Vormittagssitzung.

[71] VORSITZENDER: Dr. Laternser, hatten Sie Ihre Vernehmung beendet?

DR. LATERNSER: Ich habe nur noch ganz wenige Fragen an den Zeugen zu stellen.

Herr Zeuge, ich möchte nur noch einmal ganz kurz auf die Frage zurückkommen, inwieweit die Kriegsbereitschaft der Luftwaffe im Jahre 1939 nicht vorhanden war. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob die Zusammenarbeit der Luftwaffe mit OKW, Heer und Marine im Jahre 1939 sichergestellt war?


MILCH: Die Luftwaffe war im Jahre 1939 nach meiner Überzeugung für einen größeren Krieg nicht vorbereitet. Mit den anderen Wehrmachtsteilen waren keine gemeinsamen Abreden irgendwelcher Art getroffen worden. Wenigstens ist mir von solchen nichts bekannt.


DR. LATERNSER: Wenn solche Vereinbarungen mit den anderen Wehrmachtsteilen vorgelegen haben würden, dann wären sie Ihnen wohl auch bekannt?

MILCH: Ich möchte es annehmen, da ich in dieser Zeit in dieser Frage wohl eingeschaltet worden wäre.


DR. LATERNSER: Wie war die Zusammenarbeit der wichtigsten Ressorts innerhalb der Luftwaffe selbst?


MILCH: Sie war seit dem Jahre 1937 verhältnismäßig lose. Es waren abgetrennt der Generalstab, das technische Amt und auch das Personalamt, die mehr oder minder stärker für sich allein ihre Arbeiten machten.


DR. LATERNSER: Herr Zeuge, Sie erwähnten gerade den Generalstab. Was verstehen Sie unter dem deutschen Generalstab der Luftwaffe?


MILCH: Generalstab bedeutet im Deutschen: Führergehilfen. Das heißt, das sind jüngere Offiziere mit einer besonderen Vorbildung, zu der sie kommandiert werden, und die nun den Truppenbefehlshabern, den Truppenkommandeuren vom Divisionskommandeur ab aufwärts zur Seite stehen.


DR. LATERNSER: Was zählte alles zum Generalstab der Luftwaffe?


[71] MILCH: Einmal die Offiziere, vom Chef des Generalstabs der Luftwaffe persönlich an abwärts, die in den Ressorts ihres Generalstabs sich befinden, und ebenso die Offiziere, die als Generalstabsoffiziere draußen bei den Divisionen, Korps und Luftflotten eingesetzt waren.


DR. LATERNSER: Wie stand es mit den Terminen für Neuaufstellungen innerhalb der Luftwaffe?


MILCH: Die großen Aufstellungen waren noch nicht befohlen, obwohl man über sie schon längere Zeit vor dem Kriegsausbruch beraten hatte. Man wollte eine größere Luftwaffe später aufstellen, die Termine lagen aber, soweit ich mich heute entsinne, noch sechs bis acht Jahre voraus.


DR. LATERNSER: Also in welches Jahr wäre die Erfüllung der Termine gefallen?


MILCH: Ich schätze, etwa in die Jahre 1944 bis 1946.


VORSITZENDER: Wir haben eine technische Störung. Wir hören zwei Übersetzungen gleichzeitig. Außerdem sprechen Verteidiger und Zeuge zu schnell.


DR. LATERNSER: War im Jahre 1939 bereits eine Organisation für Tag- und Nachtjäger vorhanden?


MILCH: Nein, die war damals noch nicht vorhanden.


DR. LATERNSER: War eine Organisation für den Bombenkrieg vorhanden?


MILCH: Nicht in dem Sinne, wie er nötig gewesen wäre für einen Angriffskrieg.


DR. LATERNSER: Wie weit war damals die Flugplatzorganisation gediehen?


MILCH: Es waren Flugplätze in der Masse, im Größenverhältnis bis zu 1000 Metern aufwärts ausgebaut, das heißt, diese Rollfelder genügten für Jäger, nicht für beladene größere Bomber.


DR. LATERNSER: Wie stand es mit dem Nachrichtennetz der Luftwaffe?


MILCH: Das Führungsnetz, das heißt das Kabelnetz für die Führung, war in der Masse nicht vorhanden, mußte erst später im Kriege improvisiert aufgebaut werden.


DR. LATERNSER: Wie stand es mit dem Flugmeldedienst?


MILCH: Auch dieser war noch nicht organisiert.

Zu der Frage der Bomber kann ich vielleicht als markantesten Punkt hinzufügen, daß ursprünglich in den ersten Jahren Typen von viermotorigen Bombern, die auch für Nachteinsatz geeignet gewesen wären, in Bau genommen worden sind; diese Bomber [72] wurden aber, ich glaube, im Jahre 1937 aufgegeben, obwohl sie technisch in Ordnung waren. Man glaubte sich die großen Ausgaben solcher schweren Bomber ersparen zu können, da man mit einem Krieg damals nicht rechnete. Es ist dies zu der Zeit gewesen, als der Feldmarschall Kesselring Generalstabschef war; die Frage wurde dem Reichsmarschall zur Entscheidung vorgetragen und er hat die Ausschaltung dieser großen Bomber gebilligt.


DR. LATERNSER: In welcher Zeit war das?


MILCH: Einen Augenblick, ich sehe gerade nach. Am 29. April 1937 hat der Reichsmarschall auf Vortrag des Generalstabschefs den Bau dieser weittragenden Bomber gestoppt. Es waren dadurch 1939 für die Nacht geeignete Nachtbomber nicht vorhanden, die sich etwa den englischen Maschinen vom Typ Lancaster und so weiter hätten an die Seite stellen können.


DR. LATERNSER: Wie stand es mit dem Personal für die fliegenden Besatzungen?


MILCH: Wir hatten für diese damals vorhandene, verhältnismäßig kleine Luftwaffe, gerade ausreichenden Personalersatz. In dem Personalersatz lagen mit die größten Schwierigkeiten im Aufbau überhaupt. Von der Ausbildung des Personals war überhaupt die Terminfrage abhängig. Die Personalfrage war der Schrittmacher. Es war möglich, schneller Flugzeuge zu bauen, es war aber nicht möglich, die Ausbildung des Personals zu beschleunigen. Und wie ich am Freitag sagte, mußte terminmäßig darauf die Hauptrücksicht genommen werden. Piloten und technisches Fliegerpersonal haben nur dann überhaupt einen Zweck, wenn sie richtig, das heißt gut ausgebildet worden sind. Halbausgebildete Leute sind ein größerer Schaden als gar keine.


VORSITZENDER: Ich will Ihr Kreuzverhör nicht unterbrechen, Dr. Laternser, aber wir sitzen hier schon fast 20 Minuten und hörten lediglich, daß die Luftwaffe 1939 nicht kriegsbereit gewesen ist. Ich glaube, daß zuviel Zeit für Einzelheiten verbraucht wird.


DR. LATERNSER: Ich habe zu diesem Thema nur noch eine Frage. Waren Reserven an Aluminium, Magnesium und Kautschuk vorhanden, und bestanden Produktionsmöglichkeiten hierfür, für diese Materialien?


MILCH: Nicht in ausreichendem Umfang.


DR. LATERNSER: Ich habe dann eine letzte Frage. Herr Zeuge, Sie haben bei Ihrer Vernehmung am Freitag den »Grundsätzlichen Befehl Nummer 1« erwähnt. Sie haben auch bereits den Inhalt dieses Befehles angegeben. Ich habe nun hinsichtlich dieses Befehles noch die Frage: Wurde dieser Befehl streng eingehalten oder nicht?

MILCH: Jawohl, außerordentlich streng.


[73] DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.


VORSITZENDER: Wünscht einer der anderen Verteidiger an den Zeugen noch Fragen zu stellen?


DR. HANS FLÄCHSNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SPEER: Ich bitte an den Zeugen einige Fragen richten zu dürfen:


[Zum Zeugen gewandt:]


Herr Zeuge, ist Ihnen in Erinnerung, seit wann Hitler den Bau von bombengeschützten Fabriken für die Luftrüstung gefordert hat als Höhlen- oder Bunkerbauten?

MILCH: Soweit ich mich entsinnen kann, vom Augenblick der schweren englischen Angriffe, vom Jahre 1943 ab.

DR. FLÄCHSNER: Erinnern Sie sich an eine Besprechung auf dem Obersalzberg, Anfang April 1944 und daran, was Sie damals über die schwierige Lage auf dem Baumarkt bei Hitler vorgetragen haben, und an die Befehle, die Hitler dabei gegeben hat?


MILCH: Jawohl. Der Führer hat damals sehr starke, ich glaube sechs Großanlagen, von Bunkern geschützt, von etwa je 600000 Quadratmeter Arbeitsfläche gefordert. Es wurden von seiten Speers in der Folgezeit, im April war er nicht dabei, da war er krank, Einwände dagegen erhoben. Er hielt diesen Bauumfang für viel zu groß und auch für viel zu spät. Er hat später durchgedrückt, daß alle Bauten, die nicht bis zum Juni 1944 in baufähigem Zustand waren, das hieß, Bauten, die nicht Anfang 1945 den Betrieb aufnehmen konnten, daß diese sofort stillgelegt werden mußten.


DR. FLÄCHSNER: Was mich interessiert dabei, ist in erster Linie die Arbeiterfrage. Hat bei dieser Besprechung auf dem Obersalzberg der Führer für den Bau dieser von ihm verlangten Fabriken Arbeitskräfte bereitgestellt?


MILCH: Ja, ich glaube mich erinnern zu können, daß er auf den Einwand einer der Herren erklärte, er würde für die Baukräfte sorgen.


DR. FLÄCHSNER: Sie sagten, Herr Zeuge, daß Herr Speer gegen diesen Bau gewesen sei. Wie ist denn die Entwicklung weitergegangen. Speer war nicht anwesend bei der Sitzung?


MILCH: Nein, er war damals krank.


DR. FLÄCHSNER: Können Sie uns das im Zusammenhang kurz erzählen?


MILCH: Während dieser Krankheit kamen beim Führer Anträge ein von anderen Seiten, daß der Bau von Speer abgetrennt würde. Es sind darüber Schwierigkeiten entstanden; zwar blieb der Bau [74] in der Theorie unter Speers Kommando, er wurde ihm aber in der Praxis fast ganz weggenommen. Er hat auf die Bauten selbst keinen Einfluß mehr ausüben können, weil ein Befehlsweg von der Baustelle der OT, Organisation Todt, unmittelbar an Adolf Hitler beschlossen worden war. Somit war Speer weitgehend aus dieser Frage ausgeschaltet. Man hat sehr viel über Großbauten damals gesprochen, man hat aber sehr wenig Arbeit für diese Großbauten praktisch geleistet.


DR. FLÄCHSNER: Hat Hitler an Herrn Dorsch einen schriftlichen Befehl direkt erteilt, und hat er diesen Speer zugestellt? Wissen Sie was darüber?


MILCH: Soweit ich mich entsinnen kann, hat ein solcher schriftlicher Befehl vorgelegen, und er ist auch Speer zugegangen. Ich erinnere mich dunkel daran, daß mir Speer einmal einen solchen Befehl auch gezeigt hat.


DR. FLÄCHSNER: Eine letzte Frage zu diesem Punkt. Demnach übernahm die Verantwortung für diese Bauten und für diese Arbeitskräfte der vom Führer unmittelbar beauftragte Herr Dorsch?


MILCH: Jawohl.


DR. FLÄCHSNER: Herr Zeuge, Sie waren Mitglied der Zentralen Planung. Können Sie mir sagen, ob die Zentrale Planung berechtigt war, Entscheidungen über die zu stellenden ausländischen oder deutschen Arbeitskräfte und über deren Verteilung zu treffen?


MILCH: Nein.


DR. FLÄCHSNER: Hat sie überhaupt derartige Entscheidungen jemals getroffen?


MILCH: Die Zentrale Planung war nur zur Verteilung der Rohstoffe eingesetzt worden, und an ihrer Arbeit hing außerdem eine gewisse Regelung von Verkehrsfragen, die unabhängig von der Tätigkeit hinsichtlich der Rohstoffe war. In der Frage der Arbeiterbereitstellung hatte sie keinerlei Aufgaben und Rechte und hat auch keine ausgeübt. Auf die Verteilung von Arbeitern versuchte die Zentrale Planung insofern einen Einfluß zu gewinnen, da sie als Rüstungsstelle gleichzeitig am besten die Notwendigkeiten übersah. Aber hier entstanden erhebliche Schwierigkeiten, so daß praktisch diese Arbeit in der Zentralen Planung fallengelassen werden mußte.


DR. FLÄCHSNER: Zu Beschlüssen ist es also nicht gekommen? Wir haben hier zwar Protokolle vorliegen, daß über Arbeiterprobleme in der Zentralen Planung manchmal gesprochen worden ist...


MILCH: Sogar sehr häufig, weil ja die Rüstungsstellen, die hier vertreten waren, das größte Interesse an der Arbeiterschaft hatten. Es sind aber mehr Besprechungen gewesen über die Verpflegung [75] der Arbeiter, Zulagen für die Arbeiter und so weiter, als über sonstige Angelegenheiten.


DR. FLÄCHSNER: Und eine letzte Frage zu diesem Punkt. Hat der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz die Zentrale Planung irgendwie als maßgeblich, also als entscheidend in dem Gesamtplan der Arbeitskräfte betrachtet oder nicht?


MILCH: Nein, das konnte er nicht, denn das war er selbst.


DR. FLÄCHSNER: Waren in den Jahren 1943 und 1944 Reserven an deutschen Arbeitskräften vorhanden, und forderte Speer diesen Einsatz deutscher Arbeitskräfte an Stelle ausländischer Arbeiter?


