Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

[605] Ribbentrop nahm an einer Besprechung am 6. Juni 1944 teil, bei der beschlossen wurde, ein Programm einzuleiten, auf Grund dessen alliierte Flieger, die im Tiefflug angriffen, gelyncht werden sollten. Im Dezember 1944 wurde Ribbentrop von den Plänen zur Ermordung eines der in Kriegsgefangenschaft befindlichen französischen Generale in Kenntnis gesetzt und er wies seine Mitarbeiter an, Einzelheiten in der Weise auszuarbeiten, daß die Entdeckung des Planes durch die Schutzmacht verhindert werde. Ribbentrop ist auch wegen seiner sich auf die besetzten Länder und die Vasallenstaaten der Achse beziehenden Tätigkeit für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich. Der oberste deutsche Beamte sowohl in Dänemark als auch in Vichy-Frankreich, war ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, und Ribbentrop ist daher für die allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Methoden verantwortlich, die bei der Besetzung dieser Länder verwirklicht wurden. Er redete den Italienern dringend zu, sich in Jugoslawien und Griechenland einer rücksichtslosen Besatzungspolitik zu bedienen.

Er spielte bei Hitlers »Endlösung« des Judenproblems eine wichtige Rolle. Im September 1942 befahl er den bei verschiedenen [605] Vasallenstaaten der Achse akkreditierten diplomatischen Vertretern, die Deportation der Juden nach dem Osten zu beschleunigen. Im Juni 1942 verlangte der Deutsche Botschafter in Vichy von Laval die Auslieferung von 50000 Juden zur Deportation nach dem Osten. Am 25. Februar 1943 beschwerte sich Ribbentrop bei Mussolini über die Langsamkeit der Italiener bei der Deportation von Juden aus der italienischen Besatzungszone Frankreichs. Am 17. April 1943 nahm er an einer Besprechung zwischen Hitler und Horthy über die Deportation von Juden aus Ungarn teil, und teilte Horthy mit, daß »die Juden entweder vernichtet oder in ein Konzentrationslager gebracht werden müssen«. Im Verlauf dieser Besprechung hatte Hitler die Juden mit »Tuberkelbazillen« verglichen und erklärt, daß sie zu erschießen seien, wenn sie nicht arbeiteten.

Ribbentrops Verteidigung gegen die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen ist, daß Hitler alle wichtigen Entscheidungen selbst getroffen habe und daß er ein so großer Bewunderer und treuer Gefolgsmann Hitlers gewesen sei, daß er Hitlers wiederholte Versicherungen seines Friedenswillens oder die Wahrheit der von Hitler zur Erklärung seiner Angriffshandlungen angeführten Gründe nie bezweifelt habe. Der Gerichtshof hält diese Erklärung nicht für wahr. Ribbentrop nahm an allen Angriffshandlungen der Nazis von der Besetzung Österreichs bis zur Invasion der Sowjetunion teil. Obwohl er persönlich mehr mit der diplomatischen als der militärischen Seite dieser Aktionen befaßt war, war seine diplomatische Tätigkeit so eng mit dem Krieg verbunden, daß der aggressive Charakter der Taten Hitlers ihm nicht unbekannt bleiben konnte. Auch bei der Verwaltung der Gebiete, deren Kontrolle Deutschland durch widerrechtliche Invasion erworben hatte, unterstützte Ribbentrop die Durchführung verbrecherischer Pläne, insbesondere jene zur Ausrottung der Juden. Außerdem gibt es mehr als ausreichendes Beweismaterial, das Ribbentrops völlige Übereinstimmung mit allen führenden Lehren des Nationalsozialismus zeigt, und das beweist, daß seine Zusammenarbeit mit Hitler und mit anderen Angeklagten bei der Begehung von Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, und Ver brechen gegen die Menschlichkeit vorbehaltlos war. Ribbentrop hat Hitler so willig bis zum Schluß gedient, weil Hitlers Politik und Hitlers Pläne sich mit seinen eigenen deckten.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 22, S. 605-606.
Lizenz:
Kategorien: