12. Kapitel. Morgenröte der jüdisch-spanischen Kultur und Verfall des Gaonats. 970-1027.

[364] Die Gaon Scherira und sein Sohn Hai; Scheriras historisches Sendschreiben; Manasse Ibn Kazra; die jüdisch-spanischen Gemeinden; die Jünger Menahems und Dunaschs; Jehuda Chajuǵ; Hassan ben Mar-Hassan; der Streit zwischen R' Chanoch und Ibn Abitur; Jakob Ibn G'au und sein Geschick. Die Juden Frankreichs; Nathan der Babylonier in Narbonne; R' Leontin; die Juden Deutschlands; Otto II. und Kalonymos; R'Gerschom und seine Verordnungen; R' Simeon aus Mainz; der Proselyt Wecelinus; Kaiser Heinrich II. und die Judenverfolgung in Deutschland; der Kalife Hakem und die Judenverfolgung in Ägypten und dem Orient; der jüdische Chaǵan David und die Russen; Untergang des jüdisch-chazarischen Staates; das Karäertum; Joseph Alkarkassani und Levi Halevi.


Wenn eine geschichtliche Schöpfung dem Untergange geweiht ist, so vermag auch der Kraftaufwand energischer Persönlichkeiten nicht, ihr das Leben zu erhalten, und gelänge es ihnen auch, durch opferwillige Hingebung deren Todesstunde aufzuschieben, so führt sie doch nur ein Scheinleben. So erging es dem einst lebensvollen und den Mittelpunkt bildenden babylonischen Gaonat. Nachdem ihm die gebildetsten Gemeinden Spaniens und Afrikas ihre Teilnahme entzogen und sich auf eigene Füße gestellt hatten, konnte es ihm nimmermehr gelingen fortzuleben. Vergebens strengten sich zwei Männer an, welche durch Tugenden und Kenntnisse die pumbaditanische Hochschule nacheinander zierten, ihm neuen Glanz zu verleihen. Sie konnten nur den Tod des Gaonats etwas über ein halbes Jahrhundert aufhalten; es zu erhalten und lebensfähig zu machen vermochten sie nicht1. Diese beiden Männer, [364] Vater und Sohn, die letzten pumbaditanischen Schulhäupter von Bedeutung, waren R' Scherira und R' Haï (Haja), welche die Spätern »die Väter und Lehrer Israels« nannten. Scherira, Sohn des Gaon Chananja (geb. um 930 gest. 1000)2, stammte von Vater- und Mutterseite aus angesehenen Familien, von denen mehrere Glieder mit der Gaonenwürde bekleidet waren. Er rühmte sich selbst, daß sein Stammbaum bis auf die vorbostanaïsche Exilarchenlinie hinaufreichte, deren Glieder wegen Entartung der Exilsfürsten diese Würde verlassen hätten und in den Gelehrtenstand getreten wären. Das Siegel der Scheriraischen Familie war ein Löwe3, welcher das Wappen und Fahnenbild der judäischen Könige gewesen sein soll.

Scherira war ein Gaon von altem Gepräge, dem der Talmud am höchsten stand und der wissenschaftlichen Ideen durchaus abhold war4. Obwohl des Arabischen so weit kundig, daß er die gutachtlichen Entscheidungen in dieser Sprache an Gemeinden muslimitischer Länder abfassen konnte, bediente er sich doch lieber des Hebräischen und Aramäischen und hatte wenig Sinn für die arabische Literatur. Seine schriftstellerische Tätigkeit beschränkte sich einzig auf den Talmud und was damit zusammenhing. Scherira verfaßte ein talmudisches Werk unter dem Titel »Geheimrolle« (Megillat Setarim), das indessen untergegangen ist5. Die Wissenschaft der Bibelauslegung hat er schwerlich gepflegt. Aber sein sittlicher Ernst machte seinen Mangel an höherer Bildung vergessen. Als Richter lag es ihm am Herzen, die Wahrheit ans Licht zu [365] ziehen und das Urteil streng auf Rechtsbegriffe zu gründen. Als Schulhaupt war er unermüdlich, die Nahen und Fernen zu belehren, und seine gutachtlichen Entscheidungen sind daher außerordentlich zahlreich. Aber Scherira hielt sich in seinen gutachtlichen Äußerungen mit strengster Gewissenhaftigkeit an den Talmud und tadelte einst einen Herrn, weil er seinem jungen Sklaven Unterricht in der Bibel erteilen und ihn, als er herangewachsen war, eine gültige Ehe mit einer Sklavin unter Beobachtung der Zeremonie eingehen ließ, da dieses nach dem Ausspruch einiger talmudischer Lehrer verpönt sei. Obwohl dieser Herr seinen Sklaven so rücksichtsvoll behandelt hatte, daß seine Absicht, ihn als Freien anzuerkennen, gar nicht zweifelhaft war, so verdammte Scherira doch alle Sklaven, deren Frauen und Kinder, zu dauernder Dienstbarkeit6.

Scherira war auch ein Adept jener Geheimlehre, die zu seiner Zeit noch wenig Pfleger hatte. Er sprach seine in Dunkel gehüllte Ansicht über diese Afterweisheit aus in einem Gutachten an einige Gelehrte von Fez, welche ihn um Lösung eines Widerspruches fragten. Während die Mischnah jede theosophische Untersuchung verpönt und denjenigen verdammt, der auf die Ehre seines Schöpfers keine Rücksicht nimmt, werden in der mystischen Komposition (Schiur Komah o. S. 216) im Namen R' Ismaels Gott menschliche Glieder in riesigen Verhältnissen beigelegt. Die Fezaner fragten daher bei Scherira an, ob er diese Gott verkörpernde Schrift für echt halte. Darauf erwiderte er, daß sie allerdings R' Ismael zum Urheber haben müsse, weil sich kein Mensch so etwas ausdenken könne. Nur seien die der Gottheit zugeschriebenen menschlichen Organe nicht buchstäblich zu nehmen, sondern es lägen der Darstellung tiefe Geheimnisse zugrunde, die man nicht jedermann mitteilen dürfe, nicht einmal im allgemeinen, geschweige denn in Ausführlichkeit. Nur denjenigen, an deren Gesichtszügen und Handlinien zu erkennen sei, daß sie würdig seien, Inhaber der Geheimlehre zu werden, dürfe man sie überliefern. Damit entschuldigt sich Scherira, daß er nicht auf die Frage näher eingehen könne7.

[366] Berühmt hat sich Scherira durch sein Sendschreiben gemacht, welches die Hauptquelle für die talmudische, nachtalmudische und gaonäische Geschichte geworden ist. Jakob ben Nissim (Ibn Schahin)8, ein Jünger jenes nach Afrika verschlagenen Chuschiel (S. 327), der die talmudische Gelehrsamkeit in Kairuan pflegte, hatte im Namen der kairuanischen Gemeinde eine Anfrage geschichtlichen Interesses an Scherira gerichtet: Auf welche Weise sind die in der Mischnah enthaltenen Gesetzesbestimmungen niedergeschrieben worden? Wie kommt es, wenn die Traditionen uralt sein sollen, daß nur jüngere Autoritäten aus der Zeit nach der Tempelzerstörung als deren Träger namhaft gemacht werden? Welche Ordnung befolgte die Redaktion der Mischnah? Jakob fragte auch über die Reihenfolge der Saburäer und der Gaonen und über die Funktionsdauer eines jeden von ihnen. Scherira hatte diese im Hintergrunde versteckte Frage unbeantwortet gelassen, konnte sie auch gar nicht beantworten. Aber auf die offene Frage über die Reihenfolge der talmudischen, nachtalmudischen und gaonäischen Autoritäten gab er eine lichtvolle Antwort (987). In einem gemischten halb hebräischen, halb chaldäischen Stile gab er überraschende Aufschlüsse über dunkle Partien der jüdischen Geschichte. Die von ihm aufgezeichnete Chronik der Saburäer und Gaonen ist der Wegweiser für diese Geschichtsepoche. Scherira bewährt sich in diesem geschichtlichen Gutachten als echter Chronikschreiber mit der ganzen Trockenheit, Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit eines solchen. Nur suine Urteile über die Exilsfürsten von der bostanaïschen Linie und über einige Zeitgenossen, namentlich über Aaron Ibn-Sarǵadu (S. 293) sind nicht ganz unparteiisch gehalten. Dem Gaon Scherira hat die jüdische Geschichte die Kontinuität des Fadens von Abschluß der talmudischen Epoche bis auf seine Zeit zu danken. Ein historisches Kunstwerk zu erzeugen, war nicht seine Sache, wie überhaupt nicht Sache des mittelalterlichen Geistes. Im Morgen- und Abendlande, unter Arabern, Spaniern, den germanischen Stämmen und Byzantinern war die lebendige Geschichtsschreibung zu einem dürren Skelett von [367] Namen und Jahreszahlen vertrocknet, und Scherira schrieb nicht schlechter als seine Zeitgenossen.

Trotz seiner unermüdlichen Tätigkeit als Schulhaupt konnte er den Verfall der pumbaditanischen Hochschule nicht aufhalten. Der Eifer für Talmudstudium und wissenschaftliches Streben war einmal in den babylonischen Ländern erkaltet. So arm war die Akademie an Männern, daß Scherira seinen begabten, frühreifen Sohn Haï im Alter von sechzehn Jahren zur zweiten Würde als Oberrichter promovieren mußte9. Die Hochachtung vor dem Gaon war geschwunden. Einige böswillige Männer erhoben gegen Scherira eine Anklage unbekannten Inhalts, wahrscheinlich wegen strenger Handhabung des Regiments, bei dem damaligen Kalifen Alkadir (um 997). Infolgedessen wurden Vater und Sohn gefänglich eingezogen und aller ihrer Güter beraubt, so daß ihnen nicht einmal die Mittel zur Fristung ihres Lebens geblieben waren. Auf Verwendung einer angesehenen Person wurden sie indessen in Freiheit gesetzt und durften wieder in ihrer Würde fungieren10. Scherira legte sie aber bald darauf, wie es heißt wegen hohen Alters, nieder, übertrug sie auf seinen Sohn Haï (998) und starb einige Jahre später (um 1000)11.

Sein Sohn Haï, obwohl erst ein Dreißiger12, war so beliebt, daß man bei seiner feierlichen Amtseinsetzung ihm zu Ehren als Schlußstück der Sabbatvorlesung die Stelle aus dem Pentateuch hinzufügte, wo Mose sich vom Herrn einen würdigen Nachfolger erbittet, und anstatt der üblichen Prophetenstelle las man die Erzählung von David, wie er seinen Sohn zum Nachfolger salben [368] läßt. Zum Schluß setzte man die Worte hinzu: »Und Haï saß auf dem Throne seines Vaters Scherira, und seine Regierung war sehr befestigt«13.

Von den Juden Syriens, Palästinas und Ägyptens schweigen die Chroniken der Zeit, sie waren für die geschichtliche Triebkraft vollständig abgestorben14. Die um etwas gehobene politische Stellung, welche ein syrischer Jude unter einem fatimidischen Kalifen einnahm, war nur von kurzer Dauer. Al-'Aziz, der dem Namen nach auch über Palästina und Syrien herrschte, aber die Gewalt mehreren Abenteurern, die sich der bedeutenden Städte und ganzer Distrikte bemächtigt hatten, überlassen mußte, hatte in Syrien einen Juden, namens Manasse Ibn Kazra, und einen Christen, namens Isa, als Statthalter eingesetzt (990). Beide legten es darauf an, ihre Glaubensgenossen zu Ämtern zu befördern und die Mohammedaner zu verdrängen15. Es war dieses im Sinne des Kalifen; denn die Mohammedaner Syriens, dem sunnitischen Glaubensbekenntnis zugetan, waren der fatimidischen Dynastie, die ihren Ursprung auf Ali zurückführte und die Sunna (Tradition) verwarf, nicht hold. Indessen ließen sich die jüdischen und christlichen Beamten mancherlei Bedrückungen zu Schulden kommen und machten die mohammedanische Bevölkerung in einem hohem Grade unzufrieden. Aber niemand wagte eine Klage gegen die Günstlinge des Kalifen laut werden zu lassen. Nur eine arme mohammedanische Frau hatte den Mut dazu. Bei der Anwesenheit des Al-'Aziz in Syrien schrieb sie auf ein Täfelchen: »Bei Gott, der die Macht der Christen durch Isa und die Macht der Juden durch Manasse [369] Ibn Kazra erhöht und die Mohammedaner erniedrigt hat, beschwöre ich dich, daß du ihre Bedrückungen untersuchen mögest.« Dieses Täfelchen warf sie Al-'Aziz zu. Der Kalife, von der besonderen Art betroffen, setzte die beiden Beamten ab und warf sie ins Gefängnis.

Von der Hinfälligkeit, Verknöcherung und dem Greisenalter der innern Verhältnisse der Juden im Morgenlande wendet sich der Blick froh zu der Frische und Jugendlichkeit der Gemeinden am Guadalquivir und Guadiana. Die mannigfaltigsten Kräfte regten sich diesseits und jenseits der Meerenge (Andalus und Maghreb) in jugendlicher Begeisterung und erzeugten eine Blütenpracht jüdischer Kultur. Es entstand in den jüdischen Gemeinden Andalusiens ein wahrer Wetteifer für die verschiedensten Zweige des Wissens, eine Freudigkeit des Lehrens und Lernens, ein Drang zu schaffen und darzustellen, welche Wunderbares zutage förderten. Die Saat, welche Chasdaïs Mäzenat, das Talmudstudium des R. Mose und die poetischen und sprachwissenschaftlichen Erzeugnisse Ben-Saruks und Ben-Labrats ausgestreut hatten, ging herrlich auf und trug die schönsten Früchte. Vielseitiges Wissen galt unter den spanischen Juden, wie unter den andalusischen Muslemin, als die schönste Zierde des Mannes und brachte Ehre und Reichtum. Nach Abdul-Rahmans des Großen Vorgang wurden jüdische Persönlichkeiten wegen ihrer Einsicht und Geschäftskenntnis mit Staatsämtern betraut und fungierten an mohammedanischen und christlichen Höfen Spaniens als Geschäftsträger und Minister. Diese Hochgestellten und Auserwählten nahmen sich Chasdaï zum Muster, Gelehrsamkeit und Poesie zu fördern und zu unterstützen, und führten für ihre höhere Stellung und ihre Reichtümer durch Freigebigkeit und Hochherzigkeit gleichsam einen Ausgleich herbei. Das Wissen selbst war weder einseitig noch trocken, sondern erfüllte sich mit gesunden Säften und bestrebte sich, frisch und genießbar zu bleiben. Die gebildeten Juden Andalusiens sprachen und schrieben die Landessprache ebenso rein und gewandt, wie ihre arabischen Mitbewohner, und diese waren selbst stolz darauf, wenn sie jüdische Dichter in ihren Reihen zählen konnten. Wenn die von den andalusischen Juden gepflegte Geistestätigkeit auch in mehrere Zweige zerfiel: in tiefere Kenntnis der Bibel (Exegese und Grammatik), in Talmudstudium und in Philosophie und Poesie, so waren die Träger eines derselben nicht gegen die andern abgeschlossen. Die Talmudbeflissenen waren weder gegen Bibelkunde noch gegen Poesie gleichgültig, und, wenn sie nicht selbst [370] Dichter waren, so fanden sie doch Geschmack an den rhythmischen Erzeugnissen der neuhebräischen Dichtung. Die Philosophen setzten ebenfalls einen Stolz darein, im Talmud heimisch zu sein, und öfter waren die Rabbinen zugleich Lehrer der Philosophie.

Doch Wissen und Kunstsinn waren nicht bloß eine Zierde der spanischen Juden, sondern hoben und veredelten ihr ganzes Leben. Sie waren von jenem Hochsinn und jener Idealität erfüllt, welche Gemeinheit und Niedrigkeit nicht an sie herankommen ließ. Die hervorragenden Männer, die durch eine politische Stellung oder andere Verdienste an der Spitze der spanischen Gesamtjudenheit oder einzelner Gemeinden standen, waren meistens sittliche Charaktere, von den edelsten Gesinnungen und zartesten Gefühlen durchdrungen. Wenn sie die Ritterlichkeit mit den andalusischen Arabern teilten, so übertrafen sie diese an Ehrenhaftigkeit und Edelsinn, die sie immer noch bewahrten, als die Araber bereits entartet und verkümmert waren. Gleich ihren Nachbarn hatten sie ein stolzes Selbstbewußtsein der eignen Persönlichkeit, das sich in einer langen Namenreihe aussprach; aber dieses Selbstgefühl ruhte auf tief sittlichem Grunde. Sie hatten einen Ahnenstolz, und gewisse Familien, wie die Ibn Esra, Alfachar, Alnakwah, Ibn Paliaǵ, Ibn Giat, Benveniste, Ibn Migasch, Abulafia und andere, bildeten eine Adelsklasse. Aber sie suchten in dem Vorzug der Geburt keine Vorrechte, sondern sahen darin eine Verpflichtung, sich durch Kenntnisse und Edelsinn auszuzeichnen und ihrer Ahnen würdig zu sein. Den Bildungsgrad, den die Kulturvölker der Neuzeit erst anstreben: das Durchdrungensein von Wissen, Gesinnung und Charakterfestigkeit war unter den spanischen Juden in ihrer Blütezeit heimisch. Ihr religiöses Leben war durch die höhere Bildung verklärt und idealisiert. Sie liebten ihre Religion mit der ganzen Glut der Überzeugung und Begeisterung; jede Satzung des Judentums, wie sie die Bibel vorschreibt und der Talmud einschärft, war ihnen als solche heilig und unverbrüchlich; aber sie waren ebensoweit entfernt von dumpfer Stockgläubigkeit, wie von hirnloser Schwärmerei. Wiewohl sie ihr tiefer Forschungstrieb hart an die Grenze des Unglaubens führte, überschritt kaum einer der jüdisch-spanischen Denker diese Scheidelinie, noch fand die ausschweifende Mystik Eingang in ihre Herzen, wenigstens nicht während der Blütezeit. Kein Wunder, wenn die spanischen Juden von ihren Brüdern in den unkultivierten europäischen[371] und außereuropäischen Ländern, in Frankreich, Deutschland und Italien als Wesen höherer Art angestaunt und verehrt wurden. Ihre höhere Stellung und ihr eigenes Verdienst machten sie zu Hauptträgern der jüdischen Geschichte. Die außerspanischen Gemeinden räumten ihnen gern denselben Vorrang ein, der früher den babylonischen Akademien zugestanden wurde. Cordova, Lucena, Granada nahmen bald die Stelle von Sura und Pumbadita ein.

Der offizielle Vertreter des Judentums in Andalus war der schon genannte R. Chanoch (geb. um 940 st. 1014), der seines Vaters Stelle im Rabbinate einnahm. Ihm ebenbürtig an Talmudkenntnis, aber überlegen an anderweitigem Wissen, war sein Rival Joseph ben Isaak Ibn Abitur (Ibn-Satanas oder Santas) aus einer der angesehenen andalusischen Familien16. Ibn-Abitur war Verskünstler17, dichtete synagogale Stücke für den Versöhnungstag, die von seinen Landsleuten begierig aufgenommen wurden und die alten Liturgien verdrängten; aber seine Verse sind hart, ungelenk und entbehren vollständig poetischer Reize. Er hatte nichts von Dunaschs Poesie gelernt. Joseph Ibn Abitur verstand auch die arabische Sprache so gründlich, daß er imstande war die Mischnah ins Arabische zu übersetzen18. Der Kalife Alhakem hatte den Wunsch geäußert, eine Übersetzung des Grundbuchs für die jüdische Tradition zu besitzen, und Ibn-Abitur erfüllte ihn zu dessen Zufriedenheit. Der gebildete und wissensfreundliche Kalife hatte dabei wohl nur den Zweck im Auge, seine bedeutende Büchersammlung, deren Verzeichnis allein vierundzwanzig Bände ausmachte, um die den Juden so teure Mischnah zu vermehren. Von dieser Übersetzung hat sich indessen keine Spur erhalten, indem Alhakems Nachfolger, ein fanatischer Muselmann, sämtliche Werke, die nicht ein arabisches Interesse hatten, d.h. den größten Teil der Alhakemschen Bibliothek, vernichten ließ. – Neben R. Chanoch und Ibn-Abitur gab es damals noch einen bedeutenden Talmudkundigen in [372] Beǵanna (Paxena) unweit Almeria, namens Samuel ha-Kohen Ibn Josiah aus Fez. Vertreter der Sprachwissenschaft und der hebräischen Poesie waren in der nachchasdaïschen Zeit die Jünger Menahems und Dunaschs, die einander mit Epigrammen in Prosa und Versen befehdeten (o. S. 360), von denen Isaak Ibn G'ikatila die Dichtkunst pflegte und Jehuda Ibn Daud die hebräische Grammatik weiter förderte. Der letztere, welcher die lange arabische Namenreihe Abu-Zacharia Jachja Chajuǵ führte, aus einer fezanischen Familie stammend, hat zuerst der hebräischen Sprachforschung einen festen Grund gegeben und wird als der erste wissenschaftliche Grammatiker anerkannt. Chajuǵ erkannte zuerst19, daß die heilige Sprache in der Gestaltung, die sie in der Bibel zeigt, durchweg aus dreikonsonantigen Stämmen besteht, und daß manche Konsonanten (die flüssigen, vokalhaften und gleichlautenden) verschlungen oder verschmolzen werden und in Vokale übergehen. Er erklärte damit den Bau der schwachen Stämme und machte es möglich, die Sprachformen und ihre Wandlung zu erkennen und für die Poesie anzuwenden. Chajuǵ brachte damit eine vollständige Reform in der Behandlung der hebräischen Sprache hervor und lichtete das Chaos, in dem sich die Vorgänger und selbst Saadia, Menahem, Dunasch und noch mehr die Karäer nicht zurecht zu finden wußten. Seine grammatischen Grundsätze setzte er in drei Büchern20 auseinander: über die halbvokaligen Stämme (Quiescentes, Nachim), über die Stämme mit zwei gleichlautenden Endkonsonanten (Geminata, Kefulim) und über Vokal- und Tonzeichen. Chajuǵ schrieb, zunächst für seine Landsleute berechnet, [373] seine grammatischen Abhandlungen in arabischer Sprache. Daher blieben sie den außerspanischen Juden unbekannt, und diese, so weit sie sich mit Sprachforschung beschäftigten, verharrten bei Menahems und Dunaschs unvollkommenem Systeme. Von den Leistungen der Dichter dieser Zeit – drei mit Namen Isaak: Ibn G'ikatila, Ben Saul und Ibn Chalfon – sind nur winzige Bruchstücke vorhanden21 und gestatten kein Urteil über deren Wert oder Unwert. Diese drei Dichter haben aber ihre Verse, religiöse wie weltliche, in Maß gesetzt und dazu beigetragen, dem Versmaß Eingang in die hebräische Poesie zu gestatten und das Vorurteil zu beseitigen, das sich anfangs dagegen geltend machte. Andere Wissensfächer außer Talmud und Sprachkenntnis wurden in diesem Zeitabschnitte wenig gepflegt; für die Philosophie war der Geist der spanischen Juden noch zu unreif. Die Astronomie, insoweit sie zum jüdischen Festkalender nötig schien, hatte ihren Vertreter an Hassan ben Mar-Hassan (Ali?) in Cordova, der zum Rabbinate gehörte, den Titel Dajjan führte und ein Werk über kalendarische Astronomie schrieb (971)22, das von den Späteren als unbefriedigend beurteilt wird.

Obwohl die Rabbinatswürde von Cordova lediglich ein Ehrenamt war und R. Chanoch, der damit bekleidet war, wiewohl unbemittelt, dafür keinen Gehalt von der Gemeinde bezog23, so entstanden dennoch nach Chasdaïs Tode Streitigkeiten darüber24. Die Anhänger des Joseph Ibn Abitur – wozu die Glieder der weitverzweigten Familie Ibn Abitur und zwei bei Hofe beschäftigte Seidenfabrikanten, die Brüder Ibn G'au, gehörten – gaben sich viele Mühe, ihren Schützling zum Oberhaupte der Gemeinde zu erheben. Der größte Teil der Cordovaner Gemeinde hielt dagegen an R. Chanoch fest. Der Streit darüber war so heftig, daß er auf friedlichem Wege nicht beigelegt werden konnte. Beide [374] Parteien wendeten sich an den Kalifen. Angesehene Anhänger R. Chanochs, siebenhundert an der Zahl, begaben sich in Prachtgewändern mit wallenden Federbüschen zu Wagen mehrere Tage hintereinander nach Az-Zahra, Alhakems Residenz unweit Cordova, um die Gunst des Kalifen für ihren Rabbinen zu erwirken. Die Gegenpartei ersetzte ihre geringe Zahl durch größeren Eifer. Alhakem entschied sich gerechterweise für den Wunsch der Mehrzahl der Gemeinde und bestätigte R. Chanoch im Rabbinate. Da aber Ibn Abitur seine Ansprüche noch immer nicht aufgeben mochte, so wurde er von der siegenden Partei in den Bann getan. Indessen ließ er seine Hoffnung nicht fahren. Er wendete sich persönlich an den Kalifen und hoffte ihn mit seiner Kenntnis der arabischen Literatur und dem Dienste, den er ihm durch seine Übersetzung der Mischnah25 geleistet, günstig für sich zu stimmen und den Bescheid rückgängig machen zu können. Er hatte sich aber getäuscht. Der Kalife entgegnete ihm: »Wenn meine Araber mich so verschmähten, wie dich die Cordovaner Gemeinde, so würde ich mein Reich verlassen. Ich kann dir nur den Rat geben, auszuwandern«. Der Wunsch des Kalifen schien Ibn Abitur Befehl zu sein und er verließ darauf Cordova (um 975). Er mochte nicht Spanien ganz verlassen, weil er sich mit der Hoffnung trug, seine Freunde würden sich Mühe geben, eine günstige Wendung herbeizuführen. Er hielt sich daher einige Zeit in der damals bedeutenden Hafenstadt Beǵenna auf und wollte mit dem Rabbinen dieses Ortes, Samuel ha-Kohen, eine Verbindung anknüpfen und ihn bewegen, den Bann aufzuheben. Aber dieser mochte ihn gar nicht vorlassen, weil der Bann auf ihm lastete. Darauf schrieb ihm Ibn Abitur einen heftigen Brief in aramäischer Sprache, worin er dessen Benehmen tadelte. Da Ibn Abitur einsah daß er in Spanien keine Annehmer finden konnte, begab er sich zu Schiffe nach Afrika26, durchwanderte einige Zeit Maghreb, das fatimidische Reich und wohl auch Ägypten, ohne, wie es scheint, irgendwo günstige Aufnahme zu finden.

Indessen trat doch plötzlich eine günstige Wendung für Ibn Abitur ein. Einer seiner Hauptanhänger gelangte zu einer hohen Stellung und wandte seinen Einfluß zu dessen Gunsten an. Dieser Mann war der Seidenfabrikant Jakob Ibn G'au, dessen [375] plötzliches abwechselndes Steigen und Fallen deutlich das Willkürregiment des spanischen Kalifats nach dem Tode des letzten gerechten und gebildeten Kalifen Alhakem (976) bekundet. Der Kalifentitel ruhte zwar scheinbar auf seinem Sohne Hischam, einem schwächlichen Knaben, aber die Macht war in den Händen des Abuamriden Mohammed Almansur, des Schreckens der Christen in ihren nordspanischen Gebirgen und der Afrikaner in ihren Festungen. Unter diesem mohammedanischen Major-domus erlangte Ibn Abiturs Anhänger Jakob Ibn G'au Ansehen und eine gewisse Macht über die jüdisch-spanischen Gemeinden. Der Ursprung seiner Stellung war außerordentlicher Art. Jakob Ibn G'au und sein Bruder Joseph lieferten für den Hof kostbare Seidenstoffe und Kriegsfahnen mit kunstvoll eingewebten arabischen Sinnsprüchen, Emblemen und Verzierungen. Ihre Seidenwebereien wurden bewundert und gesucht. Da sie wegen ihres Geschäfts Berührung mit Almansur hatten, fanden sie einst im Hofe seines Palastes eine bedeutende Summe Geldes, welche einige Provinzialen bei erlittener Mißhandlung verloren hatten.

Die Brüder Ibn G'au nahmen sich vor, die gefundene Geldsumme nicht für sich zu verwenden, sondern sie in Geschenken für den jungen Kalifen und Almansur anzulegen, um sich diese für ihre Parteisache geneigt zu machen und die Zurückberufung des gebannten und verbannten Ibn Abitur durchzusetzen. Ihr Vorhaben gelang ihnen auch. Almansur ernannte (um 985) den älteren Bruder Jakob zum Fürsten und Oberrichter über sämtliche jüdische Gemeinden im Reiche des andalusischen Kalifats diesseits und jenseits der Meerenge von Seǵelmessa in Afrika bis zum Duero, dem Grenzflusse des mohammedanischen und christlichen Spaniens. Cr allein sollte das Recht haben in den Gemeinden Richter und Rabbinen einzusetzen, die Abgaben für den Staat und die Gemeindebedürfnisse zu bestimmen und verteilen zu lassen. Auch äußerlichen Glanz verlieh ihm Almansur. Jakob Ibn G'au hatte achtzehn Pagen zu seinem Ehrengeleite und fuhr in einem Staatswagen aus. Die Cordovaner Gemeinde, stolz auf die einem ihrer Mitglieder gewordene Auszeichnung, erkannte ihn als Oberhaupt der Gemeinde an, huldigte ihm und übertrug ihm das Recht, die Würde auf seine Nachkommen zu vererben27. Die Dichter verkündeten [376] sein Lob. Isaak Ibn Saul pries ihn und seine Söhne in schwungreichen Versen28, wie früher Chasdaï besungen worden war. Ibn-G'au verdiente auch das Lob, das ihm gespendet wurde. Er war »Vater der Armen«, die er täglich an seine Tafel zog. Man nannte ihn auch deswegen den »Spender der Gastfreundschaft« (Is'hab al-Ansal)29. Wahrscheinlich unterstützte er auch gleich Chasdaï Dichter und Gelehrte.

Sobald Ibn G'au zum Oberhaupt über die Juden des andalusischen Kalifats ernannt war, suchte er seinen Wunsch zu verwirklichen, um dessentwillen er sich um die Gunst des Hofes beworben hatte. Er ließ R. Chanoch anzeigen, daß er sich der rabbinischen Funktionen zu enthalten habe und drohte ihm, falls er noch ferner als Rabbiner und Richter fungieren würde, ihn auf ein Schiff ohne Steuer bringen zu lassen und ihn dem Meere auszusetzen, d.h. ihn wieder dahin zu bringen, woher er gekommen. Dann traf Ibn G'au Anstalten, seinen Liebling Ibn Abitur zurückzurufen und mit der Rabbinatswürde zu bekleiden. Aber vorher mußte der Bann von ihm genommen werden, und dazu mußte die ganze Gemeinde ihre Zustimmung geben. Aus Rücksicht für den bei Hofe angesehenen Ibn G'au unterschrieben sämtliche Gemeindemitglieder, selbst seine ehemaligen Gegner, ein schmeichelhaftes Schreiben an Ibn Abitur, der damals wohl noch in Afrika weilte. R. Chanoch wurde abgesetzt. Als die Cordovaner Gemeinde und besonders seine Freunde schon Vorbereitungen zum würdigen Empfange des Ibn Abitur trafen, lief ein Schreiben von diesem ein, das sie sehr enttäuschte. In harten Ausdrücken warf er ihnen ihr rücksichtsloses Verfahren gegen seinen Gegner vor. Er rühmte in edelmütiger Weise R. Chanoch über die Maßen, sagte, er habe auf seinen Wanderungen seinesgleichen an Tugendhaftigkeit und Frömmigkeit nicht gefunden und riet der Cordovaner Gemeinde, ihn wieder in seine Funktionen einzusetzen30.

Indessen konnte sich Ibn G'au nicht in seiner Stellung behaupten. Almansur, sein Gönner, setzte ihn nicht bloß ab, sondern warf ihn in den Kerker. Der Grund seiner Verdammung war Redlichkeit und Uneigennützigkeit. Der Regent (Hagib) hatte geglaubt.[377] daß der jüdische Fürst seine Macht über die Gemeinde des abendländischen Kalifats zu Gelderpressungen benutzen und ihm reiche Geschenke zuwenden werde; aber Ibn G'au hatte die Gemeinde nicht belastet und konnte folglich Almansurs Geldgier nicht befriedigen. Dafür wurde er seiner Freiheit beraubt (um 986). Nachdem er ungefähr ein Jahr im Kerker zugebracht, befreite ihn der Kalife Hischam, der Ibn G'au einst bei einem Gange zur Moschee erblickte, nach dem Grunde seiner Einkerkerung fragte, und als er ihn nichtig fand, seine Befreiung verfügte. Jakob Ibn G'au wurde von Hischam sogar wieder in seine Würde eingesetzt (um 987), wahrscheinlich während Almansurs Abwesenheit im Kriege – aber da dieser nicht für ihn war, so hatte seine Stellung keine Bedeutung. Mehrere Jahre fungierte Ibn G'au in seiner oberrichterlichen Eigenschaft (bis um 990), während welcher Zeit R. Chanoch abgesetzt blieb31. Als Ibn G'au starb, beeilte sich einer von R. Chanochs Verwandten, ihm die Nachricht zu überbringen und gedachte, ihm damit eine große Freude zu bereiten. Aber dieser edle Rabbiner weinte bitterlich über den Tod seines Feindes und klagte: »Wer soll jetzt für die zahlreichen Armen Sorge tragen, die der Verblichene so reichlich verpflegt hat? Ich vermag ihn nicht zu ersetzen, denn ich bin arm.« R. Chanoch wurde wieder in sein Amt eingesetzt. Ibn Abitur hatte indessen seine Wanderungen fortgesetzt und war nach Pumbadita gekommen, wo R. Haï als Gaon fungierte (um 1000). Er dachte von den Vertretern der babylonischen Akademie freundlich aufgenommen zu werden, weil er voraussetzte, daß R. Haï gegen R. Chanoch feindlich gesinnt sei, weil die Gründung der Talmudschule in Cordova durch R. Mose und seinen Sohn das Lehrhaus um die Einkünfte von den reichen und freigebigen spanischen Gemeinden gebracht und ihre Verkümmerung veranlaßt hatte. Allein Ibn Abitur hatte sich in der Voraussetzung getäuscht. – R. Haï, erhaben über solche eigennützige Gesinnung, ließ ihn bedeuten, ihn nicht zu besuchen, da er wegen des auf ihm lastenden Bannes nicht mit ihm verkehren dürfe. Auch hier abgewiesen, begab sich Ibn Abitur nach Damaskus, wo er sein Leben beendete32. R. Chanoch überlebte seinen Gegner um mehrere Jahre und erlebte den ersten Verfall Cordovas und [378] die erste allgemeine Verfolgung seiner Glaubensbrüder in Deutschland, Afrika und dem Orient. Er starb durch einen Einsturz der Emporbühne (Almemar) der Synagoge, die er am Schlußtage des Laubhüttenfestes bestiegen hatte (September 1014)33.

Im Zustande der Juden in Frankreich und Deutschland in dieser Zeit zeigt sich so recht, wie sehr ihre geistige Erhebung von der äußeren Stellung bedingt ist. Während des schlaffen Regiments der letzten Karolinger und auch noch unter den ersten Capetingern in Frankreich, als die weltlichen und geistlichen Vasallen mächtiger waren als das Königtum, und unter den sächsischen Kaisern war die politische Lage der Juden gedrückt und ihre wissenschaftliche Tätigkeit gleich Null. Zu Ämtern wurden sie durch kanonische Gesetze längst nicht mehr zugelassen; sie beanspruchten aber auch keine Ehre, und sie wären zufrieden gewesen, wenn man ihnen nur Ruhe, Sicherheit der Existenz und Religionsfreiheit gelassen hätte. Aber ihre Ruhe beunruhigte die Vertreter der Kirche, und sie war ohne Vorteil für die gewalttätigen Großen. In den französischen Territorien waren Barone und Geistliche im Besitze der Macht. Die Könige waren nach allen Seiten beschränkt und konnten die Juden nicht vor Willkür schützen, selbst wenn sie den besten Willen dazu gehabt hätten und nicht von der Geistlichkeit zum Judenhasse aufgestachelt worden wären. Hatten früher nur die fanatischen Geistlichen dogmatische Vorurteile gegen die Juden, so hatte ihr Eifer allmählich auch dem Volke Ingrimm gegen sie eingeflößt, und dieses, roh und plump, verblendet und verdummt, ein Sklave des Aberglaubens, sah in den Söhnen Israels eine gottverfluchte Kaste, die keines Erbarmens würdig ist. Man traute den Juden allerlei böse Zaubermittel zu, die sie zum Nachteil der Christen ausübten. Als der König Hugo Capet, der sich von einem jüdischen Arzte behandeln ließ, an einer schweren Krankheit starb, (996), glaubte das Volk nichts anderes, als daß er von den Juden getötet worden sei, und die mönchischen Chronisten trugen diesen auf nichts begründeten Wahn als Faktum in ihre Annalen ein34. Die französischen Juden besaßen zwar Äcker und Weinberge35, aber sie entbehrten der Sicherheit der Existenz, welche nur eine einheitliche, geordnete und starke Staatsverfassung und die Herrschaft der Gesetze zu gewähren [379] vermögen. Der Bischof von Limoges ließ einen ganzen Monat hindurch den Juden dieser Gemeinde das Christentum predigen und ihnen Jesu Messianität aus dem alten Testament beweisen. Jedoch vergebens; die Juden blieben im Sinne der Geistlichkeit verstockt, und nur drei oder vier empfingen die Taufe. Die übrigen wurden mit Weibern und Kindern aus der Stadt verwiesen, und einige von ihnen nahmen sich aus Verzweiflung das Leben (1010)36.

Im französischen Süden, in der Provence und in Languedoc, wo die Königsmacht gar keine Bedeutung hatte, hing das Schicksal der Juden noch mehr von den Launen und den Gesinnungen der Grafen und Vizegrafen ab. In einem Orte besaßen sie Ländereien und Salinen und wurden sogar zum Amte des Landvogtes (Bailli) befördert, in einem anderen mußten sie sich gefallen lassen, als Hörige behandelt zu werden37. Die Hauptgemeinde war in Narbonne. Hier bestand seit der Zeit Karls des Großen ein talmudisches Lehrhaus, das aber nicht viel geleistet zu haben scheint, indem es mehr agadische Mystik als tieferes Talmudstudium pflegte und verbreitete. Da wurde plötzlich dorthin ein Talmudkundiger von der suranischen Hochschule verschlagen, vielleicht Nathan ben Isaak der Babylonier38, und dieser flößte den Juden Südfrankreichs regen Eifer für den Talmud ein. Vermutlich war es sein Jünger R' Leon oder Leontin (Jehuda ben Meïr), der, ohne etwas Schriftliches hinterlassen zu haben, als der erste Begründer jenes gründlichen Talmudstudiums, das fortan in Frankreich und Deutschland blühte, angesehen wird. Sein berühmt gewordener Jünger R' Gerschom gestand ein, er habe sein Wissen und seine Art zu lehren R' Leon zu verdanken39.

In Deutschland erfuhren die Juden in dieser Zeit unter den sächsischen Kaisern zwar keine Bedrückung, aber auch keine Begünstigung. Das Lehnsystem, das sich im deutschen Kaisertum am folgerichtigsten ausgebildet hatte, hinderte sie, Boden zu besitzen, und wies [380] sie auf den Handel hin. Jude und Kaufmann galten in Deutschland als gleichbedeutend. Die Reichen machten Geldgeschäfte, und die weniger Bemittelten machten Anleihen, um die Kölner Messe zu besuchen und zahlten bei Rückkehr einen verhältnismäßigen niedrigen Zins40. Die deutschen Kaiser übernahmen das von den ersten Karolingern eingeführte Regale einer bestimmten Abgabe von den Juden. Als Otto der Große die neuerbaute Kirche von Magdeburg mit Subsistenzmitteln versehen wollte, schenkte er ihr die Einnahme von den Juden und andern Kaufleuten (965)41. Otto II. schenkte ebenfalls, wie der damalige Kurialstil lautete, »die Juden von Merseburg« dem Bischof dieser Stadt (981)42. Dieser Kaiser hatte einen italienischen Juden mit Namen Kalonymos in seinem Gefolge, der ihm mit zärtlicher Liebe zugetan war und ihm in einer großen Not mit Lebensgefahr beistand. Kalonymos hatte ihn in die Schlacht begleitet (982), welche Otto den Sarazenen und Griechen bei Basantello lieferte. Als die Blüte der deutschen Ritterschaft gefallen war und der Kaiser sein Roß eingebüßt hatte, führte ihm Kalonymos das seinige zu, damit er sich vor den umherschwärmenden Feinden retten sollte; er selbst dachte an keine Rettung, sondern wartete voll ängstlicher Sorge ab, wie es seinem geliebten Herrn ergehen würde. Vermöge dieses Rosses konnte der Kaiser die Küste erreichen und sich auf ein Schiff retten43. Aber die viel gepriesene Regierung der Ottonen gab den ihnen unterworfenen Juden keinen Sporn, sich aus der niedrigen Stellung zu erheben. Vieles hatten die christlichen Völker [381] von den Arabern gelernt, nur nicht Ermutigung der Wissenschaft unter Andersglaubender. Die deutschen Juden waren daher, wenn auch im allgemeinen sittlicher, nüchterner und betriebsamer als die christliche Bevölkerung, doch nicht gebildeter als diese. Sie hatten nicht einmal eigene Talmudlehrer von Bedeutung und erhielten sie erst vom Auslande44. Ihre erste talmudische Autorität war R. Gerschom. Er und sein Bruder R. Machir haben talmudische Gelehrsamkeit von Südfrankreich nach dem Rhein verpflanzt und ihr eine Bedeutung gegeben, wie sie nicht einmal die gaonäischen Schulen kannten.

R. Gerschom ben Jehuda (geb. um 960 st. 1028)45 stammte aus Frankreich46, hatte den oben genannten R' Leon zum Lehrer und wanderte, man weiß nicht aus welcher Veranlassung, nach Mainz aus. Hier gründete er ein Lehrhaus, das bald zahlreiche Jünger aus Deutschland und Italien47 anzog. Die Verehrung für R. Gerschom war so groß, daß man ihn »die Leuchte der Zerstreuten« (Meor ha-Golah) nannte, aber er gestand demütig, er verdanke sein ganzes Wissen seinem Lehrer. Er legte seinen Jüngern den Talmud mit einer Klarheit und Faßlichkeit aus, wie schwerlich jemand vor ihm. Und in derselben Methode schrieb er auch Kommentare [382] zum Talmud48, selbst über Traktate, die ein bloß theoretisches Interesse haben. R. Gerschom war der erste Kommentator des weitschichtigen Talmud, und wer die Schwierigkeit einer solchen Arbeit kennt, weiß, wie viel Geisteskraft, Hingebung und Ausdauer dazu gehörte. Bald wurde er als rabbinische Autorität von den deutschen, französischen und italienischen Gemeinden anerkannt; gutachtliche Anfragen wurden an ihn gerichtet49, und er rivalisierte unbewußt mit dem letzten Gaon R. Haï, obwohl er sich ihm mit der Demut eines Schülers untergeordnet fühlte. Es war eine eigene Fügung, daß selbst die aufrichtigsten Verehrer des Gao nats an dessen Untergange arbeiteten. R. Gerschoms hebräisch geschriebene Talmudkommentare machten die gaonäische Hochschule vollständig entbehrlich, drückten sie zu einer heiligen Reliquie herab und lösten auch die deutschen und nordfranzösischen Gemeinden von ihr los. Jeder Beflissene konnte sich jetzt selbständig in den Talmud vertiefen und brauchte sich nicht Bescheide von Babylonien zu holen

Berühmt wurde R. Gerschom mehr noch durch die Verordnungen50, die er erließ, als durch seine Talmudkommentare Jene wirkten versittlichend auf die deutsche und französische Judenheit (Tekanot di R. Gerschom). Unter anderem verbot er die [383] Vielweiberei, die auch unter den europäischen Juden im Gebrauch war51, und gestattete sie nur in äußersten Notfällen. Er verordnete ferner, daß zu einer Ehescheidung auch die Einwilligung der Ehefrau nötig sei, während nach talmudischen Bestimmungen der Gatte ihr den Scheidebrief gegen ihren Willen zustellen darf. Er schärfte ferner das Briefgeheimnis streng ein und bestimmte, daß der Überbringer sich nicht erlauben dürfe, einen Brief, wenn auch unversiegelt, zu lesen. Bei dem damaligen Verkehr, wo Reisende die Briefpost besorgten, war diese Verordnung von hoher Wichtigkeit für die mannigfaltigen Lebensinteressen. Die Übertreter dieser Verordnungen sollten dem Banne verfallen. Obwohl diese und andere Bestimmungen52 ohne syn odale Förmlichkeit getroffen wurden und der Urheber keineswegs mit einem offiziellen Charakter bekleidet war, so wurden sie doch von den deutschen und französischen Gemeinden wie synhedriale Beschlüsse mit aller Gewissenhaftigkeit befolgt; so groß war R. Gerschoms Ansehen.

Gleichzeitig mit dieser Autorität der deutsch-französischen Gemeinden lebte in Mainz eine Persönlichkeit, deren Verdienste bisher unbekannt blieben. R. Simon53 ben Isaak ben Abun, von einer französischen Familie (aus le Mans?) abstammend, war talmudisch gelehrt und verfaßte ein selbständiges Werk in diesem Fache (Jessod). Er war ferner ein gewandter und fruchtbarer neuhebräischer Dichter (Poetan) und verfaßte eine große Menge liturgischer Stücke, die kalirischen Mustern nachgebildet sind und ihnen gleichkommen an Härte, Anmutslosigkeit und an der Manier, auf die agadische Literatur versteckt und rätselhaft anzuspielen. Simon ben Isaak war auch vermögend und dadurch auch imstande, einen Sturm zu beschwichtigen, der die deutschen Juden aufzureiben drohte.

Das elfte Jahrhundert begann nämlich mit der ersten Judenverfolgung in Deutschland54. Sie ging aber nicht vom Volke aus, [384] sondern von einem Fürsten, dem letzten Kaiser aus dem sächsischen Hause der Ottonen, von Heinrich II. Von Geistlichen geleitet, war dieser Kaiser so sehr den kirchlichen Interessen ergeben, daß er zu einem Heiligen erhoben werden konnte. Was aber Heinrich II. besonders gegen die Juden eingenommen hat, läßt sich nicht angeben. Möglich, daß die Bekehrung eines Geistlichen zum Judentume, die den deutschen Chronikschreibern wichtig genug war, sie als ein unglückliches Ereignis in ihre Jahrbücher einzutragen, den Zorn des Kaisers gegen die Juden erregt hat. Dieser Geistliche, mit Namen Wecelinus, war Kaplan des Herzogs Konrad, eines Verwandten des Kaisers. Nach seinem Übertritt zum Judentum (1005) verfaßte Wecelinus eine Schmähschrift gegen seinen ehemaligen Glauben und bediente sich darin einiger Ausdrücke und Redewendungen, die von seinem Hasse gegen das Christentum und von der Ungeschliffenheit des Zeitgeschmackes Zeugnis ablegen. »Lies, o Dummkopf,« so redet der abgefallene Kaplan die Christen an, »lies den Propheten Habakuk, in welchem Gott spricht: Ich bin Gott und verändere mich nicht. Wenn er sich nun nach eurem Glauben verändert und ein Weib beschattet haben soll, wo wäre da die Wahrheit? Was antwortest du darauf, du Tier!« In solchem Stile ist Wecelinus' Schmähschrift gehalten. Sie nennt auch die Heiligen, welche die Kirche verehrt, geradezu Dämonen. Kaiser Heinrich war aber über den Abfall des Kaplans und seine giftige Schrift so sehr erzürnt, daß er einem seiner Hofgeistlichen, Heinrich, den Auftrag gab, eine Gegenschrift abzufassen, die nicht weniger grob und geschmacklos ist55.

Einige Jahre später (1012) erließ Kaiser Heinrich einen Befehl, daß die Juden von Mainz die Stadt verlassen sollten56. Es sollte aber nicht eine einfache Verbannung, sondern eine Brandmarkung dafür sein, daß sie die Taufe nicht empfangen mochten, und erstreckte sich nicht bloß auf Mainz, sondern traf sicherlich noch andere Gemeinden. Denn der Dichter Simon ben Isaak stimmte Klagelieder darüber an, wie über eine blutige Verfolgung, welche das Judentum im Herzen seiner Bekenner vergessen machen sollte:


Die Verbannte, Wandernde, Verdüsterte

Muß ihre Tränen verschlucken.

[385] Sie wird getreten, gestoßen, gepeinigt,

In Kerker geworfen und sitzt verödet.

Die Wahnverehrer sitzen im Glücke,

In sichern Burgen höhnen sie dein Lamm,

Scheren es und schwächen seine Kraft mit des Joches Last.

»Höret auf.« sprechen sie, »euch der Banden zu entschlagen:

Ihr seid verworfen, und für den Untergang bestimmt.«

So dulden wir um dich unsäglich Leid,

Werden bestraft, geplagt und geschlagen.

Sende bald deine Hülfe,

Auf daß sich Edom nicht rühme: ich habe gesiegt.

Laß deines Schwertes Blitz sie zittern machen,

Ob der Untaten an deines Volkes Leichen.


In einem andern Bußgebet veranschaulicht derselbe Dichter die Leiden seiner Zeit:


Du bist von je her, mein heiliger Gott,

Warum sollten wir in Bedrängnis und Harm vergehen?

Den ganzen Tag werden wir um deines Namens willen erschlagen,

Wir sind grausamen Herren preisgegeben,

Unser Blut soll die Erde trinken.


Und in einem andern:


Genommen sind aus meinem Wohnsitz mir die Kleinen,

Und sie schlagen, stoßen sie, werfen sie mit Steinen.

Zu alten Leiden fügen neue die Unreinen.

Mehr als neunhundert Jahr dauerts, was wir beweinen,

Sie plündern schlau und mit Gewalt und verschonen keinen57.


Auch R. Gerschom, obwohl ganz ohne dichterische Begabung, hauchte den Schmerz über die harte Verfolgung Heinrichs II. in Bußliedern aus58: »Verächter deines Gesetzes hast du zu Herren über dein armes Volk gemacht, sie huldigen törichten Bildern und wollen uns zwingen, sie zu verehren«. – »Sie drängen dein Erbe, dich mit einem geschaffenen Gott zu vertauschen«. – »Sie verfügen, dich nicht mehr Freund und Herr zu nennen und dein Wort zu verwerfen. Spreche ich: ›Fern sei's von mir, meiner Väter Schutz zu verlassen, so fletschen sie ihre Zähne, strecken ihre Hand zum Raube aus, öffnen ihren Mund zum Hohne‹. Verjagt ist deine [386] Gemeinde aus ihrem Sitze und ihrer Heimat, erschöpft und verschmachtet erhebt sie ihr Auge zu dir«.

Während dieser ersten Judenverfolgung in Deutschland gingen manche, um ihr Leben oder ihre Habe zu retten, zum Christentum über, darunter auch R. Gerschoms eigener Sohn, was sein Herz betrübt, aber nicht lieblos gemacht hat. Als der Sohn später als Christ starb, beobachtete der unglückliche Vater die Trauerzeremonien um ihn, wie um einen Treugebliebenen. Wie lange die Verfolgung gedauert hat, läßt sich nur vermutungsweise aufstellen, etwa bis zum Winter 1013. R. Simon ben Isaaks Eifer gelang es, wohl durch große Geldsummen59, der Verfolgung Einhalt zu tun und die Erlaubnis für die Gemeinde zu erwirken, sich wieder in Mainz niederzulassen. Die dem Taufzwange unterliegenden Juden kehrten wieder in den Schoß des Judentums zurück, und R. Gerschom schützte sie vor Beschimpfung, indem er den Bann über diejenigen verhängte, welche ihnen den augenblicklichen Abfall zum Vorwurfe machen sollten. Die dankbare Gemeinde widmete R. Simon eine ewige Erinnerung, seinen Namen allsabbatlich in der Synagoge zu nennen, »daß er sich um die Gemeinde viel Mühe gegeben und daß durch ihn die Verfolgungen aufgehört haben«. Auch das Andenken eines Mar-Salomo und seiner Frau Rahel hat die Mainzer Gemeinde durch die sabbatlichen Erinnerungen erhalten, »daß sie einen Gottesacker in Mainz erworben und die Verfolgungen abgewendet haben«60. R. Gerschoms Namen wurde ebenfalls von ihr darum verewigt, »weil er die Augen der Zerstreuten durch seine Verordnungen erleuchtet hat«61. Das von R. Gerschom gegründete Lehrhaus in Mainz blühte über acht Jahrzehnte und wurde eine Bildungsstätte für Talmudbeflissene und Rabbinen von Deutschland, Frankreich und Italien.

Zur selben Zeit, mit dem Ablauf des vierten Jahrhunderts der Hedschra, in welchem die Karäer die An kunft der messianischen Erlösung erwarteten62, brach im Morgenlande und Ägypten eine heftige Judenverfolgung aus, welche länger als die in Deutschland andauerte. Die deutschen Juden wurden gequält, weil sie nicht an Christus und die Heiligen, und die morgenländischen, weil sie nicht an Mohammed [387] und den sündenfreien Imam an den himmlischen Führer (Mahdi) glauben mochten. Diese Verfolgung ging von dem wahnwitzigen ägyptischen Kalifen Hakim aus, der, ein mohammedanischer Cajus Caligula, von sich glaubte, er sei die fleischgewordene göttliche Macht und der wirkliche Statthalter Gottes. Hakim verfolgte alle diejenigen, welche an seiner Göttlichkeit zu zweifeln sich unterfingen, Mohammedaner, Juden, Christen ohne Unterschied. Anfangs lautete Hakims Befehl, daß die Juden seines Reiches, die sich nicht zum schiitischen Islam bekennen, an ihrem Halse die Abbildung eines Kalbes tragen sollten, zur Erinnerung an das goldene Kalb ihrer Vorfahren in der Wüste. Außerdem sollten sie sich durch ihr äußeres Erscheinen von den Gläubigen unterscheiden, ganz nach den Omarschen Beschränkungen. Die Übertreter sollten mit Verlust von Hab und Gut und mit Exil bestraft werden (1008). Gegen die Christen erging eine ähnliche Verordnung. Als Hakim hörte, daß die Juden seinen Befehl umgingen und goldene Kalbsbilder trugen, verfügte er, daß sie einen Holzblock von sechs Pfund Schwere am Halse und Glöckchen an ihren Gewändern tragen sollten, um sich von ferne schon als Ungläubige anzukündigen (um 1010). Später ließ er Kirchen und Synagogen in seinem Reiche zerstören und verjagte Christen und Juden aus dem Lande (1014)63. Das fatimidische Reich hatte aber damals eine bedeutende Ausdehnung. Es umfaßte Ägypten, Nordafrika (Afrikija), Palästina und Syrien und da Hakim auch im Kalifate von Bagdad Anhänger hatte, so blieben den Juden nur wenige Zufluchtsstätten offen. Manche nahmen daher zum Schein den Islam an64, um bessere Zeiten abzuwarten. Die Verfolgung dauerte, bis die Mohammedaner selbst ihres wahnwitzigen Kalifen überdrüssig wurden und ihn erdrosselten (1020).

Auch der winzige jüdische Staat der Chazaren, der so lange eine Zufluchtsstätte für jüdische Verfolgte gebildet hatte, ging in dieser Zeit völlig unter. Die Chazaren hatten sich auf der Halbinsel Taurien (Krim) niedergelassen und lebten dort unter ihrem jüdischen Fürsten David. Ihre früheren Besitzungen waren von den Russen eingenommen (o. S. 349 f), vor denen damals schon die schwachen [388] Völkerschaften im Kaukasus und am Schwarzen Meere zitterten. Diese bewarben sich um die Gunst der russischen Großfürsten, wie ehemals um den Schutz der chazarischen Chagane. Als daher der Großfürst Wladimir die Absicht zu erkennen gab, das plumpe Heidentum der Russen mit einer andern Religion zu vertauschen, beeilten sich die Nachbarfürsten, Abgeordnete an ihn zu senden, um ihn zur Annahme ihres Bekenntnisses zu bewegen. Es kamen griechische Presbyter vom byzantinischen Reiche und bulgarische Gesandte, die dem Katholizismus zugetan waren, und mohammedanische Ulemas aus Bagdad65. Auch der jüdisch-chazarische Chagan David wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Wladimir für die Annahme des Judentums zu bestimmen. Es erschienen auch jüdische Abgeordnete am Hofe zu Kiew. Die Vertreter der verschiedenen Bekenntnisse entfalteten ihre Beredsamkeit, um die Teilnahme der Russen zu erwecken (986). Gegen das Judentum soll aber Wladimir von vornherein Vorurteile gehabt haben, weil dessen Bekenner unter fremden Völkern weit und breit zerstreut lebten. Dagegen hatte er, laut der Erzählung der russischen Chronik, eine entschiedene Hinneigung zur griechischen Kirche. Als er daher seinen Bojaren seinen Plan vorlegte, das griechische Bekenntnis in Rußland einzuführen, erwiderten diese bedächtig, es sei in der Ordnung, daß die Vertreter je einer Religion diese als die beste empfehlen; um sich aber von der Vortrefflichkeit irgend einer Religion zu überzeugen, sei es ratsam, Abgesandte nach den Nachbarstaaten reisen zu lassen, damit diese an Ort und Stelle durch den Augenschein die beste Religion kennen lernen. Dieser Rat gefiel. Die Uferstaaten des Schwarzen Meeres sahen das seltene Schauspiel, wie russische Barbaren aus Kiew auf die Entdeckung einer ihnen zusagenden Religion ausgingen. Wahrscheinlich betrieben diese Abgeordneten nebenbei das Geschäft der Kundschafter. Auch nach dem Gebiete des jüdischen Chagan David, dessen Residenz Sepharad genannt wurde, waren sie gekommen (987)66. Aber das griechische Bekenntnis trug den Sieg über das Judentum, den Islam und den römischen Katholizismus67 [389] davon, weil die Verbindung mit dem byzantinischen Reiche der noch nicht konzentrierten russischen Macht die meisten Vorteile verhieß Wladimir und die Russen schlossen sich der griechischen Kirche an, der Großfürst erhielt eine byzantinische Prinzessin zur Frau, und der byzantinische Geist wurde seit dieser Zeit in Rußland herrschend.

Der jüdische Chagan David, der letzte, von dem die Geschichte Kunde hat, war so eifrig dem Judentume zugetan, daß er einen Boten nach Persien, dem Sitze jüdischer Gelehrsamkeit, in demselben Jahre, in dem die russischen Abgeordneten an seinen Hof gekommen waren, sandte, um alte Bibelrollen aufzusuchen und zu erwerben. Dieser Bote Abraham ben Simcha reiste über Isfahan nach Susa und fand dort eine seltene Thorarolle, welche die jüdische Gemeinde von Susa wegen ihres Alters so hochschätzte, daß sie sie nicht veräußern mochte68. Nicht lange sollte das Judentum einen, wenn auch beschränkten, politischen Boden haben. Die letzte Stunde des jüdischen Chazarenstaates in Taurien hatte geschlagen. Einer von Wladislaws Söhnen, Mjetislaw, dem der Vater das Gebiet von Tamutarachan (Matarcha, Taman) zu Lehen gegeben, hatte ein lüsternes Auge auf die gegenüberliegende Halbinsel geworfen. Der byzantinische Kaiser Basilius II. ermunterte ihn zu deren Eroberung und stellte ihm ein Hilfsheer. Die Russen, mit den Byzantinern vereint, besiegten hierauf die Chazaren. Der christliche Chagan Georgius Tsulu geriet in Gefangenschaft, und das jüdische Chaganat erlitt sicherlich auch zur selben Zeit seinen Untergang (1016)69. Die jüdisch-chazarischen Prinzen entflohen nach Spanien, und ihre Nachkommen, die in Toledo wohnten, pflegten das Talmudstudium70.

Chazarische Juden behaupteten sich übrigens noch lange auf der Halbinsel Taurien, die in den Besitz der Griechen kam, und bildeten eine eigene Gemeinde (Kehal Chazar)71 neben einer griechischen Gemeinde (Kehal Gregas). Volksstämme jener Gegend übertrugen den Namen Chazaren auf die Juden überhaupt und nannten die letzteren durchweg Ghyssar72. Da die Karärer auf [390] Taurien zahlreich vorhanden waren, so nahmen die chazarischen Juden nach und nach das Karäertum an73. Am Ende des elften Jahrhunderts bestand bereits eine jüdische Gemeinde in der russischen Hauptstadt Kiew, wahrscheinlich aus der Krim eingewandert, und bewohnte eine eigene Straße. Die Juden wurden wahrscheinlich von dem Großfürsten Swiatopolk wegen ihrer Brauchbarkeit für Gewerbe und Handel, wofür die wilden, kriegerischen Russen keinen Sinn hatten, herangezogen und begünstigt74. Es läßt sich aber nicht ermitteln, ob die ersten jüdischen Gemeinden in Rußland zu den Rabbaniten oder Karäern gehörten75.

Je weiter sich die Karäer ausbreiteten, desto mehr kamen sie mit ihrem Grundprinzip in Widerspruch und arge Ratlosigkeit. Zwei Punkte waren es namentlich, die ihnen große Verlegenheit bereiteten: der Festkalender und die Verwandtschaftsgrade betreffs Zulässigkeit einer Ehe. In Palästina, ihrem Ursitze, bestimmten sie die Neumonde, Schaltjahre und Feste nach der Beobachtung des Neumondes. Die auswärtigen Gemeinden hatten aber kein Mittel, die Festeszeit richtig zu treffen, die babylonischen, morgenländischen und sicherlich noch mehr die weit ab im Norden wohnenden karäischen Gemeinden waren daher genötigt, die Feiertage ihrer Gegner mitzufeiern, und sogar den zweiten Feiertag zweifelshalber gut zu heißen. Einer ihrer Autoritäten in dieser Zeit, Schaïch Abu-Hischam Leviha-Levi, der Sohn Jephets (o. S. 321), gab den entfernten Gemeinden den Rat, zwei Feiertage hintereinander zu beobachten: »denn besser sind zwei als einer«76. Es entstand sogar deswegen eine Spaltung im Karäertum, indem die Palästinensischen sich von den Morgenländischen trennten77. Vergebens verpflichteten sich die Brautleute am Hochzeitstage, die Vorschriften des Karäertums zu beobachten und die Feste nach der von Palästina ausgehenden Weisung zu [391] feiern78. Es war eine Unmöglichkeit geworden. Der zweite Punkt, die weitgehende Ausdehnung der Blutsverwandtschaft (o. S. 228 f.), erschwerte in kleineren karäischen Gemeinden das Schließen einer Ehe ungemein, indem die Gemeindemitglieder unversehens in ein verwandtschaftliches Verhältnis zueinander traten. Die von Joseph Roëh eingeführte Erleichterung (o. S. 290) fand keinen Anklang. Wie Jephet ben Ali und Abulsari Sahal, so hielten ihre Nachfolger an dem starren System der Übertragung (Rikkub) fest79.

Die karäischen Autoritäten am Ende des zehnten und im Anfang des elften Jahrhunderts waren: Joseph ben Jakob Alkarkassani80 und die zwei Söhne Jephets, der schon genannte Levi ha-Levi und der andere mit Namen Saïd. Diese hatten sich sämtlich von der philosophischen Forschung abgewendet und erkannten ihr keine Berechtigung in religiösen Fragen zu. Saïd ben Jephet verwarf sogar die von den älteren karäischen Lehrern festgehaltene Regel der vernunftgemäßen Auslegung der Schrift. Dem Verstande, meinte er, dürfe keine Stimme eingeräumt [392] werden; denn er verbiete manches, was das Gesetz gestatte, und gestatte, was das Gesetz verbiete81. Joseph Alkarkassani82 (um 970-1000) aus Circesium am Euphrat, der auch in Ägypten lebte und liturgischer Dichter war, verfaßte einen Kommentar zum Pentateuch und ein Gesetzbuch: Wurzel der Religion (S. Bereschit, Ussul-al-Din). In betreff der rituellen Bestimmungen war er von äußerster Strenge. Er hielt an dem System der weitausgedehnten Verwandtschaft fest und behauptete, der Genuß einer Speise, die durch eine religiöse Übertretung erzeugt worden, sei streng verpönt83. Jephets Sohn, Levi ha-Levi, verfaßte (1007) ein Werk über die religiösen Pflichten des Judentums (S. ha-Mizwot), und sein Bruder Saïd ergänzte es später84. Die zahlreichen Schriften über die gesetzlichen Themata, welche seit Anan erschienen waren, genügten noch immer nicht, weil mit jeder Generation, ja mit jedem karäischen Gelehrten, neue Schwankungen und Ungewißheiten im Karäertum hinzukamen. Abu-Hischam Levi ha-Levi konnte mit seinem neuen Werke das Grundübel ebensowenig heilen, wie seine Vorgänger und Nachfolger. Er stellte nur die verschiedenen Meinungen nebeneinander und entschied sich bald für die eine und bald für die andere. Das Karäertum vergegenwärtigt das Jammerbild vom Welken vor der Blüte, das talmudische Judentum dagegen glich einem alten Kernstamme, der an seiner Krone frisches Laub und duftende Blüten treibt und in seinem Innern immer neue Jahresringe ansetzt. Es entwickelte sich aus ihm heraus ein neuer Knotenpunkt einer reichen, mannigfaltigen Epoche, die den, wenn auch von mancher Seite belächelten, Namen: die rabbinische tragend, darum nicht weniger glanzvoll ist. Die Sonne der jüdischen Geschichte ging im Osten unter, um im Westen strahlender aufzugehen.


