kiëros im Binnenlande, die thrakische Küste, die bis an den Bosporos reicht. Aber Zipoites, wie es scheint sein jüngerer Bruder, der das thrakische Land entweder als Erbteil erhalten hatte oder jetzt an sich riß, bot den Herakleoten Trotz, kämpfte gegen sie mit wechselndem Glück.

Mag Antiochos gehofft haben, durch Patrokles sein Recht auch jenseits des Hellesponts zur Geltung zu bringen, mit dieser Niederlage war für den Augenblick seine Macht dort völlig gelähmt, und der begonnene Kampf gegen den Ägypter um den Besitz Koilesyriens fesselte hier, was er an Kriegsmacht hatte; und doch lag für ihn Großes daran, sich in den wichtigen hellespontischen Gebieten zu behaupten. Es wird überliefert, daß er mit Keraunos Frieden schloß; geschah es, so mußte er, auf seine thrakischen und makedonischen Ansprüche verzichtend, dessen Doppeldiadem anerkennen. Er hatte um so mehr Grund dazu, da Antigonos ihr gemeinsamer Feind war; dessen Angriff auf Makedonien von der See her war mißlungen, von der Landseite her nicht minder erfolglos, aber seine Flotte scheint in der Nähe des Hellesponts geblieben zu sein. Aus guter Quelle wird überliefert: daß ein Krieg zwischen Antiochos und Antigonos entbrannt sei, daß beide lange gerüstet hätten, ohne loszuschlagen, daß Nikomedes auf Antigonos' Seite gestanden habe, andere auf der des Antiochos. Also gewiß Zipoites, vielleicht eine und die andere griechische Stadt, wie etwa Kyzikos mit ihrer bedeutenden Seemacht. Weiter heißt es: daß Nikomedes wie andere Hilfe so von Herakleia dreizehn Trieren erhalten,[430] daß er mit seinen Schiffen denen des Seleukiden gegenübergelegen habe, daß aber von beiden Seiten eine Schlacht vermieden worden sei.

Vielleicht hielt die syrische Flotte den Hellespont, hinderte, dort sich behauptend, die Vereinigung der Flotte in der Propontis mit der des Antigonos, die bei Tenedos liegen mochte.

Diese Vorgänge werden dem Jahr 279 angehören. Dasselbe Jahr war für die Schicksale Makedoniens entscheidend.

Ptolemaios Keraunos hatte durch seine Erfolge über Antigonos und den Frieden mit Antiochos seine makedonisch-thrakische Macht schnell genug gefestigt. Aber noch blieben die Ansprüche der Kinder seiner Halbschwester Arsinoë und des Lysimachos. Der älteste von ihnen, Ptolemaios, war mit dem illyrischen Fürsten Monunios in Bündnis getreten, in Makedonien eingefallen; den Ausgang des Kampfes kennen wir nicht. Keraunos suchte geheimere Wege, um den Prätendenten los zu werden und in den Besitz Kassandreias zu kommen, wo sich Arsinoë hielt. Er ließ der Königin eine Verbindung antragen, wie sie nach ägyptischer Sitte unanstößig war. Der ränkekundigen Frau konnte die Absicht ihres Bruders nicht entgehen; für ihre Söhne hatte sie bisher alles und das Entsetzlichste gewagt, sollte sie sich nun in ein Ehebündnis einlassen, das ihren Söhnen gewiß die letzte Hoffnung auf des Vaters Reich entzog? Ptolemaios ließ ihr berichten: er wolle mit ihren Söhnen gemeinschaftlich das Reich regieren; er habe nicht gegen sie gekämpft, um ihnen das Reich zu entreißen, sondern es ihnen zurückzugeben; sie möge einen Getreuer senden, in dessen Gegenwart er dies alles mit den heiligsten Eiden beschwören werde. Lange schwankte die Königin; vor des Bruders rachewildem Gemüt bang und zu ernstlichem Widerstand zu schwach, entschloß sie sich endlich, auf den Antrag einzugehen. Der König beschwor in einem Tempel in Gegenwart eines Gesandten seiner Schwester: aufrichtig sei sein Bewerben um die Hand der Königin, sie werde seine Gemahlin und Königin sein; er werde kein anderes Ehebündnis schließen, keine andere als ihre Kinder haben. Die Königin kommt; mit ausgesuchter Zärtlichkeit empfängt sie Ptolemaios, ein festliches Beilager wird veranstaltet, in allgemeiner Versammlung schmückt er sie mit dem Diadem, läßt verkünden, sie sei die Königin von Makedonien. Dann wieder lädt sie ihn in ihre Stadt Kassandreia, eilt selbst voraus, um alles zu ordnen; Tempel und Straßen sind mit Kränzen geschmückt, überall an den Tempeln stehen die Opfertiere; ihre beiden Knaben, Philippos und Lysimachos, gekränzt und im Festschmuck, eilen zum Empfang dem König entgegen; er umarmt die Knaben und küßt sie; sobald er an das Schloßtor kommt, läßt er seine Trabanten den Hof, die Zugänge, die Mauer besetzen, die Knaben befiehlt er zu töten; sie fliehen in das[431] Innere des Schlosses zur Mutter, sie bergen sich in ihrem Schoß; schon sind die Mörder da, unter den Küssen, dem Jammerruf der Mutter, die umsonst ihren Leib den Dolchen bietet, werden sie ermordet. Sie selbst entflieht mit zwei Dienerinnen nach der heiligen Insel Samothrake39.

Jetzt begann das furchtbare Wetter von der Donau her, das sich in ungeheuren Güssen über die Südabhänge des Haimos bis in das Herz von Hellas und Kleinasien entladen sollte.

Keltische Völkerschaften waren seit den letzten drei, vier Menschenaltern auch gen Osten, in die Länder illyrischen Stammes vorgedrungen. Die erste Wirkung ihres Andrängens fühlte die nordgriechische Welt, als die Triballer über die Berge südwärts bis Abdera gezogen kamen; sie waren aus ihren alten Sitzen an der Morawa vor den Autariaten gewichen, die von den Kelten, so scheint es, verdrängt worden waren; sie hatten bei Abdera umkehren müssen, sie waren nicht in ihr altes Gebiet zurückgegangen, sondern hatten weiter ostwärts zwischen dem Timok und der Donau, die Geten zur Seite schiebend, sich angesiedelt. Das Erstarken des makedonischen Königtums seit König Philipps Anfang zwang auch die Völker im Norden mehr und mehr zur Ruhe; als Alexander 335, nach raschen Siegen über die Triballer und Geten, an der Donau stand, hatten auch die nächstgesessenen Kelten Gesandte an ihn geschickt, Freundschaft mit ihm geschlossen40. Die Bewegung der keltischen Völker wandte sich in jener Zeit desto heftiger gegen Italien; es sind jene gräßlichen Raubzüge über den Apennin bis Tarent hinab, welche ein großer Geschichtsschreiber als die erste Stufe der Zerstörung der ursprünglichen Blüte Italiens bezeichnet hat. Nach dem ersten Jahrzehnt der Diadochenzeit scheinen auch die östlichen Keltenstämme wieder unruhig geworden zu sein; von ihnen gedrängt, wie es scheint, wichen die Autariaten aus ihrem einst triballischen Gebiet an der Morawa, und Kassandros siedelte[432] sie im Orbelosgebirge an. Als aber in Italien nach langen Kämpfen die Senonen und Bojer in einer großen Schlacht 284, in einer zweiten folgenden Jahres von den Römern bewältigt waren und deren Macht und Gründungen über den Apennin bis an die Adria unwiderstehlich vordrangen, da scheinen von Italien Massen auf Massen nach den illyrischen Ländern nachgezogen zu sein. Die illyrischen und thrakischen Fürstentümer dort, die Autariaten, Dardaner, Triballer in erster Reihe, hinter ihnen die Paionen, Agrianer, Geten waren nicht stark genug, den flutenden Strom aufzuhalten, und Zulauf aus den durchzogenen und ausgeheerten Gebieten schwellte die furchtbare Flut. Das rasche Sinken des makedonischen Königtums nach dem Poliorketen, das Kämpfen des Pyrrhos, Antigonos, Lysimachos um dessen Besitz, das Kämpfen des Lysimachos erst gegen die Geten, dann gegen Seleukos, dessen furchtbarer Ausgang zerrüttete die Bollwerke der hellenischen und hellenistischen Welt gegen die Barbaren des Nordens vollkommen.

Bald genug werden die Kelten erkundet haben, daß dem so sei. Den ersten größeren Raubzug unternahmen sie nicht südwärts in das Reich des Pyrrhos, sondern gen Osten nach Thrakien. Kambaules zog in das Hebrostal, dort aber erfuhr er von der Stärke und Macht der Griechen, und da sein Heerhaufe an Zahl nicht groß genug war, wagte er nicht weiter vorzudringen.

Nun folgte jene Zeit gräßlicher Verwirrungen, der Kampf des Keraunos gegen Antigonos, gegen Antiochos, die Schilderhebung des Areus von Sparta, des Pyrrhos Übergang nach Italien; mehr noch als dies mochten die Erzählungen derer, die mit Kambaules ausgezogen waren, wirken: Wunder wie reich seien jene Länder der Griechen, goldener Schmuck in den Tempeln, reiches Gerät in den Häusern der Menschen, schöne Weiber überall. Unzähliges Volk strömte zu neuen Raubzügen zusammen; in drei Haufen geteilt, brachen sie im Jahre 279 aus ihren Sitzen auf; der eine unter Kerethrios wandte sich ostwärts gegen das triballische und thrakische Land, ein zweiter unter Brennos und Akichorios gegen Paionien, ein dritter unter Bolgios gegen Illyrien und Makedonien41.

Nur die volle Kraft Makedoniens hätte ihnen den Weg sperren können. Ptolemaios Keraunos hatte einen Teil seiner Truppen mit Pyrrhos nach[433] Italien gesandt; mit dem Rest lag er gegen Monunios im Felde, bei dem Lysimachos' Sohn Ptolemaios Zuflucht gefunden hatte; als Monunios und die Dardaner auf die furchtbare Kunde vom Aufbruch der Kelten Gesandte an den makedonischen König schickten, ihm Frieden und Bündnis, den Zuzug von 20000 Bewaffneten anzubieten, wies er das Anerbieten zurück: es würde um Makedonien geschehen sein, wenn das Volk, das den ganzen Orient unterworfen, nun zum Schutz seiner Grenzen der Dardaner Hilfe bedürfte.

Schon ergoß sich der Strom der keltischen Horden, die Bolgios führte, über Illyrien, nahte von Westen her der makedonischen Grenze; ihr Erbieten, Makedonien zu verschonen, wenn ihnen Tribut gezahlt werde, verlachte Ptolemaios: das sei die Furcht der Kelten vor den makedonischen Waffen, er werde nicht anders Frieden gewähren, als wenn sie ihre Fürsten als Geiseln auslieferten und ihre Waffen übergäben. Wenige Tage darnach sind die Kelten im makedonischen Gebiet; umsonst widerraten die Freunde dem König, ein Treffen zu wagen, bevor alle Truppen zusammengezogen seien; tollkühn zieht er dem überlegenen Feinde entgegen, wagt die Schlacht; der Übermacht der Barbaren, ihrem Ungestüm sind die Makedonen nicht gewachsen, sie weichen; verwundet sinkt der Elefant, der den König trägt, zu Boden, der König selbst, mit Wunden bedeckt, fällt noch lebend in die Hände der Kelten, die ihn erwürgen, seinen Kopf auf die Lanze gesteckt als Siegeszeichen emporheben; das Heer ist teils erschlagen, teils kriegsgefangen; ohne Widerstand zu finden, ergießt sich die wilde Masse plündernd über das Land. Nur die festen Mauern der Städte, die die Barbaren nicht zu erstürmen verstehen, gewähren einigen Schutz, das flache Land ist ganz in ihrer Gewalt, sie hausen dort plündernd, sengend und mordend nach ihrer gräßlichen Weise; die wildeste Beutegier ist das einzige, was sie leitet.

Nach Ptolemaios' Tod warf sich sein Bruder Meleagros zum König auf; er vermochte das Land nicht zu retten, die Makedonen setzten ihn nach zwei Monaten ab, riefen, da kein anderer aus königlichem Geschlecht da war, des Königs Kassandros Neffen Antipatros zum König aus; auch er verstand nicht zu helfen; Sosthenes, ein edler Makedone, zwang ihn, der Krone zu entsagen; er rief alles kriegsfähige Volk zu den Waffen, er kämpfte kühn und unermüdlich gegen die zum Plündern zerstreuten Horden, er drängte sie weiter und weiter zurück, er befreite das Land; als ihn das Heer mit dem Namen König begrüßte, weigerte er sich des vielbeneideten und trügerischen Diadems, begnügte sich, Stratege der Makedonen zu heißen.

Während der Zeit der Not, da jede Stadt auf sich selber angewiesen war, hatte zu Kassandreia Apollodoros die Leitung der Stadt; die allgemeine[434] Gefahr setzte ihn in den Stand, sich unumschränkte Macht anzumaßen; angeklagt, daß er nach der Tyrannis strebe, erniedrigte er sich zu den demütigsten Bitten. Er ward freigesprochen, er spielte den Beschützer der Freiheit, er heuchelte den bittersten Tyrannenhaß; er schlug ein Gesetz vor, Lachares, den einstigen Tyrannen von Athen, der, nach Lysimachos' Tod von Land zu Land flüchtend, hierher gekommen war, hinwegzujagen, da er mit dem König Antiochos ein Bündnis gegen die Freiheit der Stadt geschlossen habe. Als einer seines Anhanges vorschlug, ihm eine Leibwache zu geben, verbat er es selbst; er richtete ein Fest zum Gedächtnis der Königin Eurydike ein, die Kassandreia für frei erklärt hatte, er veranlaßte, daß der Besatzung, die Ptolemaios Keraunos in die Burg gelegt hatte, freier Abzug nach Pallene und Acker auf dieser Halbinsel gegeben wurde. Als er sich in der Gunst der Bürger genug befestigt zu haben glaubte, schritt er zum Werk; er ließ, so ist die Überlieferung, einen Knaben schlachten, sein Blut mit Wein mischen, sein Fleisch braten; er gab beim Mahle seinen Freunden von dieser Speise, diesem Wein, durch das Geheimnis des gemeinsamen Greuels ihrer Treue desto gewisser zu sein. Mit solchen Genossen gewann und übte er die Tyrannis; er wütete gräßlicher als je ein Gewaltherrscher vor ihm. Er nahm Kelten in Sold, die nach ihrer wilden Art geschickt waren, dem Blutdürstigen Diener seiner Grausamkeit zu sein. Erpressungen, Hinrichtungen, die scheußlichsten Lüste waren unter ihrem Schutz sicher; der Pöbel wurde gefüttert und geködert und freute sich mit an dem Druck und Übermut gegen die Reichen, den der Tyrann üben ließ; ein Sikeliote Kalliphon, der an den Höfen sizilischer Tyrannen die Kunstgriffe des Herrentums gelernt hatte, leitete ihn; zur Lust wurde gemordet, Weiber und Greise auf die Folter gebracht, um das Geständnis zu erpressen, wo noch Gold und Silber verborgen sei; der erhöhte Sold lockte immer mehr Kelten heran; sie und der verwilderte Pöbel waren die Stützen des Tyrannen. Für die Zustände Makedoniens nach dem ersten Keltenjahre wenigstens ein Beispiel.

Die Kelten, die 279, nicht um eine neue Heimat zu suchen, sondern um Beute zu machen, ausgezogen waren, hatten sich, nachdem sie Makedonien verwüstet und geplündert, zum größten Teil zurückgezogen; auch Brennos und Akichorios aus Paionien, wie es scheint auch Kerethrios mit seinem Zuge, der Thrakien gegolten. In der Winterrast schickte man sich zu neuen Raubzügen an; den Brennos brannte der Neid um die reichere Beute, die Bolgios aus Makedonien heimgebracht; immer wieder empfahl er in den Versammlungen des Volkes und in den Unterredungen mit den Häuptlingen einen Zug nach den noch ungeplünderten griechischen Landen; er brachte, so heißt es, griechische Gefangene von kleiner Gestalt, von ärmlichem Anzug, mit geschorenem Haupthaar in die Versammlung,[435] ließ lange Kelten in vollen Waffen neben sie treten: gegen solche Wichte brauche man nur auszuziehen, und sie seien geschlagen; unermeßlich seien die Schätze, die sie hätten, die goldenen Weihgeschenke in ihren Tempeln, das silberne Gerät, das sie bei ihren Trinkgelagen brauchten. So ward der neue Zug beschlossen; ungeheure Heeresmassen sammelten sich, wie es heißt 152000 Mann Fußvolk und 20400 Reiter, von denen jeder zwei bewaffnete Knechte bei sich hatte, im ganzen eine Horde von mehr als 200000 Bewaffneten, Weiber, Kinder und Alte ungerechnet. Mit dem Frühling 278 zogen sie aus. In dem Gebiet der Dardaner trennte sich in Unfrieden ein Haufe von 20000 Mann unter Leonnorios und Lutarios vom Hauptschwarm und wandte sich ostwärts; Brennos mit dem übrigen Volk zog gen Süden, Makedonien zu erreichen. Sosthenes rief die Makedonen zu den Waffen, er erwehrte sich der furchtbaren Feinde, nicht ohne schweren Verlust zogen sie weiter nach Thessalien.

Griechenland hörte mit Entsetzen vom Anzug der Barbaren; man eilte, sich zu rüsten, in die Thermopylen wollte man dem Feinde entgegenziehen, dort schien es möglich, ihn abzuwehren. Nur dies Äußerste von Furcht und gemeinsamer Gefahr verband die zunächst Gefährdeten; die Peloponnesier blieben daheim: die Barbaren hätten keine Schiffe, um zu ihnen überzusetzen, und den Landweg würden sie leicht hinter den Mauern und Verschanzungen des Isthmos verteidigen können42. Von den Hellenen jenseits des Isthmos stellten die Boioter 10000 Hopliten und 500 Reiter, die Phoker 3000 Hopliten und 500 Reiter, die Opuntischen Lokrer 700 Mann Fußvolk, die Megarer 400 Mann und einige Reiter, die Aitoler 7000 Mann Schwerbewaffnete, leichtes Volk und Reiter in bedeutender Zahl, sie stellten die meisten Truppen; von Athen kamen 500 Reiter und 1000 Mann Fußvolk, außerdem sandten sie sämtliche Trieren, die in See gehen konnten. Von königlichen Truppen kamen 500 Mann des Antiochos unter Telesarchos und 500 Mann des Antigonos unter Aristodemos zum Heer der Verbündeten. Mag auch gerade der Teil[436] Griechenlands, dessen Städte an diesem Kriege Anteil nahmen, durch die Pest besonders heimgesucht worden sein, dennoch ist die Zahl der ins Feld gestellten Truppen gering; noch im Lamischen Kriege hatte Athen mehr als das Vierfache stellen können; aber freilich, wenn nicht die Bürger zur Waffe griffen, sondern der Staat Söldner mietete, waren die öffentlichen Kassen gewiß nicht imstande, Größeres zu leisten.

Als dies hellenische Heer, kaum 30000 Mann stark, in den Thermopylen versammelt war, kam die Nachricht, daß die Kelten bereits bis in die Landschaft Phthiotis vorgerückt seien; Leichtbewaffnete und Reiter wurden an den Spercheios gesandt, die Brücken abzureißen und den Übergang möglichst zu erschweren. Brennos kam; da er das jenseitige Flußufer besetzt sah, sandte er mit Einbruch der Nacht 10000 Mann aus, die tiefer abwärts, wo der Fluß durch Bruch und Wiesen hinschleicht, hinübergehen sollten; am andern Morgen standen sie diesseits, und eiligst zog sich die hellenische Vorhut zurück. Nun zwang Brennos die am Spercheios Wohnenden, an der Stelle der zerstörten Brücken neue zu schlagen, und sie taten es schnell, nicht bloß aus Furcht vor den Barbaren, sondern auch in der Hoffnung, ihrer bald los zu werden. Darauf gingen die Kelten über den Fluß auf Herakleia los, sie plünderten und verwüsteten die Umgegend, mordeten die Leute auf dem Lande; Überläufer kamen aus dem Lager der Hellenen, berichteten, daß der Engpaß gesperrt, daß aus den und den Städten die Truppen versammelt seien. Ohne sich mit einem Sturm auf die Stadt Herakleia aufzuhalten, die, wenn schon den Aitolern, die sie zu ihrem Bunde zu halten gezwungen hatten, verfeindet, dennoch zur hartnäckigsten Verteidigung gerüstet war, eilte Brennos auf den Engpaß zu. Hier entstand ein heißes Gefecht; die Hellenen, durch die Örtlichkeit nicht minder als durch ihre schwere Bewaffnung geschirmt, von den Schiffen, die möglichst nah an den Strand kamen und Wurfgeschoß aller Art schleuderten, unterstützt, behaupteten den Paß; die Kelten mußten sich zurückziehen.

Sieben Tage darauf ließ Brennos den Fußweg, der von Herakleia aus über den Oita führt, einzunehmen versuchen; ein reicher Tempel der Athena auf der Höhe des Berges versprach gute Beute; aber des Antiochos Feldherr Telesarchos verteidigte den Weg auf das mutigste; er fiel, aber die Kelten mußten zurück. So vergebliches Bemühen ermüdete sie, und das Gebiet ringsum war ausgezehrt. Brennos wußte, daß der mächtigste Teil des feindlichen Heeres aus Aitolern bestand; konnte er sie zur Heimkehr nötigen, so waren die Thermopylen so gut wie gewonnen. Er sandte 40000 Mann unter Orestorios und Kombutis rückwärts über den Spercheios und durch Thessalien, um einen Einfall nach Aitolien zu machen. Sie drangen bis zu dem Aitolerflecken Kallion, dort vollbrachten sie Unerhörtes[437] von Grausamkeit und Missetat; Mord, Brand, Notzucht wurden auf das wildeste geübt, selbst das Blut der Ermordeten sollen sie getrunken haben; plündernd und brennend durchschwärmten sie die Täler des Landes. Auf die Nachricht hiervon eilten die Aitoler, die in den Thermopylen standen, in die Heimat; die Bürger von Patrai kamen aus Achaia herüber ihnen zu Hilfe; Weiber, Greise und Kinder griffen mit zu den Waffen; man besetzte die Hohlwege, durch die die Kelten kommen mußten, überfiel sie mit immer neuer Wut, mit großem Erfolg; die Hälfte der Feinde soll auf dem Rückweg umgekommen sein.

Indes stand das Hauptheer der Kelten noch immer vor den Thermopylen; da erboten sich die Herakleoten und Ainianen, um die Barbaren loszuwerden, einen Weg über den Oita zu zeigen; es war derselbe, den zweihundert Jahre früher Ephialtes den Persern gezeigt hatte. Vom Nebel begünstigt, erstieg Brennos mit auserlesenem Volk, indem die größere Masse unter Akichoros im Gebiet der Ainianen zurückblieb, das Gebirge; die Phoker, die den Weg besetzt hielten, sahen sie nicht eher, als bis sie dicht vor ihnen waren; ihr Widerstand – vor allen tapfer kämpfend fiel hier der Athener Kydias – war vergebens, die Kelten stürmten den Berg hinab, und die Griechen im Engpaß, nun vollkommen umgangen, hatten keine andere Rettung, als sich auf die attischen Trieren zu flüchten; die hellenischen Truppen zerstreuten sich, die Heimat zu verteidigen.

Nun ergoß sich der wildverheerende Strom der Barbaren über Hellas, auf dem einen Wege Brennos, auf einem anderen Wege Akichorios mit dem übrigen Heere und dem Troß. Die delphischen Tempelschätze lockten ihre Habgier. Schleunigst versammelten sich die Phoker aus allen Städten; zu ihnen stießen 400 Lokrer aus Amphissa, 200 Aitoler zur Verteidigung des delphischen Tempels; der größte Teil der Aitoler zog aus, um das beutebeladene Volk unter Akichorios zu überfallen und mit wiederholten Angriffen ihnen einen Teil ihrer Schätze abzujagen, während Brennos auf Delphoi vorrückte.

Was dort geschehen, haben die Griechen mit Wundermärchen ausgeschmückt. Schneesturm in Sommerzeit, Erdbeben, Gewitter erschüttern die Gemüter der Barbaren, die sich frevelnd dem Heiligtum des Gottes nahen; Flammen fahren herab, sie zu vertilgen, Heroen steigen aus dem Schoß der Erde empor, sie mit furchtbarem Drohruf zu schrecken; unter solchem Beistand der Götterkämpfen die ermutigten Hellenen den Tag hindurch und ziehen sich mit Einbruch der Nacht nach Delphoi zurück. Der Gott kämpft während der Nacht für sein Heiligtum; Felsstücke rollen vom Gipfel des Parnassos auf die Barbaren hinab und begraben Hunderte; Schneegestöber wütet gegen sie. Sie aber erkennen die Nähe der Gottheit nicht, sie erneuenden Kampf am nächsten Morgen;[438] die Griechen brechen aus der Stadt, aus den Schluchten des Gebirges hervor, greifen die Barbaren in der Seite, im Rücken an; die Götter selbst, Apollon, Artemis, Athena mischen sich mit lautem Kampfruf unter die Kämpfenden; panischer Schrecken ergreift die Barbaren, in blinder Wut wenden sie die Waffen widereinander; auf den Tod verwundet fällt Brennos, das ganze Heer der Kelten findet den Untergang, von den Tausenden, die hieher gezogen, bleibt keiner am Leben.

So die Erzählung der Griechen, die immerhin poetisch, aber nicht der Wahrheit gemäß ist. Wohl waren die Kelten bei Delphoi schwer getroffen worden; das schwierige Terrain, das Unwetter, die unleugbare Tapferkeit der etwa viertausend Verteidiger der heiligen Stätte wird vielem Volk den Untergang gebracht haben; jetzt, da Brennos gefallen war, eilten sie, dem Rat des Sterbenden folgend, sich zurückzuziehen. Aber immer noch war die Masse dieser Barbaren furchtbar genug; nicht vernichtet war das am Spercheios zurückgebliebene Volk; einzelne lose Haufen scheinen noch Jahr und Tag die Pässe und Straßen in Hellas unsicher gemacht zu haben43. Von dem delphischen Schwarm soll ein Teil – sie werden Tektosagen genannt – nach der fernen Heimat zurückgewandert sein44. Andere Haufen unter Komontorios und Bathanatos gingen mit reicher Beute beladen des Weges, den sie gekommen waren, unter häufigen Überfällen der früher von ihnen Mißhandelten, den Nordpässen zu, trennten sich dort im barbarischen Lande; die unter Bathanatos gingen nach Illyrien, ließen sich da, wo die Sawe in die Donau mündet, nieder, die anderen unter Komontorios vernichteten die Macht der Triballer, der Geten, gründeten das Reich von Tylis zu beiden Seiten des Haimos.

Endlich der Schwarm, der sich schon im Frühling unter Lutarios und Leonnorios von der Hauptmasse getrennt hatte, kam, Thrakien durchheerend, von denen, die um Frieden baten, Tribut erhebend, die, welche Widerstand versuchten, niederwerfend, bis in die Nähe von Byzanz; die reiche und mächtige Stadt versuchte den Kampf ohne Erfolg; sie mußte sich zu Tribut verpflichten, sie erhielt von den befreundeten Städten Zuschüsse dazu, von Herakleia 4000 Stateren. Die keltischen Horden brandschatzten weiterziehend die reichen Küstenorte der Propontis, rafften[439] zusammen, was sie konnten; von dem Reichtum der jenseitigen Küste hörten sie so Lockendes, daß sie beschlossen, hinüberzuziehen; Lysimacheia nahmen sie durch einen Handstreich, durchheerten dann die Chersones, sahen da und dort wie jenseits eines Flusses die reichbebauten asiatischen Gestade. Aber Byzanz weigerte sich, Schiffe zur Überfahrt zu stellen, nicht minder weigerte der Stratege der jenseitigen Küste, Antipatros, sie überzusetzen. Darauf ging der größere Teil des Zuges unter Leonnorios rückwärts wieder nach Byzanz, während Lutarios der zwei Trieren und zwei Jachten, die Antipatros unter dem Vorwand, seinen Gesandten zu geleiten, an die Küste gelegt hatte, sich bemächtigte und nun sein Volk hinüberfuhr, zunächst sich in Ilion festzusetzen, um sogleich von dort aus seine Raubzüge in Asien zu beginnen.

Wenn aus einer gelegentlichen Notiz sich ergibt, daß in diesem Jahre Antigonos gegen Antiochos in Asien Krieg geführt hat; wenn eine zweite erkennen läßt, daß Antigonos über Pitana in Aiolis hat verfügen können; wenn es selbst nicht an einer Spur fehlt, daß eine glückliche Seeschlacht den Geschicken des Antigonos eine günstige Wendung gegeben hat, so läßt das Verhalten des syrischen Strategen am Hellespont vermuten, daß der Krieg der beiden Könige bereits beendet und zwischen beiden ein Frieden geschlossen war; daß Antigonos seine Ansprüche und Okkupationen in Asien aufgab, Antiochos ihn dafür als den zum makedonischen Diadem allein Berechtigten anerkannte und ihm seine Schwester Phila verlobte, mag in diesem Frieden bestimmt worden sein.

Denn in Makedonien waren seit dem furchtbaren Rückwärtsströmen der Kelten aus Hellas die heillosesten Wirren. Sosthenes war gestorben, mehrere Prätendenten zugleich traten auf, sich das Land oder Stücke des Landes anzueignen, Antipatros, Ptolemaios, Arrhidaios werden genannt. Mit eigener Kraft hätte sich Makedonien nicht mehr retten können, Thrakien noch weniger.

Antigonos finden wir demnächst mit seiner Flotte und seinen Elefanten bei Lysimacheia; wie er dahin gekommen, ist nicht erkennbar, gewiß nach dem Übergang des Lutarios nach Ilion. Nach Lysimacheia kommen Gesandte der Kelten – wie es scheint, des Komontorios – zum König, ihm einen Kauffrieden anzubieten; er bewirtet die Gesandten mit aller Pracht, zeigt ihnen seine Kriegsschiffe, seine Kriegselefanten. Zurückkehrend berichten die Gesandten von den Schätzen im königlichen Lager, von der Sorglosigkeit, mit der es bewacht wird. Um so gieriger auf die reiche Beute ziehen die Barbaren zum Überfall aus; da sie das Lager ohne Umwallung, unbesetzt, wie in eiliger Flucht verlassen finden, gehen sie vorsichtig, Verrat fürchtend, hinein, plündern ungestört, wenden sich dann zu den Schiffen, beginnen auch dort zu plündern; dann plötzlich werden[440] sie von den Ruderern, den herbeieilenden Truppen überfallen, wie von panischem Schrecken gelähmt, niedergehauen.

Mit dem Sieg von Lysimacheia hat sich Antigonos den Weg nach Makedonien gebahnt, mag Thrakien bis auf weiteres den Barbaren von Tylis bleiben.

Er ging daran, der Anarchie in Makedonien ein Ende zu machen. Er nahm einen Keltenschwarm unter Bidorios in Sold, vielleicht den, der nach dem Rückzug aus Hellas in Makedonien geblieben war und nach dem schlimmen Tage bei Lysimacheia lieber Geld verdienen als Gleiches erfahren mochte; für den Mann ein Goldstück war der bedungene Lohn. Von den Prätendenten scheint nur Antipatros Widerstand versucht zu haben; nachdem er geschlagen war, forderten die 9000 Kelten den bedungenen Lohn, auch für die Unbewaffneten, die Weiber und Kinder je ein Goldstück; auf die Weigerung begannen sie zu drohen, zogen dann hinweg, Antigonos sandte ihnen nach; die Häuptlinge mochten meinen, daß er sich fürchten und zahlen wolle; sie kamen, sie waren nun in des Königs Gewalt, sie ließen mit sich handeln; mit dreißig Talenten, ein Goldstück für den Mann, wurden sie abgefunden.

Dem Beispiel des Antigonos folgend, lud Nikomedes den Haufen des Leonnorios, der geraume Zeit das Stadtgebiet von Byzanz schwer genug belästigt hatte, nach Asien hinüber, nahm ihn wie den des Lutarios in seinen Sold, um endlich des Zipoites Meister zu werden. Der Vertrag, den die siebzehn Häuptlinge mit ihm beschworen, ging dahin, daß sie zu allen Zeiten ihm und seinen Nachfolgern diensttreu sein, ohne seine Beistimmung in niemandes Dienst treten, mit ihm dieselben Freunde und Feinde haben, besonders aber den Byzantiern, Herakleoten, Kalchedoniern, Tianern und Kiëranern zu Hilfe bereit sein wollten. Sie sind es, die dann unter dem Namen der Galater in Kleinasien geblieben sind, noch lange den Nachbarn weit und breit ein Schrecken.

Daß Makedonien unter Antigonos' Regiment sich wieder zusammenfand und ordnete, zwang die Kelten in Thrakien und an der Donau, sich ruhig zu verhalten. In Hellas feierte man vor allem die Tage von Delphoi; nächst den Göttern hatten die Aitoler und Athen Hellas gerettet. Es gibt Reste einer attischen Inschrift, die den Antrag des Kybernis enthält, dessen Vater Kydias in den Thermopylen gefallen war; es heißt dort: »Da die Aitoler beschlossen haben, dem Zeus Soter und dem pythischen Apollon ein Kampfspielfest zu stiften zum Gedächtnis der Kämpfe gegen die Barbaren, die wider die Hellenen und das den Hellenen gemeinsame Heiligtum des Apollon herangezogen waren und gegen die auch der Demos von Athen die Ausgewählten und die Reiter ausgesendet hat, mitzukämpfen für die gemeinsame Rettung, und da der Bund der Aitoler und[441] dessen Stratege darüber eine Gesandtschaft nach Athen geschickt haben ...« folgen noch einige Reste, in denen von musischen Wettkämpfen die Rede zu sein scheint, die Athen hinzugefügt habe. Auch in zahlreichen Weihgeschenken und Kunstwerken ist diese wunderreiche Rettung gefeiert worden45; Pausianas beschreibt unter den Weihbil dern in Delphoi die der Aitoler: Statuen des Apollon, der Artemis, der Athena, die gegen die Kelten mitgekämpft; und in dem Apollon von Belvedere glaubt man eine Kopie nach diesem Weihgeschenk wiederzuerkennen.


Mit dem Ausgang der keltischen Invasion ist unsere Darstellung zu einem Punkt gelangt, der in gewisser Weise die Antistrophe der Alexanderzeit abschließt.

Makedonien ist nach ungeheuren Wechseln in seiner Macht, in seiner alten Volkskraft und in seinen inneren Zuständen bis auf den letzten Grund erschüttert und zerrüttet. In Thessalien und den Landschaften innerhalb der Thermopylen haben nach endlosen Kämpfen der inneren Parteien und der Machthaber draußen die Pest und die Kelteninvasion die letzten Reste alter Ordnung und Stetigkeit gestürzt, neue geschichtliche Elemente treten in den Vordergrund; der Bund der Achaier ist begründet, der der Aitoler steigert rasch seine Bedeutung; beide und das in tiefer Umwandlung begriffene Königtum in Sparta sind die Namen, die hinfort das politische Leben in Hellas bestimmen. Man fühlt, daß ein neues Zeitalter begonnen hat; die Kriege, mit denen Pyrrhos noch in Italien beschäftigt ist, gehören ihrer Bedeutung nach schon der nächstfolgenden Periode an, in welcher die Macht Roms auf die hellenische und hellenistische Welt zu drücken beginnen wird.

Noch einmal wird das durch Antigonos hergestellte Makedonien um seine Existenz zu kämpfen haben, dann unter seiner sorgsamen Führung sich für die nächsten drei Menschenalter fest begründen. Das thrakische Reich des Lysimachos ist bis auf die Spur verschwunden. Das Keltenreich von Tylis hat das Binnenland desselben unter sich, während die hellenischen Städte an der Küste vom Hellespont bis zum Pontos und die bis zur Donaumündung ihre Freiheit behaupten, wenn auch oft mit großer Mühe, noch öfter miteinander in Hader, die einen und anderen durch den regen Handel, den sie sich zu erhalten wissen, reich und mächtig.[442]

In Kleinasien beginnt sich die pergamenische Herrschaft auszubilden, die, nach einem großen Sieg über die Galater mit dem Diadem sich schmückend, ihre Bedeutung als hellenistische Mittelmacht zwischen dem Osten und Westen entwickeln wird. Die übrigen Landschaften Kleinasiens gehören teils einheimischen Fürsten, wie Bithynien, Kappadokien, Pontos, Armenien, teils zum seleukidischen Reich; von den hellenischen Städten der Küste und den nahen Inseln kommen mehrere demnächst, immerhin mit dem Namen der Freiheit, unter die Obmacht des Lagiden; nur Rhodos behauptet sich in kluger Selbständigkeit zwischen den hellenistischen Mächten groß und klein. Das obere Asien vom Tauros bis Indien ist ganz in der Gewalt der Seleukiden; noch ist die Zeit nicht gekommen, da sich die gegen das abendländische Wesen spröderen Völker im hohen Iran und in Baktrien von dem völlig hellenisierten Syrien losreißen. Das ägyptische Reich, jetzt unter Ptolemaios Philadelphos, ist das in sich festeste; bald wird es seine Kraft in neuen Kämpfen mit den Seleukiden, in dem Ringen um den Besitz Koilesyriens zu erproben haben.

Die bewegende politische Frage in der Diadochenzeit, die, ob und wie Alexanders Reich und dessen Einheit erhalten werden könne, ist, nachdem jede mögliche Lösung, jede mögliche Form, jedes Surrogat derselben vergebens versucht worden, abgetan; es ist die Unmöglichkeit, politisch die Völker des Ostens und Westens zu einem Reich, zu einer Weltmonarchie zusammenzufassen, dargetan, die Kritik dessen, was Alexander gewollt und zu schaffen versucht hat, zu Ende geführt. Bestehen und in rastlos weiter wachsenden Wellenkreisen sich steigernd bleibt nur das, was er, mit rücksichtslosem Idealismus wagend und schaffend, als Mittel und Stütze seines Werkes gewollt hat, die Verschmelzung des hellenischem Wesens mit dem der Völker Asiens, die Schaffung eines neuen west-östlichen Kulturlebens, die Einheit der geschichtlichen Welt in der hellenistischen Bildung.[443]


Quelle:
Johann Gustav Droysen: Geschichte des Hellenismus. Tübingen 1952/1953, Band 2.
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