Nachmittagssitzung.

[182] VORSITZENDER: Leutnant Meltzer, haben Sie die Absicht, heute Nachmittag einen Zeugen zu verhören?

LEUTNANT MELTZER: Nein, Herr Vorsitzender, ich glaube, ein anderes Mitglied der Anklagevertretung, Herr Dodd, hat die Absicht, einen Zeugen aufzurufen.


VORSITZENDER: Im Zusammenhang mit dem Fall gegen Funk?


LEUTNANT MELTZER: Nein, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Oder im Zusammenhang mit der Anklage gegen jemand anders?


LEUTNANT MELTZER: Jawohl, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Im Zusammenhang mit wem ist es, mit Raeder?


LEUTNANT MELTZER: Ich glaube, Herr Dodd kann...


VORSITZENDER: Ist es Raeder?


LEUTNANT MELTZER: Nein, Herr Vorsitzender. Herr Dodd kann Ihnen eine bessere Erklärung geben als ich, warum dieser Zeuge aufgerufen werden soll.

VORSITZENDER: Herr Dodd?


MR. THOMAS J. DODD, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Jawohl, Herr Vorsitzender, der Zeuge, den wir aufrufen wollen, hat mit dem Fall gegen die Angeklagten Rosenberg, Funk, Frick, Sauckel und Kaltenbrunner zu tun.


VORSITZENDER: Ich verstehe. Bezieht sich die Beweisaufnahme auf die Konzentrationslager?


MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Ich verstehe.


MR. DODD: Dieser Zeuge wäre schon zu der Zeit, als wir das andere Beweismaterial vorlegten, aufgerufen worden, aber er war damals vor dem Militärgericht in Dachau und konnte daher hier nicht zur Verfügung stehen.


VORSITZENDER: Ich verstehe, ich danke Ihnen.


LEUTNANT MELTZER: Hoher Gerichtshof! Vor der Vertagung besprachen wir die Rolle, die der Angeklagte Funk in der wirtschaftlichen Unterdrückung der Juden spielte. Wie sich der Hohe Gerichtshof erinnern wird, wurde im November 1938 der Tod des Herrn vom Rath in Paris von den Nazis zum Vorwand einer verstärkten Judenverfolgung genommen. Die neuen Richtlinien zielten [182] auf die vollständige Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben Deutschlands. Das von uns vorzulegende Beweismaterial wird zeigen, daß der Angeklagte Funk einen Hauptanteil an der Ausarbeitung und Ausführung dieser Politik hatte. In diesem Zusammenhang möchte ich den Gerichtshof auf Dokument 1816-PS verweisen, das bereits in das Protokoll aufgenommen ist. Es befindet sich auf Seite 52 des Dokumentenbuchs. Dieses Dokument ist ein Bericht über die am 12. November 1938 unter Görings Vorsitz abgehaltene Sitzung über die Judenfrage. Bei der Eröffnung der Sitzung sagte der Angeklagte Göring; und ich zitiere jetzt von Seite 1, Absatz 1 der Übersetzung. Die entsprechende Seite des deutschen Originals ist auch Seite 1:

»... die heutige Sitzung ist von entscheidender Bedeutung. Ich habe einen Brief bekommen, den mir der Stabsleiter des Stellvertreters des Führers, Bormann, im Auftrag des Führers geschrieben hat, wonach die Judenfrage jetzt einheitlich zusammengefaßt werden soll und so oder so zur Erledigung zu bringen ist.«

Der Angeklagte Funk kam gut vorbereitet zu dieser Sitzung. Er hatte schon eine Verordnung entworfen, die er mit der folgenden Erklärung unterbreitete. Ich zitiere wiederum vom Dokument 1816-PS, Seite 15 des Dokuments und Seite 66 des Dokumentenbuchs, Herr Vorsitzender:

»Ich habe für diesen Fall eine Verordnung vorbe reitet, die besagt, daß Juden vom 1. Januar 1939 ab der Betrieb von Einzelhandelsverkaufsstellen und Versandgeschäften sowie der selbständige Betrieb eines Handwerks untersagt ist. Ferner ist es ihnen verboten, dafür Angestellte einzustellen oder Leistungen anzubieten, dafür zu werben oder Bestellungen darauf anzunehmen. Wo ein jüdisches Gewerbe geführt wird, ist es polizeilich zu schließen. Ein Jude kann vom 1. Januar 1939 ab nicht mehr Betriebsführer im Sinne des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 sein.«

Ich glaube, wir können den Rest auslassen, er ist in demselben Tone gehalten.

VORSITZENDER: Jawohl.

LEUTNANT MELTZER: Der Hauptinhalt des Gesetzentwurfs des Angeklagten Funk fand prompt seinen Weg in das Reichsgesetzblatt. Am 12. November 1938 unterzeichnete der Angeklagte Göring einen Erlaß, der überschrieben war: »Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben.« In Abschnitt 4 ermächtigte er den Angeklagten Funk, die Bestimmungen dieses Erlasses durch Erlaß der notwendigen Ausführungsbestimmungen [183] durchzuführen. Eine Untersuchung der Bestimmungen dieses Erlasses, der im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1580, erschienen ist, zeigt, wie zutreffend diese Überschrift »Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben« war.

Kurz nachdem das Gesetz vom 12. November ergangen war, hielt der Angeklagte Funk eine Rede über die jüdische Frage. Er erklärte, daß das Programm der wirtschaftlichen Verfolgung der Juden nur ein Teil des größeren Vernichtungsprogramms wäre, und rühmte sich, daß das neue Programm die vollkommene Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben sichere. Als Beweismaterial unterbreite ich Urkunde 3545-PS, US-659. Dieses Dokument, das sich auf Seite 76 des Dokumentenbuchs befindet, ist eine beglaubigte Photokopie der zweiten Seite der Frankfurter Zeitung vom 17. November 1938. Ich zitiere einen sehr kurzen Teil aus dieser Rede:

»Staat und Wirtschaft sind eine Einheit. Sie müssen nach den gleichen Grundsätzen geleitet werden. Den besten Beleg hierfür gibt die jüngste Entwicklung des Judenproblems in Deutschland. Man kann nicht die Juden aus dem Staatsleben ausschalten, sie aber in der Wirtschaft leben und arbeiten lassen.«

Ich werde den Rest überspringen, möchte den Gerichtshof jedoch bitten, diesen Nachdruck der deutschen Zeitung, der Frankfurter Zeitung, amtlich zur Kenntnis zu nehmen.

Ich möchte mich jedoch auf einen Erlaß beziehen, der vom Angeklagten Funk selbst unterschrieben wurde. Am 3. Dezember 1938 unterzeichnete er einen Erlaß, der den Juden weitere drastische, wirtschaftliche Einschränkungen auferlegte und ihr Eigentum der Beschlagnahme und Zwangsliquidierung auslieferte. Dieses Gesetz ist im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1709, zu finden. Der Angeklagte Funk hat selbst seine Verantwortlichkeit für die wirtschaftliche Unterdrückung der Juden zugegeben und bedauert. Als Beweismaterial unterbreite ich Dokument 3544-PS, US-660. Dieses Dokument, das das letzte im Zusammenhang mit dieser Phase der Anklage ist, enthält die Aussagen des Angeklagten Funk in einem Verhör vom 22. Oktober 1945. Der Hohe Gerichtshof wird sie auf Seite 102 und 103 des Dokumentenbuchs finden. Ich möchte von den Seiten 26 und 27 der Aussage zitieren. Die entsprechende Stelle der deutschen Übersetzung ist Seite 21. Ich beabsichtige, so viel zu verlesen, daß die Erklärungen des Angeklagten Funk im rechten Zusammenhang erscheinen. Ich beabsichtige jedoch nicht, seinem Versuch, sich zu rechtfertigen, auch nur die geringste Bedeutung beizumessen. Ich zitiere:

[184] »Frage: Sind nicht alle Verordnungen, durch die die Juden aus der Industrie ausgeschlossen wurden, von Ihnen erlassen worden?«

Ich lasse die ersten neun Zeilen der Antwort aus.

»Antwort: Soweit meine Beteiligung bei diesen jüdischen Angelegenheiten in Betracht kommt, fällt sie in meine Verantwortung. Ich habe später bedauert, daß ich je daran teilgenommen habe. Die Partei hatte früher immer einen Druck auf mich ausgeübt, um meine Zustimmung für die Enteignung des jüdischen Besitzes zu erhalten, was ich wiederholt abgelehnt habe. Aber später, als die antijüdischen Maßnahmen und die Gewalttätigkeiten gegen die Juden mit ganzer Stärke durchgeführt wurden, mußte etwas Gesetzliches unternommen werden, um die Plünderung und Beschlagnahme des gesamten jüdischen Eigentums zu verhindern.

Frage: Sie wußten, daß die Plünderung und all das, was man tat, auf Veranlassung der Partei geschah, nicht wahr?«

Der Angeklagte Funk fängt an zu weinen und antwortet:

»Damals hätte ich zurücktreten sollen, im Jahre 1938. Deshalb bin ich schuldig, ich bin schuldig, ich gestehe, daß ich als schuldiger Teil hier stehe!«

Wie wir gesehen haben, trug der Angeklagte Funk im Propagandaministerium dazu bei, das deutsche Volk für den Krieg stimmungsreif zu machen. Als er in seine Stellung als Wirtschaftsminister und später in andere bereits erwähnte Stellungen überwechselte, verwandte er seine Fähigkeiten auf das Hauptziel der Verschwörer, nämlich, die Vorbereitung zum Kriege. Unmittelbar bevor der Angeklagte Funk im Jahre 1938 von dem Angeklagten Schacht das Wirtschaftsministerium übernahm, fand eine grundlegende Neuorganisation innerhalb des Ministeriums statt, durch die es mit dem Vierjahresplan als der obersten Kommandostelle der deutschen Kriegswirtschaft verschmolzen wurde. Diese Neuorganisation wurde durch einen von Göring als dem Beauftragten für den Vierjahresplan am 4. Februar 1938 unterzeichneten Erlaß in Kraft gesetzt. Dieser Erlaß erschien in einer amtlichen, von Göring herausgegebenen Monatsschrift, die in der englischen Übersetzung den Titel »The Four Year Plan«, »Der Vierjahresplan«, trägt, und befindet sich in Band II des Jahres 1938 auf Seite 105. Der Gerichtshof wird gebeten, hiervon amtlich Kenntnis zu nehmen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich kurz bemerken, daß diese Verordnung zu erkennen gibt, daß der Angeklagte Funk in der entscheidenden Zeitspanne eine wichtige Rolle bei der Aufgabe der wirtschaftlichen Mobilisierung übernahm. In der Tat erhielt er im Jahre 1938 den Auftrag, die deutsche Wirtschaft für den Krieg [185] vorzubereiten. Durch einen geheimen Erlaß wurde er zum Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft ernannt und übernahm die Funktionen, die vorher der Angeklagte Schacht ausgeübt hatte. In diesem Zusammenhang beziehe ich mich auf Dokument 2194-PS, das bereits als Beweismaterial unterbreitet worden ist. Dieses Dokument, das sich auf Seite 111 des dem Gerichtshof vorliegenden Dokumentenbuchs befindet, besteht aus einem Briefe vom 6. September 1939, dem eine Abschrift des Reichsverteidigungsgesetzes vom 4. September 1938 beigefügt war. Mit dieser Beilage wollen wir uns jetzt beschäftigen. Ich möchte von Seite 4 der Übersetzung verlesen, und zwar vom zweiten bis vierten Absatz:

»Aufgabe des GBW ist es, alle wirtschaftlichen Kräfte in den Dienst der Reichsverteidigung zu stellen und das Leben des deutschen Volkes wirtschaftlich zu sichern. Ihm unterstehen der Reichswirtschaftsminister, der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, der Reichsarbeitsminister...«

und so weiter.

»Er leitet ferner verantwortlich die Finanzierung der Reichsverteidigung im Bereich des Reichsfinanzministeriums und der Reichsbank.«

Nun zitieren wir einen weiteren Absatz:

»Der GBW hat den Forderungen des OKW, die für die Wehrmacht von wesentlicher Bedeutung sind, zu entsprechen und die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Produktion der vom OKW unmittelbar geleiteten Rüstungsindustrie nach diesen Forderungen sicherzustellen.«

Dieses Gesetz setzt in der Hauptsache die schon früher im Reichsverteidigungsgesetz vom Jahre 1935 erlassenen Bestimmungen wieder in Kraft. Ich will den Gerichtshof durch weiteres Verlesen nicht aufhalten, möchte aber bemerken, daß das Gesetz auf unmittelbaren Befehl Hitlers geheim behandelt wurde, und daß es von dem Angeklagten Funk als dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft mitunterzeichnet war. Der Hohe Gerichtshof wird die Unterschrift Funks auf der vorletzten Seite des Dokuments finden; ich lenke außerdem Ihre Aufmerksamkeit auf die Namen seiner Mitunterzeichner.

Der Angeklagte Funk hat in einer Rede vom 14. Oktober 1939 erklärt, wie er als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft schon anderthalb Jahre vor Beginn des Angriffs gegen polen die Vorbereitung der deutschen Wirtschaft für den Krieg gefördert habe. Ich unterbreite als Beweismaterial Dokument 3324-PS, US-661. Dieses Dokument ist ein deutsches Buch von Berndt und von Wedel und trägt in der englischen Übersetzung den Titel »Germany in the fight«, »Deutschland im Kampf«. In diesem Buch ist die Rede [186] des Angeklagten Funk abgedruckt. Ich zitiere jetzt von Seite 2 der Übersetzung des Dokuments 3324-PS, die sich auf Seite 116 des Dokumentenbuchs befindet. Die Übersetzung dieser Rede ist etwas unbeholfen, und mit Erlaubnis des Hohen Gerichtshofs möchte ich mich etwas anders ausdrücken, ohne den Sinn irgendwie zu ändern.

Ich zitiere:

»Waren mithin in die Aufgaben und die Arbeit des Vierjahresplans unter Leitung des Generalfeldmarschalls Göring sämtliche Wirtschafts- und Finanz ressorts eingespannt, so wurde die kriegswirtschaftliche Vorbereitung Deutschlands auch noch auf einem anderen Sektor seit Jahr und Tag in aller Stille vorangetrieben, nämlich durch die Errichtung eines staatlichen Lenkungsapparats für die besonderen kriegswirtschaftlichen Aufgaben, die in dem Augenblick zu bewältigen waren, wo der Kriegszustand eintrat. Auch für diese Arbeit waren sämtliche Wirtschaftsressorts in einer Verwaltungsbehörde zusammengefaßt, nämlich bei dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft, zu dem mich der Führer vor etwa eineinhalb Jahren berufen hat.«

VORSITZENDER: Wann wurde diese Rede gehalten?

