II. Nabban Gamaliel I.

[715] Das Einstellen der Bergfeuer für die Ankündigung der Monatsanfänge fällt unzweifelhaft noch in die Zeit vor der Tempelzerstörung, nämlich in die Zeit der gesteigerten Erbitterung der Samaritaner gegen die Judäer, und hängt mit den Vorgängen unter Cumanus zusammen. Darauf weist zunächst der Passus in der Mischna (Rosch ha-Schana II, 2) ןיאישמ היה הנושארב ןיאצוי ןיחולש והיש וניקתה םיתוכה ולקלקשמ תואושמ. Zwar berichtet nun der Jeruschalmi z. St. (f. 58 a), daß Rabbi, d.h. der Redakteur der Mischna, diese Feuerzeichen aufgehoben hätte: לטב יבר ?תואושמה תא לטב ימ תואושמה תא. Allein diese Angabe beruht sicherlich auf einer falschen Lesart. Denn die Mischna spricht ja selbst von dem Aufhören derselben, wie von etwas, das lange vorher stattgefunden hat: הנושארב. Auch ist es völlig undenkbar, daß die Bergfeuer auch noch nach dem großen Kriege unter Vespasian und gar noch nach dem Exterminationskriege unter Hadrian bis zu Rabbis Zeit fortgedauert haben sollten, da die Bergfeuer doch als Signale zum Aufstande hätten ausgelegt werden können. Auch hat ja Jerusalem, von wo aus das erste Zeichen gegeben werden sollte, unter Hadrian gar nicht mehr existiert, und unter dem Namen Aelia Capitolina war es den Judäern unzugänglich. Hinter dem Worte יבר muß daher ein Name ausgefallen sein, was schon Z. Frankel bemerkt hat (im Vorwort zu s. Jeruschalmi-Komment. X). Es muß entschieden der Name לאילמג ןבר und zwar ןקזה ergänzt werden. Denn der Ausdruck םיתוכה ולקלקשמ weist auf einen Ausbruch der Feindseligkeit der Samaritaner hin, und diese war gesteigert unter Cumanus, wie Josephus zu diesen Vorgängen den Eingang hat: Σαμαρείταις πρὸς τοὺς Ἰουδαίους ἐχϑρά (Altert. XX, 6, 1). Die Animosität der Samaritaner war dadurch gesteigert, daß der Kaiser Claudius den Judäern gegen sie Recht gegeben und die samaritanischen Gesandten noch dazu hatte hinrichten lassen. In dieser Zeit hat Rabban Gamaliel I. noch fungieren können, da er doch zur Zeit Agrippas I. gelebt hat (B. Pessachim 88 b). Auf diesen R. Gamaliel sind auch die übrigen Bestimmungen zurückzuführen, welche in der Stelle des Jeruschalmi in Verbindung mit dem Aufhören der Bergfeuer angeführt werden: תואושמה תא לטב ברעבמ וילע ןיאצוי והיש ריתהו דע יפמ דע ריתהו חצור ריתהו שדקתנש תקזחב. Diese laxe Bestimmung bezüglich der Aussendung von Boten für die auswärtigen Gemeinden noch vor dem Eintreffen der Zeugen für die Sichtbarkeit des ersten Mondstreifens beweist, daß der Autor derselben mehr Wert auf die astronomische Berechnung des synodalen Mondlaufes als auf die Zeugenaussagen gelegt hat. Denn wie sollte schon am Abend, noch vor dem Eintreffen der Zeugen, überallhin der Monatsanfang angekündigt werden, da doch möglicherweise am folgenden Tage die erwarteten Zeugen nicht eintreffen konnten? Der Autor, d.h. Gamaliel, hat demnach den Monatsanfang nach der Berechnung statuiert, unabhängig von Zeugenaussagen. Die astronomisch-synodale Berechnung war im Hause des Patriarchen Tradition (o. S. 439).

[715] Bezüglich der Feuerstationen hat die Tossefta noch eine, welche in der Mischna fehlt und notwendig ergänzt werden muß, nämlich רובתב. Auch die Ergänzung, welche R. Simon ben Eleasar hinzufügt (das.), ist notwendig: היתורבחו רדג רייכו םירח ףא רמוא א"בשר. Es muß aber dafür gelesen werden רדגו רווכמ ירה ףא, d.h. auch Machärus und Gadara waren Zeichenstationen. Denn sonst hätte man von dem diesseitigen Lande das Feuerzeichen nicht vom Gebirge des Hauran (ןרווח) sehen können. – Die letzte Station ןיתלב תיב oder יתלב תיב wird im Talmud mit םריב identifiziert, das nach einer Angabe im Talmud nicht gar zu weit von Pumbadita gelegen hat, also in der Nähe des Euphrat gelegen haben muß. Der Name kommt wahrscheinlich von einem Tempel der Beltis her, welcher auf dieser Höhe errichtet gewesen war.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 715-716.
Lizenz:
Faksimiles:
715 | 716
Kategorien: