5. Die Juden Palästinas in der vorislamitischen Zeit.

[407] Während Scherira über die Juden Babyloniens einige, wenn auch dürftige Nachrichten aus der Zeit zwischen dem Abschluß des Talmud und der Entstehung des Gaonats überliefert hat, verlautet über Judäa in dieser Zeit auch nicht ein Wort. Nur aus externen Quellen wissen wir, daß Juden zu dieser Zeit in Palästina wohnten. Diese zerstreuten Nachrichten sollen hier zusammengetragen werden. – Daß Juden in Tiberias, dem Hauptorte der talmudischen Zeit, zahlreich wohnten, erfahren wir aus den christlichen Chronographen [407] Eutychius oder Ibn-Batrik (10. Saeculum; Annales, ed. Pococke, V, II, p. 212, 220, 240). Theophanes nennt einen einflußreichen Juden Benjamin von Tiberias aus dem Anfang des siebenten Jahrhunderts (vgl. weiter). Tiberias war noch im sechsten Jahrhunderts religiöser Mittelpunkt. Das folgt aus dem Sendschreiben des Bischofs Simeon von Bet-Arscham an Simeon, Abt von Gabula (in Assemani, biblioth. orientalis, I, 379). Als der jüdisch-himjaritische König Dhu-Nowas die Christen von Naǵaran bekämpfte, forderte der genannte Bischof die Christen in Palästina auf, daß die Führer des Judentums in Tiberias gefoltert und gezwungen werden sollten, den jüdischen König zu bedeuten, die Christenverfolgung in Himjara einzustellen. Der syrische Text lautet: ןוצלאתנו סוירבטבד אידהיד אינהכ ישיר ףא ןד ןוכבלתנו איפודרו אנוגא לטבנד יזחתאד איידוהי אכלמ אנה תול ןורדשנד אירימה תיב ןמ. Der Einfluß der tiberiensischen Gemeinde muß sich also so weit erstreckt haben, daß der Bischof voraussetzen konnte, der himjaritische König würde einer Mahnung von dort aus Folge leisten. Ein Jahrhundert später hatte Tiberias noch dieselbe Bedeutung; denn der Mönch vom Berge Sinaï, der zum Judentume übergehen wollte, begab sich 514 über Noara nach Tiberias, um dort sein jüdisches Bekenntnis abzulegen: Fuit in monte Sina monachus et in cellula multos vixit annos. Vidit turbam apostolorum et martyrum densissimis tenebris ... a parte opposita Mosem, prophetas et omnem populum judaeum splendida luce conspicuos. ... In Palaestinam pervenit rectaque contendit in Noaraet Libyadem (l. Tiberyadem), asyla Judaeorum, accepit uxorem, propugnator factus judaïcae superstitionis, Judaei eum secundum vocant Abraham (Antiochii homilia 84 in maxima bibliotheca patrum, ed. Lugd., T. XII, p. 265). Von den Juden in Cäsarea und Neapolis (Sichem) sprechen Malalas und Theophanes, von denen in Nazareth der schon genannte Ibn-Batrik, sowie auch von denen in Galiläa im Anfang des 7. Jahrhunderts: ןמ דוהילא הלוח אמו הרצאנלאו לילגלא לבגו הירבט (das. II 213, 241). In Jerusalem selbst scheinen aber keine Juden ge wohnt zu haben; denn Ibn-Batrik spricht nur von Juden um Jerusalem: סדקמלא תיב לוח ידלא דוהילא (242, zweimal). Das ist alles, was man von dem Aufenthalt der Juden in Palästina aus dem sechsten und siebenten Jahrhundert weiß.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1909, Band 5, S. 407-408.
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