LEUTNANT MELTZER: Das Datum dieser Rede ist der 14. Oktober 1939, Herr Vorsitzender! In seiner doppelten Rolle als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft und Wirtschaftsminister war der Angeklagte Funk natürlich über die Anforderungen unterrichtet, die das Angriffsprogramm der Verschwörer an die deutsche Wirtschaft stellte. In diesem Zusammenhang möchte ich den Gerichtshof auf Dokument 1301-PS hinweisen, das als Beweismaterial bereits vorgelegt worden ist. Wie sich der Gerichtshof erinnern wird, enthält diese Urkunde einen als »Geheime Kommandosache« bezeichneten Bericht über eine Besprechung, die am 14. Oktober 1938 im Büro des Angeklagten Göring stattgefunden hat. Der Hohe Gerichtshof findet diesen Bericht auf Seite 142 des Dokumentenbuchs. Ich werde lediglich die wesentlichen Teile dieses Dokuments zusammenfassen.

In der Sitzung sprach Göring über die Weltlage und über die Weisung Hitlers, ein riesiges Rüstungsprogramm durchzuführen. Er wies deshalb das Wirtschaftsministerium an, den Export zu erhöhen, um die notwendigen Devisen zur Beschleunigung der Aufrüstung zu erhalten. Er fügte hinzu, wie sich der Hohe Gerichtshof erinnern wird, daß die Luftwaffe um das Fünffache zu vergrößern sei, daß die Kriegsmarine rascher aufrüsten und daß das Heer die Herstellung von Angriffswaffen beschleunigen müsse. Die Worte des Angeklagten Göring, die u. a. an Funk gerichtet wurden, waren die eines Mannes, der sich bereits im Kriegszustand befand, und [187] der Nachdruck, den er auf die fünffache Vergrößerung der Luftwaffe und auf die Herstellung von Angriffswaffen legte, waren die Willensäußerungen eines Mannes, der bereit war, Angriffskriege zu führen.

Nach Schachts Rücktritt war Funk die Hauptperson bei der Vorbereitung der Finanzierungspläne für den Krieg. Das war nur natürlich, da nach 1939 der Angeklagte Funk drei für die Kriegsfinanzierung ausschlaggebende Stellungen innehatte. Zwei haben wir bereits erwähnt: die eines Wirtschaftsministers und die eines Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft. Darüber hinaus war er Präsident der Reichsbank.

Funks Rolle in der Finanzierung des Krieges wird durch das Dokument 3562-PS veranschaulicht, das ich jetzt als Beweisstück US-662 einführe. Dieses Dokument wurde in den erbeuteten Akten des Reichswirtschaftsministeriums gefunden und enthält unter anderem einen Brief des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft, der in seinem Auftrag von Dr. Posse unterschrieben ist. Dieser Brief datiert vom 1. Juni 1939 und enthält den Bericht über eine Besprechung, die sich mit der Finanzierung des Krieges beschäftigte und die unter dem Vorsitz von Funks Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Dr. Landfried, stattfand. Ein Durchschlag dieses Dokuments, das ich dem Gerichtshof unterbreitet habe, trägt eine Randnotiz auf Seite 1, unten links, die vom 5. Juni datiert ist, und lautet: »Herrn Minister« – das ist Funk – »zur gefl. Kenntnisnahme vorzulegen.«

In der Verhandlung, an der zwölf Beamte teilnahmen, von denen fünf dem Angeklagten Funk als dem Chef verschiedener Ressorts verantwortlich waren, wurde eine die Kriegsfinanzierung betreffende Denkschrift besprochen, die von dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft am 9. Mai 1939 vorbereitet worden war. Ich möchte von Seite 2 der englischen Übersetzung, die sich auf Seite 153 des dem Gerichtshof vorliegenden Dokumentenbuchs befindet, kurz zitieren:

»Es gelangte darauf der Inhalt des ›Vermerks zur Frage der inneren Kriegsfinanzierung‹ vom 9. Mai d. J. zum Vortrag, in dem auch die mir vom Reichsfinanzminister genannten Zahlen erörtert wurden. Es wurde darauf hingewiesen, daß es dem OKW in erster Linie darauf ankäme, den Gedanken einer Finanzierung der Kriegsausgaben durch Vorgriffe auf künftige, nach dem Krieg zu erwartende Einnahmen des Reiches, in die Kriegsfinanzgesetzgebung einzuführen.«

Und nun möchte ich noch einen anderen kurzen Auszug aus dieser wichtigen Denkschrift zitieren, der sich auf Seite 2 der [188] englischen Übersetzung und auf Seite 153 des Dokumentenbuchs befindet:

»Herr Staatssekretär Neumann stellte zunächst zur Erörterung, ob die Produktion den Anforderungen der Wehrmacht im Kriegsfall in dem angenommenen Umfange werde folgen können, insbesondere dann, wenn die Anforderungen der Wehrmacht sich, wie vorgetragen worden sei, auf rd. 14 Md. für die ersten drei Kriegsmonate erhöhten. Wenn man die Produktionsfähigkeit des gegenwärtigen Reichsgebietes zugrunde legte, so habe er Zweifel an der Möglichkeit einer derartigen Produktionssteigerung.«

Man sieht also, daß der Angeklagte Funk umfassende Befugnisse über einen großen Teil der deutschen Wirtschaft innehatte, deren gründliche Organisierung und Leitung für die wirksame Durchführung der Kriegsvorbereitungen entscheidend war. Die einst so machtvolle Militärmaschine, die auf einer gründlichen wirtschaftlichen Vorbereitung beruhte, war ein sichtbares Zeichen für die Mitarbeit, die der Angeklagte Funk der Nazi-Aggression geleistet hatte.

Funk leistete diesen Beitrag in voller Kenntnis der Pläne eines militärischen Angriffskriegs. Ein zwingender Schluß für seine Kenntnis ergibt sich aus verschiedenen Faktoren: aus Funks langem und intimem Zusammenwirken mit dem inneren Kreise der Nazis, aus der besonderen Art seiner amtlichen Tätigkeit selbst, aus der kriegerischen Atmosphäre in Nazi-Deutschland und aus der Tatsache, daß Gewalt und Gewaltandrohung das hauptsächlichste und offenbare Hauptinstrument der deutschen Außenpolitik geworden waren. Der letzte Punkt, den man für die Abwägung der Frage nach Funks Kenntnis heranziehen muß, ist natürlich die Tatsache, daß zu der gleichen Zeit, während Funk seine wirtschaftlichen Vorbereitungen traf, bereits besondere Angriffspläne ausgearbeitet wurden, die später nur deshalb in die Tat umgesetzt werden konnten, weil sie mit ergänzenden wirtschaftlichen Maßnahmen in Einklang gebracht worden waren.

Die Schlußfolgerung auf die Kenntnis des Angeklagten Funk wird über jeden Zweifel erhoben, wenn man die bereits in dem Verhandlungsbericht niedergelegten mehr spezifischen und direkten Beweismittel im Licht der oben beschriebenen Faktoren betrachtet. Wir haben aus dem Dokument 1760-PS ersehen, daß der Angeklagte Funk seinerzeit Herrn Messersmith mitgeteilt hatte, daß der Anschluß Österreichs an Deutschland eine politische und wirtschaftliche Notwendigkeit sei, und daß er mit allen für notwendig erachteten Mitteln durchgeführt werden würde. Wir haben uns bereits auf [189] Dokument 1301-PS bezogen, in dem der Angeklagte Göring Weisungen erließ, die nur als Anordnungen zur Vorbereitung der wirtschaftlichen Grundlage für einen Angriffskrieg aufgefaßt werden konnten. Dokument 3562-PS hat gezeigt, daß der Angeklagte Funk ins einzelne gehende Pläne für die Finanzierung eines Krieges ausgearbeitet hatte, der nur ein ganz bestimmter Krieg sein konnte, nämlich ein solcher gegen Polen. In Verbindung damit möchte ich auf ein weiteres wichtiges Beweisstück hinweisen, das bereits in die Verhandlungsniederschrift aufgenommen worden ist. Es handelt sich um einen Brief vom 25. August 1939, den der Angeklagte Funk an Hitler gerichtet hat. In diesem Brief spricht Funk, wie der Gerichtshof sich erinnern wird, seinen Dank dafür aus, daß er Gelegenheit hätte, diese weltgeschichtliche Zeit mitzuerleben und seinen Beitrag zu diesen gewaltigen Ereignissen beizusteuern. Er dankte Hitler dafür, daß er seine Vorschläge zur Vorbereitung der deutschen Wirtschaft für den Krieg gutgeheißen habe.

Darüber hinaus enthält das Verhandlungsprotokoll Beweise dafür, daß der Angeklagte Funk sowohl persönlich als auch durch seine Mitarbeiter an der wirtschaftlichen Planung, die dem militärischen Angriff gegen die Sowjetunion vorausging, teilgenommen hat. Ich möchte den Gerichtshof auf Dokument 1039-PS hinweisen, aus dem hervorgeht, daß im April 1941 der Angeklagte Rosenberg, der als Kommissar für die Zentralisierung der Probleme der besetzten Ostgebiete, das heißt der Sowjetunion, ernannt worden war, mit dem Angeklagten Funk die wirtschaftlichen Probleme besprach, die sich ergeben würden, wenn die Angriffspläne im Osten herangereift wären. Das Dokument 1039-PS zeigt weiterhin, daß der Angeklagte Funk einen gewissen Dr. Schlotterer zu seinem Vertreter ernannte, um mit Rosenberg wegen der Ausbeutung der Ostgebiete zusammenzuarbeiten, und daß Schlotterer fast täglich mit Rosenberg zusammenkam.

Es ist danach offensichtlich, daß der Angeklagte Funk an jeder Phase des Programms der Verschwörer beteiligt war, angefangen von ihrer Machtübernahme bis zu ihrer endgültigen Niederlage. Während dieser Zeit arbeitete er, wenn auch manchmal mehr im stillen als manche anderen, tatkräftig für das Nazi-Programm, das, wie er genau wußte, von Anfang an die rücksichtslose Anwendung von Terror und Gewalt innerhalb Deutschlands und, wenn nötig, auch außerhalb Deutschlands vorsah. Wir sind der Auffassung, daß er eine besondere, unmittelbare und schwere Verantwortung für die Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen den Frieden sowie für Kriegsverbrechen trägt. Der Verhandlungsbericht läßt, wenn wir das Beweismaterial zusammenfassen, klar erkennen, daß er durch seine Tätigkeit im Propagandaministerium und im Wirtschaftsministerium verantwortlich ist für die Anregung und [190] Durchführung der unerbittlichen Verfolgung der Juden und anderer Minderheiten, ebenso wie für die seelische Mobilisierung des deutschen Volkes für den Angriffskrieg und für die Unterwühlung des Widerstandswillens und der Widerstandsfähigkeit der seitens der Verschwörer ausersehenen Opfer. Wir behaupten ferner, daß es erwiesen ist, daß der Angeklagte Funk in voller Kenntnis der Ziele der Verschwörer in seiner Stellung als Wirtschaftsminister, Reichsbankpräsident und Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft an der Mobilmachung der deutschen Wirtschaft für den Angriffskrieg tatkräftig Anteil hatte. In diesen Ämtern und als Mitglied des Reichsverteidigungsrats und der Zentralen Planung war er ebenfalls an der Durchführung des Angriffskriegs beteiligt. Wie sich der Gerichtshof aus der Beweisführung von Herrn Dodd erinnern wird, formulierte und leitete der Angeklagte Funk darüber hinaus auf Grund seiner Mitgliedschaft in der Zentralen Planung das Programm der Versklavung, Ausbeutung und Unterdrückung von Millionen ausländischer Arbeiter und trägt demnach einen besonderen Teil der Verantwortung für das nationalsozialistische Programm der Sklavenarbeit.

Die französische Anklagevertretung wird sich mit dieser Sache noch ausführlicher beschäftigen; außerdem werden die französische und russische Anklagevertretung Beweismaterial unterbreiten, nach dem der Angeklagte Funk aktiv an dem Programm für die verbrecherische Ausplünderung der besetzten Gebiete beteiligt war.

MR. DODD: Hoher Gerichtshof, wir möchten nunmehr den Zeugen Dr. Franz Blaha aufrufen.


[Der Zeuge Blaha betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER


[zu dem Zeugen]:


Heißen Sie Franz Blaha?

ZEUGE DR. FRANZ BLAHA [in tschechischer Sprache]: Dr. Franz Blaha, ja.


VORSITZENDER: Wollen Sie mir diesen Eid nachsprechen: Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen, wenn Sie wollen.

MR. DODD: Sie sind Dr. Franz Blaha, geboren in der Tschechoslowakei und tschechoslowakischer Staatsbürger? Stimmt das?


DR. BLAHA [in tschechischer Sprache]: Ja.


MR. DODD: Soviel ich weiß, sprechen Sie Deutsch. Aus technischen Gründen schlage ich vor, daß wir dieses Verhör in deutscher Sprache [191] abhalten, obwohl ich weiß, daß Tschechisch Ihre Muttersprache ist. Ist das richtig?


DR. BLAHA: Im Interesse dieses Prozesses bin ich bereit, meine Aussagen aus folgenden Gründen deutsch zu machen:

1. In den letzten sieben Jahren, die den Gegenstand meiner Aussagen bilden, habe ich ausschließlich in deutscher Umgebung gelebt.

2. Eine Reihe von speziellen Fachausdrücken, die sich auf das Leben in und um die Konzentrationslager beziehen, sind ausschließlich deutsche Erfindungen, und man findet in keiner Sprache ein entsprechendes Aequivalent.


MR. DODD: Dr. Blaha, Sie sind auf Grund Ihrer Erziehung, Ihrer Studien und von Beruf Doktor der Medizin?


DR. BLAHA [in deutscher Sprache]: Ja.


MR. DODD: Sie waren 1939 Leiter eines Krankenhauses in der Tschechoslowakei?


DR. BLAHA: Ja.


MR. DODD: Sie wurden von den Deutschen im Jahre 1939 nach der Besetzung der Tschechoslowakei verhaftet?


DR. BLAHA: Ja.


MR. DODD: Sie waren von 1939 bis 1941 in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert?


DR. BLAHA: Ja.


MR. DODD: Von 1941 bis April 1945 waren Sie im Konzentrationslager in Dachau?


DR. BLAHA: Ja, bis zu Ende.

MR. DODD: Bis dieses Lager von alliierten Truppen befreit wurde?


DR. BLAHA: Ja.


MR. DODD: Sie haben am 9. Januar 1946 in Nürnberg eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, stimmt das?


DR. BLAHA: Ja.


MR. DODD: Diese Erklärung, Hoher Gerichtshof, ist Dokument 3249-PS, und ich möchte es jetzt als Beweisstück US-663 unterbreiten. Ich glaube, daß wir die Länge dieses Verhörs beinahe um drei Viertel der Zeit abkürzen können, wenn wir diese eidesstattliche Erklärung vorlegen; ich möchte sie deshalb verlesen. Es wird viel weniger Zeit in Anspruch nehmen, wenn ich diese eidesstattliche Erklärung verlese, als ein Verhör mit Fragen und Antworten durchzuführen.[192] Außerdem ist in der eidesstattlichen Erklärung ein großer Teil dessen enthalten, was wir von dem Zeugen hören wollen.


VORSITZENDER: Sehr gut.


MR. DODD: Ich brauchte sie nicht zu verlesen, wenn wir Zeit für die Anfertigung der russischen und französischen Übersetzung gehabt hätten, aber unglücklicherweise war dies in den wenigen uns zur Verfügung stehenden Tagen nicht möglich:

»Ich, Franz BLAHA, mache unter Eid und nach vorheriger Einschwörung folgende Erklärung:

1. Ich studierte Medizin in Prag, Wien, Straßburg und Paris und empfing mein Diplom im Jahre 1920. Vom Jahre 1920 bis 1926 war ich klinischer Assistent. Im Jahre 1926 wurde ich leitender Arzt des Iglau-Krankenhauses in Mähren, Czechoslovakei. Ich hielt diese Stellung bis 1939. Dann kamen die Deutschen nach Czechoslovakei, und ich wurde als Geisel festgenommen und gefangen gehalten wegen Zusammenarbeit mit der Tschechischen Regierung. Im April 1941 wurde ich als Gefangener zu dem Konzentrationslager nach Dachau gesandt und verblieb dort bis zur Befreiung des Lagers im April 1945. Bis Juli 1941 arbeitete ich in einer Strafkompanie. Nachher sandte man mich zu dem Krankenhaus, und ich wurde Typhoid-Versuchen unterworfen, die von Dr. Mürmelstadt durchgeführt wurden. Nachher wollte man an mir eine Versuchsoperation durchführen, und ich verhinderte das nur, indem ich zugab, daß ich ein Arzt war. Wenn diese Tatsache vorher bekannt war, hätte ich sehr darunter gelitten, weil Intellektuelle immer sehr rauh in den Strafkompanien behandelt wurden. Im Oktober 1941 wurde ich zur Arbeit zu den Gewürzplantagen geschickt und ging dann später in das Laboratorium, um an diesen Gewürzen zu arbeiten. Im Juni 1942 wurde in das Krankenhaus als Chirurg genommen. Kurz nachher wurde mir befohlen, Magenoperationen an 20 gesunden Gefangenen durchzuführen. Weil ich das nicht durchführen wollte, wurde ich in das Autopsiezimmer versetzt, wo ich bis zum April 1945 verblieb. Während ich dort war, führte ich ungefähr 7000 Autopsien durch. Insgesamt sind 12000 Autopsien unter meiner Leitung durchgeführt worden.

2. Von Mitte 1941 bis zum Ende 1942 sind ungefähr 500 Operationen an gesunden Gefangenen durchgeführt worden. Diese waren für die Belehrung der SS medizinischen Studenten und Ärzte und schließen Operationen am Magen, Gallenblase und Hals ein. Diese Operationen, obwohl gefährlich und schwer, sind von Studenten und Ärzten durchgeführt worden, die nur 2 Jahre Schulung hatten. Gewöhnlichenfalls [193] würden solche Operationen nur von Chirurgen unternommen werden, die mindestens 4 Jahre chirurgische Praxis hatten. Viele Gefangene starben am Operationstisch, und viele andere starben später von den Nachwirkungen. Ich habe alle diese Körper autopsiert. Die Ärzte, die diese Operationen leiteten, waren: Lang, Mürmelstadt, Wolter, Ramsauer und Kahr. Standartenführer Dr. Lolling war öfters Zeuge dieser Operationen.

3. Während meines Aufenthalts in Dachau wurde mir von vielen Arten medizinischer Versuche bekannt, die dort mit menschlichen Opfern durchgeführt wurden. Diese Personen waren nie mals Freiwillige und wurden gezwungen, sich solchen Versuchen zu unterwerfen. Malaria-Versuche an ungefähr 1200 Menschen wurden von Dr. Klaus Schilling zwischen 1941 und 1945 durchgeführt. Schilling wurde persönlich von Himmler befohlen, diese Versuche durchzuführen. Die Opfer sind entweder von Mosquitos gebissen worden, oder es wurde ihnen Malaria-Sporozoiten, die man von Mosquitos nahm, eingespritzt. Verschiedene Arten von Behandlungen wurden angewandt, einschließlich Quinin, Pyrifer, Neosalvarsan, Antipirin, Pyramidon und ein Medikament mit dem Namen 2516 Behring. Ich habe die Körper der Menschen, die an diesen Malaria-Versuchen gestorben, autopsiert. Dreißig bis Vierzig sind von Malaria selbst gestorben. Dreihundert bis Vierhundert starben später von Krankheiten, die tödlich waren, wegen des körperlichen Zustandes, der nach den Malaria-Anfällen auftrat. In Zufügung starben Menschen von Vergiftungen durch Über- Dosen von Neosalvarsan und Pyramiden. Dr. Schilling war zur Zeit der Autopsien auf den Körpern seiner Patienten, die ich durchführte, anwesend.

4. Im Jahre 1942 und 1943 sind Versuche an Menschen von Dr. Sigismund Rascher durchgeführt worden, um die Wirkungen des wechselnden Luftdrucks an Menschen festzustellen. 25 Personen sind zu gleicher Zeit in einen besonders konstruierten Wagen hineingeführt worden, in dem der Druck nach Bedarf erhöht und erniedrigt werden konnte. Der Zweck war, die Wirkungen der Höhen und des raschen Fallschirmabsprunges an Menschen festzustellen. Durch ein Fenster in diesem Behälter sah ich diese Menschen am Boden des Wagens liegen. Die meisten der Gefangenen, die dazu benutzt worden sind, starben von diesen Versuchen, von innerlichen Blutungen der Lunge oder des Gehirnes. Die Übrigen husteten Blut, wenn sie herausgenommen wurden. Es war meine Arbeit, die Körper herauszunehmen und dann, wenn sie tot gefunden worden sind, die inneren Organe nach München zum Studium [194] zu schicken. Diese Versuche wurden an ungefähr vier- bis fünfhundert Gefangenen durchgeführt. Die Überlebenden sind zu Invalidenblocks gesandt worden und wurden kurz nachher liquidiert. Nur wenige sind entronnen.

5. Rascher hat auch Versuche über die Wirkung kalten Wassers an Menschen durchgeführt. Dies wurde getan, um einen Weg zu finden, die Flieger wieder zu beleben, die in den Ozean fielen. Die Person wurde ins eiskalte Wasser gesetzt und dort solange gehalten, bis er das Bewußtsein verlor. Blut wurde von seinem Hals genommen und jedes Mal geprüft, wenn seine Körper-Temperatur um einen Grad fiel. Dieser Fall wurde durch ein Rectal-Thermometer festgestellt. Urin wurde auch zeitweise geprüft. Manche Männer hielten 24-36 Stunden aus. Die niedrigste Körpertemperatur er reichte 19 Grad C., aber die meisten Männer starben bei 25 bis 26 Grad Celsius. Als die Menschen vom Eiswasser entfernt wurden, hat man versucht, sie durch Kunst-Sonnenwärme, heißes Wasser, Elektro-Therapie und Tierwärme zu beleben. Für das letztere sind Prostituierte benutzt worden, und man legte den Körper des bewußtlosen Mannes zwischen die Körper zweier Frauen. Himmler war bei so einem Versuch anwesend. Ich konnte ihn durch ein Fenster von der Blockstraße sehen. Ich war persönlich bei einigen dieser Kaltwasser-Versuche anwesend, zur Zeit, wo Rascher abwesend war, und ich sah auch Notizen und Diagramme darüber in Raschers Laboratorium. An ungefähr 300 Personen wurden diese Versuche durchgeführt. Die Mehrzahl von denen starb. Von denen, die überlebten, wurden viele geisteskrank. Diejenigen, die nicht starben, wurden in die Invalidenblocks geschickt und wurden dann später genau so wie die Opfer der Luftdruckversuche getötet. Ich kenne nur zwei, die überlebten, einen Jugoslawen und einen Polen. Beide sind geisteskrank.

6. Leber-Punktion-Versuche sind von Dr. Brachtl durchgeführt worden, sowohl an gesunden Menschen als auch an Menschen, die Krankheiten des Magens und der Gallenblase hatten. Es wurde eine Nadel in die Leber einer Person gestoßen, und ein kleines Stück der Leber wurde herausgenommen. Es wurde keine Narkose benützt. Dieser Versuch ist sehr schmerzhaft und hatte oft ernste Nachfolgen, da der Magen oder große Blutadern oft durchlöchert, wodurch ein Blutsturz verursacht wurde. Viele Menschen sind an diesen Versuchen gestorben, und es wurden dazu polnische, russische, tschechische und deutsche Häftlinge herbeigenommen. Insgesamt sind ungefähr 175 Menschen diesen Versuchen unterworfen worden.

[195] 7. Phlegmone-Versuche sind von Dr. Schütz, Dr. Babor, Dr. Kieselwetter und Prof. Lauer, durchgeführt worden. 40 gesunde Menschen sind auf einmal benützt worden, von denen 20 intramuskuläre und 20 intravenöse Injektionen von dem Eiter kranker Menschen erhielten. Drei Tage lang wurde jede Behandlung dieser Menschen verboten, zu welcher Zeit ernste Entzündungen, und in vielen Fällen allgemeine Blutvergiftung auftrat. Dann wurde jede Gruppe wieder in Gruppen von 10 unterteilt. Die Hälfte chemische Behandlung mit Flüssigkeit und Pillen, die alle 10 Minuten 24 Stunden lang eingegeben wurden. Der Rest wurde mit Sulfonamide und Chirurgie behandelt. In manchen Fällen sind alle Glieder amputiert worden. Meine Autopsie zeigte auch, daß die chemische Behandlung schädlich war und sogar Perforationen der Magenwand verursachte. Für diese Versuche sind gewöhnlich polnische, tschechische und holländische Priester benützt worden. Die Versuche waren sehr schmerzhaft. Die meisten der sechs bis achthundert Personen, die dazu benützt wurden, starben am Ende. Die anderen wurden Invaliden und wurden später getötet.

8. Im Herbst 1944 wurden an 60 bis 80 Menschen Salzwasser-Versuche durchgeführt. Sie wurden 5 Tage lang in ein Zimmer eingesperrt und bekamen nichts anderes als Salzwasser zu essen. Während dieser Zeit ist ihr Urin, Blut und Exkrement geprüft worden. Keiner dieser Gefangenen starb, möglicherweise, weil sie Nahrung von anderen Gefangenen geschmuggelt bekamen. Ungarn und Zigeuner sind für diese Versuche benützt worden.

9. Es war allgemein üblich, die Häute der Leichen toter Gefangener zu entfernen. Es wurde mir öfters befohlen, dies zu tun. Dr. Rascher und Dr. Volter im besonderen verlangte diese menschliche Haut von Menschen-Rücken und -Brüsten. Sie wurde chemisch behandelt und in die Sonne zum Trocknen gelegt. Nachher wurde sie in verschiedenen Größen zugeschnitten für Benützung von Sättel, Reithosen, Handschuhe, Hausschuhe und Damenhandtaschen. Tätowierte Haut wurde besonders von den SS-Männern geschätzt. Russen, Polen und andere Häftlinge sind auf diese Art benutzt worden, aber es war verboten, die Haut eines Deutschen auszuschneiden. Diese Haut mußte von gesunden Personen kommen und durfte keine Fehler haben. Manchmal hatten wir nicht genügend Körper mit guter Haut, und dann würde Rascher gewöhnlich sagen: ›Gut, Ihr werdet die Körper bekommen‹. Den nächsten Tag erhielten wir dann 20 bis 30 Körper junger Menschen. Sie sind gewöhnlich in den Hals geschossen worden oder auf den[196] Kopf geschlagen worden, so daß die Haut unbeschädigt blieb. Wir bekamen auch häufig Verlangen für die Schädel und Skelette von Gefangenen. In diesen Fällen kochten wir den Schädel oder den Körper in einem Kessel. Dann wurden die weichen Teile entfernt, die Knochen gebleicht und getrocknet und dann wieder zusammengesetzt. Bei den Schädeln war es wichtig, gute Zähne zu haben. Als wir eine Anfrage für Schädel von Oranienburg bekamen, würden die SS-Männer sagen: ›Wir werden versuchen, Euch einige mit guten Zähnen zu verschaffen.‹ Deswegen war es gefährlich, eine gute Haut oder gute Zähne zu haben.

10. Transporte von Struthof, Belsen, Auschwitz und Mauthausen und aus anderen Lagern kamen oft in Dachau an. Viele von diesen waren 10 bis 14 Tage unterwegs, ohne Wasser und Nahrung. An einem solchen Menschentransport, der im November 1942 ankam, konnte ich Spuren von Menschenfresserei sehen. Die lebenden Gefangenen hatten das Fleisch der toten Körper gegessen. Ein anderer Transport kam von Compiegne, Frankreich. Professor Limousin von Clermont-Ferrand, der später mein Assistent wurde, sagte mir, daß 2000 Personen auf diesem Transport waren, wenn er begonnen hat. Essen war vorhanden, aber überhaupt kein Wasser. 800 starben unterwegs und wurden hinausgeworfen. Wenn der Transport nach 12 Tagen ankam, wurden mehr als 500 Personen am Zug tot vorgefunden. Von den übrigen sind die meisten kurz nach der Ankunft gestorben. Ich habe diesen Transport untersucht, weil das Internationale Bote Kreuz sich darüber beschwerte. Die SS wollte einen Bericht, daß die Toten durch Kämpfe und Aufstände unterwegs verursacht wurden. Ich habe einige der Körper untersucht und habe gefunden, daß sie durch Wassermangel und Erstickung gestorben sind. Es war damals Hochsommer, 120 Menschen wurden in jeden Waggon gestopft.

11. Im Jahre 1941 und 1942 hatten wir im Lager die sogenannten Invaliden-Transporte. Diese setzten sich von Menschen zusammen, die entweder krank oder aus irgendeinem Grund arbeitsunfähig waren. Wir nannten sie ›Himmelfahrt-Kommandos‹. Jede Woche wurden ungefähr 100 bis 120 gezwungen, zu dem Brausebad zu gehen. Dort wurde ihnen von 4 Menschen Injektionen von Phenol, Evipan oder Benzin eingegeben, die einen baldigen Tod verursachten. Nach 1943 sind diese Invaliden zu anderen Lagern zur Liquidierung verschickt worden. Ich weiß, daß sie getötet worden sind, da ich die Protokolle und Statistiken sah, die mit einem Kreuz und dem Datum ihrer Abfahrt versehen [197] wurde. Dies war die übliche Art und Weise, wie Tote registriert wurden. Das wurde sowohl in der Kartothek des Lagers Dachau als auch im Registrar des Standesamtes Dachau angezeigt. 1000 bis 2000 sind alle 3 Monate so weggefahren, so daß ungefähr 5000 im Jahre 1943 auf diese Art und Weise zum Tod gesandt wurden. Dasselbe bewahrheitet sich auch im Jahre 1944. Im April 1945 wurde ein jüdischer Transport in Dachau aufgeladen und wurde an der Eisenbahn stehen gelassen. Der Bahnhof war durch Bombardierung beschädigt und sie konnten nicht wegfahren. So wurden sie einfach dort zum Sterben gelassen. Man ließ sie nicht aussteigen. Zur Zeit, wo das Lager befreit wurde, waren sie alle durch Hungersnot tot.

12. Viele Hinrichtungen durch Gas, Erschießungen und Injektionen fanden im Lager statt. Die Gaskammer wurde im Jahre 1944 vollendet, ich wurde von Dr. Rascher gerufen, um die ersten Opfer zu untersuchen. Von den 8 bis 9 Personen, die in der Kammer waren, waren drei noch am Leben, und die anderen schienen tot zu sein. Ihre Augen waren rot und ihre Gesichter aufgedunst. Viele Gefangene wurden später auf diese Art und Weise getötet. Nachher wurden sie zum Krematorium gebracht, wo ich ihre Zähne auf Gold untersuchen mußte. Wenn sie Gold enthielten, wurden sie herausgezogen. Viele kranke Häftlinge sind durch Injektionen im Krankenhaus getötet worden. Manche Häftlinge, die im Krankenhaus getötet wurden, kamen in den Autopsie-Saal ohne den Zettel mit ihrem Namen und Nummer, die gewöhnlich auf der großen Zehe angebunden war. Anstatt dessen hatten sie einen Zettel angebunden: ›Nicht Sezieren‹. Ich habe einige dieser Häftlinge autopsiert und gefunden, daß sie vollkommen gesund waren und nur durch Injektionen ihren Tod fanden. Manchmal sind Häftlinge getötet worden nur, weil sie unter Dysenterie litten oder erbrachen, sodaß sie den Pflegern zu viel Mühe gaben. Geisteskranke wurden liquidiert, indem sie zur Gaskammer geführt wurden und dort entweder Injektionen bekamen oder erschossen wurden. Die übliche Methode der Hinrichtung war Erschießen. Häftlinge konnten vor dem Krematorium erschossen werden und dann hineingetragen werden. Ich habe gesehen, wie Menschen in die Öfen hineingestoßen wurden, als sie noch atmeten und Geräusche machten. Im Falle sie zu lebendig waren, wurden sie gewöhnlich auf den Kopf geschlagen.

13. Die Haupthinrichtungen, von denen ich weiß, da ich die Opfer untersuchte oder solche Untersuchungen leitete, waren die folgenden: Im Jahre 1942 sind 5000 bis 6000 Russen [198] in einem abgegrenzten Lager in Dachau gefangen gehalten worden. Sie sind in Gruppen von 500 bis 600 zu dem Schießplatz in der Nähe des Lagers zu Fuß genommen worden und wurden dort erschossen. Solche Gruppen verließen das Lager ungefähr drei Mal in der Woche. Am Abend gingen wir hinaus, um die Körper auf Rollwagen zurückzuholen und sie dann zu untersuchen. Im Februar 1944 kamen ungefähr 40 russische Studenten von Moosburg an. Ich kannte einige dieser Jungen im Spital. Ich untersuchte ihre Körper, nachdem sie vor dem Kre matorium erschossen wurden. Im September 1944 wurde eine Gruppe von 94 hohen russischen Offizieren erschossen, einschließlich zwei Militärärzte, die zusammen mit mir im Krankenhaus arbeiteten.

Ich untersuchte ihre Leichen. Im April 1945 wurde eine Anzahl prominenter Leute erschossen, die in dem Bunker gehalten waren. Darunter waren zwei französische Generale, an deren Namen ich mich nicht erinnern kann. Aber ich erkannte sie an ihrer Uniform. Ich untersuchte sie, nachdem sie erschossen worden waren. Im Jahre 1944 und 1945 ist eine Anzahl von Frauen durch Hängen, Schießen und Injektionen getötet worden. Ich untersuchte sie und fand, daß sie in manchen Fällen schwanger waren. Im Jahre 1945, kurz bevor das Lager befreit wurde, wurden alle ›Nacht- und Nebel‹-Häftlinge hingerichtet. Diese waren Häftlinge, denen verboten war, irgendeine Verbindung mit der Außenwelt zu haben. Sie waren besonders abgegrenzt und es war ihnen nicht gestattet, Briefe zu senden oder zu erhalten. Es waren 30 bis 40, und manche von ihnen waren krank. Diese sind auf Tragbahren zu dem Krematorium getragen worden. Ich untersuchte sie und fand, daß sie alle in den Hals geschossen worden sind.

14. Von 1941 an wurde das Lager immer mehr überfüllt. Im Jahre 1943 war das Krankenhaus für die Häftlinge schon überfüllt. Im Jahre 1944 und 1945 wurde es unmöglich, irgendwelche sanitäre Zustände aufrecht zu halten. Säle, die im Jahre 1942 300 oder 400 Personen hielten, wurden im Jahre 1943 mit 1000 Personen gefüllt und im ersten Vierteljahr von 1945 mit 2000 oder mehr. Die Zimmer konnten nicht gereinigt werden, weil sie zu überfüllt waren und kein Reinigungsmaterial vorhanden war. Nur einmal im Monat konnte gebadet werden. Klosett-Einrichtungen waren vollständig unzureichend. Medizin war fast überhaupt keine vorhanden, aber, nachdem das Lager befreit wurde, konnte ich feststellen, daß genug Medizin für das ganze Lager im SS-Krankenhaus vorhanden war, wenn es uns zur Verfügung gestellt worden wäre. Neue Ankömmlinge im Lager wurden stundenlang im Freien aufgestellt. Manchmal standen sie von [199] früh bis nacht. Es spielte keine Rolle, ob das im Winter oder im Sommer war. Das kam vor während 1943, 1944 und dem ersten Vierteljahr von 1945. Ich konnte diese Formationen durch das Fenster meines Autopsie-Saales sehen. Viele der Menschen, die auf diese Art in der Kälte stehen mußten, wurden lungenkrank und starben. Ich hatte verschiedene Bekannte, die auf diese Art und Weise während 1944 und 1945 getötet worden sind. Im Oktober 1944 wurde von einem Transport von Ungarn Fleckfieber in das Lager gebracht und eine Epidemie begann. Ich untersuchte viele Leichen dieser Transporte und meldete die Lage zu Dr. Hintermayer. Er verbat mir auf Todesstrafe zu erwähnen, daß eine Typhus-Epidemie im Lager sei. Er sagte, daß es Sabotage wäre, und ich versuchte, eine Quarantäne auf das Lager aufzulegen, so daß die Häftlinge nicht in der Rüstungs-Industrie arbeiten mußten. Überhaupt keine verhindernde Maßnahmen sind genommen worden. Neue gesunde Ankömmlinge wurden in Blocks gesetzt, wo eine Epidemie schon anwesend war. Es sind auch infizierte Personen in diese Blocks gesandt worden. Der dreißigste Block zum Beispiel ist drei Mal ausgestorben. Erst zu Weihnachten, wenn die Epidemie sich in das SS-Lager verbreitete, wurde eine Quarantäne auferlegt. Trotzdem sind neue Transporte weiter angekommen. Wir hatten 200 bis 300 Typhusfälle im Tag und ungefähr hundert Todesfälle im Fleckfieber im Tag. Insgesamt hatten wir 28000 Fälle und 15000 Tote. Außer diesen, die von Krankheiten starben, konnte ich auch durch meine Autopsien sehen, daß viele Tote nur durch Unterernährung verursacht wurden. Solche Todesfälle kamen in allen Jahren vor, von 1941 bis 1945. Es waren meistens Italiener, Russen und Franzosen. Diese Menschen sind einfach zu Tode gehungert worden. Zur Zeit des Todeswogen die Menschen von 50 bis 60 Pfund. Autopsien zeigten, daß ihre inneren Organe oft zu einem Drittel ihrer ursprünglichen Größe zusammengeschrunken waren.

Die oben erklärten Tatsachen sind wahr. Diese meine Erklärung erfolgte freiwillig und ohne Zwang; ich habe sie gelesen und am 9. Januar 1946 in Nürnberg, Deutschland, gezeichnet.1

Unterschrift: Dr. Franz Blaha.

Unterschrieben und vor mir am 9. Januar 1946 in Nürnberg, Deutschland, beschworen.

Leutnant Daniel P. Margolies.«

[200] MR. DODD [das Verhör fortsetzend]: Dr. Blaha, wollen Sie, bitte, angeben, ob das Dachauer Lager während Ihrer Anwesenheit von Besuchern aufgesucht wurde?

DR. BLAHA: Sehr viele Besucher sind in unser Lager gekommen, so daß es uns manchmal vorkam, als ob wir überhaupt nicht in einem Lager, sondern vielmehr in einer Ausstellung oder in einem Wildgarten gehalten wären. Manchmal auch jeden Tag ist ein Besuch oder Exkursion der militärpolitischen, von den Schulen, von den verschiedenen medizinischen und anderen Anstalten gekommen. Außerdem sind auch viele von der Polizei, von der SS, von der Wehrmacht gekommen und dann außerdem sind auch...


VORSITZENDER: Wollen Sie, bitte, zwischen die einzelnen Sätze kurze Pausen eintreten lassen, damit die Übersetzungen der Dolmetscher durchkommen können? Verstehen Sie?


DR. BLAHA: Ja. Außerdem sind auch einige Staatspersönlichkeiten ins Lager gekommen. Gewöhnliche Inspizierungen hat Monat pro Monat der Generalinspekteur der Konzentrationslager, Obergruppenführer Pohl, gemacht; dann Inspekteur der Experimentalstationen, den SS-Reichsführer, Professor Grawitz; Standartenführer Dr. Lolling und andere Persönlichkeiten.


MR. DODD: Der Herr Vorsitzende bat darum, daß Sie etwas langsamer sprechen und zwischen den Sätzen Pausen machen, damit die Dolmetscher Ihre Aussagen genau übersetzen können.


DR. BLAHA: Ja.


MR. DODD: Können Sie sagen, wie lange diese Besuche durchschnittlich dauerten?


DR. BLAHA: Das war verschieden, um welche Besuche es sich gehandelt hat. Manche waren drin halbe bis eine Stunde, manche drei, vier Stunden.


MR. DODD: Haben zu irgendeiner Zeit während Ihrer Anwesenheit prominente Regierungspersönlichkeiten das Lager besucht?


DR. BLAHA: Wenn ich da war, waren drin mehrere Persönlichkeiten in unser Lager gekommen; war das der Reichsführer Himmler, der mehrmals nach Dachau gekommen und auch den Versuchen anwesend war. Dabei war ich persönlich anwesend. Dann waren andere Persönlichkeiten. Ich hab allein drei Staatsminister gesehen, und von anderen mehreren hab ich von den politischen Häftlingen, Deutschen, die diese Leute gekannt haben, gehört, daß sie im Lager waren. Außerdem habe ich auch zwei Mal die hohe italienische Offiziere drin gesehen und ein Mal einen japanischen Offizier.


MR. DODD: Können Sie sich an die Namen irgend welcher dieser prominenten Regierungsbeamten erinnern, oder erinnern Sie sich besonders an irgendeinen von ihnen?


[201] DR. BLAHA: Ja. Außer dem Himmler war es Bormann, dann Gauleiter Wagner und Giesler, dann die Staatsminister Frick, Rosenberg, Funk, Sauckel, dann der Polizeigeneral Daluege und noch andere.


MR. DODD: Haben diese soeben von Ihnen genannten Personen einen Rundgang durch das Lager gemacht, während Sie dort waren?


DR. BLAHA: Gewöhnlich war die Rundreise um das Lager bei dem Besuche so veranstaltet, daß die Leute zuerst in die Küche geführt wurden, dann in die Wäscherei, dann ins Hospital und zwar gewöhnlich auf die chirurgische Station, dann auf die Malariastation des Professor Schilling und Experimentalstation des Dr. Rascher. Dann sind sie weitergegangen in einige Blöcke, besonders der deutschen Häftlinge, und manchmal haben sie auch die Kapelle besucht, die innen aber bloß für deutsche Geistliche hergerichtet war. Manchmal wurden auch diesen Besuchern verschiedene Persönlichkeiten vorgeführt und vorgestellt. Es war das so veranstaltet, daß immer als erster ein grüner Berufsverbrecher auserwählt wurde, der als Mörder vorgestellt wurde, dann als zweiter ist gewöhnlich der Wiener Bürgermeister Dr. Schmitz vorgestellt worden, als weiterer ein hoher tschechischer Offizier, dann ein Homosexueller, ein Zigeuner, ein katholischer Bischof oder anderer höherer polnischer Priester und wieder ein Universitätsprofessor, in dieser Reihe nach, so daß sich die Besucher immer ganz gut unterhalten haben.


MR. DODD: Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie Kaltenbrunner als einen der Besucher des Lagers nannten oder nicht?


DR. BLAHA: Ja, auch Kaltenbrunner war anwesend, und zwar zusammen mit dem General Daluege. Es war im Jahre, glaub ich, 43, weil ich hab auch Interesse für den General Daluege gehabt, der damals nach Heydrichs Tod Protektor in Böhmen und Mähren wurde, und ich wollte ihn erkennen.


MR. DODD: Haben Sie Kaltenbrunner persönlich dort gesehen?


DR. BLAHA: Ja, wurde mir gezeigt. Ich hab ihn früher nicht gesehen.

MR. DODD: Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie auch den Namen Frick als einen der Leute genannt haben, die Sie dort gesehen hatten?


DR. BLAHA: Ja, es war im Jahr 44 und zwar in der ersten Hälfte.


MR. DODD: Wo haben Sie ihn gesehen? An welcher Stelle im Lager haben Sie ihn gesehen?


DR. BLAHA: Ich habe ihn vom Fenster vom Hospital aus gesehen, wenn er mit seinem Stabe mit mehreren Personen eintrat.


[202] MR. DODD: Sehen Sie den Mann mit Namen Frick, den Sie dort an jenem Tage gesehen haben, jetzt hier im Gerichtssaal?


DR. BLAHA: Ja, es ist der vierte in dem ersten Bank, vom rechter Seite.


MR. DODD: Wenn ich recht verstehe, nannten Sie auch den Namen Rosenberg als eine der Personen, die Sie dort gesehen haben?


DR. BLAHA: Ich kann mich erinnern, das war bald nach meiner Ankunft im Konzentrationslager Dachau, daß drin ein Besucher war, und damals haben mir meine deutschen Kameraden den Rosenberg gezeigt.


MR. DODD: Sehen Sie diesen Mann jetzt hier im Gerichtssaal?


DR. BLAHA: Ja, er ist der Zweite weiter nach links, zweite in dem ersten Bank.


MR. DODD: Ich habe verstanden, daß Sie auch Sauckel als eine der im Lager anwesenden Personen nannten?


DR. BLAHA: Jawohl, aber den hab ich persönlich nicht gesehen. Bloß hab ich gehört, daß er hat auch gewisse Manufakturen – deutsche Ausrüstungswerke damals besucht; und zwar das war im 43er Jahr, glaube ich.


MR. DODD: War es damals allgemein im Lager bekannt, daß ein Mann namens Sauckel das Lager, und insbesondere die Munitionsfabrik, besucht hat?


DR. BLAHA: Ja, das wurde allgemein bekannt im Lager.


MR. DODD: Ich habe auch verstanden, daß Sie Funk als einen der Besucher des Lagers genannt haben?


DR. BLAHA: Ja. Der war auch anwesend bei einem Besuch und ich kann mich erinnern, daß es bei Gelegenheit eines Staatsgesprächs war, zwischen den Achsenmächten in Salzburg oder Reichenhall. Das war nämlich Gewohnheit, daß bei solchen Gelegenheiten, wenn ein Parteitag oder Feier in München, Berchtes gaden oder Salzburg war, daß verschiedene Persönlichkeiten von diesen Feierlichkeiten nach Dachau zu Besuch kamen. Das war auch mit dem Funk Fall.


MR. DODD: Haben Sie persönlich Funk dort gesehen?


DR. BLAHA: Nein, ich hab den Funk damals nicht persönlich gesehen, ich hab bloß erfahren, daß er drin war.


MR. DODD: War das im Lager damals allgemein bekannt?


DR. BLAHA: Ja, diese Sache haben wir schon vorher gewußt, daß er kommen soll.


MR. DODD: Fanden nach Ende des Jahres 1944 oder Anfang 1945 noch irgendwelche Besuche im Lager statt?


[203] DR. BLAHA: Es waren noch einige Besuche, aber sehr wenige, weil damals im Lager Fleckfieberepidemie war, und dann war Quarantäne aufgehängt worden.


MR. DODD: Herr Doktor, Sie sind jetzt der Leiter eines Krankenhauses in Prag, nicht wahr?


DR. BLAHA: Ja.


MR. DODD: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen zu stellen.


VORSITZENDER: Wünscht irgendein anderer Anklagevertreter Fragen zu stellen? Oberst Pokrowsky?


[Oberst Pokrowsky nickt zustimmend.]


Wir machen jetzt eine Pause von zehn Minuten.


[Pause von 10 Minuten.]


OBERST Y. V. POKROWSKY, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Ich bitte um die Erlaubnis, an diesen Zeugen einige Fragen zu stellen.


[Zum Zeugen gewandt]:


Sagen Sie, Zeuge, ist Ihnen bekannt, welches die besonderen Aufgaben des Konzentrationslagers Dachau waren? War es wirklich ein Vernichtungslager?


DR. BLAHA: Bis zu dem Jahre 1943 war es wirklich ein Vernichtungslager. Seit dem Jahre 1943 hat man drin viele Werkstätten und Munitionsfabriken errichtet, auch innen dem Lager, besonders wenn dann Bombardement begann, und dann wurde es mehr Arbeitslager. Aber was die Erfolge betrifft, war kein Unterschied dabei, weil die Leute wieder so schwer und hungrig arbeiten mußten, dann anstatt durch die Schlägerei durch Hunger und Erschöpfung gestorben.


OBERST POKROWSKY: Soll ich Sie so verstehen, daß in Wirklichkeit bis 1943 und auch nach 1943 Dachau ein Vernichtungslager war, und daß es dort verschiedene Arten von Vernichtung gab?


DR. BLAHA: Ja.


OBERST POKROWSKY: Wieviele sind nach Ihren eigenen Beobachtungen durch das Vernichtungslager Dachau gegangen? Wieviel Häftlinge kamen ursprünglich aus der USSR? Wieviele sind Ihrer Ansicht nach durch das Lager gegangen?


DR. BLAHA: Das kann ich ganz genau nicht sagen, bloß approximativ; zuerst, und das war seit November 1941, waren es ausschließlich die russische Kriegsgefangenen in den Militäruniformen. Die haben Extra-Lager gehabt und waren in einigen Monaten [204] liquidiert worden. Im Sommer 42 wurden Reste von diesen, ich glaube 12000 Kriegsgefangenen, nach Mauthausen überführt worden, und wie ich von den Leuten, die von Mauthausen nach Dachau gekommen, gehört habe, waren drin in Gaskammer liquidiert, dann nach den Kriegsgefangenen waren nach Dachau die russische Kinder gebracht worden. Es waren, so glaub ich, 2000 sechs- bis siebzehnjährige Burschen, die waren auf einer auf zweien Extrablöcken gehalten, waren besonders groben Leuten, den Grünen zugeteilt, die sie auf jedem Schritt geschlagen haben. Auch diese junge Burschen...


OBERST POKROWSKY: Was verstehen, Sie unter den »Grünen«?


DR. BLAHA: Das waren die sogenannten Berufsverbrecher, die haben diese jungen Burschen geschlagen und in schwerste Arbeiten geführt. Sie haben besonders in den Plantagen gearbeitet, wo sie Pflüge, Sämaschinen, Straßenwalzen anstatt, daß man Pferde und Motoren verwendete. Auch bei allen Transportkommanden waren damals ausschließlich die russische Kinder. Es sind, glaub ich, mindestens 70 Prozent an Tuberkulose gestorben und die Reste waren dann in dem Jahre Ende 43 oder Anfang 44 ins Tirol in einen Extra-Lager geschickt worden; dann nach den Kindern sind mehrere tausend sogenannte Ostarbeiter umgebracht worden. Das waren die Zivilleiter, die von den Ostgebieten nach Deutschland verschleppt worden und dann wegen sogenannter Arbeitssabotage ins Konzentrationslager gekommen. Außerdem sind dann viele russische Offiziere und Intellektuelle gekommen.


OBERST POKROWSKY: Ich bitte Sie, Ihre Antwort sorgfältiger zu formulieren bezüglich der Personen, die Sie die »Grünen« genannt haben. Habe ich Sie richtig dahin verstanden, daß diese Schwerverbrecher die Pflicht hatten, die ankommenden Häftlinge zu überwachen?


DR. BLAHA: Ja.


OBERST POKROWSKY: Und diese Berufsverbrecher hatten volle Gewalt über die Kinder, und sie schlugen und mißhandelten diese Kinder von russischen Staatsangehörigen und ließen sie Arbeiten verrichten, die weit über ihre Kräfte gingen, so daß sie tuberkulös wurden?


DR. BLAHA: Ja.


OBERST POKROWSKY: Was ist Ihnen über die in diesem Lager durchgeführten Hinrichtungen von Angehörigen der Sowjetunion bekannt?


DR. BLAHA: Ich glaube, daß ich nicht weit von der Wahrheit bin, daß von allen exekutierten Personen an mindestens 75 Prozent [205] die russische Personen waren, und daß sowie die Männer sowie auch die Frauen, welche von außen zu Hinrichtung nach Dachau gebracht wurden.


OBERST POKROWSKY: Können Sie uns nähere Einzelheiten über die Hinrichtung von 94 höheren Feld- und Stabsoffizieren der Roten Armee geben, über die Sie bereits in Beantwortung einer Frage meines Kollegen gesprochen haben? Wer waren diese Offiziere und welchen Rang hatten sie inne? Welches waren die Gründe für ihre Hinrichtung? Wissen Sie irgendetwas darüber?


DR. BLAHA: Im Sommer oder späten Frühling 44 sind höhere russische Offiziere, Generale, Obersten, Majoren nach Dachau geschickt worden. Sie wurden in den darauffolgenden Wochen von der politischen Abteilung untersucht, das heißt, sie sind von jedem Verhör total zerschlagen ins Lagerhospital gebracht worden, so daß ich einige gesehen habe und gut gekannt habe, welche wochenlang bloß am Bauch liegen mußten, und mußten wir ihnen die abgestorbenen Teile von Haut und Muskel operativ entfernen. Manche haben auch diesen Untersuchungsmethoden unterlegen, die andere 94 Leute an Zahl wurden dann auf Anordnung von Berlin Hauptsicherheitsamt Anfang September 44 ins Krematorium gebracht und drin kniend durch Genickschuß getötet.

Außerdem, im Winter und Frühling 45, wurden mehrere russische Offiziere aus Einzelhaft ins Krematorium gebracht und dort entweder aufgehängt oder sind erschossen worden.


OBERST POKROWSKY: Eine gleiche Frage wollte ich bezüglich der Hinrichtung der 40 russischen Studenten stellen. Können Sie uns Einzelheiten darüber geben?


DR. BLAHA: Ja, diese russischen Studenten und überhaupt auch Intellektuelle, ich kann mir erinnern, daß auch ein Arzt zwischen ihnen war, sind von dem Moosburger Lager nach Dachau gebracht worden und nach einem Monat alle hingericht. Das war im März 1944.


OBERST POKROWSKY: Ist Ihnen vielleicht bekannt, welches der Anlaß für ihre Hinrichtung war?


DR. BLAHA: Das ist von Berlin gekommen. Sonst die Begründung haben wir nicht erfahren, weil ich bin immer erst nach der Exekution zu den Leichen gekommen und die Begründung wurde vor der Exekution vorgelesen.


OBERST POKROWSKY: Erweckten diese Hinrichtungen den Eindruck, daß sie Stufen in dem allgemeinen Plan zur Vernichtung der Menschen waren, die nach Dachau kamen?


DR. BLAHA: Ja, das war überhaupt in allen Exekutionen und in allen Invalidtransporten und so weiter Plan, und so auch [206] mit den Epidemie behandeln zu sehen, daß das immer ein Teil des Vernichtungsplan war und besonders, das muß ich betonen, daß die russische Gefangenen immer am schlechtesten von allen behandelt wurden.


OBERST POKROWSKY: Wollen Sie uns, bitte, sagen, was Ihnen über diejenigen Lagerinsassen bekannt ist, die zur Kategorie »Nacht und Nebel« gehörten? Gab es viele solcher Häftlinge? Kennen Sie den Grund, warum sie ins Konzentrationslager gebracht wurden?


DR. BLAHA: Viele Häftlinge, sogenannte »Nacht und Nebel«, sind ins Konzentrationslager gekommen, und zwar unter dieser Bezeichnung waren es am meisten die Leute von den Westländern Europas, besonders die Franzosen, Belgier und Holländer; von den russischen Leuten haben mehrmals diese, das war auch bei den Tschechen Fall, auch in meinem Fall, Bemerkung »Rückkehr unerwünscht«. Das war eigentlich dasselbe. Viele von diesen Leuten wurden kurz vor der Befreiung auf Befehl vom Lagerkommandanten hingerichtet, das heißt, vor dem Krematorium erschossen. Zwischen diesen Leuten waren das besonders die Franzosen und Russen, waren auch viele, die schweren Fleckfieber gehabt haben und mit 40 Grad Temperatur auf den Tragbahren zu dem Kugelfang gebracht wurden.


OBERST POKROWSKY: Es scheint mir, daß Sie etwas über die beträchtliche Anzahl von Gefangenen erwähnt haben, die Hungers gestorben sind. Können Sie mir sagen, wie hoch die Zahl der Leute war, die Hungers starben?


DR. BLAHA: Ich glaub, daß zwei Drittel der gesamten Besatzung vom Lager an schwere Unterernährung gelitten haben und mindestens 25 Prozent von allen Gestorbenen waren direkt verhungert worden; man hat das auf deutsch Hungertyphus genannt. Außerdem war aber die am meisten verbreitete Krankheit im Lager die Tuberkulose, die auch aus diesem Grund verbreitet war, und die hat besonders unter den russischen Leuten die meisten Opfer gehabt.


OBERST POKROWSKY: Es scheint mir, daß Sie in Beantwortung einer Frage meines Kollegen ausgesagt haben, daß die Mehrzahl derjenigen, die an Hunger und Erschöpfung starben, Russen, Franzosen und Italiener waren. Wie erklären Sie es, daß in dieser Kategorie von Häftlingen eine größere Anzahl verhungerte als in anderen?


DR. BLAHA: Ja.


OBERST POKROWSKY: Wie erklären Sie es, daß gerade Russen, Franzosen und Italiener die größte Anzahl der Menschen [207] stellten, die Hungers starben? Machte man Unterschiede in der Verpflegung der Gefangenen der verschiedenen Nationalitäten, oder gab es einen anderen Grund?


DR. BLAHA: Das war so, daß die anderen, die Deutschen, Polen, Tschechen, die schon längere Zeit im Lager waren, haben Zeit gehabt, sich gewissermaßen, wenn man das so sagen kann, den Lagerverhältnissen angepaßt haben, körperlich meine ich, die Russen, die haben immer rasch gewechselt; dasselbe war der Fall mit den Franzosen und mit den Italienern. Außerdem diese drei Nationen am meisten sind von den anderen Lagern schon in einem schlechten Ernährungszustand gekommen, so daß sie dann den weiteren Epidemien und Krankheiten bald unterlegen sind. Außerdem die Deutschen, Polnischen und manche andere, welche in den Rüstungswerken gearbeitet haben, haben Möglichkeit gehabt, seit dem Jahre 43 von zu Hause die Pakete zu bekommen, das selbstverständlich war nicht der Fall von Sowjetunion, Frankreich oder Italien.


OBERST POKROWSKY: Können Sie die Frage beantworten, was Rosenberg, Kaltenbrunner, Sauckel oder Funk gesehen haben, als sie im Dachauer Konzentrationslager waren? Und wissen Sie, was ihnen gezeigt wurde?


DR. BLAHA: Das habe ich nicht Möglichkeit gehabt, diese Visite zu verfolgen, das war bloß eine sehr seltene Gelegenheit, wenn man von Fenster aus diese Visiten zusehen konnte, und wohin sie gegangen, zu beobachten. Ich hab bloß seltene Möglichkeit gehabt, beim Himmler Besuchen und beim Obergruppenführer Pohl und einmal beim Gauleiter Giesler anwesend zu sein, wie ihnen die Experimente oder die Patienten im Hospital vorgeführt wurden. Von der anderen habe ich keine Ahnung in den individuellen Fällen, was sie in dem Lager gesehen und gemacht haben.


OBERST POKROWSKY: Hatten Sie vielleicht Gelegenheit, zu beobachten, wie lange sich diese Leute im Lager aufgehalten haben? Wissen Sie, ob ihr Aufenthalt sehr kurz war, nur einige Minuten lang, oder haben sie sich länger aufgehalten? Ich meine hier Rosenberg, Kaltenbrunner, Sauckel und Funk.


DR. BLAHA: Das war verschieden, manche Besuche war drin halbe Stunde, wie ich gesagt habe, manche sind auch drei Stunden geblieben. Das haben wir immer ganz gut beobachten können, weil zu dieser Zeit man überhaupt nicht arbeiten konnte. Auch wurde nicht Kost ausgegeben, haben wir nicht unsere Arbeiten im Hospital gemacht und mußten wir immer warten bis uns Signal gegeben wurde, daß die Visit schon den Lager verlassen hatte. Sonst anders konnte ich das nicht beurteilen in den individuellen, speziellen Fällen, wie lange diese Visiten im Lager geblieben.

[208] OBERST POKROWSKY: Können Sie sich an den Besuch Kaltenbrunners, Rosenbergs, Funks und Sauckels erinnern? Können Sie nach dem, was Sie gerade gesagt haben, erklären, ob es kurze Besuche waren, oder ob sich diese Leute einige Stunden aufgehalten haben? Haben Sie meine Frage verstanden?


DR. BLAHA: Das kann ich leider nicht sagen, weil, wie ich gesagt habe, die Besuche dort waren so oft an der Tagesordnung, daß man überhaupt nach den Jahren nicht feststellen kann, ob sie kurze oder längere waren. Manche Visiten zum Beispiel von den Schulen, von den Militär- und Polizeischulen waren drin auch über den ganzen Tag.


OBERST POKROWSKY: Danke. Ich habe in diesem Stadium der Verhandlung keine weiteren Fragen an diesen Zeugen.


M. CHARLES DUBOST, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Sie haben auf einen Transport von französischen Deportierten hingewiesen, die von Compiegne kamen und von denen nur 1200 Überlebende ihr Ziel erreichten? Gab es noch andere Transporte?


DR. BLAHA: Ja, es waren die Transporten besonders von Bordeaux, von Lyon und von Compiegne, alle in der ersten Hälfte des Jahres 44.


M. DUBOST: Fanden alle diese Transporte unter den gleichen Umständen statt?


DR. BLAHA: Alle Umständen dieser Transporten waren, wenn die nicht dieselbe, so sehr ähnlich.


M. DUBOST: Konnten Sie jeweils bei der Ankunft feststellen, daß es zahlreiche Opfer gab?


DR. BLAHA: Ja.


M. DUBOST: Welches waren die Ursachen des Todes?


DR. BLAHA: Die Gründe des Todes waren, daß die Leute immer zuviele in einem Waggon zusammengepreßt wurden, dann verschlossen, ohne mehrere Tage entweder Nahrungsmittel oder etwas zu trinken zu bekommen. Gewöhnlich wurden sie entweder verhungert oder erstickt worden. Von den Überlebenden haben wir sehr viele in dem Lagerhospital bekommen und wieder ein großer Teil ist dann auf verschiedene Komplikationen und Krankheiten gestorben.


M. DUBOST: Haben Sie Autopsien an diesen Personen, die während des Transports gestorben sind, vorgenommen?


DR. BLAHA: Ja, besonders in dem Transport von Compiegne wurde ich aufgefordert, weil es wurde eine Gerüchte verbreitet [209] worden, daß sich die Franzosen, die »Maquisten«, zusammen mit den Faschisten, in den Waggonen angegriffen haben und erschlagen. Ich mußte alle diese Toten beschauen, aber hab ich auf keinem Gewalttaten festgestellt. Außerdem habe ich 10 Leichen als Stichproben herausgenommen und gründlich seziert und Extraprotokolle daraus nach Berlin geschickt. Alle diese Leichen sind an Erstickung gestorben. Ich konnte auch feststellen bei den Untersuchen, daß es prominente Leuten von Frankreich waren. Nach den Legitimationen und nach den Uniformen hab ich festgestellt, daß es waren hohe französische Offiziere, Priester, Abgeordneter und gut ernährte Leute, die direkt vom Zivilleben ins Waggonen gebracht wurden und nach Dachau geschickt wurden.


M. DUBOST: Blieben die Bedingungen, unter denen die Transporte stattfanden, dieselben, nachdem Sie diese Berichte nach Berlin weitergegeben haben?


DR. BLAHA: Es ist nichts geschehen, wie immer. Das waren immer große Berichte geschrieben, aber die Bedingungen haben sich überhaupt nicht verbessert.


M. DUBOST: Sie haben angegeben, daß französische Generale kurz vor der Befreiung des Lagers getötet wurden; kennen Sie die Namen dieser Generale?


DR. BLAHA: Leider habe ich diese Namen vergessen, ich kann mich bloß erinnern, das hab ich von den Gefangenen, die mit ihnen in den Bunkern gehalten wurden, das waren nämlich die prominente Personen von Deutschland und anderen Gebieten, war drin auch Pastor Niemöller, dann war drin auch französischer Prinz, war drin Schuschnigg, Mitglieder der Französischen Regierung, und manche andere, die haben mir gesagt, daß einer von den erschossenen Generalen war ein naher Verwandte von dem General de Gaulle, der Name hab ich leider vergessen.


M. DUBOST: Wenn ich Sie recht verstehe, dann waren diese Generale Kriegsgefangene, die man in die Konzentrationslager gebracht hatte?


DR. BLAHA: Diese zwei Generale, die waren überhaupt nicht im Konzentrationslager, die wurden mit den anderen prominenten Persönlichkeiten in dem sogenannten Kommandantur-Arrest, das heißt im Bunker, abgetrennt vom Lager, gehalten. Ich bin zwar bei den verschiedenen Gelegenheiten, wenn sie ärztliche Hilfe gebraucht hatten, mit ihnen in Zusammenhang gekommen, aber das war sehr selten. Sonst mit den anderen Häftlingen sind sie überhaupt nicht zusammengekommen.


M. DUBOST: Gehörten sie zur Kategorie derjenigen Deportierten, deren Rückkehr unerwünscht war, oder zur »Nacht- und Nebel«- Kategorie?


[210] DR. BLAHA: Das weiß ich nicht; es war zwei Tage vorher, daß alle die andere, die drin im Bunker gehalten wurden, mit Extratransport nach Tirol weggeschickt wurden. Das war, glaub ich, so eine Woche oder acht Tage vor der Befreiung.


M. DUBOST: Sie haben angegeben, daß zahlreiche Besucher, deutsche Offiziere, Studenten, deutsche politische Persönlichkeiten, öfters das Lager besucht haben. Können Sie mir sagen, ob auch Leute aus dem Volk, wie Arbeiter oder Bauern, wußten, was in dem Lager vorging?


DR. BLAHA: Meiner Meinung nach mußten die Leute in der Umgebung von München das alles wissen, weil die Häftlinge haben täglich in die verschiedene Werke in München oder in Umgebung ausgerückt und bei der Arbeit sind auch sehr oft mit den Zivilarbeiter in Zusammenhang gekommen. Außerdem auf den Plantagen, in den Betrieben der Deutschen Ausrüstungswerke sind sehr oft verschiedene Lieferanten und auch Konsumenten gekommen, die das alles gesehen haben, was drin mit den Häftlingen gemacht wurde, und wie sie ausgeschaut haben.


M. DUBOST: Können Sie sagen, wie die Franzosen behandelt wurden?


DR. BLAHA: Also, wenn ich gesagt habe, daß am schlechtesten die Russen behandelt wurden, die Franzosen wurden die zweite in der Reihe. Selbstverständlich es wurden Unterschiede in der Behandlung der einzelnen Leute gemacht, ganz anders wurden die sogenannte Nacht- und Nebel-Gefangenen behandelt oder die prominente politische Persönlichkeiten und Intellektuelle. Das war Fall bei allen Nationen, und anders wurden auch Arbeiter und Bauern behandelt.


M. DUBOST: Wenn ich Sie recht verstanden habe, dann war die Behandlung der französischen Intellektuellen besonders streng. Können Sie sich an die Behandlung einiger französischer Intellektuellen erinnern, und können Sie uns vielleicht Namen nennen?


DR. BLAHA: Ich hab viel Kameraden von der Reihe der Ärzten und Universitätsprofessoren drin gehabt, welche mit mir in dem Hospital gearbeitet haben. Leider eine große Reihe von diesen sind an Fleckfieber gestorben. Überhaupt, von den Franzosen sind am meisten am Fleckfieber gestorben. Ich kann mich am besten erinnern an Professor Limousin. Ich hab ihn, der mit dem Compiegne-Transport in sehr schlechten Zustand gekommen ist, als Pathologen, als Assistenten, in meine Anstalt genommen. Dann hab ich den Bischof von Clermont-Ferrand gekannt. Waren drin noch andere Ärzte und Universitätsprofessoren, die ich gekannt habe. Kann mich auf den Professor Dr. Roche erinnern, Dr. Lemartin und noch viele andere. Die Namen sind mir schon entfallen.


[211] M. DUBOST: Wurden Sie im Verlauf der Unterredungen, die Sie mit Rascher gehabt haben, über das Ziel der Experimente, die er unternahm, unterrichtet?


DR. BLAHA: Ich hab die Frage nicht verstanden. Verzeihen Sie mir, daß...


M. DUBOST: Unterrichtete man Sie über das Ziel der medizinischen und biologischen Experimente, die von Dr. Rascher innerhalb des Lagers angestellt wurden?


DR. BLAHA: Also, Dr. Rascher hat ausschließlich die sogenannten Luftwaffenversuche im Lager geleitet. Er war Major der Luftwaffe und wurde beauftragt, die Verhältnisse bei den Parachutisten einerseits, zweitenseits bei den Leuten, die auf Meer, am Meer Notlandung machen müßten oder ins Meer hinausgefallen, zu studieren. Nach der wissenschaftlichen Regeln, das ich beurteilen kann, hat das überhaupt gar keinen Zweck gehabt, und war das überhaupt wie bei allen diesen Versuchen bloß eine unnützliche Mörderei, und man muß bewundern, daß besonders die gelehrten Universitätsprofessoren und Ärzte konnten planmäßig diese Versuchen zu machen, was viel schlechter war, als alle Liquidierungen, als Hinrichtungen, weil allen diesen Versuchsopfern wurde das Leiden immer bloß verlängert und verschiedene Medizinmittel wie Vitaminen, Hormonen, tonische Sachen und Injektionen, die für die gewöhnliche Patienten nicht bei der Hand waren, diesen Patienten zugestellt wurden, bloß damit diese Versuche längere Zeit dauern können und die Leute ihre Opfer längere Zeit zu beobachten kann.


M. DUBOST: Ich spreche im Augenblick nur von den Experimenten des Dr. Rascher. Hatte er den Befehl bekommen, diese Versuche anzustellen, oder führte er diese aus eigener Initiative durch?


DR. BLAHA: Das war direkt auf Himmler Befehl gemacht worden, und auch Dr. Rascher war in engen, man kann sagen verwandtschaftlichen Beziehungen mit dem Himmler. Hat ihn sehr oft besucht, und Himmler ist mehrmals wieder zu dem Dr. Rascher an Besuch gekommen.


M. DUBOST: Sind Sie unterrichtet über die Art der Ärzte, die diese Versuche anstellten? Handelte es sich immer um SS, oder waren es Ärzte, die von den Fakultäten der Universitäten kamen und nicht der SS angehörten?


DR. BLAHA: Das war verschieden, zum Beispiel Malaria-Station wurde von dem Professor Klaus Schilling von Koch-Institut in Berlin geleitet. Auf der Phlegmone-Station waren auch verschiedene Universitätsprofessoren. Auf der Chirurgische Station waren bloß SS-Ärzte. Auf der Luftwaffe-Station waren bloß SS-Ärzte und Militärärzte. Das war nicht immer dasselbe. Die Meerwasserversuche hat Professor Beigelböck aus Wien geleitet.


[212] M. DUBOST: Wurden die Versuche für die Luftwaffe lediglich auf Befehl Himmlers vorgenommen?


DR. BLAHA: Himmler.


M. DUBOST: Wissen Sie, und das soll die letzte Frage sein, wieviele Franzosen insgesamt durch dieses Lager gegangen sind?


DR. BLAHA: Ich glaube, es waren mindestens 8 oder 10000 Leuten, die ins Lager gekommen. Außerdem weiß ich ganz gut, daß besonders in den letzten Zeiten mehrere tausend von franzosischen Häftlingen von den Westlagern, besonders Nachweiler, Struthof und so weiter zu Fuß marschierten, und bloß ganz kleine Überreste sind Dachau erreicht.


M. DUBOST: Ich danke Ihnen.


VORSITZENDER: Können Sie uns sagen, welcher deutschen Truppengattung die im Lager angestellten Personen angehörten?


DR. BLAHA: Wenn ich das gut verstanden habe, also das Oberste Kommando über alle Sachen, die im Lager geschehen, hat sogenannten Hauptsicherheitsamt in Berlin; alle Anforderungen und alle Befehle sind von Berlin gekommen; auch in den Experimentalstationen wurde immer ein gewisser und ganz bestimmter Kontingent der Versuchsobjekten von Berlin aus festgestellt worden, und wenn die experimentierte Ärzte einen größeren Zahl gebraucht haben, mußten neue Anforderung nach Berlin schicken.


VORSITZENDER: Jawohl, aber ich möchte wissen, welcher Truppengattung die Männer angehörten, die im Lager angestellt waren?


DR. BLAHA: Es waren lauter SS-Leute und am meisten SD. In der letzten Zeiten, das war schon zu Ende, waren drin als Posten einige von der Wehrmacht; aber als Leitende waren lediglich SS-Leute.


VORSITZENDER: Waren irgendwelche Gestapoleute dort?


DR. BLAHA: Jawohl, das war sogenannte politische Abteilung; die wurde von dem Vorstehender der Münchener Gestapo geleitet. Die hat alle Vernehmungen und alle Bestimmungen in seiner Macht und hat auch die Anträge zu den Exekutionen und auch zu den Transporten, Invalidentransporten gemacht. Auch alle Leute, die zu den Experimenten zugestellt wurden, mußten Bewilligung von der politischen Abteilung bekommen.


VORSITZENDER: Wünscht irgendeiner der Verteidiger den Zeugen im Kreuzverhör zu vernehmen?


DR. SAUTER: Herr Zeuge, Sie haben uns erzählt, daß einmal auch der Angeklagte Funk in Dachau gewesen sei, und Sie haben [213] uns berichtet, wenn ich Sie recht verstanden habe, es sei das anläßlich irgendeiner Feier oder eines Staatsgesprächs zwischen den Achsenmächten gewesen. Nun bitte ich, Ihr Gedächtnis etwas anzustrengen und uns zu sagen, wann ungefähr das war. Vielleicht – Moment noch – vielleicht können Sie uns das Jahr sagen; vielleicht können Sie uns auch die Jahreszeit angeben, und vielleicht können Sie uns auch sagen, welche dieser politischen Feiern in Frage kommt.


DR. BLAHA: Was der Staatsminister Funk betrifft, kann ich erinnern, daß es war, eine, glaub ich, eine Finanzministerkonferenz, davon wurde in den Zeitungen geschrieben, daß sie stattfinden soll, und damals haben wir schon voraus einen Bericht bekommen, daß einige von den Ministern auch nach Dachau kommen; dann ist wirklich in den nächsten Tagen ein solcher Besuch gekommen und man hat gesagt, daß Minister Funk dabei war. Es war, glaub ich, in der ersten Hälfte des Jahres 44. Ganz bestimmt kann man das nicht sagen.


DR. SAUTER: Sie meinen also erste Hälfte 44? Anläßlich einer Finanzministerbesprechung, Finanzministerbesprechung?


DR. BLAHA: Ja.


DR. SAUTER: Wo hat denn die Finanzministerbesprechung stattgefunden?


DR. BLAHA: Wenn ich noch erinnern kann, ich hab das nicht registriert, selbstverständlich war das entweder in Salzburg oder Reichenhall oder Berchtesgaden, nahe von München, glaub ich.


DR. SAUTER: Von wem haben Sie denn damals erfahren, daß da am nächsten oder übernächsten Tag hoher Besuch kommen soll?


DR. BLAHA: Das haben wir immer eine Anordnung bekommen, wir sollen alles für solche Besuch vorbereiten; das wurden immer große Vorbereitungen gemacht worden, alles gereinigt, alles mußte in Ordnung sein, nicht wahr, und die Leute, die eventuell unerwünscht dabei waren oder gewissermaßen vielleicht gefährlich waren, mußten verschwinden. Also da haben wir immer bei solch großen Besuchen ein oder zwei Tage vorher einen Befehl bekommen vom Lagerkommandantur, und auch immer dieser Besuch wurde von dem Lagerkommandant begleitet.


DR. SAUTER: Von dem Lagerkommandanten? Und wenn Sie wissen und wenn davon gesprochen worden ist, daß der Angeklagte Funk dabei war, dann wird man sich, denke ich, im Lager vielleicht auch darüber unterhalten haben, welche sonstigen Personen bei diesem einen Besuch des Angeklagten Funk noch dabei waren.


DR. BLAHA: Das kann ich mich nicht erinnern, es waren immer viele verschiedene Persönlichkeiten.


[214] DR. SAUTER: Das andere interessiert mich nicht. Mich interessiert nur, ob Ihnen nicht bei dem Besuch, den der Funk abgestattet haben soll, im Lager erzählt worden ist, die und die Persönlichkeiten sind dabei.


DR. BLAHA: Das können ich mich nicht schon erinnern.


DR. SAUTER: Können Sie sich auch nicht erinnern, ob nicht nachher, vielleicht am nächsten oder übernächsten Tag, etwas darüber erzählt worden ist, vielleicht von Leuten, die den Besuch gesehen haben?


DR. BLAHA: Ja, wir haben davon immer sich unterhaltet, aber jetzt kann ich schon nicht erinnern, was für alle Persönlichkeiten dabei genannt wurden.


DR. SAUTER: Herr Zeuge, mich interessiert nicht ein anderer Besuch, sondern immer nur, solange ich nichts anderes sage, der Besuch, und da würde mich interessieren, hat man da gar nichts darüber erzählt, nachher, wer eigentlich außer dem Funk dabei gewesen sein soll?


DR. BLAHA: Das weiß ich nicht; es waren so viele Besuche, daß zum Beispiel bei einem Besuch den nächsten Tag schon ein anderer Besuch angemeldet worden.


DR. SAUTER: Sie erinnern sich an den Besuch von Funk auch; also, wenn andere Finanzminister zum Beispiel dabei gewesen wären, könnte man denken, daß Sie sich auch an diese anderen Leute erinnern würden?


DR. BLAHA: Das kann ich mich nicht erinnern, vielleicht haben die Leute, mit welchen ich gesprochen habe, die anderen nicht erkannt.


DR. SAUTER: Wissen Sie, warum, oder vielleicht anders gefragt, welche Abteilungen des Lagers dieser Besuch, den der Funk abgestattet haben soll, damals besucht hat? Zu Ihnen ist er jedenfalls nicht gekommen?

DR. BLAHA: Nein, nein, in der pathologischen Abteilung nicht.


DR. SAUTER: Nicht? Aber Sie waren auch vorbereitet?


DR. BLAHA: Jawohl, alle Abteilungen mußten immer vorbereitet worden, auch wenn überhaupt kein Besuch gekommen; das ist auch manchmal passiert, daß Besuch angemeldet wurde und dann von verschiedenen Gründen daraus nichts war.


DR. SAUTER: Herr Zeuge, sind Sie über diese Ihre Beobachtungen, die Sie uns heute erzählt haben, schon öfter vernommen worden?


DR. BLAHA: Zu erste Mal wurde ich vernommen über diese Geschichte vor dem Militärgericht in Dachau.


[215] DR. SAUTER: Haben Sie da auch etwas erzählt, daß Funk dabei gewesen sei? Ich wiederhole, haben Sie beim Militärgericht in Dachau auch etwas davon erzählt, daß Funk dabei gewesen sei?


DR. BLAHA: Ja, ich habe vor dem Dachaugericht dasselbe erzählt.


DR. SAUTER: Von Funk?


DR. BLAHA: Auch von Funk.

DR. SAUTER: Stimmt das aber auch Herr Zeuge? Ich frage nochmal, ob das auch wirklich stimmt, denn Sie sind ja als Zeuge vereidigt worden.


DR. BLAHA: Ja.


DR. SAUTER: Vorgestern sind Sie ja auch vernommen worden.


DR. BLAHA: Ja.


DR. SAUTER: Haben Sie da das von Funk auch erzählt?


DR. BLAHA: Bei dem Untersuchungsrichter von der Anklage hab ich dasselbe erzählt.


DR. SAUTER: Steht das auch im Protokoll drin, das Sie, glaube ich, unterzeichnet haben?


DR. BLAHA: Ich hab keinen Protokoll unterzeichnet.


DR. SAUTER: Sie haben kein Protokoll unterzeichnet?


DR. BLAHA: Nein. Ich hab bloß unterzeichnet, was da in der Anklage vorgelesen wurde.


DR. SAUTER: Ja, das ist ja ein Protokoll.


DR. BLAHA: Ja, aber drin, aber drin ist nichts von diesen Besuchen.


DR. SAUTER: Warum haben Sie denn vorgestern diese Besuche nicht angegeben?


DR. BLAHA: Das hat mich mündlich gefragt und Herr Anklager hat mir gesagt, daß diese Sachen werden da im Gerichtssaal mündlich durchgehandelt worden.


DR. SAUTER: So. Hat man Ihnen da auch gesagt, wie die Angeklagten im Sitzungssaal sitzen?


DR. BLAHA: Nein, vor dem Militärgericht hat man mir alle Bilder gezeigt.


DR. SAUTER: Aha!


DR. BLAHA: Und ich mußte vor dem Gerichtshof die verschiedene Leute erkennen; habe ich diese drei, die ich heute gesagt hat, daß ich sie persönlich gesehen habe, identifiziert; den Funk und andere hab ich nicht genannt.


[216] DR. SAUTER: Den Funk haben Sie nicht genannt?


DR. BLAHA: Daß ich ihn persönlich gesehen habe; und daß ich ihn identifizieren könne.


DR. SAUTER: Aber Sie haben, wie Ihnen die Bilder vorgezeigt worden sind, haben Sie diese Angeklagten auf den Bildern gesehen?


DR. BLAHA: Ja.

DR. SAUTER: Sie haben also heute, wenn ich recht verstehe, auch gewußt, wo zum Beispiel der Funk oder der Frick oder sonst einer sitzt?


DR. BLAHA: Den Funk kenne ich persönlich nicht, weil ich ihn damals nicht gesehen habe.


DR. SAUTER: Ist Ihnen an den Bildern, die Ihnen in Dachau gezeigt wurden, nicht auch gesagt worden: »Das ist der Funk, schauen Sie sich den an, kennen Sie den«?


DR. BLAHA: Nein, das wurde ganz anders gemacht.


DR. SAUTER: Wie denn?


DR. BLAHA: Es wurden mir alle Bilder gezeigt worden, und ich sollte sagen, welche von diesen Leuten in Dachauer Lager gesehen habe. Von diesen Leuten hab ich diese dreie genannt. Von den anderen Bildern war überhaupt gar keine Sprache mehr.


DR. SAUTER: So, Herr Blaha, wie Ihre Vernehmung vorhin angegangen ist, und Sie von dem Herrn Präsidenten oder von dem Herrn Anklagevertreter gefragt wurden, da haben Sie eine Erklärung abgegeben, ich glaube in tschechischer Sprache.


DR. BLAHA: Nein.


DR. SAUTER: Sondern?

DR. BLAHA: In der deutsche Sprache.


DR. SAUTER: Nein, das haben wir alle gehört, daß das nicht Deutsch war, sondern das war offenbar Tschechisch.


DR. BLAHA: Nur die erste Satz.


DR. SAUTER: Die ersten Sätze? Da bitte ich jetzt, weil ja das auch jetzt in das Protokoll zweckmäßig kommen muß, bitte ich, uns einmal zu sagen, und ziemlich wortgetreu, sinngetreu zu wiederholen, was Sie da gesagt haben; denn das interessiert uns vom Standpunkt der Verteidigung aus.


DR. BLAHA: Ich glaub, daß es im Protokoll genommen wurde, weil es zu meiner Aussprache auch die englische Übersetzung zugelegt wurde.


DR. SAUTER: Nein, Tschechisch wird, glaube ich, nicht übertragen. Aber wiederholen Sie doch, wir haben es nicht gehört.


[217] DR. BLAHA: Ja. Ich hab gesagt, daß ich bin bereit, weil tschechisch unmöglich ist, – damit ich in meiner Muttersprache vernommen werde – in der deutsche Sprache auszusagen, weil alle diese Sachen, die jetzt als Gegenstand binnen dieser letzten sieben Jahren, in diesem Prozeß sind, in der deutschen Mitte durchgelebt habe, und auch die rein spezielle und ganz neue Terminen über das Lagerleben kann man bloß deutsch sagen, und in keinem anderen Wörterbuch kann man solche zupassende und ausdrucksvolle Termine wie in der deutsche Sprache.


DR. SAUTER: So, Herr Präsident, ich habe dann keine Frage mehr, danke sehr.


DR. THOMA: Herr Zeuge, bestand für die Insassen des Lagers Dachau ein Schweigegebot?


DR. BLAHA: Nein. Selbstverständlich, wenn jemand von Lager aus von Gestapo entlassen wurde, das waren seltene Fälle, besonders bei den Deutschen, die dann anrücken mußten, mußte man unterschreiben die sogenannte Schweigepflicht.


DR. THOMA: Durften die Lagerinsassen innerhalb des Lagers, die auf dem Lande und so weiter arbeiteten, sich mit den anderen Arbeitern unterhalten über die Zustände im Lager?


DR. BLAHA: Ja. Es gibt Möglichkeiten, weil die Leute haben in derselben Zimmer und derselben Werkstätten mit den verschiedenen Arbeitern, Zivilarbeitern, gearbeitet. Das war Fall in den deutschen Ausrüstungswerke, auf den Plantagen und in allen Fabriken in München und Umgebung.


DR. THOMA: Wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie vorhin gesagt, daß für die Besucher, für die Lieferanten und für die Konsumenten auch die Möglichkeit bestand, ohne Schwierigkeit diese Zustände im Lager zu beobachten?


DR. BLAHA: Ja. Viele dieser Leuten haben die ganze Plantagen, sowie die Manufakturen der verschiedenen Fabriken durchgegangen und das Leben in diesen Räumen beobachtet.


DR. THOMA: Ja, was sahen Sie denn da an Greueln und an Mißhandlungen und so weiter?


DR. BLAHA: Nein, das glaub ich, wie die Leute drin arbeiten, wie sie ausschauen und was drin gemacht wird. Zum Beispiel ich kann mir ganz gut auf einen Beispiel erinnern; damals hab ich auf den Plantagen gearbeitet. Wir haben eine schwere Straßenwalze gezogen, sechzehn Mann, und ist vorbei eine Exkursion der Mädel gegangen. Wenn sie vorbei kamen, hat die Begleiterin ganz laut gesagt, damit wir das alles hören konnten: »Schauet Ihr, das sind so faule Kerls, daß, bevor sie ein paar Pferde einspannen, die lieber alleine ziehen.« Das sollte ein Witz sein.


[218] DR. THOMA: Herr Zeuge, wann hatten Sie Gelegenheit, diese furchtbaren Grausamkeiten, die Sie uns heute erzählt haben, das erstemal anderen Menschen zu erzählen, als Sie aus dem KZ befreit wurden?

DR. BLAHA: Ich hab nicht verstanden, bitte mir das noch einmal zu wiederholen.


DR. THOMA: Wann hatten Sie zum erstenmal Gelegenheit, nach Ihrer Entlassung oder Befreiung aus dem KZ einem Außenstehenden von diesen schrecklichen Grausamkeiten zu erzählen?


DR. BLAHA: Sofort nach der Befreiung, ich war nämlich damals als Chefarzt des Konzentrationslagers, wurde ich vernommen von der amerikanischen Untersuchungskorps, und diesen hab ich zu erste Mal diese Sache erzählt, und hab ich auch ihnen verschiedene Beweisen, Diagrammen, die Krankheitsgeschichten von diesen Experimentalstationen gegeben, die ich vor Verbrennung gerettet habe.


DR. THOMA: Dieser Staatsanwalt hat Ihnen also die Mitteilungen, die Sie ihm gemacht haben, ohne weiteres geglaubt?


DR. BLAHA: Ja.


DR. THOMA: Herr Zeuge, Sie haben gesagt, der Angeklagte Rosenberg sei Ihnen im KZ in Dachau gezeigt worden, als Sie erst kurz nach Dachau gekommen sind?


DR. BLAHA: Ja.


DR. THOMA: Wann war das also?

DR. BLAHA: Im Jahre 41, erste Hälfte 41.


DR. THOMA: Erste Hälfte?


DR. BLAHA: Glaub ich, ja.


DR. THOMA: Können Sie sich vielleicht an den Monat erinnern?


DR. BLAHA: Das kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bin in April gekommen, also glaub ich, es war vielleicht von April bis zum Juli, oder so.


DR. THOMA: April bis Juli 1941?


DR. BLAHA: So glaub ich das.


DR. THOMA: War Rosenberg damals in Uniform?


DR. BLAHA: War in Uniform.


DR. THOMA: In welcher?


DR. BLAHA: Glaube ich war eine SS-Uniform.


DR. THOMA: SS-Uniform?


DR. BLAHA: Aber ein, und das kann ich schon nicht ganz genau sagen; aber Uniform hat er gehabt.


[219] DR. THOMA: Also, Sie erinnern sich zur prima facie, daß es eine SS-Uniform, also eine schwarze Uniform war?


DR. BLAHA: Nein, also damals haben die SS nicht mehr die schwarze Uniform getragen, weil vor Anfang des Krieges haben Felduniform und ähnliche Uniformen getragen.


DR. THOMA: Also nehmen Sie an, daß es eine graue Uniform war?


DR. BLAHA: So etwas. Ob war grau oder gelb oder braun, das weiß ich schon nicht mehr.


DR. THOMA: Darauf käme es eben an, ob grau, braun oder gelb. War es eine Felduniform?


DR. BLAHA: Das weiß ich schon nicht mehr, weil ich war seit Jahre 39 im KZ und kenne überhaupt nicht die verschiedene deutsche Uniformen, die Grade, die Gattungen des Heeres und so weiter.


DR. THOMA: Aber eben erzählten Sie doch, daß sich während des Krieges die Uniformen geändert hatten.


DR. BLAHA: Das haben auch die Leute bei der Gestapo sich gewechselt. Wenn ich im Jahre 39 verhaftet wurde, haben alle Gestapoleute diese schwarze Uniform getragen. Dann, nach dem Kriegsbeginn, haben am meisten entweder grüne oder graue Uniforme getragen.


DR. THOMA: Darf ich Sie nochmal fragen: Hatte... jetzt Rosenberg eine Kriegsuniform oder Friedensuni form an?


DR. BLAHA: Glaub ich, es war eine Kriegsuniform.


DR. THOMA: Kriegsuniform. Der Angeklagte Rosenberg wurde Ihnen gezeigt von einem anderen Kameraden von Ihnen?


DR. BLAHA: Ja.


DR. THOMA: Auf welche Entfernung?


DR. BLAHA: Nun das war – ist über Lagerstraße gegangen; konnten es das so 30 bis 40 Grad sein.


DR. THOMA: 30 bis 40 Meter meinen Sie wohl?


DR. BLAHA: Ja, also 30 Meter, – 30 Schritte wollte ich sagen. So 30 bis 40 Schritte.


DR. THOMA: Und hatten Sie vorher schon Photographien von Rosenberg gesehen? War Ihnen Rosenberg schon ein Begriff?


DR. BLAHA: Ja.


DR. THOMA: Und als Ihnen dieser Kamerad den Rosenberg zeigte, war es denn da überhaupt erforderlich, daß er zu Ihnen sagte: »Das ist Rosenberg«? Kannten Sie ihn nicht schon auf Grund der Lichtbilder, die Sie vorher...


[220] DR. BLAHA: Das konnte mich nicht mehr erinnern; wann er ihn mir gezeigt hat, habe ich mich erinnert, daß ich ihn von der verschiedenen Zeitungsbildern kenne.


DR. THOMA: Darf ich Sie bitten, mir den genauen Vorgang zu schildern, wie das war, wo Sie standen, und wo Rosenberg herkam, und wer in seiner Begleitung war?


DR. BLAHA: Wer in seiner Begleitung war? Das war, das hab ich bloß gekannt, der Lagerkommandant.


DR. THOMA: Wer war das damals?


DR. BLAHA: Lagerkommandant war Pierkowski, Sturmbannführer Pierkowski.


DR. THOMA: Wissen Sie, ob der noch lebt?


DR. BLAHA: Das weiß ich nicht.


DR. THOMA: Der Lagerkommandant?


DR. BLAHA: Pierkowski. Dann waren der Lagerführer Ziel und Hoffmann; die hab ich gekannt.


DR. THOMA: Und nun, waren Sie in Ihrem Zimmer und schauten zum Fenster hinaus?


DR. BLAHA: Nein, wir sind auf die sogenannte Blockstraße gestanden, die mündet in die Block straße, durch welche der Besuch gegangen.


DR. THOMA: Und was ist Ihnen da gesagt worden?


DR. BLAHA: »Da schau, da geht Rosenberg.«


DR. THOMA: War Rosenberg allein?


DR. BLAHA: Nein. Mit diesen anderen Pers...


DR. THOMA: Also nur mit dem Lagerkommandanten?


DR. BLAHA: Nein, waren noch viele andere Personen dabei.


DR. THOMA: Also gewissermaßen eine Begleitung, ein Stab?


DR. BLAHA: Ja.


DR. THOMA: Ein Stab Rosenbergs?


DR. BLAHA: Ja, das weiß ich nicht, ob das Stab von Rosenberg war, aber mehrere, mehrere Personen.


DR. THOMA: Mehrere Personen? Herr Zeuge, der Angeklagte Rosenberg versichert mit aller Bestimmtheit, daß er nie in Dachau im KZ gewesen sei. Ist da kein Irrtum möglich?


DR. BLAHA: Ich glaub, daß ich mich nicht geirrt habe, und der betreffende Deutsche hat, glaub ich, auch den Rosenberg gut gekannt.


DR. THOMA: Woher wissen Sie das?


[221] DR. BLAHA: Nun, weil mir das mit der Bestimmtheit gesagt habe. Sonst kann ich das nicht anders feststellen.


VORSITZENDER: Dr. Thoma!


DR. THOMA: Ja.


VORSITZENDER: Dr. Thoma, Sie werden verzeihen, wenn ich Sie darauf hinweise, daß dieser Prozeß schnell vonstatten gehen soll. Es ist nicht richtig, daß wir zu viel Zeit auf weniger wesentliche Punkte verwenden.


DR. THOMA: Mylord, ich bitte bemerken zu dürfen, daß die Entscheidung, ob Rosenberg in dem KZ-Lager gewesen ist, eine ganz entscheidende Bedeutung hat.

Ich danke schön.


DR. OTTO PANNENBECKER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRICK: Der Angeklagte Frick erklärt, daß er niemals im Lager Dachau gewesen ist, und ich wünsche deshalb zur Aufklärung des Sachverhalts folgende Fragen zu stellen: Auf welche Entfernung glauben Sie Frick gesehen zu haben, Herr Zeuge?

DR. BLAHA: Vom Fenster aus ist er vorbeigegangen mit mehreren Personen.


DR. PANNENBECKER: Haben Sie Frick schon früher gekannt?


DR. BLAHA: Ja, von den Bildern.


DR. PANNENBECKER: Von Bildern. Haben Sie ihm nun selbst erkannt oder hat ein Kamerad Ihnen gesagt, daß Frick es sei?


DR. BLAHA: Wir haben mehrere ihn gesehen, und ich hab ihn speziell betrachtet, weil er damals schon der – auch Protektor von Böhmen und Mähren war. Drum habe ich persönliche Interess gehabt habe, ihn zu erkennen.


DR. PANNENBECKER: Hatte Frick eine Uniform?


DR. BLAHA: Glaub nicht.


DR. PANNENBECKER: Haben Sie jemand erkannt, der mit ihm war in der Begleitung, und zwar entweder aus seinem Stabe oder von der Lagerführung?


DR. BLAHA: Den Stab habe ich nicht gekannt. Von der Lagerführung war der Lagerkommandant Weiter anwesend. Lagerkommandant Weiter mit seinem Adjutant Otto.


DR. PANNENBECKER: Können Sie von Ihren Kameraden noch jemanden nennen, der ihn auch erkannt hat?


DR. BLAHA: Nun, das waren viele Kameraden, der damals mit mir gestanden beim Fenster, das kann ich Ihnen leider jetzt nicht [222] sagen, weil das waren, wenn Sie das richtig verstehen, in dem KZ-Leben so viele Erlebnisse auf dem laufenden Band, daß man diese Sachen nicht ganz genau im Gedächtnis registriert; bloß die größere Sachen hat man erinnert.


DR. PANNENBECKER: Haben Sie ihn erkannt spontan, als er vorbei kam, oder war vorher gesprochen worden, daß Frick erwartet werde?


DR. BLAHA: Nein, damals wurde nicht gesprochen; wohl wurde gesprochen, daß ein hoher Besuch kommen soll, und wir haben dieser hohen Besuch gewartet; wer kommen soll, wurde nicht vorher gemeldet in dieser Sache.


DR. PANNENBECKER: Haben Sie jetzt im Sitzungssaal Frick gleich erkannt, oder wußten Sie vorher, daß er an vierter Stelle hier sitzt?


DR. BLAHA: Nein, den hab ich ganz gut gekannt, weil ich ihn schon mehrmals auf den verschiedenen Bildern gesehen habe, das, weil in Böhmen und Mähren ist das eine populäre Person.


DR. PANNENBECKER: Sie glauben also, ein Irrtum ist völlig ausgeschlossen?


DR. BLAHA: Ich glaub.


DR. PANNENBECKER: Darf ich dann den Hohen Gerichtshof bitten, Frick selbst als Zeugen dafür zu stellen, daß Frick niemals das Lager Dachau gesehen hat? Ich will den Antrag jetzt stellen, damit eventuell der Zeuge dem Frick gegenübergestellt werden kann.


VORSITZENDER: Die Verteidiger werden Gelegenheit haben, ihren Fall vorzutragen, wenn sie an der Reihe sind. Sie können dann auch alle Angeklagten aufrufen. Jetzt ist aber noch nicht der Zeitpunkt, dies zu tun. Die Verteidiger müssen warten bis die Anklagevertretung mit ihrem Vortrag fertig ist. Jeder von Ihnen wird dann Gelegenheit haben, jeden von Ihnen vertretenen Angeklagten falls erforderlich, in den Zeugenstand zu rufen.


DR. PANNENBECKER: Ich hatte nur geglaubt, weil der Zeuge jetzt gerade zur Verfügung steht...


[Dr. Kubuschok nähert sich dem Rednerpult.]


VORSITZENDER: Es ist jetzt 5 Uhr, und, wenn Sie sich nicht kurz fassen,... Werden Sie sich kurz fassen?

DR. EGON KUBUSCHOK, VERTEIDIGER FÜR DIE REICHSREGIERUNG: Ja, Herr Vorsitzender.


[Zum Zeugen gewandt]:


Herr Zeuge, Sie sagten, daß, wenn prominenter Besuch, zum Beispiel Reichsminister, in das Lager kamen, vorher umfangreiche [223] Vorbereitungen getroffen worden sind. Sie sagten unter anderem auch, daß unerwünschte Personen entfernt wurden. Vielleicht können Sie diese Angaben noch etwas ergänzen. Es interessiert mich, daraus den Zweck dieser Vorbereitungen zu wissen.

DR. BLAHA: Nun, das heißt, alles mußte in Ordnung sein, bei uns im Revier mußten alle Patienten ruhig im Bett liegen; alles war gewaschen, vorbereitet, nicht wahr; die Instrumente glänzend gehalten wie gewöhnlich bei hohen Besuch Fall ist. Auch durfte man damals nichts machen. Keine Operationen, keine Verbände und auch Kost wurde nicht ausgegeben, bevor Besuch nicht vorbei war.

DR. KUBUSCHOK: Können Sie mir vielleicht sagen, welche unerwünschten Personen entfernt werden sollten, wie Sie vorhin sagten?


DR. BLAHA: Also, besonders wurden immer streng die Russen auf den Blöcken gehalten. Man hat gesagt, daß sie Angst gehabt haben wegen möglichen Demonstrationen, Attentaten und so weiter.


DR. KUBUSCHOK: Wurden etwa Gefangene entfernt gehalten, die durch ihren äußeren Anblick schon irgendwelche Mißhandlungen ergaben?


DR. BLAHA: Das ist selbstverständlich, daß vor den Besuchen hat man nicht geschlagen, nicht geprügelt, aufgehängt oder exekutiert.


DR. KUBUSCHOK: Also zusammengefaßt, der Zweck dieser Vorbereitungen war, den Gästen nicht den Anblick des wirklichen Konzentrationslagers zu vermitteln?


DR. BLAHA: In der Grausamkeiten all nicht.


DR. KUBUSCHOK: Danke.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird morgen, Sonnabend, keine öffentliche Sitzung abhalten und wird am Montag nur vormittags tagen, weil in den geschlossenen Sitzungen morgen und Montag Nachmittag viel Arbeit erledigt werden muß. Ich dachte, die Anwälte sollten hiervon in Kenntnis gesetzt werden. Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen.


[Das Gericht vertagt sich bis

14. Januar 1946, 10.00 Uhr.]


1 Der letzte Absatz dieser eidesstattlichen Erklärung erscheint in der von Dr. Blaha gezeichneten englischen Übersetzung, aber nicht in der ursprünglichen deutschen Fassung.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 5.
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