Transkription

[11] Die Aufgabe, die Laute einer fremden Sprache durch die Buchstaben des uns geläufigen Alphabets so wiederzugeben, daß sie dem Leser verständlich bleiben und ihm eine wenigstens annähernd richtige Aussprache des fremden Wortes ermöglichen, ist wissenschaftlich überhaupt unlösbar. Denn jede fremde Sprache besitzt zahlreiche Laute, die der unsrigen fehlen; wir selbst aber bilden uns zwar seltsamerweise ein, zu schreiben, wie wir sprechen, aber in Wirklichkeit schreiben wir mit einem fremden Alphabet, das lediglich konventionell, so gut es gehen mochte, unserer Sprache angepaßt ist und zahlreiche Laute derselben nur unvollkommen oder auch gar nicht wiederzugeben vermag. So können wir die durch ch und sch bezeichneten Laute nur durch eine willkürliche Kombination mehrerer Buchstaben bezeichnen, und, was besonders verhängnisvoll ist, für das unserer Sprache ganz geläufige tönende (»weiche«) s haben wir überhaupt kein Zeichen, sondern geben es ebenso wie das tonlose durch s wieder. Weiter fehlt uns zur Bezeichnung des in Fremdwörtern ganz gewöhnlichen Lauts des französischen j und des englischen ch überhaupt jedes Zeichen, während wir für andere Laute mehrere Bezeichnungen besitzen (f und v, k und q, c bald = ts, bald = k); dazu kommt die teils unzulängliche, teils verkehrte Bezeichnung der Vokale und Diphthonge. Die Folge ist, daß, wie wir auch transkribieren mögen, der Leser, wenn er die fremde Sprache nicht kennt, dennoch immer [11] falsch aussprechen wird, und daher jede Transkription, die wir benützen, unzulänglich und mit Recht anfechtbar ist.

Nun ist es an sich ja ziemlich gleichgültig, wie wir einen fremden Namen schreiben und aussprechen, solange kein Zweifel darüber aufkommen kann, welche Person oder Örtlichkeit darunter zu verstehen ist. Aber für wissenschaftliche Zwecke ist eine möglichst genaue Transkription doch auch in einem Werk wie dem vorliegenden ein unabweisbares Bedürfnis, weil nur dadurch eine sichere Erkenntnis des fremden Namens, seiner Bedeutung u.ä. ermöglicht, und weil so zugleich die Bedingungen für weitere daran anschließende Kombinationen gegeben und Verwechslungen und Irrtümern vorgebeugt wird. Daß das Transkriptionsalphabet, das dabei zu Grunde gelegt wurde, einheitlich sein mußte, ist klar, ebenso daß der Lautbestand der semitischen Sprachen und des Aegyptischen die Basis bilden mußte, dem sich der der indogermanischen Sprachen anzugliedern hatte. Die den Sanskritisten geläufige Transkription, so praktisch sie die indischen Texte umschreibt, war schon aus diesem Grunde für uns unbrauchbar; überhaupt aber ist sie für ein Werk, das sich nicht speziell an Fachmänner wendet, ganz ungeeignet, weil sie die englische Aussprache der Buchstaben zu Grunde legt und die Zeichen c, ch, j, y in einem Sinne verwertet, der keinem deutschen Leser, der nicht Sanskrit gelernt hat, jemals geläufig werden kann.

Im übrigen sind gewisse Abweichungen von der deutschen Verwendung der Buchstaben allerdings unvermeidlich. Allgemein eingebürgert hat sich die Benutzung des Buchstabens z für den tönenden s-Laut (unser s im Anlaut und zwischen Vokalen), wie im Französischen und Englischen, während s immer nur den tonlosen »scharfen« Zischlaut bezeichnet. Ferner werden die emphatischen Laute, bei denen der Konsonant scharf hervorgestoßen wird, durch einen unter den Buchstaben gesetzten Punkt bezeichnet (ţ, ḍ, ş, ḥ); nur für den entsprechenden k-Laut steht uns das Zeichen q zur Verfügung. Den Laut unseres sch bezeichne ich durch š [12] (= ş der Sanskritisten; den palatalen s-Laut der Arier, den sie meist durch ç wiedergeben, umschreibe ich durch ś), während wir für die velare Spirans das uns geläufige ch unbedenklich beibehalten können. Die Explosiva der Stimmbänder, das semitische Aleph, das auch im Deutschen durchweg, wenngleich sehr schwach, gesprochen, aber durch die Schrift nicht bezeichnet wird – ein Mangel, der bei Compositis oft sehr lästig ist –, transkribiert man meist durch den Spiritus lenis '; für unsere Zwecke konnte derselbe im Anlaut weggelassen werden, während er im Inneren eines Worts oft auch der größeren Deutlichkeit wegen durch den Bindestrich-bezeichnet ist. Die Verstärkung dieses Lauts, das semitisch-aegyptische 'ain, ist durch ' bezeichnet. Für die palatale Spirans, das französische j, habe ich ž verwendet, für seine Verbindung mit einer Explosiva (englisches j) daher dž, doch oft auch dj (populär schreiben wir meist dsch); die entsprechende Tenuis ist durch tš wiedergegeben. v und w sind zu sprechen wie im Englischen; v hat den Laut des deutschen w, w den des konsonantischen u.

Völlig durchführbar ist diese Transkription allerdings nicht, da viele Namen in ganz anderen Formen bei uns eingebürgert sind; etwa Ša'ûl, Dawîd, Šlômô zu schreiben, wäre eine arge Geschmacklosigkeit, und auch die von den Masoreten geschaffenen Unformen Tiglatpileser, Sanherib, Assarhaddon, Nebukadnezar, Ninive u.ä. werden wir nicht loswerden können, da sie einmal von Luther (und ebenso noch in höherem Maße von den englischen Reformatoren) aufgenommen sind, so schmerzlich es ist, so schöne griechische Transkriptionen wie Σεναχήριβος und Ναβουκοδρόσορος nicht verwenden zu dürfen. Bei seltenen und wenig bekannten Namen dagegen liegt kein Grund vor, nicht auch korrekt zu transkribieren. Das habe ich denn auch bei biblischen Namen in weitem Umfang getan, und, ebenso wie schon in der ersten Auflage und in meinen sonstigen Schriften, überall da, wo uns in LXX noch die korrekten Formen erhalten sind, diese statt der masoretischen eingesetzt. Denn für fast alle nicht ganz geläufigen fremden [13] und einen beträchtlichen Teil der einheimischen Namen gibt die masoretische Vokalisation unserer hebraeischen Bibeln die entsetzlichsten Unformen, weil ihren Urhebern alle Tradition verloren gegangen war; sie haben offenbar völlig willkürlich die Konsonanten der Eigennamen mit Vokalen ausgestattet, und es ist lediglich Zufall, wenn sie dabei einmal annähernd das Richtige treffen. Eine eingehende Untersuchung der Transkriptionen in LXX (einschließlich Josephus, Philo u.a.) würde überhaupt nicht nur historisch, sondern vor allem auch sprachgeschichtlich sehr interessante Resultate ergeben; es ist wunderlich, daß dies außerordentlich lohnende Thema noch immer keinen Bearbeiter gefunden hat.

Ähnlich wie bei den hebraeischen Namen liegt es bei den griechischen, seit der idealistische aber sehr unpraktische Klassizismus den alten Brauch beseitigt hat, die griechischen Namen durch ihre lateinischen Aequivalente zu ersetzen. Dadurch ist eine Verwirrung geschaffen, aus der es keinen Ausweg gibt; denn völlig durchführbar ist die Beibehaltung der griechischen Formen nun doch einmal nicht, ganz abgesehen davon, daß auch die korrekteste Transkription doch nur eine Aussprache erzeugt, die von der wahren eben so weit und weiter abliegt, als die Umsetzung ins Lateinische. Die Grenze, bis zu der man in diesen Fällen gehen will, hängt lediglich von dem Takt des Schriftstellers ab, und wird daher immer ebensowohl einzelnen Schwankungen wie durchaus berechtigten, aber unvermeidlichen Einwänden ausgesetzt sein. –

Zu diesen allgemeinen Schwierigkeiten kommen nun noch die äußerst verwickelten Probleme hinzu, welche die Transkription des Aegyptischen bietet. Ich will hier auf die lange und sehr unerquickliche Leidensgeschichte der Hieroglyphentranskription nicht eingehen, sondern nur kurz bemerken, daß die von BRUGSCH schon 1857 begründete Erkenntnis, daß das aegyptische Alphabet ursprünglich, wie das semitische, eine reine Konsonantenschrift ist, sich erst ganz allmählich wenigstens bei einem Teil der deutschen Aegyptologen durchgesetzt hat, zunächst in der Theorie, dann auch in der Praxis, [14] während zahlreiche andere sich noch immer hartnäckig gegen eine Anerkennung der Tatsachen sträuben (vgl. § 149 A.). Aber damit ist nur die eine Seite des Problems berührt; denn es handelt sich nun weiter darum, das uns überlieferte Konsonantengerippe durch Einsetzung von Vokalen aussprechbar zu machen; welches die korrekten Vokale sind, wissen wir aber nur in einem Bruchteil der Fälle.

Ich habe die hier vorliegenden Probleme eingehend mit A. ERMAN, H. SCHÄFER und vor allem G. STEINDORFF diskutiert, und über die Prinzipien sind wir auch im wesentlichen einig; aber sobald es sich um den praktischen Einzelfall handelt, werden die Fragen so kompliziert und sind die zu berücksichtigenden Momente so manigfach und so verschiedenartig, daß eine Einigung oft nicht mehr zu erzielen war. Auch ich selbst bin dann, wie ich namentlich bei der Ausarbeitung des Index gesehen habe, durchaus nicht immer konsequent gewesen; in der Tat würde sich wenigstens eine gleichmäßige Schreibung (bei der es immer fraglich bleiben würde, ob sie die korrekteste wäre) nur dann erreichen lassen, wenn das gesamte in Betracht kommende Namenmaterial bereits im voraus übersichtlich zusammengestellt vorläge.

Die wichtigsten in Betracht kommenden Grundsätze sind die folgenden:

1. Die Konsonanten umschreibe ich im allgemeinen so, wie ERMAN und seine Schüler und die Aegyptische Zeitschrift schreiben; nur mußten natürlich auch hier die oben aufgezählten allgemein verwendeten Zeichen statt der spezifisch aegyptologischen verwendet werden. Daher schreibe ich fürTranskription ch (nicht ḫ)3, und habe fürTranskription (ṯ) die Umschreibung z, fürTranskription (ḏ) die durch ẕ4 eingeführt. Die einzige wirkliche Abweichung ist, daß ich Transkription nicht durch d, sondern durch ţ [15] umschreibe, da die dentale Media dem Aegyptischen von Anfang an fremd gewesen und die Aussprache des Zeichens wirklich dem semitischen ט entsprochen zu haben scheint, wenngleich es gelegentlich auch als Aequivalent eines semitischen d Transkription vorkommt.

Die größte Schwierigkeit bietet nun aber die Wiedergabe des . Die ERMANsche Sigle ἰ ist für uns natürlich unverwertbar. In vielen Fällen ist es sicher ein j, und daher auch so wiedergegeben worden. Ich habe mich aber nicht entschließen können, es überall durch j zu transkribieren, da ganz feststeht, daß es in zahlreichen Fällen, wie Atumu, Amon, Apôpi, Atôti, Anubis, eboṭ Monat, amentit Westen usw., jedenfalls schon in sehr früher Zeit den Wert nicht des j, sondern den eines Aleph gehabt hat. Daher habe ich j nur da gebraucht, wo es wahrscheinlich oder sicher ist, daß dieser Laut gesprochen wurde (z.B. in jo'ḥ Mond, jotru jo'er = ראי Nil usw.; daher schreibe ich auch jeb »Herz«, Jaru, Jerzet u.ä.), sonst aber das wie Aleph behandelt, d.h. unbezeichnet gelassen (oder gelegentlich, ebenso wie das eigentliche Aleph Transkription, durch ' bezeichnet), und als Vokal entweder a oder e eingesetzt. So schreibe ich also z.B. den Namen des aegyptischen Reformators Echenaton5 (korrekt 'Ech-n-'aton), nicht Jechenjeten, (Jechuenjeten), und ebenso Akeuḥor usw., nicht Jekeuḥor, Asosi, nicht Jessej usw.

2. Wo brauchbare griechische Transkriptionen vorliegen, sei es in Inschriften, sei es bei Manetho u.a., sind diese beibehalten. Daher schreibe ich Ramses, Thutmosis, Achthoes, Amenophis, Menes, Cheops usw., ebenso Thouth, Anubis, Tefênet, während ich in der ersten Auflage zum Teil die üblichen, aber in ihrer Vokalisation immer unsicheren Transskriptionen [16] der Hieroglyphenzeichen dieser Namen gegeben hatte. Im einzelnen ist hier natürlich die Grenze, bis zu der man gehen soll, schwer festzusetzen; so habe ich bei Unas, Pepi u.a. die traditionelle Umschrift beibehalten, nicht Manethos Formen Onnos und Phios oder Phiops.

3. In allen anderen Fällen müssen wir zu dem hieroglyphischen Konsonantengerippe die Vokale ergänzen, teils nach dem Koptischen, teils nach Analogie; gelegentlich geben auch assyrische und hebraeische Transkriptionen einen Anhalt, so z.B. bei Šošenq (Manethos Sesonchis muß auf einem Umspringen der Vokale in der späteren Aussprache beruhen). Wo nichts Derartiges vorliegt, bleibt die Vokalisation willkürlich, und der beliebte Weg, über das Wort eine Anzahl von e-Vokalen auszustreuen, unvermeidlich. Auf diesem Gebiet werden natürlich die Meinungen sehr stark auseinandergehen. STEINDORFF vertritt theoretisch die Ansicht, daß man überall das Konso nantengerippe auf diese Weise behandeln soll, und nennt daher z.B. das Weihrauchland Pewenet. Ich dagegen bin der Meinung, daß da, wo eine Namensform, so willkürlich sie ist, schon einmal eingebürgert und allbekannt ist, wir sie nicht durch eine neue eben so willkürliche Form ersetzen sollen (es sei denn, daß durch Beibehaltung des Herkömmlichen andere Mißstände entstehen). So ist es z.B. höchst wahrscheinlich, daß das Weihrauchland weder Punt noch Pewenet noch Puanît (wie MASPERO schreibt) geheißen hat; eben darum aber behalte ich das einmal herkömmliche Punt bei. Denn andernfalls besteht immer die Gefahr, daß, wenn etwa die richtige Aussprache entdeckt werden sollte, oder auch nur, wenn die Theorie über die anzuwendenden Prinzipien sich ändert, wir in ein paar Jahren aufs neue ändern müssen; und solche Änderungen halte ich, so lange sie nicht als annähernd definitiv betrachtet werden können, für viel bedenklicher und verwirrender als die Beibehaltung einer sehr problematischen Form, die doch nur durch eine zwar methodischere aber schwerlich korrektere ersetzt werden könnte. Hier muß die Rücksicht auf die Praxis so lange den Ausschlag [17] geben, bis wir wenigstens einigermaßen sicheren Boden haben. Darum schreibe ich Punt, Ti, Ai u.ä.; dagegen habe ich z.B. das übliche Ruzenu (Ruthenu) durch Rezenu ersetzt, weil hier das u in der ersten Silbe den Leser irreführen und den Schein hervorrufen kann, als sei für dasselbe in der aegyptischen Schreibung irgend ein Anhalt vorhanden.

Daß im einzelnen immer Vieles willkürlich bleiben muß, versteht sich bei dieser Sachlage von selbst. –

Weit weniger Schwierigkeiten bietet die Transkription der keilschriftlichen Namen. Hier bereitet eigentlich nur die eine Tatsache Schwierigkeiten6, daß die Assyriologen jetzt allgemein die s-Laute nach babylonischer Aussprache (die sich mit der semitischen Etymologie deckt) wiedergeben, während im Assyrischen s und š ihre Aussprache gewechselt haben (vgl. § 395). Ich umschreibe daher die assyrischen Namen (und ebenso die durch die Assyrer überlieferten anderer Völker) nach der Aussprache, nicht nach der Schrift, schreibe also babylonisch šamaš und šum, aber assyrisch samas und sum, ebenso Assur usw. Außerdem ist zu beachten, daß im semitischen Babylonisch inlautendes m bekanntlich schon sehr früh in w übergegangen ist; den etymologischen Transkriptionen šamaš, amelu usw. entspricht also die Aussprache šawas, awelu.

Über die Transkription des Arischen ist oben S. XII f. schon gesprochen.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 81965, Bd. 1/2.
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