MILCH: Jawohl. Speer hat sich ganz besonders stark immer wieder dahin verwendet, daß die noch vorhandenen, wenn auch vielleicht sehr schwer zu erfassenden deutschen Arbeitsreserven nunmehr in den Arbeitsprozeß eingeschaltet würden. Es waren das in der Masse weibliche Arbeitskräfte, Frauen aus Berufen oder aus Ständen, die im Kriege außer ihrer Hausfrauenarbeit nichts zu tun hatten.


DR. FLÄCHSNER: Herr Zeuge, Sie sagten vorhin, der Angeklagte Speer sei im Jahre 1944 krank gewesen. Können Sie mir sagen, von wann bis wann das ungefähr war?


MILCH: Die Krankheit begann im Februar und dürfte etwa im Juni beendet gewesen sein.


DR. FLÄCHSNER: Danke. Ist Ihnen etwas davon bekannt, daß man diese lange Krankheit dazu ausgenutzt hat, um seine Autorität und seinen Einflußbereich erheblich zu beeinträchtigen? Können Sie mir sagen, wer da in erster Linie interessiert war?


MILCH: Die Beeinträchtigung betraf das vorhin erwähnte Baugebiet; es ist für mich sehr schwierig, hier einzelne Personen zu nennen, die vielleicht Erbschaftsinteressen hatten.


DR. FLÄCHSNER: Wurde das nach dem 20. Juli etwa noch schlimmer oder weniger schlimm?


MILCH: Es ist eigentlich mit fortschreitender Zeit immer schlechter geworden und die Stellung von Speer immer schwieriger, da Speers Gesamtauffassung von der offiziellen Meinung des Führers in immer stärkerem Umfang abwich.


DR. FLÄCHSNER: Ja, nun darf ich Sie bitten, hier mal Ihre Erinnerung auf etwas anderes zu lenken? Im Februar 1945 wurde durch eine Anordnung Hitlers dem Angeklagten Speer die Kraftwagenverteilung übertragen und Sie waren, wenn ich richtig informiert bin, als sein Vertreter bestellt. Können Sie mir sagen, wie die Transportlage damals aussah, und wie weit der Ausstoß der Rüstung von der Transportlage abhing?


[76] MILCH: Die Transportlage war in dieser Zeit durch die amerikanischen Tagesbombenangriffe so katastrophal geworden, daß die notwendigsten Lebensgüter und auch Rüstungsgüter nicht mehr gefahren werden konnten, insbesondere betraf dies unsere große Schmiede, das Ruhrgebiet und die Verbindung von dort zur Fertigindustrie in Mitteldeutschland, Berlin, sächsischer Raum. Wenn hier nicht mit ganz außergewöhnlichen Mitteln und Vollmachten eingegriffen wurde oder würde, war der totale Zusammenbruch nur aus dem Grund der Verkehrslage auf Stunden beinahe zu berechnen; das war die damalige Lage.


DR. FLÄCHSNER: War zu erwarten, daß Speer auf Grund seines Auftrags die Rüstung bei der Verteilung des Transportvolumens bevorzugen würde und was hat er getan?

MILCH: Nein. Speer war sich mit mir vollkommen darüber klar, daß die ganze Rüstung in diesem Zeitraum nichts mehr bringen könnte. Speer hat daher von sich aus das Hauptgewicht auf Lebensmitteltransporte für die Bevölkerung gelegt, vor allen Dingen auch auf Räumung von Lebensmitteln aus den deutschen Gebieten, die verloren gehen würden.


DR. FLÄCHSNER: Waren das nur Maßnahmen zur Sicherung des laufenden Ernährungsbedarfs oder waren das Maßnahmen auf weite Sicht?


MILCH: Es war so gedacht, daß die größtmögliche Menge, die überhaupt da war und die abtransportiert werden konnte, sichergestellt werden sollte.


DR. FLÄCHSNER: Herr Zeuge, ein besonders schwieriges Kapitel war ja in der damaligen Zeit der Kraftverkehr. War die Zahl der Lastkraftwagen und die Treibstoffmenge für diese in der Rüstung beschränkt, und was hat Speer hinsichtlich der Lastkraftwagen Mitte Februar 1945 angeordnet, falls Sie das wissen?


MILCH: Also ich weiß, daß die Lastkraftwagen immer so knapp in der Rüstung gewesen sind, daß selbst das Notwendige nicht erfüllt werden konnte. Es mußte zu allen möglichen Aushilfen auf diesem Wege geschritten werden: Einsatz der elektrischen Straßen bahnen, Einsatz von sehr viel Pferdefuhrwerken und dergleichen. Aber auch hier sind meines Wissens von Speer diese Fahrzeuge eingesetzt worden für die deutsche Bevölkerung, um die Verteilungsorganisation von Lebensmitteln überhaupt ermöglichen zu können.


DR. FLÄCHSNER: Treibstoff war damals einer der stärksten Engpässe, nicht wahr?


MILCH: Es war überhaupt der stärkste Engpaß.


DR. FLÄCHSNER: Ist Ihnen etwas darüber bekannt, Herr Zeuge, ob Speer seit Februar 1945 die Reparatur der Stickstoffwerke, die [77] Düngemittel für die Landwirtschaft erzeugten, in der Dringlichkeitsstufe vor die Reparatur der Treibstoffwerke gestellt hat?


MILCH: Ja, das weiß ich, weil Speer mit mir sehr ausführlich die Frage besprochen hat, was jetzt, da der Zusammenbruch für uns unvermeidlich in nächster Zeit bevorstand, am dringlichsten zu tun sei, weil er der Ansicht war, daß es jetzt nur darauf ankäme, dem deutschen Volke noch so viel wie möglich zu helfen, um ihm die sehr schwere Zeit nach dem Zusammenbruch möglichst zu erleichtern. Dazu gehörten einmal die Frage der Verpflegung, der Bergung der Lebensmittel und des Transports zur Verteilung.

Zweitens, die Verhinderung der Zerstörung aller deutschen Fabriken, die noch in unserer Hand waren, dies gegen den ausdrücklichen von Hitler gegebenen Befehl der »Verbrannten Erde«, wie wir ihn nannten.

Drittens, Beauftragung der Industrie bereits mit Friedensproduktion statt Kriegsproduktion, soweit die Fabriken überhaupt noch standen; in erster Linie hier Herstellung von landwirtschaftlichen Maschinen, von Ersatzteilen für diese und dergleichen, unter dem Motto, daß einmal in die Industrie hineingelegte Aufträge auch über Erschütterungen weiterlaufen würden, Erschütterungen zum Beispiel, wenn die Fabrik aus deutscher Hand in Feindeshand fiel, oder wenn durch Beendigung des Krieges die Kriegsaufträge der Regierung automatisch wegfallen.


DR. FLÄCHSNER: Herr Zeuge, wir haben hier eine ganze Reihe Fragen zusammengefaßt, dafür bin ich Ihnen dankbar. Ich wollte Sie nur noch fragen: Können Sie uns mehr Details bezüglich der Verhinderung von Zerstörungen hier erzählen?


VORSITZENDER: Dr. Flächsner! Wollen Sie mir erklären, warum diese Aussage, die Sie fordern, erheblich ist und auf welchen Anklagevorwurf sie sich bezieht?


DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Der Angeklagte Speer steht unter der Anklage einer gemeinsamen Verschwörung, eines gemeinsamen Planes zur Durchführung eines Angriffskrieges bis zum 7. Mai 1945. Wenn ich nun dartun kann, daß zum mindesten seit geraumer Zeit vorher der Angeklagte Speer eine Tätigkeit entfaltet hat, die mit diesem gemeinsamen Plan nicht zu vereinen ist, dann glaube ich, ist das für die Beurteilung, wie weit man ihm einen Vorwurf im Sinne der Anklage machen kann, von Erheblichkeit.


VORSITZENDER: Das ganze Beweismaterial, das Sie während der letzten 15 Minuten vorgebracht haben, bezog sich auf die Jahre 1943 und 1944. Es betrifft Konferenzen über die Errichtung von Fabriken zur Erzeugung von Bombern und die Tatsache, daß, soweit ich es verstanden habe, Speer sich mehr darum bemühte, das deutsche Volk zu ernähren, als Waffenfabriken zu bauen. Was das mit Ihren Ausführungen zu tun hat, kann ich nicht verstehen.


[78] DR. FLÄCHSNER: Der erste Punkt bezog sich auf Dokument 1584-PS, welches die Anklagebehörde als Belastung gegen meinen Klienten vorgetragen hat; da heißt es nämlich, es sei bei einer Konferenz auf dem Obersalzberg der Bau von bestimmten Fabriken angeordnet worden; zu ihrem Bau seien 100000 ungarische Juden verwendet worden. Der Zweck der Befragung dieses Zeugen hier war, festzustellen, daß dem Angeklagten Speer für diesen Bau eine Verantwortung nicht zur Last gelegt werden kann, da Hitler den Bauauftrag unmittelbar einem anderen gegeben hatte, so daß dieser Punkt, den die Anklage zur Stützung ihres Vorwurfs vorgetragen hat, weggeräumt wird. Das war der Zweck der ersten Frage. Der Zweck der zweiten Frage bezüglich der Zerstörungen und der Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung und der Ernährung des deutschen Volkes betraf den Vorwurf der Verschwörung zur Ausführung eines gemeinschaftlichen Planes, denn alle diese Tätigkeiten, die der Zeuge hier bestätigt hat, dienten ja gerade dem Gegenteil, hatten ja gerade die gegenteilige Wirkung wie der von der Anklage behauptete gemeinschaftliche Plan; sie dienten nicht der Kriegsführung, sondern der Friedenswirtschaft.


VORSITZENDER: Speer ist nicht angeklagt, weil er versuchte, das deutsche Volk während des Krieges zu ernähren. Die Anklage macht ihm daraus keinen Vorwurf.


DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Ich habe auch niemals behauptet, daß die Anklage diesen Vorwurf erhoben hätte. Es muß ein Fehler in der Übertragung vorliegen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Dann habe ich eine letzte Frage an Sie, Herr Zeuge. Können Sie etwas darüber sagen, wie weit Speer den Führer über die Folgen der schweren Luftangriffe auf Hamburg und so weiter in der Folgezeit unterrichtet hat?

MILCH: Er hat ihn sehr ausführlich unterrichtet und ihn auf die Schwierigkeit immer wieder besonders hingewiesen.

DR. FLÄCHSNER: Danke.


DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER DES KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Herr Zeuge, die Zentrale Planung hat sich auch mit Arbeiterfragen befaßt?


MILCH: Jawohl.


DR. SERVATIUS: Wurde der Bedarf an Arbeitern festgestellt?


MILCH: Der wurde von der Industrie festgestellt und über die Arbeitsämter gemeldet. Wir brachten bei der Rüstung auch Zahlenunterlagen über die Fehlbestände.


[79] DR. SERVATIUS: Darf ich Sie unterbrechen. Nachdem der Bedarf festgestellt war, was taten Sie dann? Zu welchem Zweck wurde der Bedarf festgestellt?


MILCH: Es wurde festgestellt, wieviele Arbeiter fehlten, weil ja laufend Arbeiter zum Kriegsdienst kommandiert wurden.


DR. SERVATIUS: Geschah es nicht, um Arbeiter zu fordern?


MILCH: Die Forderung kam von den Fabriken, wir unterstützten die Fabriken gegenüber Sauckel, indem wir ihm sagten, daß die Industrie die und die Forderung gestellt hätte. Wir sagten ihm, welche Zahlen davon nach unserer Auflassung übersetzt wären.


DR. SERVATIUS: War es eine Zusammenfassung des Bedarfs an Arbeitern?


MILCH: Nein; das war die gemeinsame Zahl, so wie sie statistisch von den Dienststellen von Herrn Sauckel erfaßt worden war.


DR. SERVATIUS: Wer stellte den Bedarf fest, Sauckel oder die Bedarfsträger?


MILCH: Die Fabriken.


DR. SERVATIUS: Welche Aufgabe hatte die Zentrale Planung bezüglich der Arbeitsfragen?


MILCH: Sie hatte für die Rohstoffverteilung zu sorgen und war auch interessiert an dem Aufkommen von Rohstoffen...


DR. SERVATIUS: Ich frage nicht bezüglich der Rohstoffe, sondern bezüglich der Arbeiterfrage.


MILCH: Sie müssen warten, bis ich zu Ende gesprochen habe, dann werden Sie sehen, was ich meine.

Die Rohstoffe mußten ja auch geschaffen werden und zur Schaffung der Rohstoffe mußten Arbeiter da sein. Zum Beispiel im Bergbau oder zum Beispiel in den Aluminiumfabriken.


DR. SERVATIUS: Herr Zeuge, darf ich Sie unterbrechen? Es ist klar, daß zur Herstellung Menschen nötig sind; es kommt mir darauf an zu wissen, wer hat die Arbeiter gefordert und wer hat letzten Endes die Anzahl festgesetzt, die benötigt wurde?


MILCH: Gefordert haben sie die Fabriken und festgesetzt wurden sie von Sauckel, indem er eben das, was er bekommen konnte, was immer weniger war, wie das, was gefordert war, zur Verfügung stellte.


DR. SERVATIUS: War er hier völlig selbständig, oder hatte der Führer hier eine Entscheidung zu treffen?


MILCH: Soviel ich weiß, hat der Führer in diese Fragen sehr oft eingegriffen, denn es ist mir bekannt, daß Herr Sauckel sehr oft zu Hitler hinbestellt wurde.


[80] DR. SERVATIUS: Fanden nicht Besprechungen beim Führer über alle grundsätzlichen Programme statt gerade wegen der Arbeiterfragen?


MILCH: Nein, über alle Programme nicht, aber es haben auch gelegentlich über diese Frage beim Führer Besprechungen stattgefunden. Aber diese Besprechungen über die Arbeiterfragen beim Führer waren meist sehr kurz. Er hat sich mit dieser Frage gar nicht in größerem Rahmen befassen wollen.


DR. SERVATIUS: Wie war der Vierjahresplan eingeschaltet?


MILCH: Auch der Vierjahresplan hat sich, soviel ich weiß, um diese Fragen gekümmert. Ich glaube aber, als Hilfsorgan hierin für Hitler, der eben selbst diese Einzelfragen bei sich nicht erläutert wissen wollte.


DR. SERVATIUS: Ist Ihnen bekannt, daß nach den Verordnungen Sauckel dem Vierjahresplan, also Göring, unterstand und von ihm seine Befehle hätte bekommen müssen?


MILCH: Das ist mir nicht so genau bekannt wie die Verhältnisse waren.


DR. SERVATIUS: Eine andere Frage. Wie haben die Arbeiter, die ausländischen Arbeiter gearbeitet; waren die willig und fleißig?


MILCH: In der großen Masse ausgezeichnet.


DR. SERVATIUS: Worauf führen Sie das zurück?


MILCH: In den ersten Jahren waren diese Arbeiter froh, daß sie auf diese Weise Arbeit und Brot hatten. Sie wurden bei uns gut behandelt, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, und ihre Ernährungssätze lagen über denen der deutschen Bevölkerung. Sie bekamen ebenso wie die deutschen Arbeiter ihre Schwerarbeiter-, Schwerstarbeiter- und Langarbeiterzulagen. Besonders gut waren die französischen und russischen Arbeiter. Klagen habe ich gelegentlich gehört über die holländischen Arbeiter.


DR. SERVATIUS: Sind Ihnen die Verordnungen Sauckels über die Betreuung bekannt?


MILCH: Ich kann mich entsinnen, daß Herr Sauckel darüber auch einmal in der Zentralen Planung uns einen Vortrag gehalten hat.


DR. SERVATIUS: Vertrat er einen humanen Standpunkt oder einen scharfen Standpunkt?


MILCH: Einen durchaus humanen Standpunkt. Sauckel hatte ein sehr schweres Amt von Hitler bekommen. Er ist selbst, soviel ich weiß, ein Arbeiter gewesen, er kannte schwere Arbeit als Seemann selbst und hatte ein sehr offenes Herz für die Arbeiter.


DR. SERVATIUS: Ich habe keine Fragen mehr an den Zeugen.


[81] PROFESSOR DR. HERMANN JAHRREISS, STELLVERTRETENDER VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN JODL: Herr Zeuge, haben Sie an dem Wehrmachtsmanöver 1937 teilgenommen?


MILCH: In Mecklenburg, glaube ich.


PROF. DR. JAHRREISS: Ja, jawohl. Ist Ihnen in Erinnerung, ob damals auch ausländische Offiziere als Gäste zugegen waren?


MILCH: Jawohl. Ich weiß, es war eine große englische Abordnung und ein General, der später Gouverneur von Gibraltar wurde.


PROF. DR. JAHRREISS: General Ironside?


MILCH: Jawohl, Ironside. Den habe ich persönlich gesprochen und auch Herren seines Stabes begrüßt. Es waren Italiener da und eine größere Zahl anderer Nationen. Ich kann im Augenblick nicht mehr genau sagen, ich habe es nicht mehr im Gedächtnis, welche Nationen es gewesen waren.


PROF. DR. JAHRREISS: War vielleicht auch eine französische Abordnung da?


MILCH: Ich glaube ja, ich kann es nicht mehr genau sagen, mein Gedächtnis ist für diese Sache nicht mehr ganz genau. General Ironside habe ich persönlich gesprochen.


PROF. DR. JAHRREISS: Wissen Sie, Herr Zeuge, ob damals diesen ausländischen Offizieren auch die neuesten deutschen Rüstungsprodukte gezeigt worden sind?


MILCH: Jawohl.


PROF. DR. JAHRREISS: Auch im Einsatz?


MILCH: Es wurde ja nur Einsatz gezeigt, außer einer Vorführung mit einem neuen Flugzeug, das noch nicht allgemein im Einsatz war. Das wurde so gezeigt.


PROF. DR. JAHRREISS: Wissen Sie, ob wir, das heißt Deutschland, fremden Mächten auch Einblick in die Luftschutzeinrichtungen gegeben haben?


MILCH: Sehr häufig. Es war ein Mister Fraser aus England zusammen mit Lord Trenchard bei mir, und Herr Fraser interessierte sich für Luftschutzeinrichtungen, und es wurden ihm die modernsten Sachen sofort gezeigt.


PROF. DR. JAHRREISS: Wann war das, bitte?


MILCH: Ich schätze 1937 oder 1938. Ich will eben sehen, ob ich das finde.


[Der Zeuge sieht in seinem Notizbuch nach.]


Am 1. Juli 1937.

PROF. DR. JAHRREISS: Wissen Sie, ob später noch jemand aus England da war?

[82] MILCH: Es fand ein persönlicher Austausch statt zwischen unserer entsprechenden Abteilung und den Engländern. Ich persönlich habe an dieser Sache, nachdem ich die Bekanntschaft vermittelt hatte, nicht mehr teilgenommen.


PROF. DR. JAHRREISS: Danke. Eine andere Frage: Sie erinnern sich des Konflikts wegen der Rheinlandbesetzung, nicht wahr?


MILCH: Jawohl.


PROF. DR. JAHRREISS: Wissen Sie auch, eine wie große Aufregung diese Frage hervorgerufen hat?


MILCH: Jawohl.


PROF. DR. JAHRREISS: War an der Wiederbesetzung des Rheinlandes, und zwar links des Rheins, auch die Luftwaffe beteiligt?


MILCH: Das vermag ich im Augenblick nicht zu beantworten. Die Rheinlandbesetzung kam so plötzlich, daß sie mich auf einem Urlaub überraschte. Als ich zurückkam, war die Besetzung im Gange. Ich weiß, daß Düsseldorf auch mit der Luftwaffe besetzt wurde. Dort bin ich selbst gewesen an einem der nächsten Tage.


PROF. DR. JAHRREISS: Das ist also rechtsrheinisch?


MILCH: Das ist rechtsrheinisch.


PROF. DR. JAHRREISS: Vom Linksrheinischen wissen Sie nichts?


MILCH: Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Ich glaube nicht, daß dort ein Flugplatz war. Ich kann mich aber nicht genau darauf entsinnen.


PROF. DR. JAHRREISS: Sie sagen, die Rheinlandbesetzung ist plötzlich gekommen, war aber nicht wenigstens in eventu etwas vorbereitet worden bei der Luftwaffe?


MILCH: Während meines Urlaubs war der Entschluß gekommen und alles, was da war, ist natürlich für diesen Zweck bereitgestellt worden; es war aber sehr wenig.


PROF. DR. JAHRREISS: Ja, damit wir klar sind, erst während Ihres Urlaubes ist zum erstenmal die Luftwaffe mit Vorbereitungen befaßt worden?

MILCH: Unbedingt, denn sonst wäre ich nicht auf Urlaub gegangen.


PROF. DR. JAHRREISS: Wie weit lag dieser erste, dieser früheste Zeitpunkt vor der Besetzung?


MILCH: Es kann sich um 14, 15, 16 Tage gehandelt haben. Das wäre das Maximum.


PROF. DR. JAHRREISS: Herr Zeuge, Sie haben schon am Freitag etwas ausgesagt über die Beteiligung der Luftwaffe an dem [83] militärischen Teil der Durchführung der Anschlußpolitik im März 1938. Von wann ab sind da die Vorbereitungen der Luftwaffe gelaufen?


MILCH: Die Vorbereitungen sind weniger als 48 Stunden gelaufen. Das kann ich ganz genau sagen.


PROF. DR. JAHRREISS: Und wann haben Sie überhaupt zuerst davon erfahren, daß auch militärisch an dieser Lösung gearbeitet werden sollte?


MILCH: Etwa 36 Stunden vor dem Einmarsch.


PROF. DR. JAHRREISS: Danke.


DR. KURT KAUFFMANN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KALTENBRUNNER: Herr Zeuge, ist es richtig, wenn ich davon ausgehe, daß Sie befehlsmäßig, also dienstlich weder mit der Gestapo noch irgend etwas mit den Konzentrationslagern zu tun gehabt haben?


MILCH: Nein, ich habe nie etwas mit diesen zu tun gehabt.


DR. KAUFFMANN: Wann haben Sie zum ersten Male Kenntnis bekommen von der Einrichtung solcher Lager?


MILCH: Durch die allgemeinen Veröffentlichungen im Jahre 1933, dahingehend, daß überhaupt Konzentrations-, halt, oder ein Konzentrationslager, eingerichtet würde.


DR. KAUFFMANN: Haben Sie dann im Laufe der nächsten Jahre nähere Kenntnis von weiteren Einrichtungen bekommen?


MILCH: Bis zum Kriegsende waren mir bekannt Dachau und Oranienburg. Von einem weiteren Konzentrationslager war mir nichts bekannt. Ich habe das Lager Dachau im Jahre 1935 auf meinen Wunsch mit einigen höheren Offizieren der Luftwaffe besichtigt. Sonst habe ich Konzentrationslager nicht gesehen und auch nichts über das Weitere, was dort geschah, gewußt.


DR. KAUFFMANN: Wie war damals bei der Besichtigung Ihr Eindruck über diese Einrichtung, über die Behandlung der Häftlinge und so weiter?


MILCH: Es wurde damals soviel über die Frage auch in Deutschland, in unseren Kreisen der Offiziere, debattiert, daß ich mich entschloß, mir selber einen Einblick zu verschaffen. Mein Wunsch wurde von Himmler ohne weiteres genehmigt. Damals bestand – glaube ich – auch wohl nur Dachau. Ich fand dort verschiedenste Gruppen von Insassen vor; eine Gruppe waren Schwerverbrecher, die immer wieder rückfällig wurden, andere Gruppen bestanden aus Leuten, die laufend das gleiche Vergehen immer wieder verübten, ohne daß dies Verbrechen waren, sondern es waren bloß Vergehen. Dann war eine Gruppe da, die aus den Leuten bestand, die [84] wegen des Röhm-Putsches dort saßen. Ich habe einen dieser Männer zufällig früher einmal gesehen gehabt und gekannt, es war ein höherer SA-Führer, der sich nun in diesem Lager befand. Das Lager war militärisch, sauber und ordentlich aufgezogen. Wir haben dort eine eigene Schlächterei, eine eigene Bäckerei gesehen. Wir haben uns ausdrücklich das Essen der Leute geben lassen, die im Lager saßen. Das Essen war gut; es wurde uns auch von dem führenden Manne des Lagers erklärt, daß sie ihre Häftlinge sehr gut ernährten, weil sie schwere Arbeit zu leisten hätten. Alle Häftlinge, an die wir herantraten, meldeten die Gründe, weshalb sie im Lager waren. Es waren das sehr oft Fälle, wo einer sagte, zwanzigmal Urkundenfälschung oder achtzehnmal Körperverletzung und dergleichen. Ob uns alles gezeigt worden ist in dem großen Komplex, kann ich natürlich nicht sagen.


DR. KAUFFMANN: Sie sprachen eben davon, daß in den Offizierskreisen debattiert worden sei. Haben Sie dann später, als Sie zurückkehrten, Ihre Eindrücke über Dachau wiedergegeben?


MILCH: Kaum, nur soweit ich auf diese Frage von meinen engeren Kameraden angesprochen wurde. Wie gesagt, ich war nicht allein, es waren noch mehr Herren dabei und auch diese werden im kleineren Kreise Gelegenheit gehabt haben, über diese Frage zu sprechen.


DR. KAUFFMANN: Nun sind in den Konzentrationslagern unerhörte Grausamkeiten begangen worden. Haben Sie davon, und gegebenenfalls wann zum ersten Male, Kenntnis bekommen?


MILCH: Am Tage meiner Gefangennahme habe ich zum ersten Male ein Bild gewonnen, weil die Insassen eines kleinen Teillagers in der Nähe des Ortes, in dem ich gefangengenommen worden war, vorbeigeführt wurden. Das war der erste persönliche Eindruck, den ich gewonnen habe. Das andere habe ich später in der Gefangenschaft durch die verschiedenen Unterlagen, die man uns gezeigt hat, erfahren.


DR. KAUFFMANN: War Ihnen also völlig unbekannt, daß es in Deutschland und in den besetzten Gebieten mehr als 200 Konzentrationslager gab?


MILCH: Das war mir vollkommen unbekannt. Ich habe vorhin die beiden erwähnt, von deren Existenz ich wußte.


DR. KAUFFMANN: Nun wird Ihnen entgegengehalten werden können, man hätte doch Kenntnis haben müssen. Können Sie uns eine Erklärung dafür bieten, warum eine bessere Kenntnis über die wirklichen Zustände Ihnen nicht möglich gewesen war?


MILCH: Weil die Leute, die davon Kenntnis hatten, nicht darüber gesprochen haben und wohl auch nicht sprechen durften. Das [85] entnehme ich einer Unterlage in der Anklage gegen den Generalstab, wo fälschlicherweise auch Himmler als höherer militärischer Führer angesehen wird, in der er diese Anordnung gegeben hat. Es handelt sich um irgendeine Besprechung der höheren Polizeiführer unter Himmler im Jahre, ich glaube, 1943.


DR. KAUFFMANN: Ist es dann richtig, wenn ich sage, daß jeder Versuch, die wahren Zustände über die Konzentrationslager aufzudecken, unmöglich war, es sei denn, daß der Betreffende Leib und Leben riskierte?


MILCH: Zunächst war ja, ebensowenig wie mir, allen anderen Leuten was von dieser großen Zahl von Konzentrationslagern bekannt, zweitens wußten wir ja gar nicht, was in diesen Lagern vorging. Das war anscheinend auf einen kleinen Kreis von eingeweihten Leuten beschränkt. Der SD war außerdem in der ganzen Bevölkerung und bei allen Leuten, nicht nur bei den kleinen, außerordentlich gefürchtet. Es war mit Lebensgefahr verbunden, wenn man sich in diese Kreise irgendwo hineinbewegt hätte. Außerdem, woher sollten die deutschen Menschen etwas von diesen Sachen erfahren, wenn sie es nicht sehen und nicht hören konnten. In der deutschen Presse hat darüber nichts gestanden, im deutschen Rundfunk wurde nichts bekanntgegeben, das Abhören der Nachrichten des feindlichen Rundfunks stand unter allerschwerster Strafe, ja zum großen Teil unter der Todesstrafe. Es war ja auch nie jemand allein. Er mußte damit rechnen, wenn er selber gegen das Verbot handeln wollte, daß er von anderen Leuten gehört und angezeigt würde. Ich weiß, daß eine große Zahl von Menschen in Deutschland wegen Abhörens des ausländischen Radios zum Tode verurteilt worden ist.