Fußnoten

1 [Der Verfall des Gaonats ist, außer durch den Mangel an Subsistenzmitteln, wie manche Funde aus der Geniza erweisen, besonders auch aus den allgemeinen politischen Verhältnissen zu erklären, die auch das Kalifat in jener Zeit erschütterten; vgl. Harkavy bei Rabbinowitz a.a.O., S. 359, Anm. 103.]


2 Abraham Ibn-Dauds Nachricht, daß Scherira 100 Jahre alt geworden, scheint auf einer Korruptel in seinem Original zu beruhen; denn dann wäre er, wenn 898 geboren, zur Zeit seines Amtsantritts i.I. 968, ein Siebziger gewesen; aber ein Jahr nach seinem Gaonatsantritt wurde ihm erst sein Sohn Haï geboren. Es ist aber nicht wahrscheinlich, daß er erst im einundsiebenzigsten Jahre seinen Sohn gezeugt hat [Die Angabe Abraham Ibn Dauds ist doch gerechtfertigt; vgl. Harkavy und Rabbinowitz a.a.O.].


3 Abraham Ibn-Daud.


4 [Dieses Urteil ist doch etwas einzuschränken.]


5 Aboab Einleitung zu Menorat ha-Maor. [Das Werk behandelt die talmudischen Agadoth. Erwähnenswert ist sein, auch von Abraham Ab-beth-Din im Eschkol, ed. Auerbach, Halberstadt 1868 T. II, S. 47, zitierte Ausspruch, daß nicht alle Agadoth Anspruch auf Beachtung haben; vgl. auch Weiß a.a.O. S. 171. Von Scherira haben sich auch eine Anzahl von Worterklärungen bei Späteren erhalten; vgl. Steinschneider a. a O., S. 98, Anm. 3.]


6 Resp. Schaare Zedek, S. 26b., Nr. 29.


7 Dieses Scherirasche Responsum findet sich in Resp. Schaare Teschubah Nr. 122. S. Sachs hat es neuerdings aus einer korrumpierten Handschrift abgedruckt (Hatechija S. 41) und richtig nachgewiesen, daß es an die Gemeinde von Fez gerichtet war (das. S. 44 f.) [Vgl. jeooch die Rechtfertigung Scheriras bei Harkavy, Einleitung zu T'schuboth Hageonim (Studien und Mitteilungen Th. IV) S. XVI ff. und S. XXVIII ff.]


8 Abraham Ibn-Daud nennt die Familie des Jakob ben Nissim mit dem Namen Ibn Schahin oder Schahun, vgl. Rapoports Biographie des R' Nissim Note 2 und 6. Die Pariser und die de Rossische Handschrift nennen sie Ben Joschijah, im Eingange zu Scheriras historischem Responsum. [Der Familiennamen war Ibn Schahîn (Falke); Joschija war der Name des Großvaters; vgl. jetzt Poznaṅskis Studie über Kajruân Nr. 26.]


9 [Haï war damals schon 48 Jahre alt; vgl. auch Harkavy bei Rabbinowitz S, 361, Anm. 106.]

10 Herr Prof. Luzzatto teilte mir brieflich eine sehr einleuchtende Emendation für den unverständlichen Satz bei Abr. Ibn-Daud in betreff Scheriras mit. Statt תחא ודיב ארירש 'ר הלתנו, müßte es heißen: ... ש'ר הלתנו תחא השא ידיב. Die Phraseologie: 'ב הלתנ oder ידיב kommt öfter bei diesem Chronographen vor in der Bedeutung: »sich auf jemanden stützen«, »von jemandem protegiert werden«. Ich halte diese Diorthose und Erklärung für durchaus sinngemäß. [Als bessere Lesart schlägt Weiß a.a.O. S. 174 nach Jakob Bachrach vor: דימ הלחנו, d.h. Scherira erkrankte und starb alsbald. Ebenso liest Biesenthal in der Einleitung zu seiner Edition von David Kimchis Wörterbuch (Berlin 1847), S. XLVIII Anm. 2, der es jedoch so auffaßt: er erkrankte an der Hand infolge der Fesselung.]


11 Vgl. Harkavy in Frankel-Graetz Monatsschrift 1883, S. 183.


12 [Vgl. jedoch oben, Anm. 1.]


13 Abudirham ed. Ven. p. 70 c.


14 [Es hat aber doch eine Hochschule in Palästina bestanden, deren Leitung ungefähr in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts von den Hilleliden auf eine Priesterfamilie überging. Die Leiter nannten sich zunächst Ab-beth-Din. Deren erster war wohl im Jahre ca. 960 Joseph ha-Kohen. Um diese Zeit richteten die Juden des Rheinlands eine Anfrage an die palästinensische Akademie, wie aus einem mehrfach überlieferten Bericht des in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts lebenden Isaak Dorbelo hervorgeht; vgl. Büchler in RÉJ. XLIV, S. 237 ff. Über die palästinensische Akademie und ihre Anfänge vgl. besonders Epstein in der Monatsschrift, Jahrg. 1903, S. 340 ff., Poznaṅski in RÉJ. XLVIII, S. 151 ff. Wir wissen ferner aus der genannten Achimaaz-Chronik, daß Al-'Aziz, der 975 gestorben ist, den aus Oria stammenden Paltiël mit einer hohen staatlichen Würde betraut hat; vgl. Poznaṅski a.a.O. S. 135.]


15 Bar-Hebraeus Chron. syriacum p. 240. [Vgl. Poznaṅski a.a.O. S. 149.]


16 [Vgl. über ihn I. Müller a.a.O. und Steinschneider § 73, S. 11 f.]


17 Vgl. über seine Poesieen Sachs' Religiöse Poesie der Juden in Spanien S. 248 ff., Kobez Maasse Jede Geonim II, 18 ff. 87, Landshut Ammude ha-Aboda 92 f.


18 Fälschlich nehmen einige an, Ibn Abitur habe den ganzen Talmud ins Arabische übersetzt. Die Hauptquelle, Abr. Ibn Daud, spricht nur von den sechs Ordnungen scil. der Mischnah. [Ibn Daud spricht von einer Erklärung des ganzen Talmud, vgl. ed. Neub. S. 69.]


19 [Die Erkenntnis dieses Systems läßt sich schon bei Dunasch ben Labrat nachweisen, wie aus meiner obenerwähnten Abhandlung über ihn in der Monatsschrift 1902, S. 72-75, hervorgeht. Chajuǵ war jedoch der erste, der die neue Theorie nach arabischem Vorbild in ein System brachte.]


20 Vgl. Ewald und Dukes Beiträge Heft III, und Munk, Notice sur Aboulwalid p. 64 f., neuerdings 1870 neu ediert von John W. Nutt. [In Ewalds und Dukes' Beiträgen sind Chajuǵs' Werke in der Übersetzung Abraham Ibn Esras ediert, von Nutt in der Übersetzung Mose Ibn Chiquitillas, wo auch das Kitâb-al-Tankît = דוקנה 'ס im arabischen Original gegeben ist; dasjenige der beiden ersten Werke hat M. Jastrow, Leyden 1897 veröffentlicht. Chajuǵ verfaßte auch ein von Abraham Ibn Esra als המקרה 'ס bezeichnetes Werk, von dessen arabischem Original, ףתנלא באתכ, sich Fragmente in Petersburg finden. Es ist eine Erklärung der in den grammatischen Abhandlungen nicht behandelten Worte nach der Reihe der biblischen Bücher. Vgl. Steinschneider a.a.O. § 75, S. 118-119.]


21 Vergleiche der Kürze wegen die Quellenangabe bei Dukes Nachal Kedumim p. 9, 10. [Vgl. über diese Steinschneider a.a.O. §§ 78 und 79, S. 120-122, und Poznaṅski, Zur jüdisch-arabischen Literatur, S. 60-61].


22 Abraham bar Chijja Sefer ha-Ibbur II, p. 54; III, 5, p. 95; Isaak Israeli, Jessod Olam (ed. Berlin, 1848), T. II, p. 286; Obadja ben David Kommentar bei Maimunis Kiddusch ha-Chodesch VII. 1. [Vgl. Steinschneider a.a.O. § 74, S. 117-118.]


23 [Vgl. jedoch Abraham Ibn Daûd, ed. Neubauer S. 68: הלודג אקיספ להקה לכ ול ושעו.]


24 Abraham Ibn Daud; über das Chronologische vgl. Note 21, I.


25 [Vgl. zu S. 372 Anm. 3.]


26 Abraham Ibn Daud.


27 Abraham Ibn Daud.


28 Ibn G'anach, Rikmah, ed. Kirchheim, p. 122.


29 Ders. bei Munk Notice sur Aboulwalid p. 79, Note und Abraham Ibn Daud.


30 Abraham Ibn Daud.


31 [Vgl. jedoch Rabbinowitz S. 370 Anm. 2.]


32 Abraham Ibn Daud.


33 Abraham Ibn Daud.

34 Richeri historia bei Pertz monumenta Germaniae II, 657.


35 Bouquet, recueil XII, p. 215.


36 Ademar Cabanensis, chronicon ad annum 1010, bei Pertz, monum. Germ. VI, 137.


37 Vaisette, histoire de Languedoc, II, 381, 387, 442. Preuves 101, 214, 330; III. Preuves 49, 121, 137.


38 [Vgl. jedoch die Bemerkung zu S. 327.]


39 Elieser ben Nathan, Eben ha-Eser 92 c., 116s; Responsa R. Meïr Rothenburgs, Nr. 104.


40 Raschi Pardes 19c. Responsa Sichron Jehudah ed. Berlin 1846. Nr. 92, p. 51 b. f. [Vgl. auch Caro in der Monatsschrift Jahrg. 1904, S. 581.]


41 Leuber, stapulae Saxonicae, Nr. 1191. [Vgl. jedoch Regesten Nr. 129.]


42 Dithmar von Merseburg Chronik, bei Pertz monumenta V, 758. [Das Datum ist 973; vgl. Regesten Nr. 132.]


43 Daselbst III, 12 bei Pertz a.a.O. 765. Die Quelle berichtet deutlich, daß Kalonymos ein Freund des Kaisers und auf dessen Rettung bedacht war. Imperator effugiens ... vidensque a longe navim, Salandriam nomine, Calonimi equo Judaei ad eam properavit, sed ea praeteriens suscipere hunc recusavit. Ille autem (imperator) littoris praesidia petens, invenit adhuc Judaeum stantem seniorisque dilecti eventum sollicite exspectantem. Schlosser hat dieses Faktum (B. VI, S. 115) entstellt, als wenn Kalonymos erst durch Aussicht auf Gewinn den Kaiser ins Schiff aufgenommen hätte. [Vgl. die Berichtigung in Regesten Nr. 136, wonach ihn kein Schiff aufnehmen wollte und auch Zeitschr. f. Gesch. d. Juden in Deutschland, Ihrg. I, S. 157 fg.]


44 [Vgl. den oben S. 369 Anmerkung 2 erwähnten Vericht des Isaak Dorbelo, wonach die rheinischen Juden u.a. wegen Ankunft des Messias und wegen ritueller Angelegenheiten in Palästina anfragten.]


45 Nach Handschriften mitgeteilt von Goldberg in Kerem chemed von S. Sachs Jahrg. VIII. S. 106. [Nach Rosenthal, die Tekamot des R' Gerschom, in der Festschrift für Hildesheimer, Berlin 1890, S. 38, Anmerkung 1, starb R' Gerschom 1040. Über seine Herkunft und das Todesjahr vgl. auch Groß, Gallia judaica (Paris 1897.) S. 299.]


46 Daß R' Gerschom aus Frankreich stammte, dafür sprechen die französischen Wörter, deren er sich in seinen Kommentarien bediente. Vgl. darüber die Bruchstücke aus seinem Kommentar zum Traktate Baba Batra, mitgeteilt von Luzzatto Orient. Litterbl. Jahrg. 1847 col. 564 f. Auch sein Bruder Machir bedient sich des Französischen; vgl. Rapoport, Biographie des Nathan Romi, Note 12. – Herr Reifmann hat unwiderlegbar nachgewiesen, daß der unter Raschis Namen eingeführte Kommentar zum Traktat Moëd Katon R. Gerschom angehört (Frankels Monatsschrift, Jahrg. 1854, S. 230 f.) Auch dieser enthält französische Phrasen. Mit Recht nennt daher Zakuto R. Gerschom einen Franzosen in Deutschland: יתפרצ זנכשא ץראב (ed. Filipowski S. 212.)


47 Vgl. Raschis Responsum, mitgeteilt von Luzzatto im Ozar Nechmad, Jahrg. IV, S. 175.


48 [Es ist fraglich, ob die in der großen Wilnaer Talmudausgabe den Namen R. Gerschoms tragenden Kommentare wirklich ihm angehören, wie Brandin in RÉJ. XLII. S. 237-38 auf Grund der fremdsprachlichen Wörter schließen will, oder vielmehr nur aus den Lehrhäusern seiner Schüler hervorgegangen sind, wie Epstein in der Festschrift für Steinschneider, bes. S. 130-132, aus inneren Gründen erweist. R. Gerschom sorgte auch für korrekte Talmudexemplare und beschäftigte sich eifrig mit massoretischen Studien. Vgl. hierüber Weiß a.a.O. S. 314-315, Graetz in der Monatsschrift 1887 (S. 1-37), der ihm das Sammelwerk Ochlah w'Ochlah zuschreibt, und Groß a.a.O. S. 303.]

49 [Seine Responsen sind gesammelt bei I. Müller: ריתולו תפרצ ימכח תובושת, Wien 1881, S. 47 a.–59 b.]


50 Die Zahl der Verordnungen des R. Gerschom kann nicht kritisch ermittelt werden. Im Kolbo gegen Ende (Nr. 116) und am Ende der Responsen des R. Meïr Rothenburg heißt es zwar in der Überschrift, Tekanot di R. Gerschom, ebenso in einem Machsor-Manuskript der Breslauer Seminarbibliothek vom Jahre 1391 (Hs. Nr. 40 Vl. 309), allein bei näherer Einsicht ergibt sich, daß die wenigsten R. Gerschom angehören. Sicherlich stammt von ihm die Verordnung über Bigamie (Respons. Joseph Colon Nr. 101 Ende, Kolbo l.c. und Estori Parchi Kaftor, c. 10), ferner über die Einwilligung der Frau zur Scheidung (Ascheri Responsa K'elal 43, Nr. 8.)


51 Vgl. darüber Tanna de Be Eliah maj. c. 18 p. 51, Respons. Alfaßi Nr. 185, woraus hervorgeht, daß Bigamie in Spanien noch um 1100 vorkam. [Vgl. jedoch Harkavy bei Rabbinowitz, S. 376, Anm. 111.]


52 [Über die Tekanot des R. Gerschom, für die auch die Responsen des Mose Minz eine Hauptquelle sind, vgl. Rosenthals, S. 382, Anm. 2, genannte Studie a.a.O. S. 37-53. Darnach hat R. Gerschom wohl auch eine Verordnung erlassen gegen den Mißbrauch, wegen einer Rechtsverweigerung den Gottesdienst aufzuhalten, oder die Synagoge zu sperren.]

53 Vgl. über ihn Note 22. [Vgl. auch Zunz, Literaturgeschichte der synagogalen Poesie, S. 111-115 und S. 235-238.]


54 Vgl. dieselbe Note.


55 Bei Pertz monumenta II, 23. VI, 704. 720.


56 Note 22.


57 Nach Zunz' Übersetzung: synagogale Poesie 175. [Desselben Literaturgeschichte S. 238-239.]


58 Über R. Gerschoms Selichot vgl. Landshut, Ammude ha-Aboda S. 57.


59 [Über diese Vermutung vgl. Regesten Nr. 144 Ende.]


60 [Vgl. Regesten Nr. 145.]


61 [In demselben Jahre, in dem die Verfolgung stattfand, wurde in Köln die erste Synagoge erbaut; vgl. Regesten Nr. 146.]


62 Jephet ben Alî bei Pinsker, Likkute, p. 82.


63 Makrizi bei de Sacy, Chrestomathie arabe, I, 97 und histoire des Druses. Bar-Hebraeus, Chronicon Syriacum, 215 f. Assemani, bibliotheca Orientalis, dissertatio de Syris Nestorianis, III, 2, pag. 101.


64 Saadia Ibn Danan in Edelmanns Chemdah Genu sah, p. 16. Die Notiz bezieht sich wahrscheinlich auf Hakims Verfolgung.


65 [Die Bulgaren bekannten sich damals zum Islam; vgl. Harkavy bei Rabbinowitz, S. 380 Anm. 112. Auch die Gesandtschaft aus Bagdad ist nirgends nachzuweisen.]


66 Note 23. [Dieser Bericht beruht auf einer Fälschung von Firkowitz; vgl. Harkavy a.a.O. Anm. 113.]


67 [Vgl. oben.]


68 Note 23. [Dies beruht gleichfalls auf einer Fälschung; vgl. Harkavy a.a.O. S. 382 Anm. 114.]


69 Cedrenus, historiarum compendium, II, 464.


70 Abraham Ibn Daud vgl. Note 23.


71 Pinner Prospektus der Manuskripte der Odessaer Gesellschaft S. 7, 11, 12, 29.


72 D'Hosson, peuple du Caucase, gegen Ende.


73 [Nach Harkavy a.a.O. S. 382 Anm. 115 waren die ersten Judengemeinden auf der Halbinsel Krim, wie auch in Rußland überhaupt, nur rabbanitisch.]


74 Karamsin, Geschichte Rußlands in deutscher Übersetzung II, 118. Strahl, Geschichte der russischen Kirche I, S. 131. [Hierüber vgl. auch Harkavys in dem Januarheft der russischen Zeitschrift W'schod, Jahrg. 1881, erschienene Abhandlung: Russen und Rußland in der hebräischen Literatur.]


75 [Vgl. Anm. 1.]


76 Levi ha-Levi, zitiert bei Pinsker, Beilage S. 89 f., und Hadassi, Eschkol Nr. 187.


77 Levi ha-Levi das.


78 Hadassi, Eschol ha-Kofer, Nr. 10.


79 Vgl. darüber bei Pinsker, S. 66 Note.


80 Vgl. RÉJ. V, 209. [Diesen Autor hat der Verfasser, wie Harkavy a.a.O. S. 383 Anmerkung 117 bemerkt, mit Joseph ha-Roëh verwechselt. Der Vorname von Kirkissani ist Jakob. Er lebte aber im 10. Jahrhundert und hat als jüngerer Zeitgenosse Saadjas gegen diesen polemisiert. Er verfaßte im Jahre 936-937 ein zweiteiliges Werk: Kitâb al-Riâdh w'al Hadaîk »Buch der Gärten und Paradiese,« als Pentateuchkommentar, und Kitâb al-Anwâr w'al Marâkib, »Buch der Aussichtstürme,« das für die Sektengeschichte von großem Werte ist, und wovon Harkavy in den Memoiren der orientalischen Sektion der archäologischen Gesellschaft in St. Petersburg, Jahrg. 1894, einiges veröffentlicht hat (vgl. auch seine Beigabe zu Rabbinowitz Bd. III., S. 493 ff.) Kirkissani gehört zu den einsichtsvollsten, dem Rabbanitentum und den Schwächen seines Bekenntnisses mehr Verständnis entgegenbringenden Karäern. Über sein Kitâb al-Anwâr vgl. Poznaṅski in der Festschrift für Steinschneider, S. 194 bis 218, und in Semitic Studies in Memory of Alexander Kohut, S. 435 bis 456, ferner Steinschneider a.a.O. § 43, S. 79-81, Poznaṅski in JQR. XVIII, S. 216-219 betreffs seiner ruhigen Polemik, und in ZHB, Jahrg. III., 175. Über die Schreibung seines Namens Karkaßani und seine Herkunft aus Karkaßan, vgl. Harkavy in Hagoren VI, S. 29. Das vom Verfasser S. 393 erwähnte Sefer Bereschith ist wohl das Bereschith Rabba des im 11. Jahrhundert in Jerusalem wirkenden Jeschua ben Jehuda; vgl. über ihn Poznaṅski in JQR. XIX, S. 65-70, – und Schreiner, Studien über Jeschua ben Jehuda, Beilage zum Jahresbericht der Lehranstalt u.s.w., Berlin 1900.]


81 Hadassi das. Nr. 168.


82 [Vgl. S. 392, Anm. 3.]


83 Bei Pinsker S. 85, 192, 200.


84 Das. 87 ff., 182. [Über Levi ha-Levi vgl. Steinschneider a.a.O. S. 85, nach dem Levi und Saïd identisch sind, indem die sogen. Kunja des ersteren »Abu Saïd« war, und Poznaṅski in JQR. XIX, S. 59-63.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1909, Band 5, S. 394.
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