Vormittagssitzung.

[7] DER VORSITZENDE, LORD JUSTICE SIR GEOFFREY LAWRENCE: Dr. Seidl!

DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN HESS UND FRANK: Herr Vorsitzender, meine Herren Richter! Ich habe am 9. April dieses Jahres den Antrag gestellt, in Abweichung der vom Gericht aufgestellten Regel zuerst die Dokumente und dann die Zeugen als Beweismittel vorbringen zu dürfen und am Schluß den Angeklagten als Zeugen verhören zu können. Ich weiß nun nicht, ob das Gericht bereits im Besitz der Dokumentenbücher ist. Ich für meine Person habe festgestellt, daß der Band 1 des Dokumentenbuches bereits am 8. April übersetzt war, der Band 2 und 3 am 11. April und der Band 4 und 5 wenige Tage später. Ich jedenfalls habe bis jetzt noch keine Dokumentenbücher in die Hand bekommen, und zwar deshalb, weil der dafür zuständigen Stelle bis jetzt nicht die Erlaubnis zum Zusammenbinden der Dokumentenbücher erteilt worden war.


VORSITZENDER: Ich dachte, ich habe Sie darüber befragt, nicht gestern, sondern vorgestern, und Sie sagten, Sie wären vollkommen vorbereitet, zu beginnen.


DR. SEIDL: Mir wurde gesagt, daß die Dokumentenbücher übersetzt seien, und ich habe es als selbstverständlich angenommen, daß die Dokumentenbücher auch geheftet sein würden. Ich habe nun gestern festgestellt, daß das nicht der Fall ist. Es liegt jedenfalls auf meiner Seite hier kein Verschulden vor.


VORSITZENDER: Ich habe nicht gesagt, daß Sie irgendwelche Schuld daran haben.


MR. THOMAS J. DODD, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: An sich hatten wir nicht sehr viel mit Dr. Seidl zu besprechen. Wir haben uns vorgestern abend, ungefähr um 6.00 Uhr oder etwas später, geeinigt. Dann wurde das Material – es sind 500 Seiten – zur Fertigstellung gegeben. Es ist nur noch nicht ganz fertig; es stimmt hingegen nicht, daß keine Erlaubnis zur Durchführung der Arbeit erteilt, wurde; die Leute waren vielmehr nicht imstande, die Arbeit zu vollenden, es wird also nur etwas länger dauern.


VORSITZENDER: Dr. Seidl, Sie können mit Ihren Zeugen beginnen. Sie haben den Angeklagten selbst zu verhören und mehrere andere Zeugen.

[7] DR. SEIDL: Jawohl.


VORSITZENDER: Bis dahin werden die Dokumente ohne Zweifel fertig sein. Heute abend machen wir um 16.30 Uhr Schluß, und wenn der Gerichtshof am Dienstag morgen wieder zusammentritt, werden zweifellos alle Dokumente zur Verfügung stehen. Der Gerichtshof hat Ihren Antrag geprüft, sieht jedoch keinen Grund, von der gewohnten Regel, den Angeklagten zuerst zu verhören, abzugehen, das heißt, wenn Sie den Angeklagten verhören wollen.


DR. SEIDL: Ja, ich habe schon die Absicht, den Angeklagten selbst als Zeugen zu vernehmen, habe aber im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens vorgeschlagen, zunächst die anderen Zeugen zu vernehmen, damit das Verhör des Angeklagten selbst so kurz wie möglich sein wird. Es wird möglich sein, daß er dann auf eine Reihe von Fragen mit Ja oder Nein antworten kann. Ich halte dieses Verfahren auch deshalb für zweckmäßig, weil ein sachdienliches Verhör dieses Angeklagten nur möglich ist, wenn ich zugleich die Dokumentenbücher in meinen Händen habe. Diese Notwendigkeit besteht bei den übrigen Zeugen nicht. Ich möchte daher das Gericht bitten, mir die Erlaubnis zu erteilen, daß ich zunächst die Zeugen vernehme, welche sich bereits hier im Zeugenzimmer befinden.

VORSITZENDER: Die Dokumente sind alle, oder beinahe alle in deutscher Sprache, wie ich annehme, und können dem Angeklagten während seines Verhörs vorgelegt werden. Das Gericht ist, wie schon gesagt, der Ansicht, daß die Vorladung des Angeklagten selbst der Beschleunigung des Prozesses dienen wird, und glaubt daher, auf der grundsätzlichen Regelung bestehen zu müssen.


DR. SEIDL: Ich rufe dann mit Erlaubnis des Gerichts den Angeklagten Dr. Hans Frank in den Zeugenstand.


[Der Angeklagte betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Wollen Sie Ihren vollen Namen angeben?

HANS FRANK: Hans Frank.


VORSITZENDER: Wollen Sie mir diesen Eid nachsprechen:

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, da ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wann und wo sind Sie geboren?

FRANK: Ich bin geboren am 23. Mai 1900 in Karlsruhe in Baden.


DR. SEIDL: Geben Sie kurz den Gang Ihrer Bildung dem Gericht an.


[8] FRANK: Ich habe 1919 die Gymnasialstudien abgeschlossen, 1926 die große juristische Staatsprüfung bestanden und damit meinen Bildungsgang im wissenschaftlichen Sinne beendet.


DR. SEIDL: Welche Tätigkeit haben Sie dann ausgeübt?


FRANK: Ich war in verschiedenen juristischen Berufen tätig, als Rechtsanwalt, als Mitglied des Lehrkörpers einer Technischen Hochschule, und war dann im wesentlichen tätig als Rechtsbeistand Adolf Hitlers und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.


DR. SEIDL: Seit wann gehören Sie der NSDAP an?


FRANK: Ich gehörte der Deutschen Arbeiterpartei, der Vorgängerin der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, im Jahre 1919 an, bin aber dann in die neugegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nicht eingetreten; habe 1923 als SA- Mitglied die Bewegung in München mitgemacht, bin dann endgültig, sozusagen zum erstenmal, in die NSDAP im Jahre 1927 eingetreten.


DR. SEIDL: Waren Sie jemals Mitglied der SS?


FRANK: Ich war niemals Mitglied der SS.


DR. SEIDL: Sie haben also auch niemals den Rang eines SS-Obergruppenführers oder SS-Generals innegehabt?


FRANK: Ich habe niemals den Rang eines SS-Obergruppenführers oder SS-Generals innegehabt.


DR. SEIDL: Auch nicht ehrenhalber?


FRANK: Auch nicht ehrenhalber.


DR. SEIDL: Sie waren Mitglied der SA und hatten zuletzt welche Stellung?


FRANK: Ich war zuletzt SA-Obergruppenführer in einer Ehrenposition.


DR. SEIDL: Welche Ämter hatten Sie in der NSDAP in den verschiedenen Zeitabschnitten innegehabt, und welche Funktionen haben Sie ausgeübt?


FRANK: Ich habe im Jahre 1929 die Leitung des Rechtsamts der Reichsleitung der NSDAP übernommen. In dieser Eigenschaft wurde ich im Jahre 1931 von Adolf Hitler zum Reichsleiter der NSDAP ernannt. Diese Position hatte ich inne bis zu meiner Abberufung im Jahre 1942. Dies waren im wesentlichen meine Parteiämter.


DR. SEIDL: Sie haben sich im wesentlichen bis zur Machtübernahme innerhalb der Partei mit Fragen des Rechtes befaßt?


FRANK: Ich habe mich mit den Fragen und mit der Praxis des Rechtes im Interesse Adolf Hitlers, der NSDAP und ihrer [9] Mitglieder in den schweren Jahren des Kampfes um den Sieg der Bewegung betätigt.


DR. SEIDL: Welche grundsätzliche Ansicht hatten Sie von der Idee des Rechtsstaates?


FRANK: Diese Idee war für mich niedergelegt im Punkt 19 des Parteiprogramms, der von dem erstehenden deutschen Gemeinrecht spricht. Ich will hier im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens keine weitreichende Darstellung meiner Gedankengänge geben. Das Wesentliche war mein Bemühen, das Kernstück der Rechtspflege Deutschlands zu retten: den unabhängigen Richter. Mein Gedankengang war der, daß auch bei noch so starker Entwicklung des Führerstaates, selbst bis zur Diktatur, die Gefahr für eine Gemeinschaft und die Rechtssicherheit des einzelnen zumindest geringer ist, wenn ein von dieser Staatsführung unabhängiger Richter innerhalb der Volksgemeinschaft noch wirken kann. Für mich ist also die Frage des Rechtsstaates im wesentlichen identisch mit der Frage nach der Existenz der Unabhängigkeit der Rechtsprechung. Meine wesentlichen Kämpfe und Auseinandersetzungen mit Hitler, Himmle und Bormann in diesen Jahren bewegten sich in immer zugespitzterem Maße auf diesem Gebiet. Erst als der unabhängige Richter im nationalsozialistischen Reich endgültig überwunden war, war mein Werk und mein Wirken aussichtslos geworden.


DR. SEIDL: Sie waren auch Mitglied des Reichstags?


FRANK: Ich war seit 1930 Mitglied des Reichstags.


DR. SEIDL: Welche Ämter haben Sie nach 1933 bekleidet?


FRANK: Ich war zunächst bayerischer Staatsminister der Justiz und nach Auflösung der einzelnen staatlichen juristischen Ministerien Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Ich wurde 1933 Präsident der von mir gegründeten Akademie für Deutsches Recht; ich war Reichsführer des Nationalsozialistischen Juristenbundes, der später den Titel eines »Rechtswahrerbundes« bekam. Ich war 1933 und 1934 Reichskommissar für die Justiz und ich wurde 1939 Generalgouverneur des Generalgouvernements in Krakau.


DR. SEIDL: Was waren die Aufgaben der von Ihnen gegründeten Akademie für Deutsches Recht?


FRANK: Diese Aufgaben sind niedergeschrieben im Reichsgesetz über die Akademie für Deutsches Recht, und diese Akademie hat im wesentlichen die zentrale Aufgabe, den Punkt 19 des Parteiprogramms, das deutsche Gemeinrecht in der Kultur unseres Volk entsprechenderweise zu sichern.


DR. SEIDL: Hatte die Akademie für Deutsches Recht entscheidende Funktionen oder beschränkte sie sich auf beratende Tätigkeit?


FRANK: Die Akademie für Deutsches Recht war die Zusammenfassung der prominentesten deutschen Rechtsgelehrten aus [10] Wissenschaft und Praxis, wobei ich von Anfang an auf Parteizugehörigkeit der Mitglieder keinerlei Gewicht gelegt habe. Zu 90 Prozent bestand die Mitgliederschaft der Akademie für Deutsches Recht aus Nichtparteigenossen. Ihre Aufgabe war gesetzberatender Art; sie arbeitete in einer Form, wie etwa ein Beratungsgremium in einem guten Parlament. Es war dies auch mein Gedanke, daß entsprechend dem allmählichen Zurücktreten des Deutschen Reichstags aus den öffentlichen Funktionen des Reiches die gesetzberatenden Ausschüsse der Akademie an die Stelle der Rechtsausschüsse des Reichstags treten sollten. Die Akademie hat im wesentlichen nur an Gesetzen wirtschaftlicher und sozialer Art mitgewirkt; denn in zunehmendem Maße wurde ja leider die Mitarbeit auf den anderen Gebieten durch die Entwicklung des autoritären Regimes immer unmöglicher.


DR. SEIDL: Wenn ich Sie recht verstehe, lagen die staatlichen Funktionen in Bezug auf die Rechtspflege ausschließlich in den Händen des Reichsjustizministers, der Sie nicht waren.


FRANK: Ich war nicht Reichsjustizminister; der Reichsjustizminister Dr. Gürtner war aber auch nicht für die totale Gesetzgebung zuständig, sondern nur für die den Justizbereich im engeren Sinne angehenden Gesetze. Die Reichsgesetzgebung lag in Befolgung des Ermächtigungsgesetzes in den Händen des Führers und Reichskanzlers und der Reichsregierung insgesamt. Mein Name befindet sich demnach auch im Reichsgesetzblatt nur unter einem Gesetz, unter dem Gesetz über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ich bin allerdings stolz darauf, daß mein Name unter diesem Gesetz steht.


DR. SEIDL: Sie haben vorhin erklärt, daß Sie in den Jahren 1933 und 1934 bayerischer Justizminister waren.


FRANK: Jawohl.


DR. SEIDL: Haben Sie in dieser Tätigkeit Gelegenheit gehabt, in der Frage der Konzentrationslager Stellung zu nehmen, und unter welchen Umständen ist das geschehen?


FRANK: Von dem Entstehen des Konzentrationslagers Dachau hörte ich im Zusammenhang mit einem Bericht der Oberstaatsanwaltschaft in München an mich aus Anlaß der Tötung des Münchener Rechtsanwalts Dr. Strauß. Die Staatsanwaltschaftsbehörde beschwerte sich bei mir, als ich ihr die Weisung gegeben hatte, diesen Tötungsfall aufzuklären, darüber, daß ihr der Zutritt in das Konzentrationslager Dachau von der SS nicht genehmigt würde. Ich habe daraufhin den Reichsstatthalter General von Epp zu einer Sitzung veranlaßt, in der ich unter Vorlegung der Akten über diesen Tötungsfall die Unmöglichkeit dieses Vorgehens der SS darstellte und erklärte, daß bis zu diesem Zeitpunkt den Vertretern der deutschen Staatsanwaltschaften die Aufklärung jeder Tötung, bei [11] der der Verdacht einer Rechtswidrigkeit bestand, möglich gewesen und daß mir von einer Abweichung bis jetzt auch in unserem Reiche noch nichts bekannt sei.

Daraufhin protestierte ich weiter gegen diese Methode bei dem Reichsjustizminister Dr. Gürtner als dem obersten Sachwalter der Interessen der Justiz. Ich verwies darauf, daß wir hier an einer Keimzelle stünden, einer die Rechtsordnung aufs schwerste bedrohenden Entwicklung.

Adolf Hitler hat auf Verlangen Heinrich Himmlers persönlich in die Sache eingegriffen und hat von dem Recht Gebrauch gemacht, Strafsachen niederzuschlagen. Es wurde daraufhin die Niederschlagung des Verfahrens verfügt. Ich selbst habe meinen Rücktritt als Justizminister erklärt. Er wurde aber nicht angenommen.


DR. SEIDL: Wann wurden Sie Generalgouverneur der besetzter polnischen Gebiete und wo erreichte Sie diese Berufung?


FRANK: Ich wurde am 24. August 1939 als Reserveoffizier zu meinem Regiment in Potsdam eingezogen. Ich war mitten in der Ausbildung meiner Kompanie und befand mich am 17. September – es kann auch der 16. gewesen sein – in den letzten Vorbereitungen zum Abmarsch an die Front, als ich durch einen Anruf aus den Führersonderzug zu Adolf Hitler zitiert wurde. Ich fuhr am anderen Tag nach Oberschlesien, wo sich damals der Sonderzug des Führers befand, und er übertrug mir damals in einer ganz kurzen, kaum zehn Minuten dauernden Besprechung den Auftrag, wie er sich damals ausdrückte, den zivilen Gouverneur für das besetzte polnische Gebiet als Funktion zu übernehmen.

Damals war das Gesamtgebiet der polnischen eroberten Landesbereiche unter dem Verwaltungsoberbefehl eines Militärbefehlshabers, General von Rundstedt, gestellt. Etwa gegen Ende September wurde ich in den Stab des Generals von Rundstedt als Verwaltungschef eingereiht und sollte im Bereich der Militärverwaltung die Verwaltungsgeschäfte im engeren Sinne führen. Nachdem sich aber in kurzer Zeit herausstellte, daß diese Methode nicht durchführbar war, wurde mit Wirkung vom 26. Oktober unter Aufteilung des polnische Gebiets in den Teil, der in das Deutsche Reich eingegliedert wurde, und in den Teil, der dann das Generalgouvernement darstellte, mein Berufung zum Generalgouverneur vollzogen.


DR. SEIDL: Sie haben von verschiedenen Stellungen gesprochen, die Sie im Laufe der Zeit eingenommen haben. Ich frage Sie nun, haben Sie in irgendeiner Ihrer Partei- und Staatsstellungen entscheidenden Anteil an dem politischen Geschehen der letzten 20 Jahre gehabt?


FRANK: Ich habe auf dem Gebiet, das mir nahe lag, alles getan, was man als ein an die Größe seines Volkes glaubender, vom [12] Fanatismus für die Größe seiner Nation erfüllter Mann tun kann, um Adolf Hitler und die Bewegung des Nationalsozialismus mit zum Siege zu führen.

An Entscheidungen irgendwie größerer politischer Art habe ich, da ich zu dem engeren Mitarbeiterkreis Adolf Hitlers nie gehörte, nie mitgewirkt. Ich bin weder von Adolf Hitler in allgemeinen politischen Fragen zu Rate gezogen worden, noch habe ich jemals an Besprechungen über solche Themen teilgenommen, schon um deswillen nicht, weil ich in den gesamten Jahren von 1933 bis 1945 insgesamt nur sechsmal von Adolf Hitler persönlich zu einem Vortrag über meinen Bereich empfangen worden bin.


DR. SEIDL: Welchen Anteil hatten Sie an der Reichsgesetzgebung?


FRANK: Ich habe das schon mitgeteilt. Ich brauche darauf nicht mehr zu antworten.


DR. SEIDL: Haben Sie in Ihrer Stellung als Reichsminister oder in irgendeiner anderen Staats- oder Parteistellung den Krieg gewollt oder einen Krieg unter Verletzung von abgeschlossenen Verträgen?


FRANK: Den Krieg kann man an sich nicht wollen. Der Krieg ist etwas Furchtbares. Wir haben es erlebt. Den Krieg wollten wir nicht. Wir wollten die Größe Deutschlands und die Wiederherstellung der Freiheit und die Wiederherstellung der Wohlfahrt und Gesundheit und des Glückes unseres Volkes. Mein und unser aller Traum war wohl, auf friedlichem Wege die Revision des Vertrages von Versailles die ja in diesem Vertrag selbst vorgesehen war, zu erreichen. Da aber auch in der Welt der Verträge zwischen den Nationen nur derjenige etwas gilt, der stark ist, mußte Deutschland erst stark werden, um verhandeln zu können. Und so sah ich im großen die Entwicklung: Stärkung des Reiches, Wiederherstellung seiner Souveränität auf allen Gebieten und damit zusammenhängend die Ermöglichung einer Befreiung von den unerträglichen Fesseln, die man unserem Volke auferlegt hatte. Ich war daher glücklich, daß es Adolf Hitler in einem in der Geschichte der Menschheit einmaligen, wunderbaren Aufstieg möglich war, bis Ende 1938 im wesentlichen diese Ziele zu erreichen, und ich war ebenso unglücklich, als ich 1939 leider in zunehmendem Maße feststellen mußte, daß Adolf Hitler von diesem Wege abzuweichen schien, um anderen Methoden nachzugehen.


VORSITZENDER: All dies scheint doch schon von dem Angeklagten Göring und dem Angeklagten Ribbentrop beschrieben worden zu sein.


DR. SEIDL: Der Zeuge ist bereits fertig mit den Ausführungen zu diesem Punkt.


[Zum Zeugen gewandt:]


Welchen Anteil haben Sie an den Geschehnissen in Polen seit 1939?

[13] FRANK: Ich trage die Verantwortung und habe, als am 30. April 1945 Adolf Hitler seinem Leben ein Ende machte, vor mir beschlossen, diese meine Verantwortung so klar wie möglich der Welt zu offenbaren. Ich habe die 43 Bände des Tagebuches, das über dieses Geschehen und über meinen Anteil daran Kunde gibt, nicht vernichtet, sondern aus eigenem Entschluß freiwillig den mich verhaftenden amerikanischen Offizieren übergeben.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Fühlen Sie sich schuldig, Verbrechen gegen das Völkerrecht oder gegen die Humanität begangen zu haben?


VORSITZENDER: Das ist eine Frage, die der Gerichtshof zu entscheiden hat.


DR. SEIDL: Dann verzichte ich auf die Frage.

Herr Zeuge! Was haben Sie zu diesen Beschuldigungen zu erklären, die gegen Sie in der Anklageschrift erhoben werden?


FRANK: Zu diesen Beschuldigungen habe ich nur zu sagen, daß ich das Gericht bitte, das Ausmaß meiner Schuld am Ende der Gesamtverhandlungen über mei nen Fall festzustellen.

Ich selbst möchte aber hier ganz aus der Tiefe meines Empfindens und aus dem Erleben der fünf Monate dieses Prozesses heraus sagen, daß ich, nachdem ich nunmehr den letzten Einblick gewonnen habe in all das, was an furchtbarem Grauen geschehen ist, das Gefühl einer tiefen Schuld in mir trage.


DR. SEIDL: Welche Ziele haben Sie sich gestellt, als Sie Ihren Posten als Generalgouverneur übernommen haben?


FRANK: Ich wurde über nichts informiert. Ich habe hier im Laufe dieses Verfahrens von Einsatzkommandos der SS gehört; es wurden im Zusammenhang und im engsten Anschluß an meine Berufung sofort an Himmler Sondervollmachten erteilt: meine Zuständigkeit war mir in wesentlichen Bereichen genommen. In die Wirtschaft, in die Sozialpolitik, in die Währungspolitik, in die Ernährungspolitik wurde von Reichsstellen unmittelbar hineinregiert, und so konnte ich mir nur die Aufgabe stellen, in diesem Flammenmeer des Krieges dafür zu sorgen, daß irgendeine Ordnung aufgebaut würde, die das Leben der Menschen ermöglicht. Man kann daher das Wirken, das ich drüben durchgeführt habe, auch nicht beurteilen nach den Erscheinungen des Augenblicks, sondern im Gesamtzusammenhang, und hierauf werden wir noch zu sprechen kommen. Mein Ziel war, Gerechtigkeit zu gewährleisten, ohne die Interessen des Krieges zu verletzen.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Hat Ihnen die Polizei vor allem die Sicherheitspolizei und der SD im Generalgouvernement unterstanden?


FRANK: Die Höheren SS- und Polizeiführer unterstanden grundsätzlich dem Reichsführer-SS Himmler. Die SS war mir nicht [14] unterstellt. Irgendwelche Befehle und Weisungen, die ich gegeben hätte, wären nicht befolgt worden. Auf diese Frage wird ja der Zeuge Bühler noch eingehen; der Gesamtaufbau war der, daß der Höhere SS- und Polizeiführer zwar formell mir beigegeben war, tatsächlich und seinem Wirken nach aber ein reines Organ des Reichsführers-SS Himmler war, ein Zustand, der bereits im November 1939 zu meinem ersten Rücktrittsgesuch Adolf Hitler gegenüber führte; ein Zustand, der in zunehmendem Maße Erschwerungen sondergleichen mit sich brachte; und, all meinen Versuchen zum Trotz, allmählich das Heft auf diesem Gebiet in die Hand zu bekommen, vollzog sich die innere Loslösung mehr und mehr. Eine Verwaltung ohne polizeiliche Exekutive ist ohnmächtig und dies stellte sich immer mehr heraus. Die Beamten der Polizei standen disziplinär, organisatorisch, gehaltsmäßig und befehlsmäßig aus schließlich im Gesamtrahmen des deutschen Reichspolizeihaushalts und in keinem irgendwie gearteten Zusammenhang mit der Verwaltung des Generalgouvernements. Die Beamten der SS und der Polizei betrachteten daher das Generalgouvernement auch nicht als ihre dienstliche Heimat; der Polizeibereich hieß auch nicht Polizeibereich Generalgouvernement; der Höhere SS- und Polizeiführer nannte sich nicht SS-und Polizeiführer im Generalgouvernement, sondern »Höherer SS- und Polizeiführer Ost«. Ich will hier in diesem Zusammenhang noch nicht auf Details eingehen.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Unterstanden Ihnen die im Generalgouvernement errichteten Konzentrationslager und hatten Sie irgend etwas mit Ihrer Verwaltung zu tun?


FRANK: Die Konzentrationslager waren ein ausschließlicher Polizeibereich und hatten mit der Verwaltung nicht das geringste zu tun. Den Angehörigen der Zivilverwaltung war das Betreten der Konzentrationslager amtlich verboten.


DR. SEIDL: Waren Sie selbst jemals in einem Konzentrationslager?


FRANK: Ich habe 1935 an dem Besuch des Konzentrationslagers Dachau teilgenommen, der damals für die Gauleiter veranstaltet worden war. Das war das einzige Mal, daß ich in einem Konzentrationslager war.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Im Jahre 1942 wurde durch Erlaß des Führers ein Staatssekretariat für das Sicherheitswesen im Generalgouvernement errichtet, und zwar am 7 Mai 1942. Wie ist es zur Errichtung dieses Staatssekretariats gekommen?


FRANK: Die Errichtung dieses Staatssekretariats war einer der vielen Versuche, die Frage der Polizei im Generalgouvernement zu lösen. Ich war damals glücklich, weil ich meinte, wir hätten nun den Weg gefunden. Es wäre auch sicher gegangen, wenn sich Himmler [15] und Krüger an das gehalten hätten, was der Sinn dieser Verordnung war, nämlich Zusammenarbeit und nicht Gegenarbeit. Aber schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß auch dieser neue Versuch nur eine Tarnung war und die alten Zustände weitergingen.


DR. SEIDL: Am 3. Juni 1942 ist auf Grund dieses Führererlasses ein weiterer Erlaß über die Überweisung von Dienstgeschäften auf den Staatssekretär für das Sicherheitswesen ergangen. Ist das richtig?


FRANK: Ich nehme an, wenn Sie das Dokument haben. Ich kann mich an die Einzelheiten natürlich nicht erinnern.


DR. SEIDL: Ich werde über diesen Punkt dann den Zeugen Bilfinger fragen.


FRANK: Ich möchte aber zu dieser Frage hier noch eines sagen: Man spricht hier immer von der SS und faßt SS und Polizei als einen einheitlichen großen Komplex auf. Ich würde unwahrhaft sein, wenn ich nicht dieses Wort korrigieren wollte. Ich habe unter der SS, und vor allem in der Waffen-SS und auch in der Polizei, soviele anständige, saubere und soldatisch klare Menschen im Laufe der Jahre kennengelernt, daß man hier das Problem der SS im Hinblick auf die Beurteilung des verbrecherischen Charakters ihres Wirkens ebenso scharf sondern kann wie bei allen sozialen Massenbereichen. Die SS an sich war ebensowenig verbrecherisch, wie das irgendeine andere soziale Masse ist, die in irgendeinem politischen Geschehen auftritt. Das Furchtbare war, daß der maßgebliche Chef und eine ganze Reihe leider mit größten Vollmachten versehener Männer der SS die typisch treue Haltung des deutschen soldatischen Menschen mißbrauchen konnte.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Eine andere Frage. In dem Erlaß über die Errichtung des Staatssekretariats für das Sicherheitswesen ist bestimmt, daß der Staatssekretär, also in diesem Falle der Höhere SS- und Poli zeiführer, vor grundsätzlichen Entscheidungen Ihre Zustimmung zu erholen hatte. Ist das geschehen?


FRANK: Diese Zustimmung wurde nie eingeholt, und das war eben der Anlaß, daß schon nach kurzer Zeit sich die Unmöglichkeit dieses letzten Versuchs, den ich gemacht habe, erwies.


DR. SEIDL: Hat der Höhere SS- und Polizeiführer, insbesondere der SS-Obergruppenführer Krüger, Befehle befolgt, die Sie Ihrerseits ihm gegeben haben?


FRANK: Ich bitte, die Frage zu wiederholen. Sie ist hier schlecht durchgekommen. Und bitte, Herr Dr. Seidl, nicht so laut sprechen.


DR. SEIDL: Hat der Höhere SS- und Polizeiführer Krüger, der zugleich Staatssekretär für das Sicherheitswesen war, Befehle befolgt, die Sie ihm in Ihrer Eigenschaft als Generalgouverneur gegeben haben?


[16] FRANK: In keinem Fall. Ich habe wiederholt auf Grund dieser neuen Verordnung Befehle erteilt. Diese Befehle wurden dann angeblich Heinrich Himmler mitgeteilt, und da dessen Einverständnis notwendig war, wurden diese Befehle niemals befolgt. Einige Spezialfälle kann Staatssekretär Bühler dann feststellen, wenn wir ihn als Zeugen hören.


DR. SEIDL: Hat der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei hierüber vor der Durchführung sicherheitspolizeilicher Maßnahmen im Generalgouvernement jemals Ihre Zustimmung erhalten?


FRANK: In keinem Falle.


DR. SEIDL: Die Anklagevertretung hat ein Dokument L-37 vorgelegt, und zwar als US-506. Es ist dies ein Schreiben des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes für den Distrikt Radom an die Außendienststelle in Tomaszow. In diesem Schreiben wird folgendes ausgeführt:

»Der Höhere SS- und Polizeiführer Ost hat am 28. Juni 1944 folgenden Befehl erlassen:

Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Monaten im Generalgouvernement derart verschlechtert, daß nunmehr mit radikalsten Mitteln und allerschärfsten Maßnahmen gegen fremdvölkische Attentäter und Saboteure durchgegriffen werden muß. Reichsführer-SS hat mit Zustimmung des Generalgouverneurs angeordnet, daß in allen Fällen, in denen Attentate oder Attentatsversuche auf Deutsche erfolgt sind, nicht nur die gefaßten Täter erschossen werden, sondern daß darüber hinaus die sämtlichen Männer der Sippe gleichfalls zu exekutieren und die dazugehörigen weiblichen Angehörigen über 16 Jahre in das K.-Z. einzuweisen sind.«


FRANK: Da ich gesagt habe, daß die Zustimmung zu derartigen Anordnungen vom Reichsführer-SS Himmler in keinem Falle eingeholt wurde, ist Ihre Frage beantwortet. Sie wurde auch in diesem Falle nicht eingeholt.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wurden Ihnen wenigstens vor der Durchführung Befehle des Reichsführers-SS Himmler oder des Höheren SS- und Polizeiführers Ost vorher mitgeteilt?


FRANK: Das Argument, warum dieses nicht geschah, war immer dasselbe. Es hieß, da nicht nur im Generalgouvernement Polen wohnen, sondern auch in den in das Deutsche Reich eingegliederten Gebieten, müßte die Bekämpfung der polnischen Widerstandsbewegung einheitlich von einem Zentrum aus durchgeführt werden, und dieses Zentrum war Heinrich Himmler.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wie waren im allgemeinen Verwaltungsbereich Ihre Zuständigkeiten?


[17] FRANK: Ich glaube, es würde das Verfahren wesentlich abkürzen, wenn über diese Detaildinge der Zeuge Bühler aussagen könnte. Wenn es das Gericht wünscht, dann würde ich über diese Frage natürlich hier eine Antwort erteilen. Es war im wesentlichen der Aufbau der üblichen allgemeinen Verwaltungsbereiche in Ernährung, Kultur, Finanzen, Wissenschaft und so weiter.


DR. SEIDL: Gab es im Generalgouvernement eine Vertretung der polnischen und ukrainischen Bevölkerung?


FRANK: Ja. Die Vertretung der polnischen und ukrainischen Bevölkerung war regional aufgebaut, und ich faßte die in den einzelnen Kreisen und Distrikten vorhandenen Vertretungskörperschaften an der Spitze zusammen in den sogenannten Hilfsausschüssen. Es gab einen polnischen und einen ukrainischen Hilfsausschuß. An der Spitze des polnischen Hilfsausschusses stand jahrelang Graf Ronikier, an der Spitze des ukrainischen Hilfsausschusses Professor Kubiowicz. Ich habe es allen Dienststellen zur Pflicht gemacht, bei allgemeinen Belangen sich mit diesen Hilfsausschüssen in Verbindung zu setzen. Dies ist auch geschehen. Ich selbst habe mit beiden in dauerndem Kontakt gestanden. Es wurden mir dort die Beschwerden vorgebracht, und es war eine freie Aussprache. Im wesentlichen beruhten meine Beschwerdeschriften und Memoranden an den Führer auf den Berichten dieser Hilfsausschüsse.

Eine zweite Form der Anteilnahme der Bevölkerung an der Verwaltung des Generalgouvernements stellte die unterste Verwaltungseinheit dar, die im gesamten Generalgouvernement in den Händen der ein heimischen Bevölkerung lag. An der Spitze von jeweils 10 bis 20 Dörfern stand ein sogenannter »Wojt«. Dieses polnische Wort »Wojt« ist dasselbe, was im Deutschen das Wort »Vogt« bedeutet. Er war sozusagen die unterste Verwaltungseinheit.

Die dritte Form der Anteilnahme der Bevölkerung an der Verwaltung geschah in der Eigenschaft als Staatsbeamter oder Staatsangestellter. Die Eisenbahn und Post eingerechnet, standen etwa 280000 Polen und Ukrainer im Staatsdienst des Generalgouvernements.


DR. SEIDL: Wie war das zahlenmäßige Verhältnis zwischen der deutschen Beamtenschaft und der polnischen und der ukrainischen Beamtenschaft? Wie war das Verhältnis ungefähr?


FRANK: Das Verhältnis schwankte. Die Zahl der deutschen Beamten war sehr gering. Es gab Zeiten, in denen im ganzen Generalgouvernement mit seinen 150000 Quadratkilometern, also halb so groß wie Italien, höchstens 40000 deutsche Beamte tätig waren. Auf einen deutschen Beamten trafen demnach im Durchschnitt mindestens sechs nichtdeutsche Staatsbeamte und Angestellte.


DR. SEIDL: Welche Gebiete unterstanden Ihnen als Generalgouverneur?


[18] FRANK: Das von den Deutschen und der Sowjetunion gemeinsam eroberte Polen wurde geteilt, zunächst einmal zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich. Von den annähernd 380000 Quadratkilometern des polnischen Staatsgebietes kamen an die Sowjetunion etwa 200000 Quadratkilometer und an das Deutsche Reich etwa 170000 bis 180000 Quadratkilometer. Ich bitte, mich auf die Zahl von tausend Quadratkilometern nicht festzulegen. So etwa war das Verhältnis.

Der in das Sowjetgebiet übernommene Teil Polens wurde sofort als integrierender Bestandteil der Sowjetunion behandelt. Die Grenzpfähle im Osten des Generalgouvernements waren die üblichen Grenzpfähle der Sowjetunion, und zwar seit 1939. Das nach Deutschland gefallene Gebiet wurde zu 90000 Quadratkilometern dem Generalgouvernement überlassen und der übrige Bereich in das Deutsche Reich eingegliedert.


VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß dem Angeklagten auf Grund dessen, daß die Zivilverwaltung schlecht war, etwas zur Last gelegt wird. Es sind begangene Verbrechen, die unter Anklage stehen, und die Aufteilung der Verwaltung zwischen dem Generalgouvernement und dem Reich steht wirklich nicht zur Diskussion.


DR. SEIDL: Ich habe die Frage nur gestellt, Herr Präsident, um die Schwierigkeiten zu zeigen, mit denen von Anfang an die Verwaltung in diesem Gebiet zu kämpfen hatte, indem ein zunächst bestehendes einheitliches Wirtschaftsgebiet in drei Teile zerrissen wurde.

Ich komme nun zur nächsten Frage: Haben Sie jemals Geiseln erschießen lassen?


FRANK: Im Tagebuch stehen die Tatsachen. Ich selbst habe niemals Geiseln erschießen lassen.


DR. SEIDL: Haben Sie jemals irgendwie an der Vernichtung von Juden sich beteiligt?


FRANK: Ich sage ja; und zwar sage ich deshalb ja, weil ich unter dem Eindruck dieser fünf Monate der Verhandlung und vor allem unter dem Eindruck der Aussage des Zeugen Höß es mit meinem Gewissen nicht verantworten könnte, die Verantwortung dafür allein auf diese kleinen Menschen abzuwälzen. Ich habe niemals ein Judenvernichtungslager eingerichtet oder ihr Bestehen gefordert; aber wenn Adolf Hitler persönlich diese furchtbare Verantwortung auf sein Volk gewälzt hat, dann trifft sie auch mich; denn wir haben den Kampf gegen das Judentum jahrelang geführt, und wir haben uns in Äußerungen ergangen – und mein Tagebuch ist mir selbst als Zeuge gegenübergetreten –, die furchtbar sind. Und ich habe daher nur die Pflicht, Ihre Frage in diesem Sinne und in diesem Zusammenhang mit Ja zu beantworten. Tausend Jahre werden vergehen und diese Schuld von Deutschland nicht wegnehmen.


[19] DR. SEIDL: Herr Zeuge! Welche Politik haben Sie in der Erfassung von Arbeitern für das Reich in Ihrer Eigenschaft als Generalgouverneur verfolgt?


FRANK: Bitte?


DR. SEIDL: Welche Politik haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Generalgouverneur in der Erfassung von Arbeitern für das Reich verfolgt?


FRANK: Die Politik ist in meinen Verordnungen niedergelegt. Sie werden mir sicher von der Anklagebehörde vorgehalten werden, und ich sehe eine Zeitersparnis darin, wenn ich die Frage mit Genehmigung des Gerichts dann später beantworte.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Hat Ihnen Hitler irgendwelche Weisungen gegeben, wie Sie Ihr Amt als Generalgouverneur zu verwalten haben?


FRANK: Adolf Hitler gab mir in den ersten zehn Minuten des Empfangs im Sonderzug die Weisung, dafür zu sorgen, dieses Gebiet, das vollkommen zerstört war – alle Brücken gesprengt, alle Eisenbahnen außer Verkehr, die Bevölkerung in vollem Durcheinander – wieder irgendwie in Ordnung zu bringen und dafür zu sorgen, daß dieses Gebiet ein mitwirkender Bestandteil an der so schweren Wirtschafts- und Kriegslage des Deutschen Reiches werden könnte.


DR. SEIDL: Hat Adolf Hitler Sie in Ihrer Tätigkeit als Generalgouverneur unterstützt?


FRANK: Er hat alle meine Beschwerden, alles, was ich ihm übermittelte, leider unter den Tisch fallen lassen. Ich habe nicht umsonst vierzehnmal meinen Rücktritt als Generalgouverneur erklärt und habe nicht umsonst immer versucht, als Offizier zu meiner braven Truppe zurückzukommen. Er stand innerlich gegen die Juristen, das war eine der schwersten Schattenseiten dieses so gewaltig großen Mannes. Er wollte keine formelle Verantwortung anerkennen. Das gilt leider auch für seine Politik, wie ich nun festgestellt habe. Für ihn war jeder Jurist ein Störungsfaktor der Macht. Ich kann also nur sagen, daß er dadurch, daß er den Kurs von Himmler bis Bormann bis auf das Äußerste gestützt hat, jeden Versuch zu einer wirklich dem deutschen Namen würdigen Form auf die Dauer zerstört hat.


DR. SEIDL: Welche Reichsstellen haben Ihnen in der Verwaltung des Generalgouvernements Weisung gegeben?


FRANK: Zur Abkürzung des Verfahrens würde ich mit Genehmigung des Gerichts bitten, daß der Zeuge Bühler die ganze Tabulatur ausführt.


DR. SEIDL: Haben Sie jemals Kunstschätze geplündert?


[20] FRANK: Der Vorwurf, der mich hier persönlich, also mein eignes Privatleben angehend, am meisten betroffen hat, war der, daß ich mich persönlich an Kunstschätzen des mir anvertrauten Landes bereichert hätte. Ich habe keine Gemäldegalerien angelegt und habe während des Krieges keine Zeit gefunden, mir Kunstschätze anzueignen. Ich habe dafür gesorgt, daß der gesamte Kunstbesitz des mir anvertrauten Landes amtlich registriert wurde, habe über diese amtliche Registratur ein allgemein verbreitetes Dokument aufnehmen lassen und habe vor allem dafür gesorgt, daß die Kunstschätze bis zum Schlusse im Lande geblieben sind. Es wurden aus dem Generalgouvernement trotzdem Kunstschätze fortgenommen. Ein Teil wurde weggenommen, bevor überhaupt meine Verwaltung des mir anvertrauten Landes in Kraft getreten ist. Die Erfahrung zeigt, daß von einer Verantwortung für eine Verwaltung erst gesprochen werden kann nach geraumer Zeit, nämlich nachdem bis untenhin die Verwaltung ausgebaut worden ist. In der Zeit also von Kriegsbeginn am 1. September 1939 bis zu diesem etwa um die Jahreswende 1939/40 liegenden Zeitpunkt sind sicherlich Kunstschätze in unkontrollierbarem Maße entwendet worden, als Kriegsbeute oder unter sonstigen Vorwänden. Während der Registrierung der Kunstschätze hat Hitler den Befehl gegeben, den Veit-Stoß-Altar aus der Marienkirche in Krakau in das Reich abzuführen. Im September 1939 kam zu diesem Zweck der Oberbürgermeister Liebel von Nürnberg persönlich nach Krakau mit einer SS-Gruppe und hat diesen Altar weggeholt. Ein drittes waren die in Lemberg noch vor Beginn meiner dortigen Verwaltung von einem Sonderbeauftragten dort weggeholten Dürer-Stiche. Im Jahre 1944, kurz vor dem Zusammenbruch, wurden Kunstschätze ins Reich verlagert. Im Schloß Seichau in Schlesien befand sich zu diesem Zwecke eine Kollektion von Kunstschätzen, die dort durch Professor Kneisl untergebracht waren. Eine letzte Gruppe von Kunstschätzen habe ich selbst den Amerikanern übergeben.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Haben Sie im Bereich des Generalgouvernements Ghettos eingeführt, jüdische Wohnbezirke?


FRANK: Ich habe eine Verordnung über die Errichtung von jüdischen Wohnbezirken erlassen. Das Datum weiß ich nicht auswendig. Über die Voraussetzung und die Notwendigkeiten dazu werde ich noch den Anklägern Rede stehen.


DR. SEIDL: Haben Sie Abzeichen zur Kenntlichmachung der Juden eingeführt?


FRANK: Jawohl.


DR. SEIDL: Haben Sie im Generalgouvernement selbst die Zwangsarbeit eingeführt?


FRANK: Zwangsarbeit und Arbeitszwang wurden durch mich als eine der ersten Verordnungen eingeführt. Aber aus den ganzen [21] Verordnungen und ihrem Wortlaut geht klar hervor, daß ich hierbei nur an eine Arbeitspflicht im Lande gedacht habe zur Beseitigung der Kriegszerstörungen, der durch den Krieg vorgenommenen notwendigen Gemeinschaftsarbeiten, also im gleichen Maße, wie diese Arbeitspflicht ja auch im Reiche bestand.


DR. SEIDL: Haben Sie im Bereich des Generalgouvernements, wie es von der Anklage behauptet wird, Bibliotheken ausgeplündert?


FRANK: Diese Frage kann ich glatt mit Nein beantworten. Die größte und wertvollste Bibliothek, die wir vorgefunden haben, die Bibliothek der Jagellonischen Universität in Krakau, die Gott sei Dank unzerstört war, habe ich selbst in ein neues Bibliotheksgebäude überführen lassen und in ihrem gesamten Bestand, einschließlich der ältesten Urkunden dort pfleglichst behandelt.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Haben Sie selbst als Generalgouverneur die Universitäten im Generalgouvernement geschlossen?


FRANK: Die Universitäten im Generalgouvernement waren geschlossen, als wir kamen, durch den Krieg. Die Wiedererrichtung der Universitäten war durch Befehl Adolf Hitlers verboten. Ich habe mir für die Bedürfnisse der polnischen und ukrainischen Bevölkerung dadurch geholfen, daß ich Hochschulkurse für polnische und ukrainische Studenten eingeführt habe, in denen praktisch Hochschularbeiten geleistet wurden, ohne daß die Reichsstellen irgendwie daran Kritik üben konnten. Tatsächlich war das Universitätsleben in dem durch den Krieg bedingten beschränkten Ausmaß für Polen und Ukrainer um so mehr gewährleistet, weil ja der dringendste Bedarf an einheimischen Akademikern, insbesondere Ärzten, Technikern, Juristen, Lehrern und so weiter, gegeben war.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich nunmehr auf zehn Minuten vertagen.


[Pause von 10 Minuten.]


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wir haben zuletzt über Hochschulen gesprochen. Haben Sie selbst als Generalgouverneur die Mittelschulen geschlossen?

FRANK: Mein Antrag, die Gymnasien und Mittelschulen wieder zu eröffnen, wurde von Adolf Hitler abgelehnt. Wir haben uns da so geholfen, daß wir die Mittelschulerziehung auf dem Privatschulwege in weitem Umfang zugelassen haben.


DR. SEIDL: Nun eine grundsätzliche Frage: Die Anklage wirft Ihnen vor, das Land, dem Sie als Generalgouverneur vorstanden, ausgeplündert zu haben. Was haben Sie dazu zu sagen?


FRANK: Ja, dieser Vorwurf ist wohl eine summarische Zusammenfassung für alle Wirtschaftsvorgänge, die sich in diesem Lande [22] im Verkehr zwischen dem Deutschen Reiche und dem Generalgouvernement abgespielt haben. Zunächst möchte ich feststellen, daß das Generalgouvernement mit einer furchtbaren wirtschaftlichen Eröffnungsbilanz beginnen mußte. Das Land hatte annähernd 12 Millionen Einwohner. Das Stück Generalgouvernement war der unfruchtbarste Teil des früheren Polen. Dazu war die Grenze sowohl gegen die Sowjetunion wie gegen das Deutsche Reich so gezogen worden, daß die wesentlichen, das Wirtschaftsleben begründenden Elemente außerhalb des Landes lagen. Die Grenzen wurden sofort gegen die Sowjetunion und gegen das Deutsche Reich gesperrt. Und so kam es, daß zunächst einmal überhaupt gewirtschaftet werden mußte aus dem Nichts in das Nichts. Galizien, das für die Republik Polen wichtigste Gebiet – ernährungsmäßig –, war der Sowjetunion zugeteilt. Die Provinz Posen war beim Deutschen Reiche. Die Kohlen- und Industriegebiete Oberschlesiens waren beim Deutschen Reiche. Ja, die Grenzen gegen Deutschland waren so gezogen, daß die Eisenwerke in Tschenstochau zwar beim Generalgouvernement blieben, die Eisenerzbecken dagegen, die 10 Kilometer von Tschenstochau weg waren, in das Deutsche Reich eingegliedert waren.

Die Stadt Lodz, das Textilzentrum Polens, fiel in das Deutsche Reich. Die Stadt Warschau mit ihrer Millionenbevölkerung wurde eine Grenzstadt, denn die deutsche Grenze wurde auf 15 Kilometer an diese Stadt herangerückt mit der Wirkung, daß das ganze landwirtschaftliche Hinterland dieser Stadt nicht mehr zur Verfügung stand.

Man könnte so eine ganze Fülle von Einzeltatbeständen anführen, die vielleicht zu weit führen würden.

Es war daher zunächst einmal dafür zu sorgen, daß überhaupt das Leben wieder in Gang kam. Die Ernährung der Stadt Warschau konnten wir in den ersten Wochen überhaupt nur mit Hilfe deutscher Einrichtungen für Massenspeisung durchhalten. Das Deutsche Reich gab damals 600000 Tonnen Getreide, natürlich als Vorschuß, der als schwere Verpflichtung auf mich gewälzt wurde.

Die Finanzwirtschaft begann ich mit 20 Millionen Zloty, die ich als Vorschuß des Reiches erhalten hatte. Wenn ich von diesen Ausgangspunkten einer völlig verarmten, kriegszerstörten Wirtschaft nun bedenke, daß bis zum 1. Januar 1944 die Sparguthaben der einheimischen Bevölkerung auf 111/2 Milliarden Zloty angestiegen waren und es bis dahin gelungen war, die Ernährung der Bevölkerung einigermaßen ins reine zu bringen, und wenn ich weiter bedenke, daß dann in jener Zeit in den wieder aufgebauten Fabriken und Industrierevieren – einen Aufbau, an dem die Reichsstellen hervorragend positiven Anteil haben, insbesondere Reichsmarschall Göring und Minister Speer haben sich hier ganz besondere Verdienste erworben bei der Hilfsstellung im Aufbau der Industrie des Landes –, [23] daß in dieser Industrie damals über 2 Millionen voll bezahlte und beschäftigte Arbeiter waren, daß der Ernteertrag auf 1,6 Millionen Tonnen im Jahre gestiegen war, daß der Jahresetat von 20 Millionen Zloty im Jahre 1939 auf 1,7 Milliarden Zloty angestiegen war, so ist das nur eine Skizzierung der äußersten Punkte, die ich für die allgemeine Entwicklung hier aufstellen möchte, um nicht ins Weite zu kommen.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Generalgouverneur in den von Ihnen verwalteten Gebieten die Kirchen und die Religion verfolgt?


FRANK: Ich habe mit dem Erzbischof, dem nunmehrigen Kardinal Sapieha in Krakau, in ständigem persönlichen Kontakt gestanden. Er hat mir alle seine Leiden und Schmerzen vorgetragen, und die waren nicht gering. Ich selbst mußte den Bischof von Lublin den Händen des Herrn Globocnik entreißen, um ihm sein Leben zu retten.


DR. SEIDL: Sie meinen den SS-Gruppenführer Globocnik?


FRANK: Ja, den meine ich. Aber die Situation kann ich wohl so zusammenfassen, wie das der Erzbischof Sapieha in seinem Brief an mich getan hat, den er mir im Jahre 1942 geschrieben hat, in dem wortwörtlich steht, daß er mir dankt für meine unermüdlichen Bemühungen, das kirchliche Leben sicherzustellen. Wir haben die Priesterseminare wieder aufgebaut, und wir sind jedem Fall der Verhaftung eines Priesters nachgegangen, soweit das menschenmöglich war. Der tragische Fall, daß zwei Mitarbeiter des Erzbischofs Sapieha erschossen wurden, der hier irgendwo im Zusammenhang mit der Anklage einmal behauptet wurde, ist mir selbst aufs tiefste in die Seele gedrungen. Mehr kann ich nicht sagen. Die Kirchen waren in Betrieb, die Priesterseminare bildeten aus, die Priester hatten ihre Funktionsmöglichkeiten in jeder Weise. Das Kloster von Tschenstochau stand unter meinem persönlichen Schutz. Das Kloster der Camedulen bei Krakau, ein Orden, stand gleichfalls unter meinem persönlichen Schutz. Es waren große Plakate überall angebracht rings um das Kloster, daß dies Kloster von mir persönlich geschützt würde.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wann haben Sie zum ersten Male von dem Konzentrationslager Maidanek gehört?


FRANK: Den Namen Maidanek habe ich zum erstenmal 1944 im Zusammenhang mit den Auslandsmeldungen gehört. Aber um das Lager bei Lublin oder im Distrikt Lublin ging seit Jahren das Hin und Her, wenn ich so ganz allgemein sagen darf. Der Gouverneur Zörner teilte mir, ich glaube schon im Jahre 1941, einmal mit, daß die SS ein großes Konzentrationslager bei Lublin zu bauen gedenke und dazu große Anträge an Baumaterial und so etwas stelle. Ich [24] habe damals den Staatssekretär Bühler beauftragt, der Sache sofort nachzugehen, und es wurde daraufhin mitgeteilt, und schriftlich auch vom Reichsführer-SS Himmler mitgeteilt, daß er ein großes Lager anlegen müßte, um den Bedarf der Waffen-SS an Kleidern, Schuhen, Wäsche in großen eigenen SS-Werkstätten herzustellen. So lief dieses Lager unter der Generalfirma: »SS-Werke« oder so ähnlich.

Nun muß ich sagen, war ich ja in der Lage, mich einigermaßen zu informieren. Da die Zeugen, die bisher vernommen wurden, unter Eid bestätigt haben, daß man in der Umgebung des Führers von all diesen Dingen nichts gewußt hat, waren wir draußen offenbar unabhängiger, und ich habe doch manches im feindlichen Rundfunk und in den feindlichen Zeitungen und neutralen Zeitungen gelesen. Auf dauernde Fragen, was mit den Juden geschehe, die man nun abtransportiere, wurde mir ununterbrochen die Antwort, sie würden nach dem Osten abtransportiert, um dort gesammelt zu werden, und dort zu arbeiten. Aber durch die Wände gleichsam drang der Geruch, und ich habe daher immer und unentwegt geforscht, was los ist. Einmal kam mir die Meldung, bei Belzec sei etwas los. Ich fuhr nach Belzec am anderen Tage. Globocnik zeigte mir einen Riesengraben, den er als Schutzwall aufrichtete mit vielen Tausenden Arbeitern, offenbar Juden. Ich sprach mit den einzelnen, woher sie kamen, wielange sie da wären, und er hat mir gesagt, Globocnik: »Sie arbeiten jetzt hier, und wenn sie fertig sind – sie sind aus dem Reich oder irgendwoher aus Frankreich – dann kommen sie weiter nach dem Osten.« In der Gegend selbst habe ich weitere Beobachtungen nicht gemacht.

Das Gerücht indessen, daß die Juden auf diese nunmehr ja weltbekannte Weise getötet würden, wollte nicht verstummen. Als ich den Wunsch äußerte, einmal diese SS-Werkstätten bei Lublin zu besichtigen, um mir dort einen Einblick zu verschaffen von den Werten und Leistungen, hieß es, hierzu brauche man eine Spezialerlaubnis Heinrich Himmlers. Ich habe bei Heinrich Himmler um diese Spezialerlaubnis nachgesucht. Er hat mir erklärt, er würde mich dringend bitten, nicht in das Lager zu gehen. Es verging wieder einige Zeit.

Am 7. Februar 1944 gelang es mir – zum drittenmal übrigens insgesamt in diesem Kriege – von Adolf Hitler persönlich empfangen zu werden. Ich habe ihm in Anwesenheit Bormanns die Frage gestellt: Mein Führer, die Gerüchte über die Vernichtung der Juden schweigen nicht. Man hört sie überall. Man kommt nirgends rein. In Auschwitz war ich einmal überraschend vorgefahren, um das Lager zu sehen. Ich wurde daraufhin mit dem Hinweis, daß in dem Lager eine Seuche herrsche, unterwegs mit meinem Auto abgelenkt. Ich sagte, mein Führer, was ist an der Sache? Der Führer sagte: »Sie können sich denken, Exekutionen gehen vor sich, das sind die Aufständischen. Im übrigen weiß ich nichts. Sprechen Sie mit [25] Heinrich Himmler darüber.« Dann sagte ich: »Gut, Himmler hat uns ja in Krakau eine Rede gehalten, in der er vor allen Leuten, die ich offiziell zusammengerufen hatte, erklärt: Diese Gerüchte über die systematische Judenausrottung seien unrichtig; die Juden würden nach dem Osten gebracht.« Dann sagte der Führer: »Dann müssen Sie das glauben.«

Als ich nun aus der Auslandspresse 1944 die ersten Details bekam über diese Vorgänge, da war meine erste Frage an den SS-Obergruppenführer Koppe, der an die Stelle Krügers getreten war: »Nun wissen wir's« – sagte ich –, »das werden Sie nicht bestreiten.« Und dann sagte er, ihm sei von diesen Vorgängen nichts bekannt. Dies sei offenbar ein unmittelbarer Vorgang zwischen Heinrich Himmler und der dortigen Stelle. Ich sagte: »Ich habe aber doch im Jahre 1941 bereits von solchen Plänen gehört und habe darüber ja auch gesprochen.« Dann sagte er, das sei meine Sache, darum könne er sich nicht kümmern.

Das Lager Maidanek wurde also ausschließlich von der SS in diesem vorhin von mir genannten Sinne in derselben Weise wohl geführt, wie es der Zeuge Höß auch gesagt hat. Nur so kann ich mir das denken.


DR. SEIDL: Sie kannten also nicht die Zustände in den Lagern Treblinka, Auschwitz und den anderen? Gehörte Treblinka zu Maidanek, oder ist dies ein eigenes Lager?

FRANK: Das weiß ich nicht. Das scheint ein eigenes Lager zu sein. Auschwitz lag nicht in dem Gebiet des Generalgouvernements. Ich war weder in Maidanek noch in Treblinka, noch in Auschwitz.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Die Anklage hat unter US-275 den Bericht des SS-Brigadeführers Stroop über die Vernichtung des Warschauer Ghettos vorgelegt. War Ihnen vor Einleitung dieser Aktion darüber etwas bekannt, und haben Sie jemals diesen Bericht in die Hände bekommen?


FRANK: Ich war überrascht, als der amerikanische Hauptankläger in seiner Eröffnungsrede hier ein Dokument vorlegte mit Bildern über die Zerstörung des Warschauer Ghettos, als er sagte, daß dieser Bericht mir erstattet worden wäre. Aber es hat sich mittlerweile aufgeklärt. Der Bericht wurde mir niemals erstattet und ist mir auch in dieser Form niemals zugegangen. Es ist ja auch, gottlob, durch einige Zeugen und Affidavits in den letzten Tagen erst klargelegt worden, daß diese Zerstörung des Warschauer Ghettos auf unmittelbare Weisung Himmlers unter Umgehung aller Landeszuständigkeiten des Generalgouvernements durchgeführt wurde. Wenn bei unseren Sitzungen von diesem Ghetto die Rede war, dann hieß es immer, das war der Aufstand im Warschauer Ghetto, den wir selbst mit Artillerie niederkämpfen mußten. Berichte, die [26] darüber vorlagen, waren mir von vorneherein nie glaubwürdig erschienen.


DR. SEIDL: Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um die Ernährung der Bevölkerung des Generalgouvernements sicherzustellen?


FRANK: Ja, eine Fülle von Maßnahmen: die Landwirtschaft wieder in Gang zu setzen, Maschinen zu importieren, eine gepflegte Feldwirtschaft den Leuten anzuerziehen, Selbsthilfekörperschaften aufzubauen, Saatgetreide zu verteilen in der üblichen Weise.


DR. SEIDL: Darüber wird dann der Zeuge Bühler sprechen.


FRANK: Das Reich hat hier übrigens sehr geholfen. Das Reich hat für viele Millionen Mark Saatgut, Fachleute, Zuchtvieh, Maschinen und so weiter eingeführt.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Sie haben nun angegeben, was Sie getan haben im Interesse der Wohlfahrt der Bevölkerung des Generalgouvernements. Es sind Ihnen aber von der Anklage eine Reihe von Äußerungen vorgehalten worden, und zwar aus Ihrem eigenen Tagebuch, die dem zu widersprechen scheinen. Wie wollen Sie diesen Widerspruch erklären?


FRANK: Das Tagebuch muß man eben als Gesamtheit nehmen. 43 Bände kann man nicht auslesen und einzelne Sätze aus dem Zusammenhang herausholen. Im übrigen aber möchte ich sagen, daß ich an den Wortlauten im einzelnen nicht mäkle und herumhandle. Es war eine wilde, stürmische Zeit mit furchtbaren Leidenschaften, und im Sturm und Drang eines flammenden Landes und eines Entscheidungskampfes auf Leben und Tod passieren derartige Worte.


DR. SEIDL: Herr Zeuge,...


FRANK: Sie sind im einzelnen furchtbar, die Worte: ich muß Ihnen sagen, auch ich bin erschüttert gewesen über manches Wort, das ich gesagt habe.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Unter US-297 hat die Anklage ein Dokument vorgelegt, das zum Gegenstand eine Besprechung hat, die Sie anscheinend im Jahre 1939 oder 1940 mit einem Offizier des Oberverwaltungschefs Ober-Ost gehabt haben. Ich lasse Ihnen dieses Dokument übergeben, und ich bitte mir zu sagen, ob der Inhalt dieses Dokuments, der Bericht dieses Mannes, übereinstimmt mit dem, was Sie gesagt haben. Es ist auf Seite 1 unten der zweite Abschnitt.


FRANK: Das ist eine der gekürzten Redezusammenfassungen,...


VORSITZENDER: Welches ist die PS-Nummer?

DR. SEIDL: Dr. Frank, was ist die Nummer?


FRANK: Ich glaube 297.


[27] DR. SEIDL: Nein, auf dem Umschlag.


FRANK: Auf dem Umschlag steht 344. Ich gebe Ihnen das Dokument wieder zurück. Bitte fragen Sie mich einzelne Sätze daraus. Es ist mir unmöglich, den ganzen Inhalt zu lesen.


DR. SEIDL: Es ist die Nummer 297, Herr Präsident.


VORSITZENDER: Jawohl, es ist US-297. Es ist EC-344, Teil 16 und 17. Ist das richtig?


DR. SEIDL: Ja.

Es heißt hier folgendermaßen:

»In der ersten Unterredung, die der Leiter der Zentralabteilung mit Reichsminister Frank am 3. Oktober 1939 in Posen hatte, legte dieser seinen ihm vom Führer übertragenen Auftrag und die wirtschaftlichen Richtlinien dar, nach denen er die Verwaltung in Polen zu führen gedachte. Danach kam nur eine Ausnutzung des Landes durch rücksichtslose Ausschlachtung, Heranziehung der Arbeitskräfte zum Einsatz im Reich...« und so weiter in Frage.

So ähnlich heißt es ungefähr. Ich habe es zusammengefaßt, Herr Vorsitzender.

FRANK: Diese Äußerungen sind sicher in dieser Form nicht gefallen.

DR. SEIDL: Aber Sie wollen nicht die Möglichkeit ausschließen, daß Sie mit diesem Manne einmal gesprochen haben?


FRANK: Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern. Es ist mir vollkommen ferngelegen.


DR. SEIDL: Ich gehe dann zur nächsten Frage über.


FRANK: Im übrigen scheint mir wichtiger zu sein, was geschehen ist, als das, was damals geredet wurde.


DR. SEIDL: Ist es richtig, daß unzweifelhaft auch viele Übergriffe der Polizei und des SD auf das Bandenunwesen zurückzuführen sind?


FRANK: Bandenunwesen? Man muß sagen, das ist die Widerstandsbewegung gewesen, die vom ersten Tag an im Gange war und unter außerordentlicher Förderung unserer Kriegsfeinde wohl das schwerste Problem aufgab, das ich in all diesen Jahren zu bewältigen hatte. Denn diese Widerstandsbewegung war der ewige Ausredekomplex und Entschuldigungskomplex für Polizei und SS bei allen Maßnahmen, die vom Standpunkt einer geordneten Verwaltung aus zu beklagen waren. Tatsächlich hat diese Widerstandsbewegung, die ich nicht als Bandenunwesen bezeichnen will – denn wenn ein Volk, im Kriege besiegt, eine aktive Widerstandsbewegung organisiert, so ist das etwas durchaus Anzuerkennendes. Aber die Methoden der Widerstandsbewegung verließen im weiten Umfang diesen Rahmen einer heroischen Aufbäumung. Es wurden deutsche [28] Frauen und Kinder niedergeschlachtet unter grauenhaftesten Umständen, deutsche Beamte erschossen, Züge zum Entgleisen gebracht, Molkereien zerstört und alle Maßnahmen zur Gesundung des Landes systematisch unterwühlt.

Und auf dem Hintergrund dieser Vorgänge, die Tag für Tag, unausgesetzt, fast die gesamte Zeit meiner Tätigkeit ausfüllten, muß überhaupt das Geschehen in diesem Lande betrachtet werden. Das wäre das, was ich in diesem Zusammenhang dazu zu sagen hätte.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Im Jahre 1944 ist unter der Führung des Generals Bor in Warschau der Aufstand ausgebrochen. Welchen Anteil hatte die Verwaltung des Generalgouvernements, und welchen Anteil hatten Sie selbst an der Niederschlagung dieses Aufstandes?


FRANK: Dieser Aufstand brach los, als die sowjetrussischen Armeen bis etwa 30 km auf dem Ostufer der Weichsel an Warschau herangekommen waren. Es war eine Art kombiniertes Unternehmen und, wie mir scheint, auch ein nationalpolnisches Unternehmen insofern, als die Polen in diesem letzten Augenblick die Befreiung ihrer Hauptstadt aus eigener Kraft durchführen wollten und sie nicht den Sowjetrussen verdanken wollten. Es schwebte ihnen dabei etwa vor das Bild, wie auch in Paris im letzten Augenblick die Widerstandbewegung, noch vor dem Anrücken der Alliierten, die Befreiung herbeigeführt hatte. Das Unternehmen spielte sich ausschließlich in militärischem Rahmen ab. Als Oberkommandant der zur Bekämpfung des Aufstandes eingesetzten deutschen Truppen wurde, glaube ich, der SS-General von dem Bach-Zelewski eingesetzt. Die Zivilverwaltung hat also an diesen Kämpfen keinen Anteil. Der Anteil der Zivilverwaltung beginnt erst nach der Kapitulation des Generals Bor, als damals die fürchterlichsten Rachebefehle aus dem Reiche kamen. So wehte mir eines Tages ein Brief auf den Tisch, daß der Führer die Abführung der gesamten Bevölkerung in deutsche Konzentrationslager verfügt hätte. Es bedurfte eines dreiwöchigen Kampfes, den ich allerdings siegreich bestanden habe, um diesen Wahnsinn abzuwenden und um zu erreichen, daß die flüchtige Bevölkerung Warschaus, die an dem Aufstand selbst ja keinerlei Anteil hatte, im Generalgouvernement selbst verteilt werden konnte. Es ist bei diesem Aufstand leider auch der schwerste Schaden für die Stadt Warschau an sich entstanden. Alles das, was in einigen Jahren aufgebaut worden war, ist in diesen wenigen Wochen niedergebrannt. Im übrigen wird vielleicht der Staatssekretär Bühler zur Zeitersparnis besser in der Lage sein, zweckmäßig über die Details zu berichten.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Es wird Ihnen auch zum Vorwurf gemacht, das kulturelle Leben der Bevölkerung des Generalgouvernements unterdrückt zu haben, insbesondere in Bezug auf Theater, Rundfunk, Film und so weiter. Was haben Sie dazu zu sagen?


[29] FRANK: Das Bild des Generalgouvernements bot etwa das eines besetzten Landes. Wir brauchen von diesem Saal nicht weit ins Land zu schauen, um zu sehen, wie ein besetztes Land kulturell lebt. Wir hatten einen Rundfunk in polnischer Sprache, geleitet von Deutschen; wir hatten eine polnischsprachige Presse, beaufsichtigt von Deutschen, und wir hatten ein polnisches Schulwesen, Bürger- und Volksschulen, in denen am Schluß 80000 Lehrer im Dienste des Generalgouvernements Unterricht erteilten. Die polnischen Theater wurden, soweit möglich, in den Großstädten wieder eröffnet. Wo deutsche Theater eingeführt wurden, wurde gleichzeitig für ein polnisches Theater gesorgt; ja, es trat das groteske Bild ein, daß nach der im August 1944 erfolgten Verkündung des sogenannten totalen Krieges in Krakau das deutsche Theater geschlossen wurde, weil alle deutschen Theater damals geschlossen wurden, die polnischen Theater aber weiter spielten. Ich selbst habe aus den bedeutendsten Musikern Polens, die ich 1939 fand, Professoren und Virtuosen, die Philharmonie des Generalgouvernements gegründet, die bis zum Schlusse bestand und einen wesentlichen Beitrag zum Kunstleben, auch für Polen, leistete. Ich habe ein Chopin-Museum in Krakau errichtet und habe dazu aus ganz Europa die letzten Gegenstände, die an Chopin erinnern, zusammengetragen. Ich glaube, das genügt hierzu.


DR. SEIDL: Sie bestreiten also, irgendwelche Maßnahmen getroffen zu haben, die auf eine Ausrottung der polnischen und ukrainischen Kultur gerichtet waren?


FRANK: Kulturen kann man überhaupt nicht ausrotten, Maßnahmen, die dahingehend getroffen würden, wären unsinnig.


DR. SEIDL: Ist es richtig, soweit es überhaupt in Ihrer Macht stand, daß Sie alles getan haben, um Seuchen zu verhüten und um den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu bessern?


FRANK: Das wird im einzelnen der Staatssekretär Bühler bestätigen. Es geschah das Menschenmöglichste.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Die Anklage hat unter USSR-223 einen Tagebuchauszug vorgelegt, und zwar handelt es sich um den Bericht über die Polizeisitzung vom 30. Mai 1940. Hier heißt es auf Seite 33 bis 38 wie folgt:...


FRANK: Sie brauchen das nicht vorlesen, wenn es das Gericht nicht befiehlt.


DR. SEIDL: Ich will Ihnen nur einen Satz vorlesen; er bezieht sich auf die Krakauer Professoren, die Sie damals...


FRANK: Die Krakauer Professoren, darf ich das gleich sagen?


DR. SEIDL: Jawohl.


FRANK: Am 7. November 1939 bin ich nach Krakau gekommen Am 5. November 1939, vor meiner Ankunft, hat die SS und Polizei [30] die Krakauer Professoren, wie ich nachher noch festgestellt habe, zu einer Sitzung zusammenberufen und hat daraufhin die Männer, darunter würdige Greise, verhaftet und in irgendein Konzentrationslager gebracht; ich glaube, es war Oranienburg. Diese Meldung fand ich vor. Allem gegenüber, was allenfalls an Worten in meinem Tagebuch steht, möchte ich hier unter Eid betonen: daß ich keine Ruhe gegeben habe, bevor nicht der letzte dieser Professoren, den ich noch erreichen konnte, im März 1940 wieder befreit worden war.

Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.

DR. SEIDL: Diese gleiche Polizeisitzung vom 30. Mai 1940 beschäftigt sich auch mit der sogenannten »AB-Aktion«, also mit der Außerordentlichen Befriedungs-Aktion. Bevor ich eine darauf bezügliche Frage an Sie richte, möchte ich Ihnen zwei kurze Tagebucheinträge vorlesen. Der eine bezieht sich auf eine Eintragung vom 16. Mai 1940. Sie haben nach Schilderung der außerordentlichen und stark angespannten Lage folgendes erklärt: daß zunächst einmal eine Befriedungsaktion einsetzen muß, und haben dann, ich zitiere es wörtlich, folgendes gesagt:

»Jede willkürliche Aktion ist aufs strengste zu verhindern. Bei allem Vorgehen hat immer der Gesichtspunkt des notwendigen Schutzes der Autorität des Führers und des Reiches im Vordergrund zu stehen.«

Ich lasse einige Sätze aus und zitiere den Schluß:

»Im übrigen ist die Aktion zunächst bis zum 15. Juni 1940 befristet.«

Am 12. Juli hat eine Besprechung stattgefunden, und zwar mit Ministerialrat Wille, dem Leiter der Hauptabteilung Justiz, und hier haben Sie wörtlich erklärt:

»Über die Frage, was mit den im Rahmen der AB- Aktion erfaßten politischen Verbrechern zu geschehen hat, soll demnächst eine Besprechung mit Staatssekretär Dr. Bühler, Obergruppenführer Krüger, Brigadeführer Streckenbach und Ministerialrat Wille stattfinden.«

Was ist nun eigentlich im Rahmen dieser AB-Aktion tatsächlich geschehen?

FRANK: Ja, ich kann hier nicht mehr und weniger sagen, als was das Tagebuch beinhaltet. Die Situation war auf das äußerste angespannt. In jenen Monaten häuften sich die Attentate in erschreckender Weise. Die allgemeine Hetze der Welt gegen jeden Versuch, Ordnung in diesem Lande zu halten, durch Förderungen der Widerstandsbewegung, hatte ein außerordentliches Maß erreicht, und so kam es eben zu dieser allgemeinen, auch in dem besetzten, nicht zum Generalgouvernement geschlagenen Gebiet, ich glaube, vom Führer selbst angeordneten allgemeinen Befriedungsaktion.

[31] Mein Bemühen war, die Zahl und die Art in der Hand zu behalten, und das ist sicher geglückt. Im übrigen mache ich darauf aufmerksam, daß ich im Zusammenhang damit auch verfügt habe, daß ich von dem Gnadenrecht in jedem Einzelfall Gebrauch zu machen wünschte, und daß ich zu diesem Zwecke auch die Polizei- und SS-Urteile, die auf Erschießen lauteten, einem Gnadenausschuß vorgelegt wissen wollte, den ich im Zusammenhang damit gebildet habe.

Das wird auch aus dem Tagebuch hervorgehen.


DR. SEIDL: Es wird auch der Zeuge Bühler darüber etwas wissen.


FRANK: Trotzdem möchte ich sagen, daß die Methode, die damals eingeschlagen wurde, ein gewaltiger Fehler war.


DR. SEIDL: Herr Zeuge! Haben Sie jemals den von der Sicherheitspolizei und dem SD eingeführten Grundsatz der Sippenhaftung anerkannt?


FRANK: Nein. Ich habe im Gegenteil, wie mir die erste Meldung darüber kam, mich bei Reichsminister Lammers über diese merkwürdige Rechtsentwicklung schriftlich beschwert.


DR. SEIDL: Der erste Höhere SS- und Polizeiführer Ost war der SS-Obergruppenführer Krüger. Wann wurde dieser SS-Führer abberufen, und wie ist es zu seiner Abberufung gekommen?


FRANK: Das Verhältnis zwischen ihm und mir wurde einfach ein vollkommen unmögliches. Er wollte ein ganz eigenes SS- und Polizeiregime, und es war nicht anders mehr zu lösen, als daß er oder ich ging. Es ist dann im letzten Augenblick, glaube ich, geglückt, durch die Intervention von Kaltenbrunner, wenn ich mich noch erinnere, und von Bach-Zelewski, diesen merkwürdigen Menschen zu beseitigen.


DR. SEIDL: Von der Anklage wurde einmal nebenbei erwähnt, daß es sich hier mehr um einen persönlichen Machtkampf gehandelt habe. Oder ist es richtig, daß es sich hier um Meinungsverschiedenheiten in ganz grundsätzlichen Fragen gehandelt hat?


FRANK: Es war selbstverständlich ein Machtkampf. Ich wollte eine Macht aufrichten im Sinne meiner Memoranden an den Führer und mußte daher die Macht der Gewalt bekämpfen. Persönliche Gesichtspunkte scheiden hier völlig aus.


DR. SEIDL: Der Nachfolger des SS-Obergruppenführers Krüger war der SS-Obergruppenführer Koppe. War er in seinen grundsätzlichen Einstellungen anders als sein Vorgänger?


FRANK: Ja, ich hatte den absoluten Eindruck gehabt, und ich denke auch gerade an ihn, wenn ich sage, daß gerade auch in der SS hervorragend anständige und auch für das Recht empfängliche Menschen vorhanden waren.


[32] DR. SEIDL: Hat es im Generalgouvernement polnische und ukrainische Polizei gegeben?


FRANK: Ja. Es gab 25000 Mann polnische Sicherheits-, Kriminal- und Ordnungspolizei und es gab etwa 5000 Mann ukrainische Polizei. Auch die unterstanden natürlich dem deutschen Polizeiführer.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Ich komme nun zu einer der wichtigsten Fragen.

Sie haben im Jahre 1942 in Berlin, in Wien, in Heidelberg und in München große Reden gehalten zu einer großen Zuhörerschaft. Was war der Zweck dieser Reden und welche Folgen haben sich für Sie daraus ergeben?


FRANK: Die Reden liegen in ihrem Wortlaut fest. Es war der letzte Versuch, den ich gemacht habe, Adolf Hitler durch eine überwältigende Resonanz der deutschen Öffentlichkeit auf die Unsterblichkeit der Rechtsidee aufmerksam zu machen. Ich habe damals erklärt, daß ein Reich ohne Recht und ohne Menschlichkeit nicht mehr lange bestehen wird, und anderes in dieser Richtung mehr. Nachdem ich einige Tage auf Grund dieser Reden unter polizeilicher Sicherstellung war, in München, wurde ich meiner sämtlichen Parteiämter enthoben. Da es sich um einen innenpolitischen deutschen Vorgang handelte, der unter der Souveränität des Deutschen Reiches vor sich ging, erspare ich mir hier weitere Ausführungen.


DR. SEIDL: Ist es richtig, daß Sie im Zusammenhang damit neuerdings Ihren Rücktritt erklärt haben, und was haben Sie darauf für eine Antwort bekommen?


FRANK: Ja. Meinen Rücktritt habe ich ja sozusagen permanent erklärt. Daraufhin wurde dieselbe Antwort erteilt: Aus außenpolitischen Gründen könnte ich jetzt nicht entlassen werden.


DR. SEIDL: Ich hatte zunächst vor, Herr Zeuge, Ihnen aus dem Tagebuch eine Reihe von Zitaten, die die Anklage vorgelegt hat, vorzuhalten. Mit Hinblick darauf, daß wahrscheinlich die Anklage im Kreuzverhör das ja von sich aus tun wird, verzichte ich im Interesse der Zeitersparnis darauf.

Ich habe zunächst keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.


VORSITZENDER: Wünscht einer der Verteidigungsanwälte Fragen zu stellen?

Wünscht die Anklagebehörde den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen?


OBERJUSTIZRAT L. N. SMIRNOW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Angeklagter! Ich möchte Ihre Rechtsstellung, das heißt die Stellung, die Sie im System des faschistischen Staates eingenommen haben, genauer festlegen. Sagen Sie mir bitte, wann [33] wurden Sie zum Generalgouverneur des besetzten Polens ernannt, und wem waren Sie direkt unterstellt?


FRANK: Das Datum ist der 26. Oktober 1939. Wenigstens trat an diesem Tage die Verordnung über den Generalgouverneur in Kraft.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Erinnern Sie sich, daß Sie auf Befehl Hitlers vom 12. Oktober 1939 direkt Hitler unterstellt waren?


FRANK: Ich habe den ersten Teil nicht gehört. Was war es?


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Erinnern Sie sich an den Befehl Hitlers über Ihre Ernennung zum Generalgouverneur des besetzten Polens? Er war vom 12. Oktober 1939.


FRANK: Dies Datum ist auf keinen Fall bedeutungsvoll, denn die Verordnung trat erst am 26. Oktober 1939 in Kraft. Es steht ja auch im Reichsgesetzblatt. Ich war vorher Oberverwaltungschef bei dem Militärbefehlshaber, General von Rundstedt. Ich habe das schon ausgeführt.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Nach Paragraph 3, Absatz 1 dieses Erlasses wurden Sie Hitler direkt unterstellt.


FRANK: Was ist das für ein Befehl? Ich bitte, ihn mir zu zeigen. Die Verwaltungschefs in den besetzten Ostgebieten unterstanden durchwegs dem Führer direkt. Ja, ich darf zur Aufklärung sagen, im Paragraph 3 heißt es:

»Der Generalgouverneur untersteht mir unmittelbar.«

Aber im Paragraph 9 dieses Erlasses steht:

»Dieser Erlaß tritt in Kraft, sobald und soweit ich den dem Oberbefehlshaber des Heeres erteilten Auftrag zur Ausübung der Militärverwaltung zurückziehe.«

Und diese Zurückziehung, also die Inkrafttretung dieses Erlasses, erfolgte mit Wirkung vom 26. Oktober.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bin damit vollständig einverstanden; aus diesem Grunde gibt es auch eine Anweisung in dem Buch, an das Sie sich offensichtlich erinnern. Es ist das Buch »W«. Erinnern Sie sich des Buches des Generalgouvernements?

FRANK: Das steht ja in der Verordnung sicher drin.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gut. Wem waren Sie direkt unterstellt als dieser Befehl in Kraft trat?


FRANK: Was soll ich da lesen? Da sind verschiedene Eintragungen. Was wünschen Sie? Zu was soll ich Stellung nehmen?


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es sagt, daß dieser Befehl am 26. Oktober in Kraft getreten ist. Als nun dieser Befehl in Kraft getreten ist, wem waren Sie unterstellt? Wurde noch ein anderer Befehl Hitlers herausgegeben oder nicht?


[34] FRANK: Ja, es gibt nur eine grundlegende Verordnung über den Generalgouverneur. Das ist diese.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sehr richtig. Andere Anweisungen gab es nicht?


FRANK: Es gibt schon noch welche, zum Beispiel die...


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das verstehe ich. Aber gab es nicht noch einen Befehl, der das Verwaltungssystem festlegte?


FRANK: Darf ich darauf verweisen, daß das am besten zu lesen ist auf Seite A-100 in Ihrem Buch. Dort ist nämlich der Erlaß des Führers wortwörtlich abgedruckt.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sehr richtig.


FRANK: Da heißt es im Paragraph 9: »Der Erlaß tritt in Kraft...«, und das Datum war der 26. Oktober.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vollkommen richtig. Nach dem 26. Oktober waren Sie als Generalgouverneur Hitler direkt unterstellt?


FRANK: Jawohl.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sagen Sie mir bitte, vielleicht erinnern Sie sich noch daran, wann und von wem Sie zum Bevollmächtigten für die Durchführung des Vierjahresplans im besetzten Polen ernannt wurden?


FRANK: Von Göring.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Infolgedessen waren Sie der Bevollmächtigte Görings für die Durchführung des Vierjahresplans in Polen?


FRANK: Die Geschichte dieser Betreuung ist sehr kurz erzählt. Das Vorgehen von manchem Beauftragten des Vierjahresplans im Generalgouvernement war so, daß es mir größte Sorge bereitete. Deshalb habe ich mich damals an den Reichsmarschall gewandt und ihn gebeten, er möchte mich doch zum Beauftragten ernennen. Das war später, im Januar...


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Nein, es war im Dezember.


FRANK: Ja, also später, nach dieser Verordnung.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das heißt, daß Sie seit Dezember 1939 der Bevollmächtigte Görings für den Vierjahresplan waren?


FRANK: Von Göring? Ich war Bevollmächtigter des Vierjahresplans.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht erinnern Sie sich noch, daß im Oktober 1939 eine Verordnung über den Aufbau der Verwaltung im Generalgouvernement erlassen wurde?


FRANK: Ja, die sind ja hier drin.


[35] OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht erinnern Sie sich noch an Paragraph 3 dieser Verordnung?


FRANK: Ja.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Dort heißt es:

»Der Geschäftsbereich des Staatssekretärs für das Sicherheitswesen wird durch den Generalgouverneur im Einvernehmen mit dem Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei festgelegt.«

Beweist dieser Paragraph 3 nicht, daß Sie vom ersten Tage an, als Sie Generalgouverneur wurden, die Führung der Polizei und der SS übernahmen und damit auch die Verantwortung für ihre Handlungen?

FRANK: Nein. Die Frage beantworte ich glatt mit Nein, und ich möchte nun dazu eine Ausführung machen. Es gibt einen...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Angeklagter! Mich interessiert nicht, wie man es anders auslegen kann?


VORSITZENDER: Lassen Sie ihn seine Erklärung geben.

Angeklagter! Sie können Ihre Erklärung geben.


FRANK: Ich möchte eine ganz kurze Erklärung abgeben. Es gibt einen alten Rechtsgrundsatz, der heißt, daß niemand mehr Recht übertragen kann, als er hat. Das, was ich hier aufgestellt habe, das war das Idealbild, wie es mir vorschwebte und wie es hätte sein müssen. Und jeder muß bestätigen, daß das auch natürlich und logisch ist, daß die Polizei dem Verwaltungschef unterstellt ist. Der Führer, der allein darüber hätte entscheiden können, der hat diese Verordnung nicht erlassen. Ich habe aber nicht die Kraft gehabt und die Macht, diese Verordnung, die ich in schönen Worten aufgestellt habe, in die Tat umzusetzen. Das ist das, was ich dazu sagen wollte.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wenn ich Sie richtig verstehe, war dieser Paragraph 3 ein Ideal, dem Sie zustrebten, das Sie aber nicht erreichten. Ist das richtig?


FRANK: Ich bitte um Entschuldigung, aber es war nicht zu verstehen. Langsamer, es war sehr schlecht.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Soll ich die Frage wiederholen?


VORSITZENDER: Jawohl.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich habe Sie folgendes gefragt: Ihre Aussage kann in folgender Weise aufgefaßt werden: Paragraph 3 dieser Verordnung war ein Ideal, dem Sie zustrebten, das Sie aber, wie Sie erklären, nicht erreichen konnten. Ist das richtig?

FRANK: Das ich nicht erreichen konnte, was ja schon bewiesen wird durch die Notwendigkeit, daß später das sogenannte eigene [36] Staatssekretariat für das Sicherheitswesen als letzter Ausweg versucht wurde.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht erinnern Sie sich, daß im April 1942 besondere Verhandlungen zwischen Ihnen und Himmler stattfanden?


FRANK: Ja, sicher. Ich weiß nicht, worauf Sie sich stützen. Ich kann das Datum aus dem Kopf nicht sagen. Es war immer mein Versuch...


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Zur Bestätigung dieser Tatsache wende ich mich Ihrem Tagebuch zu. Vielleicht erinnern Sie sich noch, daß als Ergebnis dieser Verhandlungen eine Vereinbarung zwischen Ihnen und Himmler erzielt wurde?


FRANK: Ja, eine Vereinbarung ist zustandegekommen.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Um Sie an diese Umstände zu erinnern, möchte ich Ihnen diesen Band Ihres Tagebuches vorlegen, damit Sie den Text vor Augen haben.


FRANK: Was ist das? Ja bitte, ich bin bereit.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, sich den Paragraphen 2 dieser Vereinbarung anzusehen. Es ist ein kurzer Absatz, und es heißt dort...


VORSITZENDER: Wo können wir das finden? Steht es unter dem 21. April 1942?


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sehr richtig, 21. April 1942. Ja, das ist ganz richtig.


VORSITZENDER: Ich glaube, wir haben es.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es ist Dokument USSR-223. Es ist ins Englische übersetzt worden und wir werden es sofort übergeben.


VORSITZENDER: Ich glaube, wir haben es jetzt. Wir versuchen nur, die Stelle zu finden.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es ist auf Seite 18 des englischen Textes.


VORSITZENDER: Jawohl, fahren Sie fort.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, sich den Inhalt dieses Paragraphen ins Gedächtnis zurückzurufen. Hier steht:

»Der Höhere SS- und Polizeiführer (Staatssekretär) untersteht unmittelbar und direkt dem Generalgouverneur, im Falle von dessen Behinderung dessen Stellvertreter.«

Beweist das nicht, daß Himmler mit Ihrem sogenannten Ideal, daß die Polizei Ihnen unterstellt werden soll, einverstanden war?

FRANK: Sicher. Ich war an dem Tage einigermaßen zufrieden. Aber schon nach wenigen Tagen war das alles wieder in die Luft [37] gesprengt. Ich kann auch hierzu nur sagen, daß diese Bemühungen von mir fortgesetzt wurden, aber leider niemals in die Tat umgesetzt werden konnten. Es heißt schon hier im Paragraph 3, wenn Sie weiterlesen wollen, daß der Reichsführer-SS, entsprechend dem kommenden Führererlaß, dem Staatssekretär unmittelbar Weisungen erteilen kann; also schon hier hat sich Himmler wieder das Recht vorbehalten, dem Krüger unmittelbar Weisungen zu erteilen. Und dann kommt das mit dem Einvernehmen...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das ist richtig. Ich bitte Sie aber, sich dem folgenden Teil des Dokuments zuzuwenden.


FRANK: Darf ich dazu aber sagen, daß diese Vereinbarung an sich nicht in Kraft getreten ist, sondern in der Form eines Führererlasses im Reichsgesetzblatt verkündet wurde, im Reichsgesetzblatt, ich weiß das Datum leider nicht auswendig. Es ist der Erlaß über die Regelung des Sicherheitswesens im Generalgouvernement, und dessen Wortlaut ist allein maßgebend. Hier heißt es ja auch: »Der kommende Führererlaß...«. Diese Vereinbarung war sozusagen eine schriftliche Fixierung dessen, was dann im Führerer laß stehen sollte.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich wollte gerade dazu übergehen. Sie geben doch zu, daß diese Verfügung beinahe wörtlich dem Führererlaß entspricht?


FRANK: Ich kann das unter Eid hier nicht sagen; dann müßten Sie mir den Wortlaut des Führererlasses liebenswürdigerweise geben.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gut.

Zufällig befindet sich dieser Erlaß in Ihrem Dokumentenbuch, Herr Vorsitzender!


FRANK: Es scheint mir, daß das Wesentlichste aus dieser Vereinbarung in diesen Erlaß übernommen worden ist, allerdings mit gewissen Abänderungen.

Jetzt hat man mir das Buch wieder weggenommen, jetzt kann ich es wieder nicht mehr vergleichen.


VORSITZENDER: Wir werden Ihnen das Buch geben.


FRANK: Und zwar sehr wichtige Änderungen sind da leider eingetreten.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, sich den Paragraphen 3 des Erlasses Hitlers vom 7. Mai 1942 anzusehen, in dem es heißt:

»Der Staatssekretär für das Sicherheitswesen untersteht dem Generalgouverneur unmittelbar.«

Wird damit nicht die Tatsache bestätigt, daß die Polizei im Generalgouvernement Ihnen direkt unterstellt war?

[38] Es ist im Paragraph 3 dieses Erlasses enthalten.

FRANK: Ich möchte dazu sagen, daß dies nicht so ist. Die Polizei unterstand mir auch durch diesen Erlaß nicht, sondern nur der Staatssekretär für das Sicherheitswesen. Es heißt hier nicht, die Polizei untersteht dem Generalgouverneur, sondern nur der Staatssekretär für das Sicherheitswesen untersteht ihm. Wenn Sie den weiteren Paragraphen 4 lesen, dann kommen Sie sofort wieder auf die Schwierigkeiten. Hier wurde der Erlaß Adolf Hitlers in meiner Abwesenheit natürlich gefertigt. Ich wurde nicht vor Adolf Hitler zitiert, sonst hätte ich dagegen protestiert; aber es ist ja dann auch sowieso unpraktisch geworden.

Paragraph 4 lautet, daß der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei dem Staatssekretär für das Sicherheitswesen auf dem Gebiet des Sicherheitswesens und der Festigung deutschen Volkstums unmittelbar Weisungen erteilt hat. Wenn Sie damit die ursprüngliche Übereinkunft vergleichen, die also vorher im Tagebuch steht, so werden Sie finden, daß hier der Führer von einem der wichtigsten Gebiete abgegangen ist, nämlich von dem des Kommissars für die Festigung des deutschen Volkstums. Unter diesem Titel faßt man nämlich die Siedlungsfragen und die Juden fragen zusammen.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich glaube, Angeklagter, Sie haben nur einen Gesichtspunkt der Frage betrachtet und den Erlaß etwas einseitig zitiert. Darf ich Sie an Paragraph 4 dieses Erlasses erinnern. Punkt 2 lautet wie folgt:

»Der Staatssekretär« – es ist die Rede von Krüger – »stellt vor dem Vollzug von Weisungen des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei das Einvernehmen des Generalgouverneurs fest.«

Paragraph 5 dieses Erlasses von Hitler sagt:

»Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Generalgouverneur und dem Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei ist meine Entscheidung durch den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei einzuholen.«

In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Beweist das nicht, daß Ihnen bedeutende Rechte in der Leitung der Polizei und SS im Generalgouvernement eingeräumt wurden, das heißt, daß Sie auch die Verantwortung für die Handlungen dieser Organe hatten?

FRANK: Der Wortlaut des Erlasses bezeugt das. Aber die tatsächliche Entwicklung lief dem aufs schärfste zuwider. Ich glaube, daß wir dazu im einzelnen noch kommen werden. Ich behaupte also, daß auch dieser Versuch, einen gewissen Einfluß wenigstens auf die Polizei und SS zu bekommen, wieder mißlungen ist, auch mißlungen ist.

[39] OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gestatten Sie mir dann die Frage: Wer hat sich dann darum bemüht? Hier scheint es Hitler zu sein; er unterzeichnete ja diese Verordnung. War denn Krüger mächtiger als Hitler?


FRANK: Die Frage ist mir an sich nicht ganz verständlich Sie meinen, daß sich Krüger gegen den Erlaß des Führers vergangen hat? Selbstverständlich hat er das, und das hat auch mit der Stärke nichts zu tun, sondern das wurde schon als eine ungeheure Konzession an mich von Himmler betrachtet. Außerdem verweise ich da auf ein Memorandum, ich glaube vom Sommer 1942, also kurz nach Inkrafttreten des Führererlasses.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich will nun die folgende Frage an Sie richten.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich nunmehr.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 12, S. 7-41.
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