DR. KAUFFMANN: Haben Sie Kenntnis davon erhalten, daß Massendeportationen von Juden in den Ostgebieten stattgefunden haben und wann erstmals?


MILCH: Ich kann den Termin nicht angeben. Einmal, irgendwo, ich weiß auch nicht mehr auf welchem Wege, ist die Nachricht zu mir gekommen, daß die Juden in besonderen Ghetto-Städten im Osten angesiedelt würden. Ich glaube, es muß etwa 1944 gewesen sein, möchte mich aber für diesen Termin auch nicht mehr irgendwie verbürgen.


DR. KAUFFMANN: Sie sprechen eben von Ghettos. Wußten Sie, daß diese Massendeportationen lediglich die Vorstufe zu Massenvernichtungen waren?


MILCH: Nein, das ist uns niemals gesagt worden.


DR. KAUFFMANN: Darf ich Sie weiter fragen, ob Ihnen in diesem Zusammenhang das Vernichtungslager Auschwitz ein Begriff gewesen ist?


[86] MILCH: Nein, den Namen habe ich erst viel später nach meiner Gefangennahme zum ersten Male in der Presse gelesen.


DR. KAUFFMANN: Im Osten waren sogenannte Einsatzkommandos in Verwendung, die eine gewaltige Ausrottung durchgeführt haben, auch von Juden. Hatten Sie Kenntnis davon, daß diese Einsatzkommandos auf Grund eines Befehls von Adolf Hitler bestanden?

MILCH: Nein, das erste Wort von diesen Einsatzkommandos habe ich hier in Nürnberg im Gefängnis gehört.


DR. KAUFFMANN: Ist Ihnen bekannt, daß eine besondere Aktion zur Vernichtung von jüdischen Bürgern im Südosten des Reiches durchgeführt wurde, der nach Angabe des betreffenden Führers namens Eichmann etwa 4 bis 5 Millionen Juden zum Opfer gefallen sind?


MILCH: Nein, davon ist mir nichts bekannt. Ich höre den Namen Eichmann zum ersten Male.


DR. KAUFFMANN: Ist es richtig, wenn ich annehme, daß in Deutschland im Zeichen des absoluten Führerstaates jeder Widerspruch gegen einen höchsten Befehl mit Gefahr für Leib oder Leben verbunden war?


MILCH: Das ist in vielen Hunderten von Fällen bewiesen worden.


DR. KAUFFMANN: Ist es weiter richtig, wenn ich annehme, daß die gleichen Folgen eingetreten wären, wenn der Befohlene Widerspruch erhoben hätte, auch gegen einen rechtswidrigen und unmoralischen Befehl?


MILCH: Ich glaube, daß er auch dann mit der Strafe rechnen mußte; nicht nur er, sondern auch seine Angehörigen.


DR. KAUFFMANN: Danke, ich habe keine Fragen mehr.


DR. WALTER SIEMERS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN RAEDER: Herr Zeuge! Ich habe nur eine kurze Frage. Sie erzählten Sonnabend oder Freitag, daß Sie mit einer englischen Kommission 1937 Besprechungen gehabt haben. Die Kommission wurde von Vizemarschall Courtney geleitet. Ich möchte gerne von Ihnen wissen, ob bei diesen Besprechungen vereinbart wurde, daß sich deutsche maßgebende Stellen und die britischen Stellen gegenseitig unterrichteten über die Aufstellungspläne der Luftwaffe?


MILCH: Jawohl, das ist so richtig verstanden.


DR. SIEMERS: In welcher Form wurde das vereinbart?


MILCH: Es wurde darüber eine schriftliche Niederlegung gemacht.


DR. SIEMERS: Hatte die englische beziehungsweise die deutsche Luftwaffe Aufstellungspläne für jedes Jahr?


[87] MILCH: Nein, die Pläne betrafen mehrere Jahre.

DR. SIEMERS: Auf wieviel Jahre hinaus lief 1937 der Aufstellungsplan?


MILCH: Ich vermag das im Augenblick nicht mehr auswendig zu sagen. Vielleicht waren es 2 bis 3 Jahre damals.


DR. SIEMERS: Das wäre also dann für die Jahre 1938 bis 1940?


MILCH: 1937, 1938, 1939 bis 1940 vielleicht. Ich vermag das aber nicht mehr genau zu sagen, ich habe das vergessen.


DR. SIEMERS: Dieser Plan, hatte der ein bestimmte technische Bezeichnung? Hieß der Aufstellungsplan oder hieß er anders?


MILCH: Vermag ich auch nicht mehr zu sagen. Wir haben allgemein von Aufstellungsvorhaben gesprochen.


DR. SIEMERS: Auf der englischen Seite waren die entsprechenden Pläne auch in der Form, daß sie sich auf einen gewissen Zeitraum von vielleicht drei Jahren erstreckten?


MILCH: Ich glaube, daß sich die Zeiten sogar ziemlich miteinander abdeckten, es war so dasselbe System.


DR. SIEMERS: Ich danke vielmals.


VORSITZENDER: Will die Anklagebehörde jetzt das Kreuzverhör beginnen?

Justice Jackson, es tut mir leid, daß ich Sie aufgerufen habe. Vielleicht wäre jetzt ein geeigneter Zeitpunkt, die Verhandlung für 10 Minuten zu vertagen.


[Pause von 10 Minuten.]


JUSTICE JACKSON: Zeuge, Sie sind zur Zeit Kriegsgefangener der Vereinigten Staaten?

MILCH: Nein, ich bin kein Kriegsgefangener der Vereinigten Staaten. Ich war englischer Kriegsgefangener und seitdem ich hier bin, bin ich zu einem Internierten erklärt worden. Ich weiß nicht, was das ist, jedenfalls steht es nicht im Einklang mit einem kriegsgefangenen Offizier, der vor Abschluß der Kampfhandlungen in Feindeshand gefallen ist.


JUSTICE JACKSON: Es wurde Ihnen gestattet, sich mit den Verteidigern zu beraten, sowohl während dieses Prozesses und...


MILCH: Mit einem Teil der Verteidiger habe ich mich unterhalten können, nicht mit allen. Aber ich nehme an, daß die anderen Herren Verteidiger es nicht gewünscht hatten.

JUSTICE JACKSON: Sie können eine Menge Zeit ersparen, wenn Sie meine Fragen so kurz wie möglich beantworten. Mit Ja [88] oder Nein, wenn möglich. Sie hatten die Erlaubnis, sich vorzubereiten. Sie durften nach Ihren Beratungen mit den Verteidigern Notizen bei sich behalten und in den Gerichtssaal mitbringen?


MILCH: Die Besprechungsnotiz, die ich mit hatte, war von mir aufgestellt worden, vorher, ehe ich mit den Verteidigern darüber gesprochen hatte.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie sich seit diesen Besprechungen mit den Verteidigern keine Aufzeichnungen gemacht?


MILCH: Eine Notiz habe ich mir gemacht über eine Besprechung. Das war aber nur ein Termin, der mir genannt wurde, und den ich auswendig nicht hätte sagen können.


JUSTICE JACKSON: Nahmen Sie in der deutschen Luftwaffe eine sehr hohe Stellung ein?


MILCH: Ich war Generalinspekteur.


JUSTICE JACKSON: Nahmen Sie häufig in Vertretung von Göring an Besprechungen teil?


MILCH: Vertreten habe ich ihn eigentlich nur selten.


JUSTICE JACKSON: Leugnen Sie, daß Sie häufig in Vertretung von Göring an Konferenzen teilgenommen haben?


MILCH: Nein, das leugne ich gar nicht ab. Aber ich bin bei einem Teil der Besprechungen wegen meines Amtes zubefohlen worden; als Vertreter von ihm hatte ich nur selten Gelegenheit zu erscheinen, weil er ja meist selbst bei diesen Besprechungen zugegen war.


JUSTICE JACKSON: Sie hatten großen Anteil an dem Aufbau der Luftwaffe, nicht wahr?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und dafür wurden Sie 1941 vom Hitler-Regime belohnt, nicht wahr?


MILCH: 1941, nein. Ich glaube, Sie meinen, Herr Oberrichter, 1940.


JUSTICE JACKSON: 1940, schön, vielleicht irre ich.


MILCH: Sie meinen die Beförderung zum Feldmarschall, nicht?


JUSTICE JACKSON: Wann wurden Sie zum Feldmarschall befördert?


MILCH: Am 19. Juli 1940.


JUSTICE JACKSON: Erhielten Sie nicht vom Hitler- Regime ein Geschenk als Anerkennung für Ihre Verdienste?


MILCH: Ich habe im Jahre 1942 zu meinem 50. Geburtstag eine Anerkennung bekommen.


JUSTICE JACKSON: Und diese Anerkennung bestand in Bargeld?


[89] MILCH: Jawohl, es war eine Bargeld-Anerkennung, von der ich mir ein Landgut kaufen konnte.


JUSTICE JACKSON: Woraus bestand sie?


MILCH: Die Geldsumme betrug 250000 Mark.


JUSTICE JACKSON: Und nun wollen Sie hier bezeugen, jedenfalls verstehe ich Ihre Aussage so, daß das Regime, dem Sie angehörten, Deutschland in einen Krieg verwickelte, für den es nicht vorbereitet war. Verstehe ich Sie da richtig?


MILCH: Es ist insofern richtig, als Deutschland 1939 in einen Krieg hineinkam, zu dem es auf dem Gebiete der Luftwaffe nicht richtig vorbereitet war.


JUSTICE JACKSON: Hat der Chef der Luftwaffe das deutsche Volk jemals davor gewarnt?


MILCH: Das vermag ich nicht zu sagen. Ich glaube nicht, daß er das tun konnte.


JUSTICE JACKSON: Sie wissen nicht, ob er es je getan hat, nicht wahr?


MILCH: Ich kann mich nicht entsinnen, daß er eine solche Warnung vor dem Volke ausgesprochen hat. Ich möchte annehmen, daß die Warnung an die militärische Dienststelle über ihm gerichtet gewesen sein wird.


JUSTICE JACKSON: Und welche Dienststelle war ihm übergeordnet?


MILCH: Das ist der Führer gewesen, Adolf Hitler.


JUSTICE JACKSON: Der Führer, ja.


MILCH: Als Soldat konnte der Reichsmarschall sich nicht an die Öffentlichkeit wenden.


JUSTICE JACKSON: Erinnern Sie sich an irgendeine Sitzung des Oberkommandos oder an eine andere vom Führer einberufene Konferenz, in der der Reichsmarschall Göring in Gegenwart dieser Männer die Frage diskutierte, daß Deutschland nicht auf Krieg vorbereitet sei?


MILCH: Ich kann mich an eine solche Besprechung nicht entsinnen, weil solche Besprechungen immer nur zwischen den beiden Personen allein stattfanden. Der Reichsmarschall hat niemals dem Führer vor der Öffentlichkeit oder vor einem größeren Kreise von seinen Offizieren stark opponiert, weil Hitler eine solche Opposition nicht duldete.


JUSTICE JACKSON: Erinnern Sie sich an irgendeine Gelegenheit, bei der einer der Angeklagten hier jemals öffentlich gegen den Krieg gesprochen hat?


[90] MILCH: Öffentlich nicht, an einen solchen Vorgang kann ich mich nicht entsinnen. Ich möchte aber glauben, daß auch für die hier angeklagten Herren die ganze Frage des Krieges als eine große Überraschung gekommen ist.


JUSTICE JACKSON: Sie möchten das glauben?


MILCH: Ich glaube das so. Ja.


JUSTICE JACKSON: Sie glauben das. Wie lange brauchte die Deutsche Wehrmacht, um Polen zu erobern?


MILCH: Polen zu erobern? Ich glaube 18 Tage.


JUSTICE JACKSON: Achtzehn Tage. Wie lange dauerte es, einschließlich der Katastrophe von Dünkirchen, England vom Kontinent zu vertreiben?


MILCH: Ich glaube sechs Wochen.


JUSTICE JACKSON: Wie lange dauerte es, Holland und Belgien zu überrennen?


MILCH: Wenige Tage.


JUSTICE JACKSON: Wie lange dauerte es, Frankreich zu überrennen und Paris zu erobern?


MILCH: Wohl im ganzen zwei Monate.


JUSTICE JACKSON: Und wie lange dauerte es, Dänemark zu überrennen und Norwegen zu besetzen?


MILCH: Auch eine kurze Zeit. Dänemark ganz kurz, weil Dänemark sich sofort fügte und Norwegen nach einigen Wochen.


JUSTICE JACKSON: Und sie sagen aus und wollen, daß dieser Gerichtshof Ihre Aussage als die eines Offiziers entgegennimmt, wenn Sie erklären, daß keinerlei Vorbereitungen für diese Bewegungen den Offizieren vorher bekannt waren. Ist das Ihre Aussage als Offizier?


MILCH: Pardon, ich habe Sie eben nicht verstanden?


JUSTICE JACKSON: Sie haben gesagt, daß alle diese Aktionen für die Offiziere der Luftwaffe eine Überraschung waren. Sie sagten, daß jede einzelne Sie überraschte.


MILCH: Überrascht, habe ich gesagt, vom Ausbruch des Krieges, wo zuerst ja nur die Rede von Polen war. Die anderen Unternehmungen kamen ja sehr viel später und hatten größere Vorbereitungszeiten.


JUSTICE JACKSON: Sie leugnen nicht, daß Deutschland in Bezug auf Polen gut auf einen Krieg vorbereitet war, nicht wahr?


MILCH: Die Größe Deutschlands im Verhältnis zu Polen war stark genug. Was ich unter der Bereitschaft für den Krieg verstanden [91] habe bei meiner Aussage, heißt, für den großen Umfang eines Weltkrieges, für den war Deutschland 1939 nicht vorbereitet.


JUSTICE JACKSON: Aber es war für den Feldzug vorbereitet, den es begann, nicht wahr?


MILCH: Das möchte ich so nicht sagen; sondern Deutschland hatte selbstverständlich eine Rüstung wie jede andere Nation, die über eine Wehrmacht verfügt, auch hat. Diese wurde für Polen in einen Bereitschaftszustand versetzt und war dann ausreichend, wenn auch zu unserer eigenen Überraschung, um in dieser kurzen Zeit Polen niederzuwerfen.


JUSTICE JACKSON: Wollen Sie bezweifeln oder leugnen, daß Deutschland am 1. September 1939, im Vergleich zu den anderen Mächten des europäischen Kontinents, am besten für den Krieg vorbereitet war?


MILCH: Ich glaube, daß an und für sich die englische Luftwaffe damals noch stärker war als die deutsche.

JUSTICE JACKSON: Ich habe Sie mit Bezug auf die Kontinentalmächte gefragt. Wollen Sie bestreiten, daß Deutschland für einen Krieg weit besser vorbereitet war als seine unmittelbaren Nachbarn?


MILCH: Ich bin der Überzeugung, daß sowohl Frankreich wie Polen entsprechend ihren Kräften genau so vorbereitet waren wie Deutschland auch, sie hatten nur den Vorteil einer viel längeren Arbeit auf diesem Gebiete, die ja in Deutschland erst fünf Jahre vor Kriegsausbruch beginnen konnte.


JUSTICE JACKSON: Wann haben Sie Göring zum ersten Male getroffen?


MILCH: Ich glaube, im Jahre 1928.


JUSTICE JACKSON: Was war er damals; welche Stellung hatte er?


MILCH: Er war damals Reichstagsabgeordneter.


JUSTICE JACKSON: Und was taten Sie; was hatten Sie für einen Beruf?


MILCH: Ich war damals Leiter der Deutschen Lufthansa, eines zivilen Verkehrsunternehmens.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie sich damals mit Hermann Göring irgendwie über die Verwendung einer Luftwaffe, im Falle daß die Nazi-Partei zur Macht kommen sollte, unterhalten?


MILCH: In dieser ersten Zeit noch lange nicht.


JUSTICE JACKSON: Wann haben Sie zum ersten Male mit Göring darüber gesprochen?


[92] MILCH: Über diese Frage, glaube ich, hat Göring mit mir im Jahre 1932 gesprochen, als ein Plan bestand, im Jahre 1932 die Regierung zu übernehmen. Man glaubte, daß damals schon die anderen Parteien mit den Nationalsozialisten eine Regierung bilden würden und bei der Gelegenheit, glaube ich, hat Göring davon gesprochen, daß, wenn eine Regierung am Ruder wäre, zu der auch die Nationalsozialisten gehörten, auch die Aussicht bestände, daß Deutschland wieder wehrfähig werden würde.


JUSTICE JACKSON: Und daraufhin wurden Sie Parteimitglied, nicht wahr?


MILCH: Ich hin erst nach 1933 zur Partei gekommen, bis ich nachher wieder Offizier wurde und die Sache dann damit ausschaltete.


JUSTICE JACKSON: Sie warteten also bis nach der Machtübernahme?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Erinnern Sie sich Ihrer Unterhaltung mit Göring am 28. Januar 1933?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und wo fand sie statt?


MILCH: Bei mir, in meiner Wohnung.


JUSTICE JACKSON: Hatte er Sie aufgesucht?


MILCH: Nein, ich hatte diesen Abend Gäste bei mir und plötzlich kam er, weil er mich dringend sprechen wollte.


JUSTICE JACKSON: Wollen Sie dem Gerichtshof von dieser Unterhaltung mit Göring erzählen?


MILCH: Er erzählte mir, daß nunmehr mit den anderen Parteien, die in Frage kamen, ein Abkommen getroffen sei, daß eine gemeinsame Regierung mit den Nationalsozialisten gebildet werden würde. Der Reichspräsident von Hindenburg sei jetzt mit der Betrauung von Adolf Hitler mit dem Kanzlerposten in dieser Regierung einverstanden.

Er fragte mich, ob ich bereit wäre, für ein zu gründendes Luftfahrtministerium meine Mitarbeit zur Verfügung zu stellen. Ich habe ihm damals nur aus dem Grunde, weil ich meine Lufthansa nicht verlassen wollte, zwei andere Personen statt mir vorgeschlagen. Göring lehnte diese ab und bestand darauf, daß ich meine Mitarbeit ihm zur Verfügung stellte.

JUSTICE JACKSON: Und stimmten Sie zu?


MILCH: Ich habe ihm gesagt: Ich bäte, es mir noch überlegen zu dürfen. Ich wollte es davon abhängig machen, ob Hitler darauf bestehen würde.


[93] JUSTICE JACKSON: Und was tat Hitler?


MILCH: Ich habe angenommen am 30., nachdem mir Hitler nochmal gesagt hatte, daß er mein technisches Wissen und Können auf dem Gebiete der Luftfahrt für unumgänglich nötig hielte.


JUSTICE JACKSON: Sie übernahmen also am Tage der Machtübernahme durch die Nazi-Partei die Aufgabe, die Nazi-Luftwaffe aufzubauen, nicht wahr?


MILCH: Nein, nicht eine Luftwaffe, sondern es handelte sich zunächst nur um die Frage der Zusammenfassung der vorhandenen Verwaltungsgebiete auf dem Gebiete der Luftfahrt. Es waren dies eine zivile Luftverkehrsgesellschaft oder zwei, es waren die Luftfahrtindustrien, die da waren, und es waren die Verkehrsfliegerschulen, es war der Wetterdienst und vielleicht noch die verschiedenen Forschungsinstitute. Ich glaube, damit habe ich den gesamten Umfang der damaligen Luftfahrt – nicht Luftwaffe angegeben.


JUSTICE JACKSON: Sie hatten, mit anderen Worten, die Aufgabe übernommen, Deutschland in der Luft eine hervorragende Stellung zu geben.


MILCH: Nein, das kann man damit auch nicht sagen...


JUSTICE JACKSON: Sagen Sie es mit Ihren eigenen Worten, erzählen Sie uns, was Sie taten und welches Ziel Sie bei der Übernahme dieser Aufgabe verfolgten.


MILCH: Den Luftverkehr und alles, was dazu gehört, im großen Stil auszubauen, das war die erste Aufgabe.


JUSTICE JACKSON: Dann besuchten Sie England und Frankreich, und nach Ihrer Rückkehr erstatteten Sie Hitler persönlich Bericht?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Warnten Sie nach Ihrer Rückkehr von England Hitler vor Ribbentrops Tätigkeit?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Was berichteten Sie Hitler über Ribbentrops Tätigkeit in England?


MILCH: Daß ich in England den Eindruck gewonnen hätte, daß Herr von Ribbentrop dort nicht persona grata sei.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie, als Sie nach Ihrer Gefangennahme verhört wurden, nicht erklärt, daß Sie zu Hitler gesagt hätten, er würde Schwierigkeiten mit England bekommen, wenn er Ribbentrop nicht bald los würde? Ist das im wesentlichen das, was Sie zu Hitler sagten?


[94] MILCH: Ich kann mich auf diesen Wortlaut so nicht mehr heute besinnen.


JUSTICE JACKSON: Aber war das nicht der Sinn Ihrer Ausführungen?


MILCH: Es war meine Auffassung, daß nach England ein anderer Mann gehörte, um den Wunsch, den Hitler immer wieder ausdrückte, mit England zusammenzugehen in seiner Politik, um diesen zu verwirklichen.


JUSTICE JACKSON: Bevor Sie mit Hitler darüber sprachen, haben Sie diese Dinge mit Göring besprochen, nicht wahr?


MILCH: Mit wem?


JUSTICE JACKSON: Göring.


MILCH: Über die Reise? Oder worüber?


JUSTICE JACKSON: Über Ribbentrop.


MILCH: Nein, ich habe diese Frage mit dem Reichsmarschall nicht besprochen.

JUSTICE JACKSON: Eines Tages sind dann deutsche Ingenieure nach Rußland gesandt worden, um Flugzeugbauten, Fabriken, Anlagen und dergleichen zu inspizieren, nicht wahr?


MILCH: Jawohl, das stimmt.


JUSTICE JACKSON: Es handelte sich um eine Gruppe von Ingenieuren, und Sie hatten etwas mit ihrer Entsendung dorthin zu tun, nicht wahr?


MILCH: Nein, ich hatte mit ihr nichts zu tun. Mir unterstand zu diesem Zeitpunkt die Technik nicht.


JUSTICE JACKSON: Unter wessen Befehl standen sie?


MILCH: Unter dem Generaloberst Udet und dieser wieder unter dem Reichsmarschall.


JUSTICE JACKSON: Und nach ihrer Rückkehr erfuhren Sie, daß sie berichtet hatten, daß Rußlands Produktionskapazität für Flugzeuge größer sei als die von sämtlichen sechs deutschen Fabriken. Stimmt das?


MILCH: Jawohl, das stimmt.


JUSTICE JACKSON: Was hielt Göring von dieser Information und was tat er, um sie an den Führer selbst gelangen zu lassen?

MILCH: Göring hat diese Nachrichten nicht geglaubt damals. Ich weiß dies aus den Worten von Generaloberst Udet.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie nicht tatsächlich in Ihrem früheren Verhör erklärt, daß Göring diese Fachleute Defaitisten nannte und ihnen verbat, diese Informationen irgend jemandem [95] gegenüber mitzuteilen. Er drohte ihnen mit dem Konzentrationslager, falls sie diese Nachricht weitergeben. Haben Sie das ausgesagt oder nicht?


MILCH: In der Form habe ich das nie gesagt.


JUSTICE JACKSON: Brauchen Sie Ihre eigenen Worte und erzählen Sie uns, was Göring in dieser Angelegenheit gesagt hat.


MILCH: Zu einem erheblich späteren Zeitpunkt, als es sich um die amerikanischen Rüstungszahlen handelte, hat mir der Reichsmarschall gesagt: »Jetzt werden Sie auch noch ein Defaitist und glauben diese großen Zahlen.« Ich habe ihm dann gesagt, daß ich allerdings an diese Zahlen glaubte. Das hatte aber damals mit der russischen Sache nichts zu tun.


JUSTICE JACKSON: Sind diese russischen Zahlen jemals Hitler oder dem Reichstag vorgelegt oder irgendwie dem deutschen Volk bekanntgegeben worden?

MILCH: Die russischen Zahlen, das vermag ich nicht zu sagen. Ich hatte mit der Frage nichts zu tun. Die amerikanischen Zahlen sind Hitler bestimmt vorgelegt worden, aber Hitler hat sie nicht geglaubt.


JUSTICE JACKSON: Am Freitag – glaube ich – sagten Sie aus, Sie wußten, daß der Krieg mit Rußland mit der Zerstörung Deutschlands enden würde. Ich erinnere Sie daran. Ist das richtig oder nicht?


MILCH: Nicht mit der Zerstörung, mit der Niederlage, Vernichtung oder Niederlage, glaube ich, habe ich gesagt.


JUSTICE JACKSON: Sie gingen zum Reichsmarschall Göring, um gegen den Eintritt in einen Rußlandkrieg zu protestieren, stimmt das?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Stimmte Göring mit Ihnen überein, daß es mit einer Niederlage Deutschlands enden würde?


MILCH: Nein, das hat er nicht bejaht. Er mußte ja mit Rücksicht auf sein Verhältnis zu Hitler sich sehr vorsichtig äußern. Ich habe ihm die Gründe gesagt für die Schwierigkeiten Deutschlands, und er hat dazu genickt; und ich hatte den Eindruck aus seinen Worten, daß er dieselben Argumente bereits auch bei Hitler vergeblich vorgetragen hätte.


JUSTICE JACKSON: Mit anderen Worten: er stimmte mit Ihnen überein, daß das Ende eine deutsche Niederlage sein werde, aber er wollte nicht, daß man es Hitler sage, ist das richtig?


MILCH: Nein, ich kann das nicht so weitgehend sagen. Es war mein Schluß, wenn ich sagte, das sei für Deutschland die Niederlage. Er hat mir nur zugestimmt, daß dieser Krieg auf alle Fälle [96] vermieden werden müßte, und daß er ein Unglück für Deutschland sein würde; in dieser Form, das Wort Niederlage hat er dabei nicht gebraucht.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie es erwähnt?


MILCH: Ich habe erwähnt, daß es die Niederlage Deutschlands sein würde, einen Zweifrontenkrieg, noch dazu mit einem so starken Gegner, zu beginnen.


JUSTICE JACKSON: Und war er anderer Ansicht? Hat er Ihnen widersprochen?


MILCH: Nein, gestritten hat er nicht darüber, sondern er hat sich nur dagegen erklärt, noch irgendeinen weiteren Schritt zu unternehmen, weil er ihn für unmöglich hielt und dies bei Hitler nur den Eindruck erwecken könnte, daß wir bei der Luftwaffe Defaitisten wären; ohne daß dies irgend etwas ändern könnte.

JUSTICE JACKSON: Obwohl Sie glaubten, daß Deutschland geschlagen werden würde, wenn es gegen Rußland in den Krieg treten sollte, haben Sie nicht weiter versucht, jene Informationen an Hitler oder andere Offiziere des Oberkommandos weiterzuleiten?


MILCH: Das war für mich unmöglich. Ich konnte nicht gegen den Befehl meines Vorgesetzten darin handeln.


JUSTICE JACKSON: Des Reichsmarschalls?


MILCH: Des Reichsmarschalls, jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und soweit Ihnen bekannt ist, hat er nach der Unterredung mit Ihnen keine weiteren Schritte unternommen, um Hitler mitzuteilen, daß, Ihrer Meinung nach, der Krieg gegen Rußland in einer Katastrophe enden würde?


MILCH: Ich hatte den Eindruck, daß er das schon vorher mit Hitler besprochen hatte, daß er aber dabei nicht dazu gekommen war, sich irgendwie durchzusetzen, weil das eben Hitler gegenüber nicht möglich war.


JUSTICE JACKSON: Aber Sie waren doch in Hitlers Auftrage im Ausland gewesen, hatten ihm Bericht erstattet, und offenbar hatte er doch Vertrauen zu Ihnen. Ich frage Sie, ob Hermann Göring jemals Hitler gesagt hat, daß Sie nach Ihren Informationen den Eindruck hätten, es sei ein Unglück, in diesen Krieg einzutreten.


MILCH: Meine Reisen waren nicht auf Befehl von Hitler geschehen, sondern sie waren auf Einladung der fremden Regierungen an die deutsche Luftwaffe vom Reichsmarschall befohlen worden. Ich habe nur mit Rücksicht auf die Wichtigkeit dieser Reisen und auf die dabei doch gefallenen politischen Worte, trotz meiner Ablehnung an Ort und Stelle, daß ich damit als Soldat nichts [97] zu tun hätte, mich verpflichtet gefühlt, auch Hitler persönlich meine Eindrücke zu übermitteln.


JUSTICE JACKSON: Hat Ihnen Göring diesen Auftrag gegeben?


MILCH: Zu Hitler zu gehen? Jawohl. Ich glaube, das war von Göring Hitler mitgeteilt worden, und Hitler hat mich zu sich befohlen. Ich habe nicht von mir aus gesagt, ich ginge jetzt zu Hitler hin, sondern ich hatte einen Befehl dazu von ihm selbst.


JUSTICE JACKSON: Und hat er Sie nicht zu Hitler geschickt, erst als er wußte, was Sie berichten würden?


MILCH: Nein, er selbst hat...

JUSTICE JACKSON: Er wußte also?


MILCH: Er selbst hatte keine Kenntnis genommen. Er hatte keine Zeit, mich zu empfangen.


JUSTICE JACKSON: Göring hatte keine Zeit, Sie zu empfangen?


MILCH: Nein, Göring hatte damals sehr viel andere Sachen zu tun und wollte von diesen Dingen nichts wissen.


JUSTICE JACKSON: Er überließ das also Hitler, der, wie ich verstehe, nicht so beschäftigt war. Ist das richtig?


MILCH: Hitler hatte dafür das Interesse.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, Sie haben uns bei den Verhören erzählt, daß Göring nicht sehr fleißig war. Stimmt das?


MILCH: Ich möchte mich zu dieser Frage nur sehr ungern äußern.


JUSTICE JACKSON: Gut, dann ziehe ich diese Frage zurück. Sie war, wie gesagt, nicht angenehm.

Haben Sie, als Sie hörten, daß Deutschland einen Krieg begann, den Sie als eingeweihter Offizier für eine Katastrophe hielten, um Ihre Entlassung gebeten?

MILCH: Entlassung, wovon?


JUSTICE JACKSON: Um Ihren Abschied als Offizier, oder unternahmen Sie andere Protestschritte?


MILCH: Nein, das war vollkommen unmöglich und durch Befehl geregelt, daß das nicht sein dürfte.


JUSTICE JACKSON: Und wer gab jenen Befehl?


MILCH: Hitler selbst.


JUSTICE JACKSON: Sie sprechen aus eigener Erfahrung?


MILCH: Nicht nur für meinen persönlichen Fall, sondern generell hat er den Befehl gegeben.


[98] JUSTICE JACKSON: Sie sagten am Freitag, Sie hätten Ihre Erfahrungen gemacht, daß man nicht abtreten konnte?


MILCH: Man konnte sich nicht zurückziehen, nein.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie es irgendwann versucht?


MILCH: Ich habe um meinen Abschied mehrfach gebeten im Frieden. Er ist aber nicht bewilligt worden mit der Begründung, daß ich nicht das Recht hätte, meinen Abschied zu fordern, sondern, daß mir von oben herab gesagt würde, wenn ich zu gehen hätte. Im Kriege habe ich meinen Abschied nicht erbeten, weil ich als Soldat ja im Kriege keinen Abschied erbitten kann.


JUSTICE JACKSON: Hatten Sie nicht einmal mit Göring eine Aussprache über Ihren Rücktritt, bei der er Ihnen nicht nur verbot, abzudanken, sondern auch sagte, daß es zwecklos sein würde, Gesundheitsgründe vorzuschieben?


MILCH: Jawohl, aber es gab keine Möglichkeit auf diesem Wege, sich irgendwie zu entschuldigen, wenn man nicht wirklich krank gewesen wäre. Früher war es üblich, daß man, wenn man aus höherer Stellung zurücktrat, Gesundheitsgründe angab. Das war nicht mehr möglich.


JUSTICE JACKSON: Bei dieser Besprechung hat er Ihnen aber einen Ausweg vorgeschlagen, nicht?


MILCH: Nein, er hat mir keinen vorgeschlagen, sondern ich selber habe ihm einen vorgeschlagen.


JUSTICE JACKSON: Was haben Sie ihm vorgeschlagen? Was für eine Unterhaltung hatten Sie über Selbstmord? Sagte Ihnen Göring, daß es nur einen Ausweg gebe, und zwar Selbstmord zu verüben?


MILCH: Das wäre wohl die einzige Möglichkeit gewesen, wegzukommen.

JUSTICE JACKSON: Sagte Ihnen Göring das?


MILCH: Nein, das habe ich gesagt, er nicht.


JUSTICE JACKSON: Ich nehme an, er war der gleichen Meinung.


MILCH: Nein, darauf legte er keinen Wert, daß ich das tat.


JUSTICE JACKSON: Sie haben Vorschriften bei sich, die zur Information jedes Soldaten über Völkerrecht und Vorschriften gedruckt worden sind? Haben Sie sie heute Morgen bei sich?


MILCH: Ich habe sie bei mir, sie sind in meinem Soldbuch, wie bei jedem Soldaten.


JUSTICE JACKSON: Darüber haben Sie uns nur wenig gesagt. Ich möchte aber, daß Sie uns den Text dieser Vorschriften und [99] Anordnungen genau mitteilen, der, wie Sie sagen, Ihrer Ansicht nach auf das Völkerrecht Bezug hat.


MILCH: Ich soll jetzt verlesen, nicht wahr? Das Zitat...


JUSTICE JACKSON: Nicht zu schnell.


MILCH: Nein.

»10 Gebote für die Kriegsführung des deutschen Soldaten:

1. Der deutsche Soldat kämpft ritterlich für den Sieg seines Volkes. Grausamkeiten und nutzlose Zerstörungen sind seiner unwürdig.

2. Der Kämpfer muß uniformiert oder mit einem besonders eingeführten, weithin sichtbaren Abzeichen versehen sein. Kämpfen in Zivilkleidung ohne ein solches Abzeichen ist verboten.

3. Es darf kein Gegner getötet werden, der sich ergibt. Auch nicht der Freischärler oder der Spion. Diese erhalten ihre gerechte Strafe durch die Gerichte.

4. Kriegsgefangene dürfen nicht mißhandelt oder beleidigt werden. Waffen, Pläne und Aufzeichnungen sind abzunehmen. Von ihrer Habe darf sonst nichts weggenommen werden.

5. Dum-Dum-Geschosse sind verboten. Geschosse dürfen auch nicht in solche umgestaltet werden.

6. Das Rote Kreuz ist unverletzlich. Verwundete Gegner sind menschlich zu behandeln. Sanitätspersonal und Feldgeistliche dürfen in ihrer ärztlichen beziehungsweise seelsorgerischen Tätigkeit nicht gehindert werden.

7. Die Zivilbevölkerung ist unverletzlich. Der Soldat darf nicht plündern oder mutwillig zerstören. Geschichtliche Denkmäler und Gebäude, die dem Gottesdienst, der Kunst, Wissenschaft oder der Wohltätigkeit dienen, sind besonders zu achten. Natural- und Dienstleistungen von der Bevölkerung dürfen nur auf Befehl von Vorgesetzten gegen Entschädigung beansprucht werden.

8. Neutrales Gebiet darf weder durch Betreten oder Überfliegen noch durch Beschießung in die Kriegshandlungen einbezogen werden.

9. Gerät ein deutscher Soldat in Gefangenschaft, so muß er auf Befragen seinen Namen und Dienstgrad angeben. Unter keinen Umständen darf er über Zugehörigkeit zu seinem Truppenteil und über militärische, politische und wirtschaftliche Verhältnisse auf der deutschen Seite aussagen. Weder durch Versprechungen noch durch Drohungen darf er sich dazu verleiten lassen.

[100] 10. Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Befehle in Dienstsachen sind strafbar. Verstöße des Feindes gegen die unter 1 bis 8 angeführten Grundsätze sind zu melden. Vergeltungsmaßregeln sind nur auf Befehl der höheren Truppenführung zulässig.«


JUSTICE JACKSON: Das ist also, wie Sie meinen, das mit dem Völkerrecht im Einklang stehende Militärgesetz, das für das Verhalten der Truppen im Felde veröffentlicht wurde?

MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und Sie verstanden darunter, und es war in der deutschen Armee die allgemeine Ansicht, daß das Völkerrecht war, nicht wahr?


MILCH: Jeder Soldat mußte wissen, daß dies die deutschen Vorschriften waren, weil sie auf der ersten Seite seines Soldbuches eingeheftet waren, das jeder Soldat besaß und bei sich tragen mußte. Der einfache Soldat wußte natürlich nicht, daß dies Völkerrecht darstellte.


JUSTICE JACKSON: Die höheren Befehlshaber aber, wie Sie zum Beispiel, wußten das.


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Das war also Ihre Auffassung und Auslegung Ihrer Aufgaben und Pflichten als Ehrenmann im Kampf?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Nun, haben Sie sich an Görings Kunstsammlungen in Frankreich und anderen besetzten Gebieten beteiligt?


MILCH: Nein.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie an der Verschleppung der Zivilbevölkerung für Zwangsarbeit teilgenommen?


MILCH: Nein.


JUSTICE JACKSON: Sie wußten, daß es geschehen ist, nicht wahr?


MILCH: Ich habe nicht gewußt, daß die Arbeiter, die aus dem Auslande kamen, verschleppt wurden, sondern uns wurde gesagt, daß sie auf Grund freiwilliger Meldungen kamen, beziehungsweise von Frankreich wußte ich, daß die Franzosen bis zu einem gewissen Zeitpunkt von selbst kamen, und daß dann, als sie nicht mehr freiwillig kommen wollten, die Französische Regierung entsprechende Weisungen von sich aus erteilt hat.


JUSTICE JACKSON: Abgesehen davon wußten Sie also nichts von unfreiwilliger Arbeit oder Zwangsarbeit in Deutschland. Ist das Ihre Aussage?


[101] MILCH: Nein. Ich habe nur gewußt, daß...


JUSTICE JACKSON: Erzählen Sie uns, was Sie darüber wußten, und was Sie dabei getan haben.


MILCH: Ich wußte, daß diese Leute angeworben wurden, damals, daß sie also freiwillig kamen; ich wußte, daß viele sehr zufrieden waren, daß aber mit der Zeit, als die deutsche militärische Lage schlechter wurde, auch innerhalb dieser fremdländischen Arbeiter, wenn auch nur, soweit es mir zu Ohren kam, in kleinerem Umfange, eine schlechte Stimmung aufkam. Ich möchte noch sagen, im allgemeinen führten wir das darauf zurück, daß die Verpflegung für die Leute nicht so war, wie sie sie gerne haben wollten und deshalb bemühten sich auch die verschiedensten Stellen, an der Spitze das Ministerium Speer, dafür, die Lebensbedingungen dieser Menschen zu verbessern und zu erleichtern.


JUSTICE JACKSON: Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Wußten Sie, daß Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten deportiert und gezwungen wurden, in der deutschen Industrie zu arbeiten? Wußten Sie das? Antworten Sie mir mit »Ja« oder »Nein«.


MILCH: Ich wußte nur, daß die Franzosen durch ihre Französische Regierung zum Schluß gezwungen wurden, zu kommen.


JUSTICE JACKSON: Wußten Sie, daß Kriegsgefangene zur Arbeit in der Luftfahrtindustrie gezwungen wurden, und daß sie tatsächlich gezwungen wurden, Geschütze zu bemannen? Wußten Sie das?


MILCH: Ich habe davon gehört.


JUSTICE JACKSON: Und Sie hörten das von Ihren Offizierskameraden, nicht wahr?


MILCH: Von wem ich es gehört habe, weiß ich im Moment nicht. Es gab eine Einrichtung, ich glaube, die sich »Hilfswillige« nannte. Das waren Anwerbungen, soviel ich weiß, freiwilliger Art unter diesen Kriegsgefangenen.

JUSTICE JACKSON: Und wußten Sie, auch wenn Sie nicht daran beteiligt waren, von dem Plan, Kunstgegenstände in den besetzten Gebieten zu sammeln?


MILCH: Nein, von diesem Plan, wie er gewesen ist, habe ich nichts gewußt. Hier in Nürnberg habe ich erst davon erfahren durch einige Zeugen.


JUSTICE JACKSON: Ich möchte Ihnen jetzt ein paar Fragen über bestimmte Beweisstücke vorlegen. Es handelt sich um 343-PS, US-463. Ich werde Ihnen dieses Beweisstück vorlegen lassen.


[Die Urkunde wird dem Zeugen überreicht.]


[102] MILCH: Die Briefe sind von mir unterschrieben und sind auch auf meinem Briefpapier geschrieben worden. Aufgestellt worden müssen sie sein von der Sanitätsinspektion. Ich habe an den Inhalt selbst keine rechte Erinnerung mehr, wie ich neulich schon ausführte. Ich möchte nur sagen, daß die Antworten darauf abgestellt sind, in keinerlei Schwierigkeiten von unserer Seite, der Luftwaffe, mit Herrn Himmler zu kommen. Zum Beispiel habe ich die Ausführungen von Dr. Rascher und Dr. Romberg niemals gelesen, die sind von der Sanitätsinspektion gelesen worden. Ich war in der Beziehung Briefträger gewissermaßen von dem Schriftverkehr der SS zu unserer Sanitätsinspektion.

JUSTICE JACKSON: Während Ihres Verhörs sagten Sie aus, daß Sie sich dieser Briefe nicht mehr erinnern könnten, aber am Freitag sagten Sie, daß Sie an einem dieser Briefe Änderungen vornahmen, bevor er abgeschickt wurde. Wollen Sie uns sagen, was für Änderungen das waren?


MILCH: Ja; ich habe diese Briefe zum Teil vorgelegt bekommen bei meiner Vernehmung hier und dadurch habe ich überhaupt erst wieder eine Erinnerung bekommen. Die Abänderungen, die ich gemacht habe, waren nur Abänderungen in der Frage der Höflichkeit mit Rücksicht auf die große Empfindlichkeit von Herrn Himmler. Ich glaube nicht, daß das einer dieser beiden Briefe ist, wo die Abänderung war; das, glaube ich, war ein anderer Brief.


JUSTICE JACKSON: Es war also der andere Brief, an welchem die Änderung vorgenommen wurde, Nummer 1607?


MILCH: Ich glaube, ja.


JUSTICE JACKSON: Nun, in Ihrer Untersuchung, in Ihrem Verhör gaben Sie uns einen Grund an, warum diese Briefe statt den Bürochefs Ihnen zur Unterschrift vorgelegt wurden. Erinnern Sie sich, was der Grund dafür war?

MILCH: Jawohl, ich habe den Eindruck gehabt, daß der Sanitätsinspekteur seine Absage nicht an Himmler schreiben wollte, weil er sich fürchtete, während Himmler an mich geschrieben hat, weil er überhaupt im allgemeinen nur an den Reichsmarschall oder an mich schrieb, schon weil er die Organisation der Luftwaffe auf diesem Gebiet nicht kannte, denn der Sanitätsinspekteur unterstand mir nicht.


JUSTICE JACKSON: Ich entnehme Ihrem Verhör, daß Sie als Begründung, daß diese Briefe Ihnen zur Unterschrift vorgelegt wurden, angaben, daß Ihr Büro vor Himmler Angst hatte und nicht die Verantwortung übernehmen wollte, ihm einen Brief zu schreiben. Ist das richtig?


[103] MILCH: Nicht mein Büro, aber ich glaube, die Sanitätsinspektion wollte sich nicht gerne gegenüber Himmler in eine schlechte Lage bringen.


JUSTICE JACKSON: Und ich glaube, Sie sagten auch, daß die Beamten dieser Abteilung Angst vor der SS hatten.


MILCH: Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen.


JUSTICE JACKSON: Waren Sie an irgendeinem illegalen Unternehmen oder irgendeiner Tätigkeit gegen die Regierung beteiligt?

MILCH: Ich habe nicht verstanden.


JUSTICE JACKSON: Waren diese Leute, die Angst hatten...


MILCH: Wer? Die Sanitätsinspektion? Nein.


JUSTICE JACKSON: Es waren verantwortliche Beamte, die, soweit Sie wissen, ihre Pflicht taten. Ist das richtig?


MILCH: Ja, Herr Oberrichter, da muß man sich in die Verhältnisse, wie sie bei uns sich im Kriege entwickelt hatten, hineindenken.


JUSTICE JACKSON: Das ist genau das, woran zu denken und worüber zu sprechen ich Sie bitten möchte. Warum hatten diese Leute, die in einem Regierungsbüro ihre Pflicht taten, vor Himmler oder der SS Angst? Erklären Sie uns das!


MILCH: Vor der SS als solcher wohl nicht, aber vor der Geheimpolizei. Für keinen von uns war die Lage sehr leicht. Wir waren alle davon überzeugt, daß wir unter ständiger Beaufsichtigung standen, ganz egal, welchen Rang wir hatten. Es gab wohl auch keinen Menschen, über den nicht Akten dort geführt wurden, und es ist ja auch sehr vielen Leuten nachher auf Grund dieser Akten der Prozeß gemacht worden. Die Schwierigkeiten, die daraus entstanden sind, haben ja nicht nur diese Leute betroffen oder andere oder mich, sondern die sind ja hinaufgegangen bis zum Reichsmarschall, der auch davon betroffen worden ist.


JUSTICE JACKSON: Sie glauben also, daß alle, vom Reichsmarschall bis hinunter zum einfachsten Bürger, Furcht vor Himmler und seiner Organisation hatten?


MILCH: Die Größe der Angst dürfte verschieden gewesen sein. Sie war vielleicht in den höchsten und in den untersten Stellen am geringsten. Aber in den Mittelstellen war die Sache schon sehr viel schwieriger, denn es war ganz klar, daß die mittleren Stellen über alles das, was geschah, ihre Kritik fällten, und daß diese Kritiken von oben nicht geduldet wurden.


JUSTICE JACKSON: Ich entnehme Ihrer Aussage, daß dei Begriff Gestapo in Deutschland ziemlich gut verstanden worden ist.


[104] MILCH: In den letzten Kriegsjahren ganz besonders, ja. Wie weit das berechtigt war, vermag ich nicht zu sagen. Aber im allgemeinen war dieses Gefühl vorhanden.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, Sie sagten auch aus, daß gewisse hohe militärische Funktionäre ihren Abschied nahmen. Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Aussage während Ihres Verhörs durch uns über von Fritsch und Beck. Sie nahmen ihren Abschied, nicht wahr?


MILCH: Nein, die haben nicht abgedankt, sondern sie wurden abgedankt.


JUSTICE JACKSON: Sie wurden hinausgeworfen, war es so?


MILCH: Jawohl. Ihnen wurde gesagt, daß sie nicht mehr benötigt würden.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, daß Sie in Ihrem Verhör aussagten, daß selbst die Generale sich nicht getrauten, ihre Ansichten zu äußern, nachdem diese beiden gegangen waren.


MILCH: Nein, das habe ich so nie gesagt. Ich kann mich nicht daran entsinnen. Ich wäre dankbar, wenn mir das Protokoll gezeigt werden könnte.


JUSTICE JACKSON: Ich habe es hier. Ich möchte wissen, ob die folgenden Fragen an Sie gestellt wurden, und ob Sie die folgenden Antworten gegeben haben:

»Frage: Konnten Sie sich auf Grund Ihrer Kenntnis von Diskussionen in Kreisen der Wehrmacht, bei der Luftwaffe und den Leuten des Generalstabs, die Sie kannten, eine Meinung bilden über ihre Haltung zum Kriegsbeginn? Glauben Sie, daß sie Ihre Ansichten teilten?«

Das Protokoll zeigt, daß Sie antworteten:

»Alle Offiziere waren einstimmig meiner Ansicht. Alle höheren Offiziere stimmten mit mir überein. Vor langer Zeit, im Jahre 1937, habe ich mit Feldmarschall von Blomberg ein Gespräch über die Gefahr eines Krieges wegen der unvorsichtigen Politik unserer Politiker gehabt. Damals befürchteten wir, daß England und Frankreich diese Politik nicht dulden würden, wenigstens nicht auf lange Zeit hinaus. Am 1. November 1937 hatte ich eine lange Unterredung mit von Blomberg über diese Angelegenheit, und er war der gleichen Meinung.«

MILCH: Jawohl, ich erinnere mich.

JUSTICE JACKSON: Also, das ist wahr? Dann wurde Ihnen folgende Frage vorgelegt:

»Ist es wahr, daß nach der Verabschiedung der Generale Fritsch und Beck die Stellungen in der Armee politischen Persönlichkeiten unterstellt waren?«

[105] MILCH: Nein. Unterstellt gewesen sind sie immer. Die Armee hat immer dem Führer oder früher dem Reichspräsidenten unterstanden. Darin hat sich nichts geändert. Der Staatschef war gleichzeitig Oberbefehlshaber.

JUSTICE JACKSON: Als Sie verhört wurden, antworteten Sie folgendermaßen:

»Jawohl, Hitler persönlich übernahm den Oberbe fehl über das Heer, die Marine und die Luftwaffe. Das war die Stellung, die vorher von Blomberg innehatte. Blomberg war in der Lage, sich Hitler zu widersetzen, was er auch oft getan hatte. Hitler respektierte ihn und ließ sich von ihm beraten. Von Blomberg war der einzige ältere Soldat, der geschickt genug war, militärische und politische Fragen in Einklang zu bringen. Dieser Widerstand...«

MILCH: Jawohl, das war meine Überzeugung.

JUSTICE JACKSON: [fortfahrend] »Dieser Widerstand konnte von den Leuten, die Hitler später umgaben, nicht aufrechterhalten werden. Sie waren hierzu zu schwach. Aus diesem Grunde hatte er sie wahrscheinlich gewählt.«

Ist das wahr?


MILCH: Das ist meine Auffassung.


JUSTICE JACKSON:

»Frage: Hatten die Generale, mit denen Sie sich zusammentaten, nicht schon vor dem Jahre 1939 das Gefühl, daß der von Hitler eingeschlagene Weg wahrscheinlich zum Kriege führen würde?

Antwort: Diejenigen, die außenpolitisch denken konnten, ja, aber sie mußten dabei sehr vorsichtig sein, weil sie keine Meinung äußern konnten. Sie wagten nicht, ihre Meinung zu äußern.«

Stimmt das?

MILCH: Stimmt.

JUSTICE JACKSON: Und wovor fürchteten sich die Befehlshaber der Armee so, daß sie keine Meinung zu äußern wagten?


MILCH: Sie kamen gar nicht dazu, Hitler etwas vorzutragen.


JUSTICE JACKSON: Wer würde Abhilfe geschaffen haben? Es gab viele Generale und nur einen Hitler. Wer hätte Befehle gegen sie durchführen können?


MILCH: Es war eben nicht möglich. Hitler war so stark, daß er eben die Gegenargumente der andern ablehnte oder sie gar nicht zu Gehör nahm.


[106] JUSTICE JACKSON: Und Hitler hatte die SS und Himmler und Kaltenbrunner, nicht wahr?


MILCH: Das hatte er auch. Außerdem hatte er die gesamte Wehrmacht, die durch Treueid auf ihn verpflichtet war.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, Sie sagten in einem Verhör, daß nach dem 5. März 1943 Hitler nicht mehr normal war. Haben Sie das gesagt?


MILCH: Ich habe gesagt, daß nach meiner Auffassung der Hitler in der letzten Zeit nicht mehr der Hitler der ersten Zeit gewesen ist, von 1933 bis in den Krieg hinein, sondern daß nach dem Frankreichfeldzug in irgendeiner Form eine Veränderung bei ihm vorgegangen sein würde. Das wäre meine rein persönliche, private Auffassung. Denn was nachher von ihm gemacht worden ist, widersprach dem, was er selbst früher gelehrt hatte, um 180 Grad, und das konnte ich nicht mehr als normal ansehen.


JUSTICE JACKSON: Und Sie wollen uns glauben machen, daß Göring von da an als der zweite Mann im Reiche die Befehle von einem abnormalen Mann entgegennahm? Ist das Ihre Geschichte?


MILCH: Die Abnormalität war nicht so zu erkennen, daß man sagen konnte, der Mann ist nicht mehr geistesanwesend, der Mann ist geistesgestört. Soweit braucht das ja nicht zu gehen, sondern Abnormalitäten können sich ja für die Masse und auch für den Nächsten oft unsichtbar zeigen. Ich glaube, daß darüber ein Arzt eher Auskunft geben kann, wie ich. Ich habe mich jedenfalls mit solchen Herren darüber damals unterhalten.


JUSTICE JACKSON: Und waren sie der Ansicht, daß er abnorm sei?


MILCH: Daß die Möglichkeit für Abnormalität vorläge, wurde mir von einem Arzte, der mit mir in einem näheren Verhältnis steht, zugegeben.

JUSTICE JACKSON: Von einem Arzt von Ruf in Deutschland?


MILCH: Nein, er ist nicht sehr bekannt; er hat es nicht irgendwie woanders hin geäußert, denn das war nicht ratsam.


JUSTICE JACKSON: Wenn er etwas gesagt hätte, würde man ihn, wie ich annehme, in ein Konzentrationslager geschafft haben?


MILCH: Oder mehr.


JUSTICE JACKSON: Und wenn Sie geäußert hätten, daß Hitler abnormal sei, so wären Sie auch dorthin gekommen, nicht wahr?


MILCH: Sofort erschossen worden.


JUSTICE JACKSON: So haben Sie also niemals gewagt, Ihrem Vorgesetzten, Göring, Ihre Meinung über Hitler zu sagen?


[107] MILCH: Ich habe nur einmal Gelegenheit gehabt, Hitler meine Auffassung im Kriege zu sagen, nachher nicht mehr.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie Ihre Ansicht Göring mitgeteilt?


MILCH: Ich habe Göring gesprochen; und ich habe vor allen Dingen... das, was ich soeben erwähnte, war eine Unterredung, die ich mit Hitler hatte.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden. Sie meinen doch nicht, Sie hätten Hitler gesagt, daß Sie ihn für abnormal hielten? Ich bin überzeugt, Sie meinten nicht das.


MILCH: Nein, das habe ich auch Göring nicht gesagt.


JUSTICE JACKSON: Das meinte ich.

Sie wußten, daß Ihr unmittelbarer Vorgesetzter, Göring, die antijüdischen Verordnungen der Reichsregierung herausgab, nicht wahr?


MILCH: Nein, das weiß ich nicht. Soviel ich weiß, sind sie von einer anderen Stelle herausgegeben worden, von...


JUSTICE JACKSON: Wußten Sie nicht, daß die Verordnungen, die Juden und Halbjuden von ihren Stellungen ausschlossen, von Göring erlassen wurden?


MILCH: Nein, das weiß ich nicht, sondern soviel ich weiß, sind die Bestimmungen vom Innenministerium, das ja auch zuständig gewesen wäre, herausgegeben worden.


JUSTICE JACKSON: Mußten Sie nicht selbst gewisse Schritte unternehmen, um die Wirkungen dieser Verordnungen zu umgehen?


MILCH: Nein. Ich weiß, was Sie meinen. Das war eine Frage, die lange vorher geklärt worden war.


JUSTICE JACKSON: Wie lange vorher wurde sie geklärt?


MILCH: Soviel ich weiß, im Jahre 1933.


JUSTICE JACKSON: 1933, gerade nach der Machtübernahme der Nazis?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Göring machte Sie damals, wir wollen darüber kein Mißverständnis aufkommen lassen, zu dem, was sie Vollarier nennen. Ist das richtig?


MILCH: Das glaube ich nicht, daß ich durch ihn dazu gemacht wurde, sondern daß ich es war.


JUSTICE JACKSON: Gut, sagen wir, er hat es bescheiniger lassen.


MILCH: Er hat mir absolut bei dieser Frage, die unklar war geholfen.


[108] JUSTICE JACKSON: Das heißt, der Mann Ihrer Mutter war Jude, ist das richtig?


MILCH: Das ist nicht gesagt.


JUSTICE JACKSON: Sie mußten beweisen, daß keiner Ihrer Vorfahren Jude war, nicht wahr?


MILCH: Jawohl, das mußte jeder.


JUSTICE JACKSON: Und in Ihrem Fall betraf es Ihren Vater, Ihren angeblichen Vater. Ist das richtig?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Sie kannten sicherlich von Anfang an die Haltung der Nazi-Partei den Juden gegenüber, nicht wahr?


MILCH: Nein, das wurde nicht mitgeteilt, sondern es mußte jeder seine Papiere einreichen, und von einem Großelternteil war ein Papier nicht zu finden.


JUSTICE JACKSON: In der Weimarer Republik wurde das von Ihnen nicht verlangt?


MILCH: Nein, da gab es ja diese Fragen nicht.


JUSTICE JACKSON: Sie wußten, daß die ganze Frage von der Nazi-Partei aufgebracht wurde, deren Mitglied Sie im Jahre 1933 wurden, also zu einer Zeit, wo dies geschah; ist das richtig?


MILCH: Ich hatte meine Mitgliedschaft schon vorher angemeldet, ehe diese Frage aufkam.


JUSTICE JACKSON: Wann bewarben Sie sich um die Mitgliedschaft?


MILCH: Das kann ich nicht genau sagen, ich glaube im März oder April.


JUSTICE JACKSON: Und Sie mußten diese Sache klären, bevor Sie ein Mitglied werden konnten. War das nicht der Punkt, um den es ging?


MILCH: Ja, das wurde auch inzwischen geklärt. Ich kann das terminmäßig nicht mehr ganz genau sagen.


JUSTICE JACKSON: 1933 hörten Sie zum ersten Male von einem Konzentrationslager?


MILCH: Jawohl, ich glaube, das war im Jahre 1933, daß eine Veröffentlichung darüber gemacht wurde.


JUSTICE JACKSON: Und später, wenn ich Sie richtig verstehe, hörten Sie so viele Gerüchte über Konzentrationslager, daß Sie glaubten, diese Sache untersuchen und selbst hingehen und sehen zu müssen.


MILCH: Jawohl.


[109] JUSTICE JACKSON: Wann ungefähr wurden diese Gerüchte so nachhaltig, daß Sie glaubten, die Sache müßte untersucht werden?


MILCH: Das muß um die Jahreswende gewesen sein von 1934 auf 1935 und im Frühjahr 1935. Denn, wenn ich mich recht entsinne, bin ich im Frühjahr 1935 in Dachau gewesen.


JUSTICE JACKSON: Und diese Gerüchte hielten an, während der ganzen Zeit bis zum Zusammenbruch Deutschlands, nicht wahr?


MILCH: Diese Gerüchte von damals, die mich dazu führten, um einen Besuch in Dachau zu bitten, waren eigentlich in den Kreisen der höheren Offiziere, von denen ich sie hörte; mit anderen Kreisen hatte ich damals auch wenig Fühlung; wieweit sie allgemein besprochen wurden, vermag ich nicht zu sagen.


JUSTICE JACKSON: Gut, unter den höheren Offizieren, mit denen Sie verkehrten, ging bereits 1935 das Gerücht um, daß diese Konzentrationslager Stätten von Greueltaten waren. Sie wollten das sagen, nicht wahr?


MILCH: Nein, in dem Sinne nicht, sondern daß da...


JUSTICE JACKSON: Gut, dann sagen Sie, was Sie prüfen wollten.


MILCH: Eine Prüfung konnte ich gar nicht durchführen, sondern nur einen eigenen Augenschein gewinnen, um die vielen Redereien, es würden dort Leute eingesperrt, die dort gar nicht hingehörten, die unschuldig wären, die nur aus politischen Gründen hinkämen und so weiter, um das zu zerstreuen. Vor allen Dingen wurde auch damals besonders erwähnt, daß sehr viele Mitglieder der sogenannten Reaktion dort hinkämen, und das hatte bei einigen Offizieren Sorgen hervorgerufen, und da habe ich damals gesagt, ich will es mir einmal ansehen, um zu versuchen, einen eigenen Eindruck zu gewinnen.


JUSTICE JACKSON: Sie brauchten, um das festzustellen, nicht nach Dachau zu gehen, nicht wahr? Sie hätten Göring fragen können. Wußten Sie das nicht?


MILCH: Wohin?


JUSTICE JACKSON: Haben Sie jemals Göring gefragt, wer dorthin geschickt wurde?


MILCH: Nein, ich habe mit Göring darüber nicht gesprochen.


JUSTICE JACKSON: Wußten Sie nicht, daß Göring öffentlich erklärt hat, politische Gegner des Regimes würden dorthin gesandt werden; dafür sind die Lager doch errichtet worden; wußten Sie das nicht?


MILCH: Das vermag ich nicht zu sagen, daß ich das jemals so gehört habe. Aber ich habe mir das so ungefähr gedacht gehabt damals und deshalb wollte ich es mir ja ansehen.


[110] JUSTICE JACKSON: Und Sie fanden dort ausschließlich Verbrecher?

MILCH: Was man mir gezeigt hat, waren alles Leute, die entweder Verbrechen oder Vergehen größeren Umfangs begangen hatten, und von der politischen Seite habe ich nur Leute gesehen, die am Röhm-Putsch teilgenommen hatten. Ob andere da waren, vermag ich nicht zu sagen, denn ich kann nicht beschwören, daß ich das ganze Lager gesehen hätte. Aber wir sahen alles, was wir sehen wollten. Wir haben öfters gesagt: Ich will das noch sehen oder das, und dann sind wir dorthin gegangen und hingeführt worden.


JUSTICE JACKSON: Von wem bekamen Sie die Erlaubnis, das Konzentrationslager zu besuchen?


MILCH: Von Himmler.


JUSTICE JACKSON: Wer hat Himmler gefragt, ob Sie gehen könnten?


MILCH: Ich verstehe nicht.


JUSTICE JACKSON: Hat Göring gewußt, daß Sie den Besuch unternehmen?


MILCH: Ich glaube, nein. Es war auch keine besondere Reise, sondern ich hatte unten in Süddeutschland in militärischer Eigenschaft etwas zu tun und habe einen Vormittag für diese Sache mir aufgespart.


JUSTICE JACKSON: Es waren Leute in dem Konzentrationslager, die mit dem Röhm-Putsch, wie Sie ihn nennen, zu tun hatten?


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Wieviele waren da, die damit etwas zu tun hatten?


MILCH: Das kann ich nicht mehr genau sagen. Alles in allem, was ich gesehen habe, würde ich heute schätzen auf 400 bis 500 Menschen.


JUSTICE JACKSON: 400 bis 500 Menschen, und wieviele wurden getötet?


MILCH: Ja, ich kann mich für diese Zahl aber nicht verbürgen, es können genau so gut 700 gewesen sein. Aber meine Schätzung liegt etwa in dieser Größe.


JUSTICE JACKSON: Wieviele Menschen wurden im Röhm-Putsch getötet?


MILCH: Ich kenne nur die Zahl, die Hitler im Reichstag veröffentlicht hat. Ich kann sie nicht mehr nennen, ich kann mich

[111] nicht mehr erinnern. Es waren zwischen 100 und 200, wenn ich mich recht entsinne.


JUSTICE JACKSON: Wieso waren Sie an den Konzentrationslagern so interessiert? Hatten Sie irgendeine offizielle Verantwortlichkeit für sie?

MILCH: Nein, ich hatte keinerlei Verantwortung. Aber, da soviel davon gesprochen wurde, habe ich damals noch versucht, mir selbst ein Bild zu machen, weil ich mir sagte, ich werde von vielen Leuten gefragt und kann keine Antwort darauf geben und will einmal selbst sehen, ob man sich dort ein Bild verschaffen kann.


JUSTICE JACKSON: Deutschland hatte gewöhnliche Gefängnisse für Verbrecher, nicht wahr?


MILCH: Selbstverständlich.


JUSTICE JACKSON: Und diese Gefängnisse hatten doch viele Jahre hindurch für die Verbrecher genügt, nicht wahr?


MILCH: Welche Gründe da vorgelegen haben, vermag ich nicht zu sagen.


JUSTICE JACKSON: Das Konzentrationslager war etwas Neues, das nach 1933 eingeführt wurde.


MILCH: Jawohl. Ich habe jedenfalls früher in Deutschland davon nicht gehört.


JUSTICE JACKSON: Sahen Sie Juden im Konzentrationslager, als Sie es besichtigten?


MILCH: Jawohl, eine Baracke, die von Juden belegt war. Aber sie hatten alle große Strafen wegen wirtschaftlicher Vergehen und Verbrechen, wie Urkundenfälschung und solchen Sachen. Es war keiner von denen, die wir befragten – wir gingen durch, und jeder antwortete, ungefragt sagte jeder seine Strafe und Gründe – und es war keiner dabei, der sagte, daß er aus politischen Gründen da sei. Die Politischen waren nur die SA-Leute.


JUSTICE JACKSON: Sie konnten keinen einzigen Gefangenen finden, der seine Unschuld beteuerte?


MILCH: Nein, es hat jeder seinen Fall gemeldet, mit dem wir gesprochen haben.


JUSTICE JACKSON: Wer hat Sie auf jener Reise begleitet?


MILCH: Soweit ich mich entsinne, war General Weber, der damals Chef des Generalstabs war, dabei. Ich glaube auch, daß Generaloberst Udet mit war. Es waren noch ein paar Herren mit. Wer, weiß ich im Moment nicht mehr zu sagen.


JUSTICE JACKSON: Und wer hat Ihnen das Konzentrationslager gezeigt? Wer hat Sie geführt?


[112] MILCH: Ich weiß nicht, wie der Herr hieß. Es war einer von den Beamten des SD. Ich nehme an, es war der Lagerkommandant selbst. Aber wie er geheißen hat, das weiß ich nicht.

JUSTICE JACKSON: Wer hat das Konzentrationslager verwaltet? Welche Organisation war damit beauftragt?


MILCH: Das vermag ich nicht zu sagen. Ich nehme aber an, irgendeine Himmlersche Stelle.


JUSTICE JACKSON: Sie sagten, daß der Einmarsch ins Rheinland für Sie eine große Überraschung war.


MILCH: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Wo waren Sie während Ihres Urlaubs, als dies geschah?


MILCH: Ich war in Bergen auf Winterurlaub, im Auslande.


JUSTICE JACKSON: In Norwegen?


MILCH: Nein, nein.


JUSTICE JACKSON: In welchem Lande?


MILCH: Es war in den Alpen. Ich glaube, es war Südtirol, also Italien damals.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie nichts von einer Sitzung gehört, die der Reichsverteidigungsrat am 26. Juni 1935 abhielt, also neun Monate vor der Besetzung des Rheinlandes? Das Protokoll dieser Sitzung liegt bereits als Beweisstück GB-160 dem Gerichtshof vor.


MILCH: Ob ich dabei war, vermag ich heute nicht mehr zu sagen. Ich kann mich daran nicht entsinnen.


JUSTICE JACKSON: Nach dem vorliegenden Beweismaterial waren 24 Angehörige der Wehrmacht und fünf Angehörige der Luftwaffe anwesend, ferner 24 Staats- und Parteifunktionäre. Waren Sie bei dieser Konferenz anwesend, bei der diese Diskussion stattfand?


MILCH: Darf ich nochmals um das Datum fragen?


JUSTICE JACKSON: Der 26. Juni 1935?


MILCH: Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß es nicht.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie von dieser Sitzung gehört?


MILCH: Im Moment kann ich mich wirklich nicht erinnern. Was soll bei dieser Sitzung gesagt worden sein?


JUSTICE JACKSON: Daß die Vorbereitungen für die Besetzung des Rheinlands geheim zu halten seien und daß der Plan gemacht wurde, in das Rheinland einzudringen?


[113] MILCH: Ich kann mich daran nicht erinnern. Ich glaube nicht, daß ich zugegen war.


JUSTICE JACKSON: Hoher Gerichtshof! Die übliche Zeit für die Unterbrechung der Sitzung ist gekommen. Ich beabsichtige, ein anderes Thema und mehrere Dokumente zu behandeln. Es mag der richtige Zeitpunkt sein, jetzt zu unterbrechen.


VORSITZENDER: Wir werden die Verhandlung jetzt unterbrechen.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 9, S. 71-115.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Frau Beate und ihr Sohn

Frau Beate und ihr Sohn

Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.

64 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon