5. Die Rabbinersynoden im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert und einige damit zusammenhängende Facta und Data.

[425] Wegen des vorherrschenden Charakters der Verfolgung und des grauenhaften Märtyrerthums in der mittelalterlichen Geschichte der Juden hat man den inneren Vorgängen weniger Aufmerksamkeit geschenkt und sogar manche wesentliche Erscheinung ganz übersehen. Dazu gehört besonders das Vorkommen von Rabbinersynoden in Deutschland, die von Zeit zu Zeit veranstaltet wurden, um gemeinnützige Anordnungen zu treffen oder Gefahren vorzubeugen und abzuwenden. Freilich ökumenische Synoden konnten die zerstreuten, durch so vieler Herren Länder von einander getrennten Juden nicht zu Stande bringen. Sie hatten daher lediglich den Charakter von Provinzialversammlungen. Diese Rabbinerversammlungen vergegenwärtigen die innere Bewegung und verdienen daher um so mehr eine eingehende Behandlung, als sie manche Facta beleuchten und Anhaltspunkte für dunkle Data abgeben.

Der Brauch hatte bereits eine gewisse Procedur fixirt, wie solche Synoden beschickt, und wie ihre Beschlüsse den Gemeinden bekannt gemacht wurden. Der angesehenste Mann, wohl meistens der geachtetste Rabbiner eines Kreises oder einer Provinz, forderte die größeren und kleineren Gemeinden auf, Deputirte zur Synode nach einem bestimmten Orte zu delegiren, und die Beschlüsse wurden veröffentlicht. Eine Notiz giebt das Verfahren an; in einem Responsum der Responsensammlung des Mose Menz (Edition Krakau 1617) No. 63, 3 p. 83 a: םהמע סינכהל םיצור םא רדגמל םהיתוביבס רשא םיבושיה תונקתה ללכב (תולהקה םע) דחי םיצבקנו דעומ םוי םיעבוק וא םיבר ךרוצ אוהש אתלמ תינקתה ללכב ויהיש (?)םש םיצפחש םיבושיהו תולהקה םיחלושו תונקתה םינקתמו ריע לכמ השלש וא םינש םיחלושו ועדיש םיברל תוזרכהב םתוא םיארוקו תוביבס לכל תורגא םהב רחזיל. Ueber einige solche partielle Rabbinersynoden sind noch Nachrichten vorhanden.

[425] 1) Eine Rabbinersynode in Mainz im Jahre 1381 (Respp. das. No. 10, p. 18 b, c): die Ueberschrift lautet: תנש השדחתנש (ץנעמ שימריו אריפש) ם"וש תולהק תנקת טרפל א"מק, und der Schluß: בא ו"ט 'ב םויב ונמכסה ךכ ץנעמ להק טרפל א"מק. Die Beschlüsse dieser Synode sind unerheblich. Hauptsächlich betreffen sie die Erneuerung jener Bestimmungen, welche die Synode von םו"ש d.h. Speier, Worms, Mainz, in Betreff der Lösung einer Leviratsehe und der Auseinandersetzung wegen der Hinterlassenschaft zwischen der Wittwe und dem Levir (םבי) vereinbart worden waren. Von den Unterzeichneten ist nur ein einziger erwähnenswerth: ןילומ יולה לאיתוקי רב השמ, ohne Zweifel der Vater des Jakob Möllin (לי"רהמ); die übrigen Namen sind unbekannt. Ganz zum Schlusse heißt es: יתייה םג םותחח ןהכה לאומש 'ר שודקה ןב ריאמ םאנ הזה דעוב .ןיזיוהטרונמ

2) Von einer Synode in Weißenfels 1386 berichteten zeitgenössische Chroniken bei Schudt: Jüdische Merkwürdigkeiten II, S. 80 und bei Sidoni (Dr. Kaim) Geschichte der Juden in Sachsen, S. 26: »Anno 1386 hielten die Juden einen gemeinen Tag zu Weißenfels in Meißen. Dahin zogen die Juden aus allen Landen, als die Mönch pflegen zu dem Capitel zu thun A.«

3) Eine Synode in Erfurt erwähnt Isserlein in תמורת ןשדה No. 24 der םיבתכו םיקספ bei Gelegenheit des Ritus, wie sich die Ahroniden bei einem Leichenbegängniß zu verhalten haben: םיעבראל בורק אוה הז יכ ,לכיא ר"רהמ םינקז 'ה םש ויהו טרופראב דעווה םוי היהש הנש ץ"כ םהרבא ר"רהמ היקזחי רר"המ ןתנ ר"רהמ ,ןמפיל ר"רהמ ירעשב ואצי אל םינהכהש) םירבדה ולא ושדחתנ םשו ל"ז ןתואל הצוח תמה רבעש דע תורבקה תיב רעשו ריעהו תוריצחה .ארגיאב יל דגוה ךכ .(םירעשה

Das Datum läßt sich ungefähr bestimmen. Isserlein wußte davon nur durch Hörensagen; Jakob Weil, zwischen 1430-1450 Rabbiner von Erfurt, wird nicht dabei genannt. Die Synode muß also lange vor 1430, ja vor 1427, dem Jahre, in welchem Isserlein bereits Rabbiner war, stattgefunden haben. Wenn man die 40 Jahre etwa von 1440-50, in welcher Zeit das Responsum erlassen sein kann, abzieht, so würde sie um 1400 oder 1410 stattgefunden haben. Von den dabei genannten Rabbinen ist keiner bekannt; ןמפיל 'ר könnte vielleicht Lipmann von Mühlhausen sein.

4) Eine Synode von Nürnberg unbestimmten Datums kommt bei Jakob Weil vor (Respp. No. 101): :ןהמ תחא וזו הברה תונקת וננקית קרעבנרונב איפונכב ונייהש וניד לעב זא זנכשא ןושלב ןועטל הצור ןינידה ילעבמ דחא םא זנכשא ןושלב ןועטל אוה םג ךירצ. Das. No. 115: ויהשכ הלוח םשל היהו םשל ןתנ ר"המ םג היהו קרובנרונב םינברה אוהש יל הארנש יתרמאו (תבשב) וכרבל הצור היה ןתנ 'רהמו ירבדל ודוה םש ויהש םידמולה לכו ן"רהמו רוסא. Das. No. 147 wird eine schwere Anklage gegen einen talmudkundigen Simlen von Ulm erhoben, unter Anderem, daß er ein Angeber war, und dabei wird bemerkt: רשא קרוברונר וניתובר ונקתש הונקתה רדמכ ןיד ונממ ועבתו וילע םותח ומצע אוה. Im Verlaufe werden Simlen's Worte angeführt: בותכאו קרובנרונב וניתובר ינפל ונייה רבכ לאדשי ילודג םה יכ םינברה םתוא ינפל םכמע. Diese Synode von Nürnberg fand also während der Blüthezeit des Jakob Weil zwischen 1430 und 1450 statt. Sie scheint zu der Zeit versammelt gewesen zu sein, als Kaiser Albrecht die Juden des deutschen Reiches nach Nürnberg beschied, um Kronengelder aufzubringen. Durch ein Schreiben vom 10. Mai 1438 »hat Albrecht II. die Judenschaft im ganzen Reiche nach Nürnberg beschieden, dieselben nach dem Exempel seiner Vorfahren im Reiche mit einer Schatzung zu belegen, theils zur königlichen Krönung nach Aachen, theils zur andern Nothdurft des Reiches zu gebrauchen«. Würfel, Historische Nachrichten von der Judengemeinde in Nürnberg, S. 95, nach Köhler's Reichshistorie; andere [426] Quellen bei Wiener, Regesten zur mittelalterlichen Geschichte der Juden in Deutschland, I., S. 194, No. 589. Zur Zeit, als Deputirte der Gemeinden nach Nürnberg kamen, um wegen der außerordentlichen Geldleistungen zu berathen, mögen sie auch rituelle und communale Beschlüsse gefaßt haben.

5) Die Synode von Bingen, deren Datum erst ermittelt werden soll, ist deswegen wichtig, weil sie eine große Bewegung unter den rheinischen und deutschen Gemeinden überhaupt hervorgerufen hat und über manche Facta Ausschluß giebt. Die Quellen dafür sind Isserlein ןשדה תמורת Pesakim No. 252, 253 und Respp. Mose Menz No. 63, 1-5, p. 82 f. Die Verhandlungen darüber ergeben, daß der Rabbiner Seligmann Oppenheim13 von Bingen, welcher Lehrer vieler Rabbinen des Rheinlands war, ein anderer Talmudkundiger, Namens Mann, und Deputirte anderer Gemeinden eine Synode nach derselben Stadt ausgeschrieben und dazu den Rabbiner von Köln, Jülich und Geldern, Namens Webes (Febes), eingeladen hatten, um für sämmtliche Gemeinden der Rheingegend verbindliche Beschlüsse zu fassen. Webes hatte als Bedingung für die Betheiligung an der Synode ein bestimmtes Programm gewünscht, Seligmann hatte aber erklärt: Er könne ein solches noch nicht aufstellen. Trotzdem hatte der Erstere seinen Sohn nach Bingen gehen lassen, aber – wie er erklärte – nur aus Courtoisie und nicht um Beschlüsse gut zu heißen. Nichtsdestoweniger hatten Seligmann, Mann und ihre Parteigenossen Beschlüsse gefaßt, welche den übrigen Gemeinden nachtheilig schienen. Der Sohn des Webes erklärte: er habe sie nur gezwungener Weise unterschrieben. Von dem Inhalt dieser Beschlüsse, die so viele Reclamationen, Proteste und Widerlegungen hervorgerufen haben, erfahren wir aus den 7 darüber erlassenen Responsen nichts Bestimmtes. Nur ein einziger Punkt wird hervorgehoben: Die Bingener Synode hatte beschlossen, daß die Interpretation zweifelhafter Verordnungen dem Rabbinen Seligmann zustehen sollte. Damit war nun Webes aus Köln besonders unzufrieden, weil es ihm als ein Eingriff in sein Rabbinenrecht erschien (Isserlein a.a.O. No. 252): יבוהא ?יליוגו (ןרלגו l.) ןרלעגו אינולק ... שדקה תולהק םירקיה ןמפיל 'רה ריבגה וילע םינוחהו שבייו 'ר 'רהמ ףולאה םכישארבו םכילע לבקל רקע לכ וצרתת אל .... ןמשוק יררה ריקיהו 'ררמ בורקמ התע ורזגו ונקתש ונקתש תוריזגהו תינקתה םג יכ ... גניבב םהילע ופסאוש םהימיכסמו ןאמ 'רהמו ןאמקילעז דומעל םילוכי םכירובצ ביר ןיא תונקתב רשא םירבד תצקמ ןושלב אקיפס דלות םאש רזגנו ןקתנ רשא תחא םתטרפו .םהב שרפי ךיליוגו ןרלעג הז ללכב ונייהד תינידמ ראשב תונקתה בתכ ינש ינבל םינינצלו םיכשל אהי וז הנקתו .גניב ןמקילז 'ר םהל יקלתסיש ךדיאו .םיכרדה תנכסו קוהיר ינפמ .... ולא תונידמה לכב רבדו גיהנמ םהל רשא רכזנה שבייו 'רהמ םניד םניד תיבמ םהיכרצ.

Da Seligmann von Bingen nichtsdestoweniger behauptete, die auf dieser Synode gefaßten Beschlüsse seien nicht blos für den Niederrheinkreis (ןותחת לילג), sondern auch für den Oberrheinkreis (ןוילע לילג) unverbrüchlich verbindlich, sodaß deren Uebertreter dem Banne verfallen sollten, so protestirten die Gemeinden von Mainz, Worms, Frankfurt und Oppenheim, daß sie gar keine Kunde von dieser Versammlung gehabt hätten, und die Beschlüsse ohne ihr Hinzuthun für sie ohne Bedeutung wären. Zwei bedeutende Männer und zwar Talmudisten aus Mainz: Nathan Epstein und Mose Menz reklamirten dagegen (Respp. Mose Menz a.a.O. No. 63, 2): ונל ובתכ םימי המכ ינפל רשא ךיא םייולה ץנימ השמ 'רהמו ןייטשפע ןתנ 'רהמ םיפולאה םגו םב דומעל םילוכי רובצה בור ןיאש תולודג תונקה םתנקת .םלבקלו םמייקל םהיתוביבכ לכ לע םישנועו תוריזג םת??ג המכו המכ יתלב םגו םנוצר יתלב ושענ תונקת םתואש ךיא ובתכו טרופקנרו שמריוו ץנגעמ תוליהק םיסנרפו םידבכנ המכנ הלחתמ םיחוצ ללכ םהב סנכיל וצר אל םלועמ רשא םייהנפוא אתנקת ךהב סנכיל וצר אל םו'ה דע םגו ףוס דעו [427] (auch das. 63, 4-6; Isserlein No. 253).

R' Webes protestirte nicht blos für sich gegen die Binger Beschlüsse, sondern ließ auch eine eigene Synode von den Gemeinden der Kreise Köln, Geldern und Jülich zusammentreten, welche sie einstimmig verwarf (bei Mose Menz das. 63, 4): ןיאגה די בתכמ תוביבסה לכמ וילא ףסא .... ול עדונשכ .... כתכש 'רהמ שבייו םתוא םלטבל אלא םלבקל אלש םלכ ומיכסהו תוצרא 'גמ תונקתה. Diese Vorgänge führten zu einem heftigen Conflikt in den rheinischen Gemeinden. Die gegenbingische Partei schlug ein Schiedsgericht von auswärtigen Rabbinen vor, und namentlich die größte Autorität jener Zeit, Israel Isserlein, Rabbiner von Wiener-Neustadt, und ferner die Rabbinate von Regensburg, Nürnberg und Ulm (das. 63, 4): ןנבר ךנהו אניד יתייצו ןנילזא לודגה ןיד תיבל ןירמאו ןיחוצ ... ליעלד ןנבד קרובשנגער תולהקב יתובר ראשו טטשינ לארשי 'רהמ ןואגה ןנא 'וכו םלוא (auch das. No. 63, 1): Die gutachtlichen Bescheide dieser Rabbinate, die sämmtlich zu Gunsten der Autonomie der Gemeinden und gegen die Binger Synode ausfielen, geben nun ein mehr oder weniger klares Bild von diesem Conflikte. Es sind zwei Responsen von Isserlein: das erste an Seligmann von Bingen (ה"ת No. 253 und Respp. Mose Menz No. 63, 6) und das zweite an die Gemeinden von Köln, Geldern und Jülich (ר"ת No. 252); ein Responsum von Israel Bruna von Regensburg (Respp. Mose Menz No. 63, 4); eins von Salzmann Kitzingen aus Ulm (das. 63, 2) mit der Unterschrift: קרובוקמ ןגניציק ןמלז םלואמ; eins von R' Meisterlein (das. 63, 5) und endlich eins von Ahron b. Nathanael Lurja, das erste in der Reihe (das. 63, 1); der Wohnort desselben ist unbekannt.

Die Zeit dieser Binger Synode läßt sich noch aus einigen Angaben ermitteln, und dadurch werden einige Momente zur jüdischen Geschichte eruirt.

Im Allgemeinen läßt sich annehmen, daß sie nach 1444 und vor 1462 stattgefunden hat. Denn die größte rabbinische Autorität jener Zeit in Deutschland, Jakob Weil, der mindestens noch 1444 lebte, ist nicht beim Streite zu Rathe gezogen worden, sondern der jüngere Israel Isserlein. Jakob Weil muß also schon damals todt gewesen sein. Andrerseits lebte Mose Menz (so auszusprechen, ץנעמ ,ץנימ = Menze statt Mainz in mittelalterlichen Urkunden) damals noch in Mainz, wie aus den Responsen in Betreff der Binger Synode hervorgeht. Dieser war aber schon 1469 in Bamberg Rabbiner (Respp. No. 45): הפ םתחנו בתכו בא שדוחב ק"פל ט"כר קרעבנבב ק"ק, und zum Schlusse: ק"קב הפ ק"פל ט"כר לולאב היה יתקספ רשאו הז אדבוע קרעבנבב. Seine Auswanderung aus Mainz muß also früher fallen. Ohne Zweifel geschah sie in Folge des Krieges zwischen dem entsetzten Erzbischof Diether von Isenburg und dem an seiner Stelle ernannten Adolf II. von Nassau. Die Juden hatten es mit dem Ersteren gehalten und wurden deswegen, als der Letztere durch Verrath Herr von Mainz wurde (29. October 1462), aus dieser Stadt verbannt (Schaab, diplomatische Geschichte der Juden von Mainz p. 123 f.). Von dieser gewaltsamen Einnahme von Mainz scheint Mose Menz in seinen Responsen zu sprechen. In der Einleitung bemerkt er: יתרדס יתובר יל ובישהש המ ךא ריעה הדכלנשכ ץנעמ תזיבב ינממ דבאנו ומצע ינפב רפסב ותוא יניממ בורו ילש םירפס בור רתי םע. No. 77, p. 117 a: עד ינממ דבאנ יל ויהש םישוריפו תופסות בור םגו ירשא יל ןיאש םיברה וניתינועב ץנץמ הזיבב.

[428] Auch Juda Menz, Verwandter des Mose Menz, ist im Jahre 1462, wahrscheinlich in Folge der Verbannung aus Mainz ausgewandert. Er fungirte nämlich 47 Jahre als Rabbiner von Padua (Gherondi, Biographien לארשי ילודג תודלות s.v. und Kerem Chemed III, p. 89). Nun starb Juda Menz nicht, wie Viele dem Biographen Abrabanel's, Chaskitu, nachschrieben, 1508, sondern ein Jahr später. Chaskitu referirt nämlich (Einleitung zu Abrabanel's העושי יניעמ p. 4a): עוגיו םינשיה תורבקב הבודאפ ריע והואביו ... ח"סר תנשב ... קחצי ץנימ הדוהי .. לודגה רואמה הבכ םימי 'ה ךות םהה םימיב ... ... 'וכו ... הז לצא הז םיכומס ורבקנו. Das ist aber nicht so. Juda Menz' Schwiegersohn, Meïr Katzenellnbogen von Padua, bemerkt in der Einleitung zu dessen Responsen: Im Todesjahr des Juda Menz sei Padua vom Feinde eingenommen und geplündert worden: התואב ובשומ דיע האודפ ריע התוה (ץנימ הדוהי 'ר) ונבר רטפנש הנש םפרשלו םערקל וירפסב םירז ידי וטלשו ללשל. Nun wurde bekanntlich Padua erst im Juli 1509 von dem Heere des Kaisers Maximilian verheert, welcher in Folge der Ligue von Cambray (Dezember 1508) gegen die venetianische Republik Krieg führte. Am 17. Juli 1509 war wieder ein Kampf bei Padua und die Venetianer entrissen es den Kaiserlichen. Von dieser Kalamität im Jahre 1509 spricht Meïr von Padua, und sie meint eigentlich auch Chaskitu; nur hat er das Datum nicht präcis angegeben. Elias Levita spricht auch von der Plünderung Padua's 1509 in der zweiten Einleitung zu תרוסמה תרוסמ, mit den Worten: םיתאמ תנשב .... ריעב .... יתויהב יהיו .... עשר הטמל םק סמחה ,עשתו םיששו יונ תא םיביואו הדדשנו תללשנ הדכלנ איה רשאכ יתבר הבודאפ 'וכו ומת רשא םידוהיה' ןומה לכב ,ומשה. Es ist also sicher, daß Juda Menz erst 1509 starb, und da er 47 Jahre in Padua fungirte, so ist er 1462 dahin gekommen, gerade in dem Jahre, als die Juden durch den Erzbischof Adolf II. aus Mainz ausgewiesen wurden. Wenn Abrabanel nur etwa 8 Tage vor Juda Menz heimgegangen ist, so ist auch sein Tod erst 1509 anzusetzen, und zwar beider Tod vor dem Monate Juni.

Um wieder auf die Binger Synode zurückzukommen, so folgt aus dem gewonnenen Resultate, daß sie vor 1462 stattgefunden hat. Sie läßt sich aber noch präciser bestimmen. Israel Bruna beklagt diese Streitigkeiten, gerade in einer Zeit, wo die Judenfeinde so viel Leid über die Gemeinden verhängen, und bemerkt, daß er gar nicht aufgelegt sei, ein Wort darüber zu sprechen, weil er von Sorgen wegen Reichsangelegenheiten, die gefahrdrohend sind, gequält sei: תונערופו תוחכותה לכב רסייתנ אל יתמ דע .. ישפנ רמב הרבדא םיעשרה ורבג .לארשי תוצופת לכב ה"ועב תושגרתמ רשא הויהל ונל היה ... תויקולחמל ונל המו תומילש תונידמ וברחו ה"ועב דואמ דזרט ינאו .... וניאנוש תובשחמ לטבל תחא הדוגאב ... 'ה ימחרב ןילות ונלכ רשא הכולמה יקסעב תונידמה יכרצב ונתנידמב תוחיתמה תורצ בורל עמדב םיבתכנ וללה תורושו. Israel Bruna spricht also von Leiden, welche bereits über ganze Gemeinden hereingebrochen waren, und von Gefahren, welche die Regensburger Gemeinde speziell bedrohen. Sind unter den erstern die von dem Franciskanermönch Capistrano und seinen Helfershelfern ausgegangenen Verfolgungen in Deutschland im Anfange der letzten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts zu verstehen, so zeigen die letztern auf bedrohliche Vorgänge in Regensburg hin. Diese können durch Auszüge aus Urkunden, Regensburg betreffend, in Gemeiner's Regensburger Chronik beleuchtet werden. – Als nämlich der Kaiser Friedrich III. von seiner Romfahrt als römisch-deutscher Kaiser zurückgekehrt war, forderte er 1453 von »der Jüdischheit« des römischen Reiches »die außergewöhnliche Judensteuer, oder die Krönungssteuer, den dritten Pfennig ihres Vermögens«, d.h. den dritten Theil. In Betreff [429] der Regensburger Gemeinde, befahl der Kaiser, Deputirte zu ihm zu senden und wandte sich an den Rath, ihm dabei behülflich zu sein und Auskunft über das Vermögen der Juden zu geben (das. III, 224). Nun hatte aber Kaiser Ludwig der Baier 1322 die Juden von Regensburg an die baierischen Herzöge für 40,000 Mark verpfändet und denselben die Leistungen der Juden zugesichert (das. I, S. 924). Dieses Pfandrecht war auf den Herzog Ludwig von Landsberg übergegangen, der, obwohl ein Judenfeind, doch seine Ansprüche nicht aufgeben mochte. An diesen wandten sich 1454 die Vertreter der Regensburger Gemeinde, sie vor dieser Beraubung des dritten Theils ihres Vermögens zu schützen, und Ludwig machte den Rath dafür verantwortlich, wenn er der Forderung des Kaisers Vorschub leisten sollte (das. III, 227). Friedrich III. bestand aber auf der Erhebung der Kronensteuer, verhängte 1456 den Bann über die Regensburger Gemeinde und bedrohte sie, sowie ihren Großmeister (Rabbiner Israel Bruna) mit der Reichsacht (das. III, 240, 256). Diese Drohung wurde zwei Jahre später wiederholt. Davon spricht nun Israel Brunain seinem Gutachten in Betreff der Binger Synode, und darauf deuten seine Worte: יכרצב םיברה וניתוניעב דואמ דורט ינאו הכולמה יקסעב תונידמה. Das Wort הכולמ bedeutet hier die Krönung, und zwar die Ansprüche des Kaisers auf die Krönungssteuer, wofür Israel Bruna ebenfalls verantwortlich gemacht und in die Acht erklärt worden war. Israel Bruna's Verhaftung, wovon er selbst in seinen Responsen berichtet (No. 268): ידעב ורדג רבכ תוכלמה יתוא ?פתו ינוממו יפוג לע תוכלמל יתוא ורסמו ה"ועב תשרפלו ... ינוממו יפוג לע תוברע יתדמעהש דע לדגמב םימי ג"י דורטו [nigveti] יתבגנ יבוחמ טעמ םוקמה ךודבו יתאצי תודלות ימע לב יבלו ךובנו ינא. Diese Verhaftung hängt ohne Zweifel mit der Forderung der Kronengelder zusammen: denn er bemerkt ausdrücklich, er sei von Seiten des Kaisers, d.h. seiner Commissarien, verhaftet worden, und es habe sich dabei um Geld gehandelt.

Diese Einkerkerung Bruna's, wovon er selbst erzählt, ist verschieden von jener, welche über ihn wegen Kindesmordes von dem Rath zu Regensburg verhängt wurde, wovon Gemeiner, Regensburgische Chronik III, S. 532 f., Nachricht giebt14. Denn damals, 1474, war »Israel von Bruna, der Judenmeister von Regensburg«, wie er in den Urkunden genannt wird, bereits ein »alter, verwesener Mann«, der nicht einmal mehr Speise zu sich nehmen konnte, war also auch bereits eine prononcirte Autorität. Aber in den Responsen wegen der Binger Synode wird von ihm nicht mit besonderer Lobeserhebung gesprochen. Während Israel Isserlein הלוג שאר ,רודה תפומ genannt wird, heißt es von Israel Bruna und Meisterlein schlechtweg: [430] םיפולאהו אנורב י"רמו ןילרטשיימ רר"המ. Schwerlich hat auch Isserlein 1474 noch gelebt. Auch erzählt Bruna, daß er nur 13 Tage im Thurm zugebracht habe, während er 1474, nach den Urkunden bei Gemeiner, jedenfalls über einen Monat im Kerker zugebracht hat. Jene Einkerkerung Bruna's durch den Kaiser (תוכלמ) muß also verschieden sein von der durch den Rath, gegen welche der Kaiser so energisch protestirt hat. Die im Schreiben wegen der Binger Synode erwähnte Noth Bruna's kann also nur zwischen 1456-1458 stattgefunden haben.

Die Zeit der Binger Synode kann auch noch durch ein anderes Moment präcisirt werden. Isserlein ermahnt in seinem Schreiben an Seligmann, den Frieden und die Eintracht nicht zu stören, weil ihm jüngstens geschrieben worden sei, daß den rheinischen Gemeinden Gefahren drohen. In einer räthselhaften Sprache drückt sich Isserlein darüber aus: »In die Schutzmauer, welche bis dahin die dortigen Juden umgeben hat, habe der Bischof von Mainz an vier Seiten Risse gebracht, sodaß die ganze Mauer erschüttert sei«: המוחה ןמ הנפ ןבאהש ץנעממ ברקמ יל בתכנ הנה ?ןיבירת המלו ןומגהה ,תומואה ינוטלשמ םכלבגב רשא תירב ינב לכ תפקמה דימעל הלילחו המוחה לכ עזעדזנו תומוקמ 'דב ץרפ ץרפ ץנגממ קולח בלב. Dieses Räthsel erhält seine Auflösung durch eine beurkundete Thatsache, die zugleich das gesuchte Datum bestimmen hilft. Der schon genannte Erzbischof Diether von Mainz, der Anfangs die Juden begünstigte, gerieth mit einem Male in Zorn gegen sie. Am 12. März 1457 erließ er ein Edikt, daß die ungläubigen Juden, welche »gleich hartnäckigen Dämonen« (ad instar obstinatorum daemonum) an dem Laster der Undankbarkeit litten, Wucher mit Zins von Zinsen trieben, gezwungen werden sollten, die Zinsen zurück zu erstatten und Judenflecken zu tragen: videlicet circulos in vestibus viri et striffas in peplis mulieris (bei Schaab, a.a.O. S. 120 aus Gudaeus Codex diplomaticus IV. p. 324, 327). Aber schon am 24. August desselben Jahres hob er das Dekret zu Gunsten der Juden von Bingen auf: »Als wir itzt durch redliche Orsache uns dortzu bewegende solich Preß und Geboth gegen dieselbe Jüdischheit von Bingen (Kleidungen und Ringe wegen) aufgehoben und abgethan, uffheben und abthun«. Am 29. August 1457 setzte er auch die Beschränkung zu Gunsten der Juden von Frankfurt außer Kraft: »Als wir etliche Proceß und Gebottbriefe wider die Jüdischheit von Frankfurt wonende haben lassen ußgen, inhaltende, daß sie den Wucher, den sie vom Wucher genommen haben, wiedergeben, auch fürbarn Ringk und Zeichen an iren Kleidern tragen sollen, also haben wir us zitligem Rat die berurten Proceß und allen Unwillen. ... ganz und gar abgestellt und ufgehebt und abgethan« (das. 121, 122). Das Responsum von Isserlein in Betreff der Binger Synode spielt offenbar auf die Unfreundlichkeit des Erzbischofs Diether an und muß demnach ausgestellt sein, ehe noch derselbe sein Edict zurückgenommen hatte; also zwischen März und August 1457.

Auf dieselbe Zeit führt auch eine Anspielung auf eine Bedrückung von größerer Tragweite in Meisterlein's Responsum. Auch er ermahnte Seligmann und seinen Anhang zur Eintracht und wies auf die Leiden hin, welche die Juden Polens durch den Mönch betroffen haben: הדוגאב ונתויהל ךירצ ךכ לכ היה אל םלועמו תחת יבשויב םג רמוכה עגפ רשא .. התע ומכ הולשו םולשו תחא ובשח זאמו םדקמ רשא ןהיתוביבסו בוקרק תוכלמ ןילופמ ךלמה ביואו רצ אבי יכ לבת יבשוי לכ ונימאה אלו .הלוג ינבל הטלפל ובתכו םירשו ךלמה אשמ תהת םיצבור םה התע .ןילופ ירעשב יכ םכבבל עדי לא יבוהא םתא התעו .הפורתו דזע שקבל ונל םיבורק יכ ןעיבו ןעי .ינתקיצה יחור יכ תושק רבדל יתיברה יכו .השענ רשא תאו רבודי רשא תא עדנ ונחנאו תוכלמל ונחנא ולאב קסעתהל בטומו .ארונהו לודגה דעו םויל התע בושחל שי םינותחתבו םינוילעב תורגתהלמ םינינעה (Respp. Mose Menz a.a.O.). [431] Der letzte Passus will beiläufig sagen: Es sei Zeit, sich für das ernste Gericht, das Neujahrsfest, vorzubereiten, und es sei ersprießlicher, daran zu denken, als Fehden mit den »Obern und Untern« = oberrheinischen und niederrheinischen Gemeinden, zu führen.

Die Klage in demselben Responsum Meisterlein's, welche von Polen herübertönte, beruht auf einer noch wenig beachteten Thatsache, einer Sinnesänderung des Königs Casimir IV. von Polen gegen die Juden, herbeigeführt durch den unermüdlichen Erzjudenfeind, den Mönch Capistrano. Um die Thatsache und die sich daraus ergebenden Data von allen Seiten zu beleuchten, muß ich eine Urkunde in extenso mittheilen, welche bisher kaum gekannt und lediglich von Louis Lubliner berührt wurde (Juifs en Pologne. Brüssel-Leipzig, 1839, p. 15 ff.), aber ohne kritisches Eingehen. Bandtkie hat nämlich in seiner Gesetzsammlung, jus polonicum (Anfang) eine interessante Urkunde mitgetheilt folgenden Inhalts: Casimir IV. der Jagellone, hat die Privilegien der Juden in ganz Polen, wie sie Boleslaw 1264 gegeben und Kasimir der Große 1334 bestätigt hatten, erneuert. Die Erneuerung geschah auf Antrag der Juden, welche angaben, daß die Originalurkunde dieser Privilegien im Brande von Posen (1447) mit verbrannt sei. Cum autem Casimirus rex ex Calisch Posnaniam advenisset, Civitas Posnaniensis casu incensa est et tota fere ... igne consumpta. .... Casimirus rex per continuas tres dies casum tam damnosum deflebat (Dlugossi historia Polonica II. p. 29). Casimir war in Posen nach St. Jakob – 25. Juli (Dlugoß das.). Die Einleitung zur Erneuerung des Judenstatuts von Casimir VI. lautet bei Bandtkie (Jus Polonicum p. 1 aus einem Codex); Nos Casimirus rex ... Poloniae terrarum Cracoviae, Sandomiriae, Siradiae, Lanciciae, Cujaviae, magnus dux Lithuaniae, Pomeraniae, Russiae Prussiaeque dominus et haeres etc., ad perpetuam rei memoriam, significamus tenore praesentium ... quod coram majestate nostra personaliter constituti Judaei nostri de terris Poloniae, videlicet de Posnaniensi, Calisiensi, Sieradiensi, Lanciciensi, Brzestensi, Vladislaviensi, palatinatibus et districtibus ad ipsa spectantibus, sua exceptione adduxerunt et ostenderunt: quod jura, quae habuerunt a celebris memoriae serenissimo principe domino Casimiro, rege Poloniae.. mediata et quibus aliorum regum, praedecessorum nostrorum, a diuturnis temporibus semper et usque hactenus usi fuerint, sed tunc, quando civitas nostra Posnaniensis voragine ignis, nobis praesentibus, fuit consumpta, ipsis essent etiam in cinerem redacta, petentes, humiliterque nobis supplicantes, quatenus juxta Jurium eorundem copiam, quam coram nobis exhibuerunt, eadem jura innovare, ratificare et confirmare eisdem dignaremur gratiose, quorum quidem jurium ac copiarum tenor de verbo ad verbum sequitur est talis.

Der Schluß des erneuerten Statuts lautet (bei Bandtkie l.c.p. 196): Et itaque nos Casimirus, Dei gratia rex, juribus Judaeorum praescriptorum auditis, et cum caeteris regni nostri consiliariis, cum debita maturitate revisis et examinatis ac ponderatis singulis articulis, clausulis et conditionibus in eis expressis, volentesque ut isti Judaei, quos nobis et regno nostro pro speciali conservando thesauro, tempore [432] nostri felicis regiminis, se agnoscent esse a nobis consolatos, pro eisdem Judaeis in terris majoris Poloniae videlicet in Posnaniensi, Calisiensi etc. ... nunc praesentibus et aliis undique alias majoris Poloniae terras advenientibus, hujusmodi jura, superius descripta, in omnibus eorum praesentibus conditionibus, clausulis et articulis innovamus ... decernentes robur habere perpetuae firmitatis ... datum Cracoviae feria secunda ante festum assumptionis Mariae 1447 (falsche Lesart in einem Codex bei Bandtkie 144015.

Einige Paragraphen dieses erneuerten Statuts sind dieselben, welche ursprünglich von dem österreichischen Herzog 1244 stammen und von Casimir I. pure angenommen wurden (Bd. VII2, S. 97, 379). Andere dagegen kommen in dem Statut Casimirs des Großen nicht vor (ein Punkt, der eine kritische Untersuchung erheischt). Diese zeugen von außerordentlicher Begünstigung. So finden sich weder in der compilatio legum von Lasko (1506), noch in Prilusius leges Regni poloniae (1551), noch in Konarski's volumina legum folgende wichtige Paragraphen, die Bandtkie aus einem Codex gezogen hat (das. p. 9): § 19. Item volumus et statuimus, quod quilibet Judaeorum potest libere et secure ad balneum civitatis generale cum Christianis intrare. Nach den kanonischen Gesetzen war das gemeinsame Baden von Christen und Juden bekanntlich ein Kapitalverbrechen. Noch wichtiger und einschneidend gegen die Geistlichkeit gerichtet ist § 30 (bei Bandtkie p. 13): Item statuimus et volumus, quod nullus Christianus citare debet aliquem Judaeum in judicium spirituale, quocunque modo fuerit; quod pro quacunque re, quacunque citatione spirituali Judaeus citatus fuerit, non debet, nec tenetur respondere coram judice in judicio spirituali, sed citetur talis Judaeus in praesentiam sui palatini, qui pro tempore fuerit, et ulterius praefatus palatinus cum capitaneo nostro, protunc existenti, tenebitur defendere et tueri et intercedere ipsum Judaeum a tali citatione juris spiritualis. – Nach § 34 durften Juden sogar Adelsgüter, wenn sie ihnen verfallen waren, behalten und vererben.

Der Paragraph von Beschuldigung der Juden wegen Blutgebrauches (39) ist in dem Statut Casimir's IV. viel stärker zu Gunsten der Juden gefaßt als der (31 ste) des Boleslaw'schen Statuts. Item statuimus: ne de caetero aliquis Judaeus sit inculpandus ab aliquo Christiano pro re sic docente, (V. dicente) quod ipsi Judaei de necessitate uterentur sanguine Christianorum annuatim, aut etiam sacramentis ecclesiae Christianorum; ex quo statuta propriae innocentiae (V. Papae Innocentii) nos docent et institutiones, quod in talibus rebus non sunt culpabiles, quod hoc est contra legem ipsorum. Et si ultra aliquis Christianus sua temeritate aliquem Judaeum pro talibus rebus inculpaverit, tunc ei tale jus damus et concedimus: quod talis Christianus, si voluerit adducere et probare tribus Judaeis bonis, in regno nostro possessionatis, qui in sua humantitate non essent infames, et in fide essent immobiles, et quatuor Christianis, qui etiam essent possessionati bene in regno nostro, et in sua humanitate (non) [433] infames, in fideque immobiles, et si hujusmodi testimonium Christianus probaverit contra Judaeum, tunc Judaeus ipse erit reus mortis, et eadem plectendus: et si hujusmodi testimonium Christianus contra ipsum Judaeum sic diffamatum non produxerit, neque probare potuerit, tunc solus eadem morte sit condemnandus et hoc ideo, quia Judaeus damnari debuit. Et si pro talibus rebus nobiles nostri terrigenae, vel cives regni nostri ipsis Judaeis nostris violentiam fecerint, jure ipsos non vincendo, tunc bona ipsorum pro camera nostra regia devolvi debent, et colla ipsorum pro gratia nostra speciali.

Diese Privilegien der Juden waren dem Capistrano ein Dorn im Auge, und sobald er mit Casimir in Krakau zusammen kam (1453), wandte er seine fanatische Beredtsamkeit an, ihn zur Zurücknahme derselben zu bewegen. (Wadding Annales Minorum, T. XII, p. 164, No. 6): Simili modo praedixit (Capistranus) Casimiro regi, etsi amicissimo, infortunam et clades, quia nimis Judaeis eorumque perfidiae et usuris connivebat: Cave, inquit, ne haec mea monita spernenti divinum instet supplicium. Das. p. 195: Paulo antequam e Cracovia discederet (Capistranus), regem Casimirum iu Prussia contra Cruciferos bellantem admonendum duxit, ne Orthodoxorum inimicis faveret, aut Haereticis vel Judaeis, quorum plurimi Prussiam et Poloniam incolebant, privilegiis muniret. An den Papst Nicolaus V. schrieb Capistrano am 13. October 1354 (das. p. 197): Rex Poloiae ... consilium meum non tenuit, sicut nec de privilegiis Judaeorum, quorum copiam vestrae Sanctitati cum aliis libellis meis contra haereses Rochyzani et sequacium mitto. Auch das Schreiben Capistrano's an Casimir vom 28. April 1454 (das. p. 196 f.) scheint gegen die Juden zu hetzen: Privilegia inconsulte jam de facto concessas, et injuste sibi (inimicis crucis Christi) tradita revoca et ad juris communis formam redige. Der Bischof Sbigniew von Krakau bot seinen Einfluß auf, den König Casimir gegen die Juden einzunehmen, wie der Zeitgenosse, der erste polnische Geschichtsschreiber Johannes Dlugoß berichtet (Historia Polonica L. XIII, T. II, p. 157 der Leipziger Edition von 1712): Libertates insuper in fidei sanctae dedecus, per regem et Consiliarios concessae Judaeis, pro quibus a Sbig neo, Cardinale et Episcopo Cracoviensi, et fratre Joanne de Capistrano ... Casimirus rex publice argutus et correptus, illas revocare distulit, provocaverunt iram Dei in regem et populum.

Im November 1454 hob Casimir denn doch die Privilegien der Juden auf in § 51 des Statuts von Nieszava (bei Bandtkie a.a.O. p. 289 f.): Item statuimus, cum Infideles non debeant ampliori praerogativa gaudere, quam Christi cultores, nec servi debent esse melioris conditionis quam filii, ut Judaei potiantur juribus juxta constitutiones Vartenes16, prout alii nobiles terrarum nostrarum ... Literas etiam, quascunque super libertate ipsis Judaeis in regno nostro degentibus per nos post diem coronationis nostrae concessas et juri divino ac constitutionibus terrestribus contrarias penitus revocamus, abolemus easque nolumus fieri alicujus roboris vel momenti, quam revocationem et abolitionem [434] earum in regno nostro per proclamation em publicam omnibus innotescere faciemus. (Gelegentlich sei erwähnt, daß derselbe König, obwohl auch dieses Gesetz für die Ewigkeit erlassen sein sollte, die Privilegien der Juden 1467 nach dem Siege über den preußischen Orden wieder in Kraft setzte. Bei Bandtkie, Anfang.)

Resumiren wir das hier weitläufig Auseinandergesetzte und ziehen wir das Facit. Im October 1454 klagte noch Capistrano dem Papste, daß der König Casimir die Privilegien der Juden nicht aufheben wollte. Die Aufhebung geschah erst durch das Statut von Nieszava, daß jedenfalls im November erlassen ist. Das Tagesdatum ist nämlich wegen der Varianten in den Codices unbestimmt: Montag am Martintage = 11. November, oder Dienstag nach Martini = 12. November, oder Sabbat vor St. Elisabeth = 7. November, oder Sabbat nach Elisabeth = 23. November (Bandtkie l.c.p. 291, Note). Die Klagen der polnischen Juden, welche Meisterlein zur Kenntniß der bei der Synode von Bingen Betheiligten bringt, und zwar in Folge des Mönchs (kein anderer als Capistrano), »daß er auch die jüdischen Bewohner im Königreich Krakau mit Verfolgungen heimgesucht«, sind ohne Zweifel von dem Verluste der Privilegien durch das Nieszawer Statut zu verstehen. Diese Klagen sind also erst nach Novbr. 1454, wohl erst in einem der darauf folgenden Jahre erhoben. Meisterlein's Sendschreiben, welches davon Erwähnung thut, kann daher jedenfalls nicht vor 1455 ausgestellt sein. Sämmtliche Data weisen also auf das Jahr zwischen 1455-57 hin, in welchem die Binger Synode stattgefunden hat.

Aus einer versprengten Notiz könnte man sogar entnehmen, daß die polnischen Juden nicht bloß durch Aufhebung der ihnen günstigen Privilegien der Willkür des ungeschlachten Adels und des Pöbels preisgegeben waren, sondern daß ihnen sogar zu dieser Zeit vom König von Polen die Wahl gestellt worden sei, entweder sich zum Christenthum zu bekehren oder das Land zu verlassen. Barros, der Historiograph der portugiesischen Entdeckungen, erzählt nämlich: Vasco de Gama, der große Admiral, welcher indische Colonien für Portugal erworben hat, habe bei Goa einen polnischen Juden auf sein Schiff gelockt. Dieser sei Dolmetscher und Agent im Dienste eines maurischen Fürsten von Goa gewesen. Nachdem Fasco de Gama den jüdischen Agenten aus Polen habe foltern lassen, habe dieser seine Biographie mitgetheilt, daß der König von Polen im Jahre 1450 die Juden zur Annahme der Taufe oder zum Auswandern gezwungen, daß in Folge dessen die meisten Juden ausgewandert seien, daß seine Eltern nach Alexandrien gekommen und er daselbst geboren sei (Barros Decada I. Livro IV, c. 2, p. 360): Entao començou a contar (o Judeo de Goa) o principio de sua vida, dizendo: que no anno de Christo de mil quatrocientos e cincosenta Elrey de Polonia mandava lançar hum pregao per todo seu Reyno, que quantos Judeos nelle houvesse, de trinta dias se fizessem Christaos ou se sahiessem de seu Reyno, e passado este termo de tempo, os que achassem, fossem queimados. Donde se causou que a maior parte dos Judeos se sahiram fóra de Reyno pera diversas partes. In diesem Berichte ist jedenfalls das Jahr 1450 falsch; denn in dieser Zeit waren noch die Juden von Polen begünstigt, wie sich gezeigt hat. Die Verfolgung konnte also erst von 1455 ab geschehen sein. Da sich aber anderweitig kein Beleg für Zwangsbekehrung und Auswanderung der Juden von Polen findet, so muß man wohl annehmen, daß der jüdische Agent von Goa dem Admiral hat etwas aufbinden wollen.

[435] 6) Eine Synode zu Nürnberg ohne Datum, das sich ebenfalls ermitteln läßt. Joseph Kolon, Rabbiner in Mantua, wurde von den Mitgliedern derselben angegangen, auf die deutschen Gemeinden einzuwirken, daß sie Beiträge spenden sollten, um die ganze auf den Tod angeklagte und verhaftete Gemeinde von Regensburg zu befreien. Dessen Respp. No. 4: תויהמ קרופשנגעד ק"קמ וניחא תסיפת ןינע יכ םסרופמו עודי רבדה קרופשנגער יתלוז תומוקמ הברהל ןכסמו קיזמ תויהל אוה יואר ק"קב םויהכ םידעונה םינבר יל ובתכ רשאכו היתונבו ןכל ... םפכב סמח אל לע תומל םיחוקל ליצהל ידכ .קרעבנערונ ךרד הזיא תוארל ינממ ולאש רשא יתובר לא יתלאשנו יתשרדנ םתלצה איה קרופשנגער ק"ק תלצהש ... הזה רבדה רוא ןוכשי. Die Rabbinen der Synode hatten es nicht gewagt, aus Furcht vor den Fürsten und Gewalthabern, eine Aufforderung an die Gemeinden zu Geldbeiträgen ergehen zu lassen; darum wandten sie sich an den italienischen Rabbiner. Joseph Kolon bestimmte unter Androhung des Bannes, daß jede deutsche Gemeinde und jeder Beitragsfähige einen Antheil nach der Schätzung der Synode leisten müßten, um die unschuldig Angeklagten und Eingekerkerten in Regensburg durch Geldmittel befreien zu können: יוצמ רבדה ןיא יכ םנמאו ידכ גרעבנערונ ק"קב סויהכ םידעונה יתובר ה"ה םימכחל אלא תורחא תוריע המכבו קרובנרונב יכ ןעיו .... וז הצרפ רודגל םילשומה תארי ינפמ הריזג ךרדב בותכל םיאשר םניאש זנכשאב .... םהירבד קזחל אב דיעצה יכנא .היהיש המ היהי וא םירשהו אלש .... זנכשא ץרא יבשוי לכ לע .... הרומח הריזגב רזוג יננהו רשא וז הלילע האצוהב עייסל ... קרובנרונב םידעונה יפ תא ורמי תימרתו בזכב רקשב קרופשגערבש ק'ק וניחא לע ולילעה. Das Factum der Nürnberger Synode und die Veranlassung dazu, die Blutanklage gegen die ganze Gemeinde von Regensburg, sind durch diese Notiz festgestellt. Nun wäre noch die Zeit zu fixiren. Diese ergiebt sich aus den Urkunden, welche Gemeiner in seiner Regensburgischen Chronik mitgetheilt hat.

In Folge der Beschuldigung wegen des angeblich gemordeten Simon von Trient wurden auch mehrere Juden in Regensburg des Christenkindermordes angeklagt. Der Bischof von Regensburg drang darauf, ihnen den Prozeß zu machen; es wurden immer mehr darin verwickelt, und zuletzt wurde die ganze Gemeinde dafür verantwortlich gemacht und in ihrem Quartier fast eingemauert, so daß kein Jude sich entfernen konnte. Diese Blutanklage gegen die Regensburger Gemeinde begann 1476 (Gemeiner a.a.O. III. p. 567 ff.). Von Seiten des Kaisers Friedrich III. folgten Mahnbriefe auf Mahnbriefe, die Juden von Regensburg frei zu lassen, da sie unschuldig an dem ihnen zur Last gelegten Verbrechen seien, Mai, Juli desselben Jahres (das. 576-578). Zur Strafe hatte der Kaiser der Stadt den Gerichtsbann entzogen, und der Rath verschwendete Summen, den Kaiser zu erweichen und die Gerichtsbarkeit über die Juden ausüben zu dürfen. Von Seiten der Juden waren daher auch große Summen erforderlich, um die kaiserlichen Commissarien zu gewinnen und sich auch dem Kaiser selbst angenehm zu zeigen. Zu diesem Zwecke wurde ohne Zweifel die Nürnberger Synode versammelt, um von sämmtlichen deutschen Gemeinden eine Beisteuer zur Abwendung der Blutanklage zusammen zu bringen. Im folgenden Jahre, da die Händel in Regensburg noch nicht zu Ende waren, entließ der Rath die meisten Juden, welche nicht direkt beschuldigt waren, ihrer Haft und nahm ihnen das Handgelübde ab, nicht zu entweichen (das. S. 594). Die Nürnberger Synode fand also sicherlich zu diesem Zwecke und zwar 1476 statt.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1890], Band 8, S. 425-437.
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