Kriegsverbrechen und Verbrechen

gegen die Menschlichkeit.

[323] Ribbentrop nahm an einer Besprechung vom 6. Juni 1944 teil, bei der man übereinkam, ein Programm zu entwerfen, auf Grund dessen alliierte Flieger, die im Tiefflug angriffen, gelyncht werden sollten. Im Dezember 1944 wurde Ribbentrop von den Plänen zur Ermordung eines in Kriegsgefangenschaft befindlichen französischen Generals in Kenntnis gesetzt, und er wies seine Mitarbeiter an, die Einzelheiten in der Weise auszuarbeiten, daß die Entdeckung des Planes durch die Schutzmacht verhindert werde. Ribbentrop ist auch wegen seiner sich auf die besetzten Länder und die Vasallenstaaten der Achse beziehenden Tätigkeit für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich. Die obersten deutschen Beamten in Dänemark und Vichy-Frankreich waren Vertreter des Auswärtigen Amtes und Ribbentrop ist daher für die allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Methoden verantwortlich, die bei der Besetzung dieser Länder verwirklicht wurden. Er redete den Italienern dringend zu, in Jugoslawien und Griechenland eine rücksichtslose Besetzungspolitik einzuschlagen.

Er spielte bei Hitlers »Endlösung« der Judenfrage eine wichtige Rolle. Im September 1942 befahl er den bei verschiedenen Vasallenstaaten der Achse akkreditierten diplomatischen Vertretern, die Deportation der Juden nach dem Osten zu beschleunigen. Im Juni 1942 verlangte der deutsche Botschafter in Vichy von Laval die Auslieferung von 50000 Juden zur Deportation nach dem Osten. Am 25. Februar 1943 beschwerte sich Ribbentrop bei Mussolini über die[323] Langsamkeit der Italiener bei der Deportation von Juden aus der italienischen Besatzungszone Frankreichs. Am 17. April 1943 nahm er an einer Besprechung zwischen Hitler und Horthy über die Deportation von Juden aus Ungarn teil; er teilte Horthy mit, daß »die Juden entweder vernichtet oder in Konzentrationslager gebracht werden müssen«. Im Verlauf dieser Besprechung hatte Hitler die Juden mit »Tuberkelbazillen« verglichen und erklärt, sie seien zu erschießen, wenn sie nicht arbeiteten.

Ribbentrops Verteidigung gegen die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen ist, Hitler habe alle wichtigen Entscheidungen selbst getroffen und er sei ein so großer Bewunderer und treuer Gefolgsmann Hitlers gewesen, daß er dessen wiederholte Versicherungen seines Friedenswillens oder die Wahrheit der von Hitler zur Erklärung seiner Angriffshandlungen angeführten Gründe nie bezweifelt habe. Der Gerichtshof hält diese Erklärung nicht für wahr. Ribbentrop nahm an allen Angriffshandlungen der Nazis von der Besetzung Österreichs bis zur Invasion der Sowjetunion teil. Obwohl er persönlich mehr mit der diplomatischen als der militärischen Seite dieser Aktionen befaßt war, war seine diplomatische Tätigkeit so eng mit dem Krieg verbunden, daß der Angriffscharakter der Taten Hitlers ihm nicht unbekannt geblieben sein konnte. Auch bei der Verwaltung der Gebiete, deren Kontrolle Deutschland durch widerrechtliche Invasion erworben hatte, unterstützte Ribbentrop die Durchführung verbrecherischer Pläne, insbesondere zur Ausrottung der Juden. Außerdem gibt es mehr als ausreichenden Beweisstoff, welcher Ribbentrops völlige Übereinstimmung mit den Hauptgrundsätzen nationalsozialistischer Lehren zeigt, und ferner seine vorbehaltlose Zusammenarbeit mit Hitler und mit anderen Angeklagten bei der Begehung von Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit deutlich macht. Von Ribbentrop hat Hitler so willig bis zum Schluß gedient, weil Hitlers Politik und Hitlers Pläne sich mit seinen eigenen deckten.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 323-324.
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